Beschluss vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (1. Zivilkammer) - 1 T 138/09
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.330.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
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Mit Urkunden-Nr. … vom 12. August 2008 des Notars … in … veräußerte die Beteiligte zu 1. eine Vielzahl von Eigentumswohnungen an die Beteiligte zu 2.
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Unter Ziffer 2. des Kaufvertrages „Kaufpreis, Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung“ ist wie folgt vereinbart:
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2.1 Kaufpreis
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Der Kaufpreis beträgt EUR 6.5000.000 (in Worten: sechs Millionen fünfhunderttausend Euro)
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2.2 Kaufpreisfälligkeit
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2.2.1 Der Käufer zahlt den Kaufpreis, also EUR 6.500.000 (in Worten: sechs Millionen fünfhunderttausend Euro), bis zum 01.10.2008 - ersten Oktober dieses Jahres - auf das Notaranderkonto des beurkundenden Notars bei der
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Kreditinstitut: …
Konto Nummer: wird noch angegeben
Bankleitzahl: …
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Etwa gutgeschriebene Zinsen abzüglich der Zinsertragungsteuer stehen dem Verkäufer zu und sind bei Schließung des Notaranderkontos auszukehren, es sei denn der Vertrag wird rückabgewickelt.
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…
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Unter 2.5 „Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung“ heißt es wie folgt:
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Der Käufer unterwirft sich in Höhe des Kaufpreises der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen, wobei die Vollstreckung nur zu Gunsten des Notaranderkontos in Ziffer 2.2.1 erfolgen darf.
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Der Notar wird unwiderruflich angewiesen, dem Verkäufer eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erst zu erteilen, wenn der Verkäufer die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung schriftlich gegenüber dem Notar verlangt hat und (IIl) der Verkäufer dem Notar schriftlich bestätigt hat, dass die Kaufpreiszahlung innerhalb der vereinbarten jeweiligen Frist gemäß Ziffer 2.2.1 nicht erfolgt ist. Der Notar hat den Käufer von der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung unverzögerlich. schriftlich zu unterrichten.
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Mit Urkunde des vorgenannten Notars Nr. … vom 24. September 2008 errichteten die Beteiligten eine Nachtragsurkunde, in der unter II. vereinbart ist wie folgt:
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Die Vertragsbeteiligten ergänzen den Kaufvertrag um einen Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag und modifizieren in diesem Zusammenhang die in Ziffer 2 der Vorurkunde enthaltenen Vereinbarungen zum Kaufpreis, wie folgt:
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1. Zur Sicherung der Ansprüche des Käufers aus dem vorstehend erwähnten und gegenwärtiger Nachtragsurkunde als Anlage beigeschlossenen Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag ist der Käufer berechtigt, vom Kaufpreis von € 6.500.000,--, der insgesamt auf Notaranderkonto einzuzahlen ist, die Rückzahlung eines Teilbetrages von € 1.330.000,--, nach Maßgabe gesonderter Hinterlegungsanweisung an den Notar, zu verlangen.
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Die mitverlesene und beigefügte Anlage, auf die verwiesen wird, bildet einen Bestandteil dieser Urkunde.
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2. Der betreffende Kaufpreisteil von € 1.330.000,-- ist, sofern er nach Maßgabe von Ziffer 1 zurückgefordert ist, in zehn (10) Jahresraten zu je € 133.000,-- geschuldet und nach Maßgabe der Vereinbarungen in § 1 des in der Anlage enthaltenen Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrages zu zahlen, und zwar unmittelbar von Käufer an Verkäufer, insoweit erfolgt keine Abwicklung über Notaranderkonto.
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3. Zu Ziffer 12.2 der Vorurkunde wird klargestellt, dass der Notar die Eigentumsumschreibung veranlassen darf und soll, sobald der Kaufpreis in Höhe von 6.500.000 € auf Notaranderkonto hinterlegt ist, unbeschadet der vorstehenden Vereinbarung, nach welcher der Käufer berechtigt ist, die Rückzahlung eines Teilbetrags von 1.330.000 € zu verlangen.
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Aus dem weiter von der Verkäuferin vorgelegten Schriftverkehr ergibt sich, dass - wohl vor dem Hintergrund des geplanten Nachtragsvertrages - der ursprünglich bis zum 01. Oktober 2008 zu zahlende Kaufpreis gestundet worden war. Jedenfalls erfolgte die Zahlung des Gesamtbetrages von € 6.500.000,-- ausweislich des vorgelegten Auszugs des Notaranderkontos mit Wertstellung vom 15. Oktober 2008.
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Die Rückzahlung der € 1.330.000,-- vom notariellen Anderkonto erfolgte dann nach Maßgabe der Hinterlegungsanweisung der Beteiligten zu 2. vom 14. November 2008.
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Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11. Mai 2009 hat die Verkäuferin (Beteiligte zu 1.) ihren Rücktritt vom folgenden Nachtragsvertrag erklärt und die Zahlung des gesamten Betrags von € 1.330.000,-- bis 25. Mai 2009 begehrt. Die Käuferin (Beteiligte zu 2.) hat dem Rücktritt widersprochen und die Zahlung abgelehnt.
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Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Mai 2009 hat die Beteiligte zu 1. bei Notar … die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für den Betrag von € 1.330.000,-- beantragt.
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Mit Bescheid vom 16. Juni 2009 hat der Notar die Klauselerteilung versagt und zur Begründung ausgeführt, der Kaufpreis von € 6.500.000,-- sei vollständig auf das Notaranderkonto hinterlegt und anschließend weisungsgemäß ausgezahlt worden; damit sei der Vollstreckungstitel in Gestalt der Kaufvertragsurkunde Nr. … verbraucht.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 14. Juli 2009, mit der sie ihr Begehren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel weiter verfolgt, im wesentlichen mit der Begründung, der Kaufpreis sei in Höhe von € 1.330.000,-- noch nicht beglichen, insbesondere durch die Einzahlung von € 6.500.000,-- auf das Notaranderkonto noch nicht erfüllt, da Erfüllung nicht mit dem Eingang auf einem Notaranderkonto, sondern erst mit Eingang beim Berechtigten, hier der Beteiligten zu 1. eintrete, im Übrigen habe der Notar nur die formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zu prüfen, keine materiell-rechtlichen Fragen, die Gegenstand einer Vollstreckungsgegenklage sein müssten.
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Der Notar hat mit Schreiben vom 6.8.2009 unter erneuter Darlegung seiner Rechtsauffassung seine Entscheidung verteidigt.
II.
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Die Beschwerde ist gem. § 54 BeurKG, §§ 19 ff. FGG zulässig, führt in der Sache aber nicht zum Erfolg. Zu Recht hat der Notar die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung zu der Urkunde Nr. … abgelehnt.
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Zwar geht die Beteiligte zu 1. im Ansatz zutreffend davon aus, dass sich die Prüfungspflicht des Notars bei der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel auf das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Klauselerteilung beschränkt, materiell-rechtliche Fragen hingegen grundsätzlich von der Prüfung ausgenommen sind (st. Rspr. des BGH, vgl. zuletzt Rpfleger 2009, 465). Anerkanntermaßen besteht eine Ausnahme nur dann , wenn durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen oder für den Notar sonst offenkundig ist, dass der materielle Anspruch nicht (mehr) besteht (Bay. ObLG FG-Prax 2000, 41 u. FG-Prax 1998, 40; OLG Frankfurt am Main Mitteilung Rheinische Notarkammer 1997, 269; ständige Rechtsprechung der Kammer vgl. etwa Beschluss vom 12.1.2008 AZ: 1T 460/87).
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Ein solcher Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn der vom Schuldner zu zahlende Betrag laut notariellem Vertrag an den beurkundenden Notar zu zahlen war und sich aus dessen Unterlagen ergibt, dass er bezahlt worden ist (Bay. ObLG jeweils aaO mit weiteren Nachweisen). Dies folgt daraus, dass mit der Stellung des Notars als Organ der Rechtspflege nicht in Einklang zu bringen wäre, wenn er sehenden Auges eine Klausel zu einem Titel erteilt, dessen titulierter Anspruch nicht (mehr) besteht, mithin eine offenkundig unzulässige Zwangsvollstreckung ermöglicht werden würde.
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So liegt der Fall hier. Nach 2.2.1 des Kaufvertrages vom 12. August 2008 war der Kaufpreis seitens der Beteiligten zu 2. auf Notaranderkonto zu zahlen. Diese Zahlung des Gesamtkaufpreises von € 6.500.000,-- ist unstreitig erfolgt, laut Kontoauszug des Notaranderkontos mit Wertstellung vom 15. Oktober 2008. Wann in Fällen der Zahlung auf ein Notaranderkonto Erfüllung eintritt, ist für die hier zu entscheidenden Fragen unerheblich. Allein maßgeblich ist, dass die Beteiligte zu 2. als Käuferin ihren vertraglichen Verpflichtungen auf Zahlung des gesamten Kaufpreises auf das Anderkonto nachgekommen ist. Damit bestanden für den Notar offenkundig keine zur Vollstreckung anstehenden Ansprüche der Beteiligten zu 1. als Verkäuferin mehr.
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An diesem Ergebnis ändert die Rückzahlung an die Beteiligte zu 2. in Höhe von € 1.330,000,-- nichts. Diese Rückzahlung erfolgte aufgrund der Nachtragsvereinbarung vom 24. September 2008 (in Verbindung mit der Hinterlegungsanweisung vom 14.11.2008), die mit dem ursprünglichen Kaufvertrag nichts zu tun hat, sondern in Zusammenhang mit einem Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag steht, der nachträglich abgeschlossen worden ist. Dies ergibt sich eindeutig auch aus II 3 des Nachtragsvertrags, wo ausdrücklich festgehalten ist, dass die Eigentumsumschreibung nach Zahlung der 6.500.000 € zu veranlassen ist, ungeachtet der nachträglichen Reduzierung des Betrags durch die Rückzahlung; letztere soll also keine Auswirkung auf die einmal erfolgte Kaufpreiszahlung haben.
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In der Nachtragsurkunde wird nur vereinbart, dass von dem insgesamt auf das Notaranderkonto eingezahlten Kaufpreis von € 6.500.000,-- ein Teilbetrag in Höhe von € 1.330.000,-- nach Maßgabe der vorgenannten Hinterlegungsanweisung zurückzuzahlen ist. Wenn sich die Beteiligte zu 1. jetzt auf einen Rücktritt von diesem Vertrag beruft und die ausgezahlten € 1.330.000,-- sofort an sich zurückbezahlt haben will, handelt es sich insoweit nicht mehr um den ursprünglichen Kaufpreisanspruch der Beteiligten zu 1. bzw. die ursprüngliche Zahlungsverpflichtung der Beteiligten zu 2., sondern um einen neuen bereicherungsrechtlichen Anspruch, den die Beteiligte zu 1. auf der Grundlage des Rücktritts vom Nachtragsvertrag für sich in Anspruch nimmt. Für solche neuen Ansprüche gilt die Unterwerfungserklärung der Beteiligten zu 2. im Kaufvertrag nicht mehr; diese betrifft vielmehr nur den ursprünglichen Kaufpreisanspruch, der unstreitig auf das Anderkonto gezahlt worden ist. Die Unterwerfungserklärung ist damit verbraucht (vgl. Bay. ObLG FQ-Prax 1998, 40). I.Ü. kann der Anspruch auf Wiederzahlung der 1.330.000 € an den Verkäufer nur entstehen, wenn wirksam der Rücktritt vom Nachtragsvertrag erklärt worden ist; die Bet. zu 1) weist aber selbst zu Recht darauf hin, dass solche mat.-rechtl. Fragen im Klauselerteilungsverfahren nicht zu prüfen sind.
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Demnach durfte der Notar bei dem ihm bekannten Sachverhalt die begehrte Klausel nicht erteilen.
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Nach alledem ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
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Über eine Kostenerstattungsverpflichtung der Beteiligten zu 1. war nicht zu entscheiden, da die Beteiligte zu 2. am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt worden ist.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 31 Abs. 1 S. 1, 39 Abs. 1 S. 1 KostO (Bay. ObLG FG-Prax 2O00, 41).
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