Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (5. Zivilkammer) - 5 O 41/16

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist zu Ziff. 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines von dem sog. „VW-Abgasskandal" betroffenen PKW.

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Der als Verbraucher handelnde Kläger erwarb im Juli 2012 bei der Beklagten zu 1), einer Vertragshändlerin der Beklagten zu 2), einen PKW des Typs VW Passat CC Blue Motion 2.0 TDI 4Motion zum Preis von 32.690,00 €. Das Fahrzeug war am 08.06.2011 erstmals zugelassen worden und wies eine Laufleistung von seinerzeit 11.800 km auf. Der Kaufpreis wurde teilweise über die Beklagte zu 2 Bank GmbH finanziert und das Auto deshalb an die Bank sicherungsübereignet.

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Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 12.04.2016 an die Beklagte zu 1), wegen dessen näherem Inhalt auf die Anlage K 2 (Bl. 139 - 145 d.A.) Bezug genommen wird, erklärte der Kläger ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Beklagten zu 1) unter Bezugnahme auf die Mitteilung der US-Umweltbehörde EPA vom 18.09.2015, wonach die Beklagte zu 2) Abgastests zur Messung des Schadstoffausstoßes durch die Verwendung einer speziellen Software manipuliert habe, die Anfechtung des Kaufvertrages der Parteien wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise, für den Fall, dass die Anfechtung unwirksam sei, den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Unzumutbarkeit einer Nacherfüllung i.S.d. § 440 BGB und forderte zu dessen Rückabwicklung bis zum 26.04.2016 auf.

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Die Beklagte zu 1) antwortete darauf mit Schreiben vom 18.04.2016 wegen dessen näherem Inhalt auf die Anlage K 39 Bezug genommen wird. Eine Rücknahme des Fahrzeuges lehnte sie ab und verwies auf die von der Beklagten zu 2) geplanten technischen Maßnahmen zur „Behebung der Unregelmäßigkeiten". Im Sommer 2016 informierte sie den Kläger darüber, dass die von der Beklagten zu 2) entwickelte Software-Updatelösung, freigegeben vom Kraftfahrt-Bundesamt, zur Verfügung stehe. Tatsächlich hat das Kraftfahrt-Bundesamt mit Wirkung vom 21 .Juli 2016 die von der Beklagten zu 2) entwickelte technische Lösung für u.a. das Modell des Klägers freigegeben, die darin bestand, auf Kosten der Beklagten zu 2) in einer ihrer Vertragswerkstätten ein Software-Update im Fahrzeug zu installieren.

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Der Kläger ließ bisher diese Maßnahme an dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht durchführen.

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Vorliegend verlangt er die Feststellung, dass sich das Kaufvertragsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten zu 1) ihr durch seine Anfechtung und die Rücktrittserklärung in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt hat und die Feststellung, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des PKW im Annahmeverzug befindet. Ferner verlangt er in Bezug auf die Beklagte zu 2) die Feststellung, dass sie zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist. Daneben begeht er den Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten.

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Der Kläger bringt dazu im Wesentlichen vor,
vor Abschluss des Kaufvertrages mit der Beklagten zu 1) sei er auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen, das die Voraussetzungen für eine „grüne Plakette" erfülle, damit jederzeit auch Städte befahren werden könnten, die für ihre Umweltzonen eine grüne Umweltplakette erfordern. Aus diesem Grund habe er sich vor dem Kauf eingehend über Fahrzeuge informiert, die diese Anforderungen erfüllen, wobei seine Wahl schlussendlich auf den erworbenen PKW gefallen sei. Gerade der Umweltaspekt habe für ihn ein wichtiges Kaufargument dargestellt auch in Bezug auf den Wiederverkaufswert. Er sei bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht und somit zum Kauf veranlasst worden. Die Beklagte zu 1) müsse sich insoweit als Vertragshändlerin der Beklagten zu 2) deren falsche Angaben und Lügen zurechnen lassen. Zudem sei er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit Sachmängeln behaftet gewesen sei. Es weise weder die vereinbarte Beschaffenheit hinsichtlich der Einhaltung der Abgasnorm Euro 5 noch die zulassungsrelevante Gesetzeskonformität im Hinblick auf gesetzliche Schadstoffgrenzen auf und se im aktuellen Zustand nicht zulassungsfähig. Er habe vom Kaufvertrag auch ohne die im Gesetz vorgesehene Fristsetzung zu Mangelbeseitigung zurücktreten können. Eine Fristsetzung sei deshalb entbehrlich gewesen, weil es sich um einen unbehebbaren Mangel handle. Auf dem Markt werde, selbst wenn eine Nachbesserung durchgeführt werde, der PKW immer als manipuliertes Fahrzeug des VW-Konzerns angesehen. Außerdem sei die Nachbesserung unzumutbar, weil die begründete Befürchtung bestehe, das Fahrzeug werde weiterhin mangelhaft sein. Die Beklagte zu 2) sei ihm gegenüber schadensersatzpflichtig gem. §§ 823 Abs.2 BGB, 263 StGB. Sie habe auf sein Vorstellungsbild durch die Erstellung falscher Prospekte und Herstellerangaben eingewirkt.

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Der Kläger beantragt,

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1. Es wird festgestellt, dass sich das Kaufvertragsverhältnis zwischen der Klagepartei und der Beklagtenpartei zu 1) gemäß Kaufvertrag über den PKW VW Passat, FIN: WVW... durch die Rücktrittserklärung und durch Anfechtung der Klägerpartei in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt hat.

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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des im Klageantrag Ziffer 1 genannten PKW durch die Beklagtenpartei zu 2) resultieren.

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3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. Bezeichneten PKW im Annahmeverzug befindet.

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4. Die Beklagten werden verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.419,07 freizustellen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte zu 1) bringt dazu im Wesentlichen vor, der Klageantrag Ziff. 1 sei unzulässig, weil unklar sei, welches Rechtsverhältnis der Kläger festgestellt wissen wolle. Ihm fehle auch ein Rechtsschutzinteresse angesichts der bevorstehenden technischen Überarbeitung seines Fahrzeuges, die ihm zugemutet werden könne. Der Kläger sei nicht arglistig getäuscht worden. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass er vor Abschluss des Kaufvertrages auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen sei. Im Rahmen der Verhandlungen habe er dies jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht. Das Fahrzeug des Klägers sei nicht mangelbehaftet, da uneingeschränkt gebrauchstauglich, und das dafür vorgesehene Software-Update habe keine negativen Auswirkungen, weshalb er auch zum Rücktritt vom Vertrag nicht berechtigt gewesen sei. Über diese sei eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht entbehrlich gewesen.

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Die Beklagte zu 2) bringt im Wesentlichen vor,
das angerufene Gericht sei für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich unzuständig. Die Feststellungsklage sei wegen einer möglichen Leistungsklage unzulässig. Eine Vertrauenshaftung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung komme nicht in Betracht. In Bezug auf deliktische Ansprüche gegen sie fehle es schon an einer kausalen Täuschung des Klägers, und auch auf die Vorschriften des UWG könne sich der Kläger nicht berufen.

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Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.03.2017 (Bl. 2002 - 2006 d.A.) und zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist - auch in Bezug auf die Beklagte zu 2) - zwar zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

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Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

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Der Klageantrag Ziffer 1 ist zulässig, insbesondere liegt das gem. § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Da der Kläger aufgrund der gegenüber das streitgegenständliche Fahrzeug finanzierenden Bank vorgenommenen Sicherungsübereignung nicht zu dessen Rückübereignung in der Lage ist, kann ihm nicht zugemutet werden, dass er eine Klage auf Zug um Zug gerichtete Leistungsgewährung erhebt, weil er die Gegenleistung nicht erfüllen kann (so auch LG Ellwangen, Urteil vom 18.01.2017 - Az.: 5 O 291/16, vorgelegt als Anlage R 4 = Bl. 1744 - 1775 d.A.).

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Der Klageantrag Ziffer 2 ist zulässig, da der vom Kläger behauptete Schaden noch nicht abschließend beziffert werden kann.

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Das angerufene Gericht ist für die Entscheidung über die Klage auch hinsichtlich der Beklagten zu 2) örtlich zuständig gem. § 32 ZPO. Unter diese Bestimmung fallen - u.a. - die Tatbestände der §§ 823 - 826 BGB (vgl. dazu Zöller, ZPO, 31 .Aufl., Rdnr. 5 zu § 32). Zur Begründung der Zuständigkeit ist es erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt (BGHZ 124, 241). Dies hat der Kläger im Streitfall in Bezug auf die Beklagte zu 2) getan. Er behauptet einen Anspruch aus §§ 823 Abs.2 BGB, 263 StGB mit der Begründung, auf sein Vorstellungsbild sei von der Beklagten zu 2) durch Manipulation der Software und darauf basierend der Erstellung falscher Prospekte und Herstellerangaben eingewirkt worden. Die Angabe des Schadstoffausstoßes sei wahrheitswidrig gewesen, und infolge der Täuschungshandlung sei sein Gesamtvermögen deshalb gemindert worden, weil er aufgrund der verschwiegenen Manipulation keine gleichwertige Gegenleistung für den von ihm gezahlten Kaufpreis erhalten habe. Außerdem hält der Kläger den Einbau illegaler Abschaltsoftware durch die Beklagte für sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB, weil aus Profitgier vorgenommen.

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Damit ist eine unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2), begangen auch im hiesigen Gerichtsbezirk, in dem der Kläger das mit manipulierter Software ausgestattete Fahrzeug gekauft hat, von ihm schlüssig dargetan und das angerufene Gericht somit für die Entscheidung des Rechtsstreits insgesamt örtlich zuständig.

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Die Klage ist allerdings gegenüber beiden Beklagten unbegründet.

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In Bezug auf die Beklagte zu 1) gilt dabei:

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Der Kläger ist nicht gemäß §§ 437 Nr.2, 323 Abs.1 BGB wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten und hat diesen auch nicht wirksam angefochten, und er kann deshalb auch nicht die Feststellung verlangen, dass sich das Kaufvertragsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten zu 1) durch seine Rücktrittserklärung und durch Anfechtung in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt hat.

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Dabei kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig vom sog. VW-Abgasskandal betroffen ist, also mit einer Software ausgestattet ist, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb manipuliert und es die geltenden Abgasgrenzen deshalb nur scheinbar einhält, als Fahrzeugmangel anzusehen ist. Dies folgt im Grunde genommen schon daraus, dass das Fahrzeug auch nach dem Vorbringen der Beklagten einem SoftwareUpdate unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrtbundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren. Wenn es also dem Kläger nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeuges Folge zu leisten und dessen Zulassung zum Straßenverkehr damit zu erhalten, dann kann aus dem derzeitigen Fehlen des aufzuspielenden SoftwareUpdates auch auf die Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges des Klägers geschlossen werden (vgl. dazu LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016 - 8 O 208/15 - juris).

28

Ein wirksamer Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) scheitert daran, dass er der Beklagten vor seiner Rücktrittserklärung keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hatte.

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Gem. §§ 437 Nr.3, 323 Abs.1 BGB setzt der Rücktritt des Käufers wegen eines behebbaren Mangels voraus, dass der Mangel nicht nur erheblich ist (§ 323 Abs.4 S.2 BGB), sondern dass der Käufer dem Verkäufer vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.

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Eine derartige Fristsetzung war entgegen der Auffassung des Klägers nicht entbehrlich, weil die Beklagte den streitgegenständlichen Mangel arglistig verschwiegen hätte. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, die Beklagte zu 1) müsse sich ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 2) zurechnen lassen, kann dem nicht gefolgt werden. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine rechtlich selbständige Vertragshändlerin, die als solche Produkte aus dem VW-Konzern vertreibt, was aber nichts daran ändert, dass sie eine rechtlich selbständige Verkäuferin dieser Produkte, die sie nicht selbst hergestellt hat, ist. Eine Haftung des Vertragshändlers entsprechend § 31 BGB scheidet aus, da er nicht verfassungsmäßig berufener Vertreter des Herstellers - und umgekehrt ist. Im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller findet keine Wissenszurechnung entsprechend § 166 BGB statt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt vielmehr der Vorlieferant des Verkäufers nicht als dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer und ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft. Deshalb haftet der Verkäufer auch nicht dafür, dass sein Lieferant ein mit Mängeln behaftetes Produkt in den Verkehr bringt und dies arglistig verschweigt (vgl. dazu Frankenthal, a.a.O. m.w.N.).

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Etwas anderes kann nur gelten, wenn dies dem Verkäufer - im Streitfall also der Beklagten zu 1) - bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt oder zumindest erkennbar war, wofür allerdings nichts ersichtlich ist und was vom Kläger auch nicht behauptet wird.

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Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war im Streitfall auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beklagte innerhalb angemessener Frist den streitgegenständlichen Mangel ohnehin nicht hätte beheben können, weil erst im Lauf des Jahres 2016 das hierzu erforderliche Software-Update von der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellt werden sollte.

33

Allerdings ergibt sich aus der Wertung des § 440 BGB und dem Grundsatz, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen, die auf eine reine Förmelei hinauslaufen würden, zur Vorbereitung eines Gestaltungsrechts nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18.September 2014 - VII ZR 58/13 - , Rn 29, juris) sowie letztlich auch aus § 275 BGB, dass vom Käufer eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht verlangt werden kann, wenn von vornherein feststeht, dass der Verkäufer den Mangel innerhalb der gesetzten - angemessenen Frist nicht wird beseitigen können. Dies wäre im Streitfall etwa anzunehmen, wenn man dem Kläger entgegenhalten würde, er habe der Beklagten zu 1) vor der - hilfsweisen - Erklärung seines Rücktritts am 12.04.2016 noch eine Frist zur Nacherfüllung von jedenfalls 4 oder 6 Wochen setzen müssen, denn die Beklagte hätte ohnehin keine Möglichkeit gehabt, innerhalb einer solchen Frist das Software-Update aufzuspielen, da ihr diese seinerzeit nicht zur Verfügung stand sondern erst nach der Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt im Juli 2016.

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Eine Frist zur Mangelbeseitigung von 4 oder 6 Wochen wäre im Streitfall indes nicht angemessen gewesen im Sinn von § 323 Abs.1 BGB.

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Zwar beurteilt sich die Angemessenheit der Frist vorrangig nach dem Interesse des Käufers, der gerade bei Alltagsgeschäften die kurzfristige Reparatur oder den sofortigen Austausch der mangelhaften Sache beanspruchen kann. Dies ändert aber nichts daran, dass der Käufer dem Verkäufer die Zeit zugestehen muss, die dieser für die geforderte Art der Nacherfüllung bei objektiver Betrachtung benötigt, weshalb letztendlich die Frage der Angemessenheit der Frist nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden kann. Anders ausgedrückt bestimmt sich die Angemessenheit der Frist nach den Umständen des konkreten Vertrags, wobei die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind. Einerseits hat der Gläubiger ein Interesse an alsbaldiger Klarheit darüber, ob der Schuldner die Leistung erbringen wird; andererseits soll dem Schuldner die letzte Möglichkeit gegeben werden die Leistung tatsächlich noch zu erbringen. Die Frist muss daher so lang bemessen sein, dass der Schuldner in der Lage ist, die bereits begonnene Erfüllung zu beschleunigen und zu vollenden. Sie braucht jedoch nicht so lang zu sein, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, erst jetzt mit der Leistungsvorbereitung, z.B. der Beschaffung von Gattungssachen, zu beginnen (vgl. dazu LG Frankenthal, a.a.O. m.w.N.).

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Nach diesen Grundsätzen muss davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger zuzumuten gewesen wäre, der Beklagten zu 1) Gelegenheit zu Nachbesserung entsprechend dem von der Beklagten zu 2) bereits im Spätjahr 2015 öffentlich verkündeten Nachbesserungskonzept zu bieten. Dem klägerischen Schreiben vom 12.04.2016 ist zu entnehmen, dass ihm bekannt war, dass eine Nachbesserung beabsichtigt war, von der er allerdings annahm, sie werde „neue Mängel mit sich bringen" und werde „durch den VW-Konzern zur Verfügung" gestellt, der ihn „bereits einmal arglistig getäuscht" habe, weshalb er „keiner durch VW veranlassten Maßnahme" traue. Das „streitgegenständliche Auto" werde „unabhängig von einer Nachbesserung immer ein „Skandalauto" sein und einen merkantilen Minderwert aufweisen, der durch keine Nachbesserung beseitigt werden" könne.

37

Angesichts des Umstandes, dass die von dem „Skandal" betroffenen Fahrzeuge trotz der Abgasproblematik technisch sicher und fahrbereit waren und uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden konnten und auch gegenwärtig noch genutzt werden, wie es auch der Kläger ungeachtet der bislang von ihm verweigerten Nachrüstung mit seinem PKW tut, war es ihm nach Auffassung des Gerichts auch zuzumuten, es der Beklagten zu 1) zu ermöglichen, die vom VW-Konzern geplanten technischen Maßnahmen zunächst umzusetzen. Auch wenn diesbezüglich mit einem längeren Zeitraum zu rechnen war bis zur Umsetzung und dem Kläger als Käufer damit ein ungewöhnlich langes Zuwarten zugemutet wird, das deutlich über demjenigen liegt, das Käufer von Kraftfahrzeugen sonst hinnehmen müssen, ist entscheidend, dass der Kläger sein Fahrzeug uneingeschränkt nutzen konnte. Es war nämlich, abgesehen von seiner „Verwicklung" in den VW-Abgasskandal offenkundig völlig mangelfrei war und ohne die öffentlichen Diskussionen über den Skandal wäre der Kläger offenkundig nicht auf die Idee gekommen, von der Beklagten zu 2) Nacherfüllung zu verlangen oder über einen Rücktritt vom Kaufvertrag nachzudenken.

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Der Kläger kann ein objektives Interesse an einer sofortigen Loslösung vom Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) auch nicht dartun. Zum Zeitpunkt seines Rückabwicklungsbegehrens war er mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug nahezu vier Jahre lang offenbar beanstandungsfrei gefahren, und er hatte sich offensichtlich auch nicht mit der Absicht eines Verkaufs getragen, so dass ein wegen des „Skandals" möglicherweise zu erzielender geringerer Kaufpreis keine Rolle bei der Frage gespielt haben kann, ob ihm nur eine innerhalb kurzer Frist zu bewirkende Nacherfüllung zumutbar gewesen wäre.

39

Die Klage gegen die Beklagte zu 1) muss nach alledem erfolglos bleiben.

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Der Kläger kann von der Beklagten zu 2) auch keinen Schadensersatz verlangen.

41

Ein Anspruch gem. § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet aus.

42

Nach dem Ergebnis der informatorischen Anhörung des Klägers ist bereits äußerst zweifelhaft, ob er im Sinne des § 263 StGB getäuscht wurde. Seiner eigenen Darstellung zufolge wollte er ein optisch ansprechendes Fahrzeug mit üppiger Motorisierung, das einen guten Fahrkomfort bieten, im Kraftstoffverbrauch moderat sein und ihm Zugang zu allen Umweltzonen ermöglichen sollte. Demgegenüber hat entgegen seinem schriftsätzlichen Vorbringen offenkundig bei der Kaufentscheidung des Klägers die Umweltproblematik nur insoweit eine Rolle gespielt als das zu erwerbende Fahrzeug zu Umweltzonen zugangsberechtigt sein sollte, was unstreitig bei dem streitgegenständlichen PKW der Fall ist.

43

Hinzu kommt, dass eine Haftung der Beklagten zu 2) aufgrund der genannten Vorschriften schon deshalb ausscheidet, weil das Vorbringen des Klägers in Bezug auf eine Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes des § 263 StGB durch einen oder mehrere ihrer im Sinne von § 31 BGB verfassungsmäßig berufenen Vertreter nicht hinreichend substantiiert und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich ist. So reicht es nicht aus, wenn er vorbringt, „hochrangige Manager des Konzerns, die mehrere 10.000 Mitarbeiter zu überwachen hatten", hätten die fraglichen Manipulationen vorgenommen und insoweit im Interesse der Beklagten zu 2) gehandelt. Aus diesem Vortrag lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass es sich bei den hochrangigen Managern um Organe der Beklagten zu 2) gehandelt hätte.

44

Auch das in das Wissen des Zeugen Zeuge 1 gestellte Vorbringen des Klägers, die Ausführungen der Beklagten zu 2), ihr ehemaliger Vorstandsvorsitzender Zeuge 2 habe erst im September 2015 „von den Manipulationen" erfahren, sei falsch, weil der Zeuge bereits im Februar 2015 von dem israelischen Geheimdienst Mossad darüber informiert worden sei, dass dem Geheimdienst ein Schreiben der Behörden aus den USA an Zeuge 2 vorliege, in dem er über den Betrug informiert worden sei, hilft dem Kläger nicht weiter.

45

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Verwirklichung des Betrugstatbestandes durch Organe der Beklagten zu 2) in Bezug auf den Kläger ist der Zeitpunkt des Kaufs des streitgegenständlichen PKW, und dieser fand bereits im Juli 2012 statt. Dass die gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 2) seinerzeit die subjektiven Voraussetzungen des Betruges erfüllt hätten, behauptet der Kläger aber selbst nicht.

46

Aus den vorstehend aufgeführten Gründen scheidet auch eine Haftung der Beklagten zu 2) aus § 823 Abs.2 BGB i.V. m. § 16 UWG bzw. § 4 Nr.11 UWG a.F. aus.

47

Ein Anspruch des Klägers gem. § 826 BGB gegen die Beklagte zu 2) ist nicht gegeben, weil ihr Verhalten nicht als sittenwidrig einzustufen ist.

48

Das erkennende Gericht folgt insoweit der umfangreich und überzeugend begründeten Auffassung des Landgerichts Ellwangen in seinem Urteil vom 18.01.2017 (a.a.O.), der auch das Landgericht Braunschweig in seinem Urteil vom 16.02.2017, Az.: 8 O 628/16; Anlage R 7 = Bl. 1795 - 1802 d.A.) gefolgt ist und schließt sich den Erwägungen der genannten Gerichte an, wonach ein Verstoß gegen Art. Nr. 10, 5 Abs.2 EUVO 715/2007 - nach dieser Verordnung ist unter bestimmten Voraussetzungen die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkungen von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig - , zwar gesetzeswidrig aber nicht besonders verwerflich ist und der Einbau und das Verschweigen der - unterstellt - unzulässigen Abschalteinrichtung kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) darstellt.

49

Nach alledem schuldet die Beklagte zu 2) dem Kläger keinen Schadensersatz, so dass sein Feststellungantrag erfolglos bleiben muss.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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