Beschluss vom Landgericht Freiburg - 5 O 89/16

Tenor

1. Das Landgericht Freiburg im Breisgau erklärt sich für örtlich unzuständig.

2. Der Rechtsstreit wird auf Antrag der Kläger an das Landgericht Hannover verwiesen.

Gründe

 
I.
Die Kläger erstreben die Feststellung,
dass sie der im Bezirk des Landgerichts Hannover ansässigen Beklagten aus dem Darlehensvertrag mit der Nummer ... nach erfolgtem Widerruf vom 23.10.2014 zum 01.03.2015 lediglich noch einen Betrag in Höhe von 94.513,08 EUR schulden.
Außerdem begehren sie Ersatz ihrer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
II.
Das Landgericht Freiburg ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt örtlich zuständig, weshalb das Verfahren auf den Hilfsantrag der Kläger vom 25.04.2016 (AS 27) und vom 10.10.2016 (AS 177) gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das nach § 17 Abs. 1 ZPO zuständige Landgericht Hannover zu verweisen ist.
1. Dies gilt zunächst für den Feststellungsantrag zu Ziff. 1.
a) Es sind insbesondere keine Umstände ersichtlich, die eine örtliche Zuständigkeit des Landgericht Freiburgs gemäß § 29 ZPO begründen würden.
Die Regelung des § 29 Abs. 1 ZPO gilt auch für die hier maßgebliche Frage nach dem Bestehen bestimmter Pflichten aus einem Rückgewährschuldverhältnis (vgl. nur Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 29 Rdnr. 5).
Entscheidend für die örtliche Zuständigkeit ist demnach, welche Verpflichtung als streitig im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO anzusehen ist und welches ihr Erfüllungsort ist.
aa) Streitig im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO sind vorliegend die auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB sowie Ersatz der vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gerichteten Verpflichtungen der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis.
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Ausgehend von dem Umstand, dass - entgegen der offenbar der Klageschrift zugrundliegenden Annahme - nach dem Widerruf der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung durch den Darlehensnehmer eine automatische Saldierung der wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nicht stattfindet (BGH, NJW 2016, 2428), ist zur Bestimmung des für die örtliche Zuständigkeit maßgeblichen Erfüllungsorts auf die jeweils konkret in Rede stehende(n) Verpflichtung(en) aus dem Rückgewährschuldverhältnis abzustellen und nicht etwa - wie es der klägerische Antrag darüber hinaus nahe legen könnte - auf den ursprünglichen Darlehensvertrag oder das Rückgewährschuldverhältnis im Ganzen (vgl. nur LG Freiburg, BKR 2016, 289 m. w. N).
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Sodann sind von den verschiedenen wechselseitigen Ansprüchen aus dem Rückgewährschuldverhältnis hier im Folgenden allein die Ansprüche maßgeblich, derer die Kläger sich berühmen.
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Begehrt der klagende Verbraucher die Feststellung, der Darlehensvertrag sei "beendet" bzw. habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, sind die Leistungen maßgeblich, die der Kläger gemäß §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint (vgl. LG Freiburg, a.a.O.).
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Dies ist nach Auffassung der Kammer auf die hier gegebene Konstellation übertragbar.
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Im Rahmen einer negativen Feststellungsklage ist der Erfüllungsort i. S. d. § 29 ZPO nach herrschender Auffassung zwar grundsätzlich der Ort, an dem der Kläger im Falle des Bestehens des Vertrages seine Leistung zu erfüllen hätte (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 29 Rdnr. 25; Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 29 Rdnr. 31 m. w. N.).
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Hiervon ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung indes nicht ausnahmslos auszugehen. So hatte der Bundesgerichtshof (NJW 2002, 2029) über einen Rechtsstreit zu befinden, in welchem die Darlehensnehmer als Kläger nach einem durch sie erklärten Widerruf von der kreditgewährenden Bank die Rückerstattung erbrachter Zinsleistungen und entstandener Aufwendungen sowie die Feststellung begehrten, dass der Bank aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustünden. Der Sache nach ging es primär um die Frage, ob die Gerichtsstandsregelung des § 7 Abs. 1 HWiG a. F. Anwendung findet, obwohl der streitgegenständliche Realkreditvertrag i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG a. F. zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts i. S. d. § 1 Abs. 1 HWiG a. F. erfüllte. Der Bundesgerichtshof hat dies aber nicht nur verneint, sondern darüber hinaus entschieden, dass sich die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Instanzgerichts am Wohnsitz der Kläger auch nicht aus anderen Vorschriften, also auch für die negative Feststellungsklage nicht aus § 29 ZPO ergibt (so für den Widerruf eines Verbraucherdarlehens auch LG Darmstadt, Beschl. v. 15.10.2015 - 4 O 138/15, n. v.; LG Koblenz, Beschl. v. 25.9.2015 - 3 O 345/15, n.v.).
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So ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls dann, wenn in einem Aufrechnungsverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des klagenden Verbrauchers der gegen ihn selbst gerichtete Anspruch der beklagten Bank an sich unstreitig ist und nur die Höhe seiner eigenen zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung im Streit steht, auch nur diese Gegenforderung als streitige Verpflichtung i.S.v. § 29 Abs. 1 ZPO anzusehen (so auch LG Ulm, Beschl. vom 16.07.2015 - 4 O 126/15, n.v.; LG München II, Beschl. v. 22.02.2016 - 11 O 2247/15 n.v.).
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Hier hat der Kläger zu Ziff. 1 bereits mit dem Widerrufsschreiben erklärt, er werde seiner Pflicht zur Rückzahlung der Darlehensvaluta „nach Anerkennung der Kündigung“ durch die Beklagte nachkommen (s. Anlage K2). Dementsprechend stehen die Kläger auch „bezüglich der Frage nach dem Annahmeverzug“ auf dem Standpunkt, sie „hätten die Darlehensvaluta schon längst (…) ablösen können“ (AS 149). Streitig sind aus der maßgeblichen Sicht der ihrerseits leistungsbereiten Kläger demnach nicht die eigenen Zahlungsverpflichtungen, sondern nur die zur Aufrechnung gestellten Verpflichtungen der Beklagten.
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bb) Bei den danach maßgeblichen Aufrechnungsforderungen handelt es sich um Geldschulden, die gemäß § 270 Abs. 4 BGB grundsätzlich am Sitz des Darlehensgebers zu erfüllen sind. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt werden kann und muss, dass die Vertragsparteien einen anderen, insbesondere einen Ort gemeinsamer Leistungserbringung, bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen Leistungsort ergeben (vgl. BGH, NJW 2004, 54, 55; NJW-RR 2005, 581, 582).
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Beides ist hier nicht der Fall. Insbesondere ist bei einem Darlehensvertrag nicht per se von einem einheitlichen Erfüllungsort auszugehen, wonach sämtliche Ansprüche am Wohnsitz des Darlehensnehmers zu erfüllen wären (dazu ausführlich LG Freiburg, a.a.O.).
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b) Des Weiteren ergibt sich eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Freiburg nicht aus § 29c ZPO. Nach dieser Vorschrift ist für Klagen aus Haustürgeschäften das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Verbraucher zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat.
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Voraussetzung hierfür wäre eine Klage aus einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag (§ 312b BGB). Ein solcher liegt jedoch bereits mangels persönlichen Kontakts zwischen den Vertragsparteien nicht vor. Auch die Kommunikation über Fernkommunikationsmittel - wie offenbar im Streitfall - genügt hierfür nicht (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 312b Rdnr. 4).
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c) Ein Gerichtsstand lässt sich auch nicht aus § 21 ZPO begründen. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte eine Niederlassung im hiesigen Gerichtssprengel unterhielte, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden und dass die Klage zu dem Geschäftsbetrieb der Niederlassung einen Bezug hat. Beides ist nicht vorgetragen.
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d) Eine Zuständigkeit des Landgerichts Freiburg ergibt sich schließlich auch nicht nach dem allgemeinen Gerichtsstands des Klägers.
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Nach einer in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung kann eine negative Feststellungsklage auch im allgemeinen Gerichtsstand des Klägers erhoben werden (vgl. etwa Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 12 Rdnr. 4; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 256 Rdnr. 73; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 256 Rdnr. 2).
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Nach der Gegenauffassung bildet der Klägerwohnsitz als solcher keinen Gerichtsstand für die negative Feststellungsklage, weil es hierfür im Gesetz keine Grundlage gibt (so auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.01.2010 - 9 U 191/09, n.v.; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.12.2009 - 4 U 156/09 n.v.; LG Darmstadt, Beschl. v. 15.10.2015 - 4 O 138/15, n.v.; LG Koblenz, Beschl. v. 25.9.2015 - 3 O 345/15, n.v.; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 256 Rdnr. 36; Bacher, in: Beck’scher Online-Kommentar zur ZPO, 21. Aufl. 2016, § 256 Rdnr. 14; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 256 Rdnr. 265; Thole NJW 2013, 1192; offen: OLG München, NJW-RR 2010, 645).
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Die Kammer schließt sich der zuletzt genannten Auffassung jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall an, dass die negative Feststellung einen an sich unstreitigen Anspruch betrifft, der nach dem Vorbringen des Klägers durch Aufrechnung mit einer streitigen Gegenforderung erloschen sein soll.
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2. Auch für den Zahlungsantrag Ziff. 2 ist das Landgericht Freiburg örtlich nicht zuständig. Insbesondere ist ein Gerichtsstand nach § 29 ZPO nicht begründbar: Der maßgebliche Erfüllungsort der Geldschuld liegt nach §§ 269, 270 ZPO am Sitz der Beklagten. Auch nach § 29c ZPO oder § 21 ZPO ergibt sich aus den vorstehenden Gründen keine Zuständigkeit des Landgerichts Freiburg.

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