Urteil vom Landgericht Freiburg - 3 S 79/16

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Ettenheim vom 22.03.2016, Az. 1 C 229/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.394,68 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Werklohn für die im Jahr 2015 erfolgte Erstellung und Verteilung von Notruftafeln mit einer Geschäftsempfehlung der Beklagten in Anspruch. Das Amtsgericht wies die Klage ab, weil es die vereinbarte Vertragslaufzeit von fünf Jahren als unwirksam und die von der Beklagten mit Schreiben vom 01.09.2014 erklärte Kündigung als wirksam erachtete. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Ziele weiter.
Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Werklohnanspruch wegen ihrer im Jahr 2015 erbrachten Leistungen aus § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem schriftlichen Auftrag vom 22.03.2013 (AS I 19) nicht zu. Denn durch ihr Schreiben vom 01.09.2014 hat die Beklagte den Vertrag wirksam für die Zukunft gekündigt. Für die Erstellung und Verteilung der dritten Teilauflage der Notruftafeln steht der Klägerin daher kein Werklohnanspruch mehr zu.
1.
Die Beklagte war auch ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes oder einer Geschäftsaufgabe zur Kündigung des Vertrages berechtigt.
Zwar wurde der Vertrag vom 22.03.2013 unter ausdrücklichem Ausschluss einer Kündigung für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen.
Die Laufzeitklausel ist aber gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da es sich hierbei um eine allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin handelt, durch welche die Beklagte als Vertragspartnerin der Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Die Kammer schließt sich insoweit den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts sowie der vom Amtsgericht in Bezug genommenen Entscheidung der 9. Zivilkammer des Landgerichts (Urt. v. 07.10.2014 - 9 S 56/14) an.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vor, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner in diesem Sinne unangemessen benachteiligt, ist dabei ist mittels einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten Rechte und Pflichten (s.m.w.N. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 16., juris; BGH, Urt. v. 08.12.2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 14 f., juris).
Danach hält die Laufzeitklausel einer Angemessenheitskontrolle nicht stand.
10 
Die Kammer verkennt nicht, dass von einem Kaufmann grundsätzlich erwartet werden kann, dass er bei Vertragsschluss nicht nur seinen gegenwärtigen, sondern auch seinen künftigen Bedarf abzuschätzen vermag (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 18., juris), was gemäß § 310 BGB im Rahmen der Angemessenheitskontrolle des § 307 BGB zu berücksichtigen ist. Weiter sieht die Kammer, dass die von der Beklagten eingegangene vertragliche Bindung lediglich ihr Werbebudget oder einen Teil davon, nicht aber ihre gesamte wirtschaftliche Existenz betrifft und sie aufgrund des überschaubaren Vertragsvolumens in ihrem wirtschaftlichen Bewegungsspielraum nur teilweise eingeschränkt ist.
11 
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag weist aber die Besonderheit auf, dass es sich hierbei nicht um einen Vertrag handelt, der schon aufgrund seiner Natur zwingend als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet ist - wie dies beispielsweise bei Miet- oder verschiedenen Dienstleistungsverträgen der Fall ist -, sondern der Sache nach die Herstellung fünf verschiedener Werke zum Inhalt hat, die jeweils in einjährigen Abständen zu erbringen sind. Die Ausgestaltung eines solchen Vertrages als Dauerschuldverhältnis ist zwar möglich und zulässig, aber nicht zwingend. Nach dem Inhalt der zu erbringenden Leistungen hätten die Parteien ebenso fünf jährliche Einzelverträge abschließen können. Deshalb ist der vorliegend zu beurteilende Vertrag auch nicht mit Verträgen über die Herstellung und Lieferung von Werbeartikeln (etwa Zündholzschachteln mit Werbeaufdruck) vergleichbar, bei denen eine vertraglich fest vereinbarte Menge lediglich in Teilmengen abgerufen werden kann, weshalb in solchen Fällen bis zum letzten Teilabruf durchaus ein Zeitraum von fünf Jahren oder mehr vergehen kann.
12 
Die Vereinbarung eines Dauerschuldverhältnisses mit einer fünfjährigen Laufzeit dient einseitig den Interessen der Klägerin. Die Klägerin gewinnt hierdurch Planungssicherheit und muss sich nicht jedes Jahr um die Werbung neuer Kunden bemühen. In welchem Maße sie von der fünfjährigen Vertragslaufzeit profitiert ergibt sich anschaulich aus dem von der Klägerin geschilderten erforderlichen Akquiseaufwand. Hierzu trägt sie selbst vor, dass ihre Mitarbeiter regelmäßig 30 bis 40 Telefongespräche führen müssen, um überhaupt ein Verkaufsgespräch vereinbaren zu können, bei dem dann aber noch nicht gesichert ist, ob es zu einem Vertragsschluss kommt und welche Vertragsmodalitäten vereinbart werden (AS II 35).
13 
Dagegen sind auf Seiten der Beklagten keine Vorteile der langen Vertragsbindung zu sehen. Dass die Beklagte im Falle einer jährlichen Neuvergabe ihrer Werbeaufträge einen ähnlichen Aufwand betreiben müsste, ist nicht ersichtlich. Der Vortrag der Klägerin, dass das von ihr betriebene Gewerbe, das Anzeigengeschäft im Bereich der Printmedien, generell sehr schwierig geworden sei (AS II 33) lässt vielmehr den Rückschluss zu, dass einer begrenzten Kundenanzahl ein größeres Angebot von Werbeanbietern gegenübersteht, weshalb der Beklagten als Nachfragerin eines auf dem Markt frei verfügbaren Wirtschaftsgutes an einer langen Vertragsbindung nicht gelegen sein kann, sondern sie hierdurch in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt wird (zu diesem Arg. s. OLG München, Urt. v. 11.02.2015 - 7 U 3170/14 -, juris; BGH, Urt. v. 08.12.2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 17, juris).
14 
Insbesondere bietet die vereinbarte Vertragsdauer der Beklagten auch keinen Preissicherheitsvorteil, der den Nachteil der langjährigen Bindung ausgleichen könnte. Denn die Klägerin hat sich für den Fall einer Änderung ihrer Selbstkosten eine Preisanpassung vorbehalten und diese für die streitgegenständliche dritte Auflage auch in Form einer Preiserhöhung um EUR 107,00 geltend gemacht. Ein Kündigungsrecht ist der Beklagten auch für diesen Fall nicht eingeräumt. Dass sich die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders daraus ergeben kann, dass die Klauselverwenderin zusätzlich zur mehrjährigen Vertragsbindung das Recht zur Preisanpassung erhält, ohne ihrem Vertragspartner im Falle von Preiserhöhungen ein Lösungsrecht vom Vertrag einzuräumen, ist höchstrichterlich anerkannt (BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 20, juris).
15 
Die einseitig auf Seiten der Klägerin bestehenden Vorteile der fünfjährigen Vertragsbindung sind vorliegend nicht durch ihr Amortisationsinteresse gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die höchstzulässige Dauer der Vertragslaufzeit maßgeblich davon abhängig, welcher Kapitalaufwand dem die Vertragslaufzeit vorgebenden Vertragsteil für die Erfüllung des Vertrages entsteht. Hohe Entwicklungs- oder Vorhaltekosten, die sich nur bei längerer Vertragsdauer amortisieren, rechtfertigen daher regelmäßig eine längere Bindung des anderen Teils an den Vertrag (s. z. B. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 19., juris). Derartige Kosten fallen hier aber nicht an. Anfangsinvestitionen, die sich erst im Laufe der Vertragsdauer amortisierten, schuldet die Klägerin nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht. Die Notruftafeln werden ausweislich des Vertragstextes jedes Jahr neu gedruckt. Ebenso sollte die grafische Gestaltung der Notruftafeln für jede Auflage neu erfolgen. Dass Vorhaltekosten bestehen, die eine längere Vertragsbindung von fünf Jahren rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht dargelegt. Da die Klägerin die Aufträge für den Druck und die Verteilung der Notruftafeln extern vergibt, beschränken sich ihre Vorhaltekosten vielmehr im Wesentlichen auf die Kosten ihrer für die Gestaltung der Notruftafeln und die Kommunikation mit den Kunden zuständigen Mitarbeiter. Die Kosten für die Kundenakquise sind insoweit nicht berücksichtigungsfähig, da sie nicht im Rahmen der Vertragserfüllung anfallen. Hinzu kommt, dass die Klägerin selbst vorträgt, dass es immer wieder vorkomme, dass Kunden abweichende Laufzeiten wünschten und diese dann auch vereinbart würden (AS II 35). Auch hieraus ergibt sich, dass ihr Kapitalaufwand eine mehrjährige Vertragslaufzeit nicht erforderlich macht.
16 
Ein angemessener Ausgleich für die einseitige Berücksichtigung der Interessen der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagten das Recht zur „Kündigung aus wichtigem Grund, z.B. die Geschäftsaufgabe“ vorbehalten wurde. Das Recht zur Kündigung von Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB ist durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ohnehin nicht abdingbar (Staudinger/Michael Coester (2013), BGB, § 307, Rn. 531). Soweit darüber hinaus ein von § 314 BGB nicht umfasstes Recht zur Kündigung bei Geschäftsaufgabe eingeräumt wird, ist dies zur Kompensation der mit der langen Vertragsdauer einhergehenden Nachteile nicht ausreichend, da die Regelung nur einen von mehreren denkbaren Gründen für einen Vertragsausstieg abdeckt.
17 
Die Abwägung des Bestandsschutzinteresses der Klägerin mit dem Dispositionsinteresse der Beklagten zeigt ein derartiges Ungleichgewicht in der Berücksichtigung der wechselseitigen schützenswerten Interessen der Vertragsparteien, dass sich die Durchsetzung ihrer Interessen durch die Klägerin auf Kosten der Interessen der Beklagten als missbräuchlich darstellt. Denn wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird die Beklagte durch die vorgegebene Vertragslaufzeit auch dann an einer Werbemaßnahme festgehalten, wenn sich herausstellt, dass diese nicht zum angestrebten Erfolg, nämlich dem Gewinn neuer Kunden und Aufträge, führt. Das hat, worauf das Amtsgericht richtigerweise hinweist, zur Folge, dass die Beklagte auch dann an den Vertrag gebunden ist, wenn sie nicht die zur Finanzierung der Werbemaßnahme erforderlichen finanziellen Mittel erwirtschaftet. Während insofern ungewiss ist, ob die Beklagte aus dem Vertrag finanzielle Vorteile durch die Generierung zusätzlicher Aufträge zieht, sind die finanziellen Vorteile, die die Klägerin aus dem Vertrag zieht, durch die vereinbarte Vergütung und die Preisanpassungsklausel für die Dauer von fünf Jahren gesichert. Soweit die Klägerin diesbezüglich beanstandet, dass das Amtsgericht unterstelle, dass die Parteien es als Vertragsgrundlage angesehen hätten, dass gerade die Werbung der Beklagten zu konkreten Aufträge führe, ergibt sich schon aus dem Abschluss des Werbevertrages, dass die Werbung den Zweck hatte - gegebenenfalls mittelbar und in Zusammenwirken mit weiteren Werbemaßnahmen - Aufträge zu generieren. Welchen sonstigen Zweck der Abschluss eines Werbevertrages haben sollte, ist nicht ersichtlich. Der Annahme, dass die Vertragsbindung der Beklagten ausschließlich zum Nachteil gereicht, steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte den Platz auf der Notruftafel dem Vortrag der Klägerin zufolge ggf. für andere Zwecke als für Werbeanzeigen nutzen kann, zumal die Beklagte ausweislich der Anlage K1 ausdrücklich eine Geschäftsempfehlung und keine Stellenanzeige bestellt hatte.
18 
Die vereinbarte Vertragslaufzeit von fünf Jahren ist daher gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
19 
Bei dieser Bewertung verkennt die Kammer verkennt nicht, dass Vertragslaufzeitklauseln von fünf und mehr Jahren in anderen Konstellationen von der Rechtsprechung akzeptiert werden. Ebenso wurden aber insbesondere in Fällen, in denen wie hier längere Laufzeiten nicht durch das Amortisationsinteresse der Klauselverwenderin gerechtfertigt werden konnten, auch bereits Laufzeiten von weniger als fünf Jahren als unwirksam angesehen. So hat das OLG München (Urt. v. 11.02.2015 - 7 U 3170/14 -, juris) eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB - auch im kaufmännischen Rechtsverkehr - bei einem Fernüberwachungsvertrag mit einer Laufzeit von 54 Monaten angenommen und dies u.a. damit begründet, dass sich die Investitionen der Klägerin bereits nach 14 Monaten amortisiert hatten. Soweit der BGH in seinem Urteil vom 08.12.2011 (Az. VII ZR 111/11, juris) eine formularmäßig vereinbarte Vertragslaufzeit von 10 Jahren als nicht unangemessen angesehen hat, beruht dies darauf, dass der dortige Vertragspartner des Klauselverwenders in besonderem Maße ein eigenes Interesse an einer langfristigen Sicherung der Bezugs- und Absatzmöglichkeiten für das von ihm in großer Zahl aufgezogene Geflügel, mithin an einer langen Vertragsbindung hatte (BGH a.a.O., Rn. 18). Ein derartiges Laufzeitinteresse hat die Beklagte hier aber nicht.
20 
Die Zulässigkeit einer längeren Vertragslaufzeit ergibt sich auch nicht daraus, dass das Vertragsverhältnis als Mietvertrag zu qualifizieren wäre, bei dem schon nach dem gesetzlichen Leitbild (§ 544 BGB) wesentlich längere Vertragslaufzeiten zulässig sind. Denn einen Mietvertrag haben die Parteien nicht geschlossen. Die Klägerin schuldete die Herstellung und Verteilung von Notruftafeln, mithin die Herstellung eines Werkes. Um die Vermietung von Werbeflächen geht es vorliegend nicht.
21 
Im Übrigen rechtfertigt sich die Zulässigkeit längerer Vertragslaufzeiten bei Mietverträgen damit, dass dort im Regelfall beide Vertragspartner ein Interesse an einer längerfristigen Bindung haben. Für den Mieter ist die Suche nach neuen Mieträumen deutlich schwieriger als für den Werbekunden die Suche nach einem neuen Werbeanbieter. Die Klägerin trägt selbst vor, dass das von ihr betriebene Anzeigengeschäft im Bereich der Printmedien generell sehr schwierig geworden sei und dass sie erheblichen Aufwand betreibe, um Werbekunden zu gewinnen (AS II 33 f.). Das lässt den Rückschluss zu, dass das das Angebot an Werbegelegenheiten die Nachfrage der Kunden übersteigt.
2.
22 
Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch auch nicht aus § 649 S. 2 BGB zu.
23 
Gemäß § 306 Abs. 2 BGB hat die Unwirksamkeit von Vertragsklauseln zur Folge, dass der Vertrag sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf es regelmäßig nicht (Staudinger/Michael Coester (2013), BGB, § 307, Rn. 532). Da der Beklagte vorliegend aber nicht allein durch den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts gemäß § 649 S. 1 BGB (so lag der Fall in den Entscheidungen LG Stuttgart, Urt. v. 10.12.2014 - 13 S 118/14 - juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.01.2011 - 23 S 27/10 -, juris, nachfolgend - nur noch zur Darlegungslast im Rahmen des § 649 S. 2, 3 BGB - BGH, Urt. v. 28.07.2011 - VII ZR 45/11 -, juris), sondern darüber hinaus durch die überlange Vertragslaufzeit unangemessen benachteiligt wird, ist die Einräumung des Kündigungsrechts gemäß § 649 S. 1 BGB mit der Folge des Fortbestands des Vergütungsanspruchs gemäß § 649 S. 2 BGB nicht ausreichend, um die unangemessene Benachteiligung des Bestellers aufzuheben. Denn wie das Amtsgericht insofern zutreffend ausgeführt hat, führte die uneingeschränkte Anwendung von § 649 S. 2 BGB zu einem erheblichen Wertungswiderspruch zu dem das AGB-Recht beherrschenden Grundsatz des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion. Der in der Vereinbarung einer unangemessen langen Vertragslaufzeit liegenden Benachteiligung der Beklagten kann nur dadurch wirksam begegnet werden, dass dieser das Recht gewährt wird, das Vertragsverhältnis durch Erklärung einer Kündigung vor Ablauf der Vertragsdauer vollständig zu beenden, mit der Folge, dass für den Zeitraum ab Ausspruch der Kündigung auch ein Vergütungsanspruch des Unternehmers nicht mehr besteht. Denn ein solcher Anspruch bestünde auch nach Ablauf einer von vorneherein vereinbarten zulässigen kürzeren Laufzeit nicht. Die Kündigung nach § 649 S. 1 BGB ist hingegen nicht geeignet, die vertraglich vorgesehene, den Besteller unangemessen benachteiligende Laufzeit zu verkürzen, da sie zwar zu einem Freiwerden beider Parteien von ihren ursprünglichen Leistungspflichten führt, der Zahlungsanspruch aus § 649 S. 2 BGB sich jedoch nach der durch die Kündigung nicht verkürzten Vertragslaufzeit bemisst (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 05.08.2010 - 10 S 8/10 -, juris).
24 
Ob daher der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 309, Rn. 95) ein Kündigungsrecht sui generis einzuräumen ist oder ob sich dieses aus § 621 BGB analog herleitet bzw. sich, wie vom Amtsgericht angenommen, in seinen Rechtsfolgen nach dem Rechtsgedanken des § 628 BGB bestimmt, kann dabei dahinstehen. Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 01.09.2014 und somit nach Fertigstellung und Auslieferung der zweiten Auflage 2014 aber deutlich vor Beginn der Erstellung der dritten Auflage 2015 gekündigt. Die Kündigung erfolgte unter Beachtung der Frist des § 621 Nr. 4 BGB. Auch nach dem Rechtsgedanken des § 628 BGB kann die Klägerin keine Vergütung mehr für die dritte Auflage 2015 verlangen.
25 
Daher ist unerheblich, dass sich die Ausführungen der Klägerin zu den von ihr ersparten Aufwendungen im Sinne von § 649 S. 2 BGB auf den Zeitpunkt 15.04.2015 beziehen (AS I 77), die Beklagte tatsächlich aber bereits mit Schreiben vom 01.09.2014 (AS I 87) gekündigt hatte und dass die Klägerin ihre anderweitigen Erwerbsmöglichkeiten nicht darlegt.
III.
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
27 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.Die Frage, wonach sich bestimmt, ob eine Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB darstellt, ist ebenso höchstrichterlich geklärt wie die Frage, welche Kriterien im Rahmen der danach gebotenen umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall zu berücksichtigen sind (s. z. B. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 16 ff., juris). Diese Kriterien wurden der Entscheidung zugrunde gelegt.
28 
Zwar hat der BGH sich bislang nicht zum konkreten Fall der Laufzeiten von Verträgen über Geschäftsempfehlungen auf Notruftafeln geäußert (im Urteil vom 17.05.1982 - VII ZR 316/81 -, juris, ging es um den Verstoß einer fünfjährige Laufzeit eines Vertrages über Geschäftsempfehlungen auf Telefonnotrufaufklebern gegen § 11 Nr. 12 AGBG, weil der Besteller kein Kaufmann war). Es ist aber nicht ersichtlich, dass insoweit andere Grundsätze gelten sollten. Zudem ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die konkrete Frage über den Einzelfall hinaus von grundlegender Bedeutung wäre. Von den beiden Entscheidungen der Berufungskammern des Landgerichts Freiburg (Az. 9 S 56/14 und 3 S 173/14) abweichende Entscheidungen, in denen sich die Instanzrechtsprechung mit der Wirksamkeit von Laufzeitklauseln in Verträgen über Notruftafeln zu befassen gehabt hätte, sind nicht bekannt und werden auch von der Klägerin nicht aufgezeigt. Die Klägerin trägt auch nicht vor, dass AGB in der von ihr verwendeten Fassung bei Notruftafeln in einer so hohen Anzahl von Fällen verwendet würden (oder zu Rechtsstreitigkeiten geführt hätten), dass schon deshalb eine grundsätzliche Bedeutung bestünde.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.