1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
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| Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Ansprüche aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft geltend, die der Beklagte für alle Forderungen übernommen hat, die der Klägerin und verbundene Unternehmen aus einem Vermittlungsverhältnis gegen die ... GmbH zustehen. |
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| Der Beklagte war einer der zwei Geschäftsführer der Hauptschuldnerin. Diese hat mit der Klägerin eine Vorschuss- und eine Courtage-Vereinbarung geschlossen. Die Vorschuss-Vereinbarung lautet wie folgt: |
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| W. AG gewährt dem Vermittler für den Betriebsausbau im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (insbesondere Ausarbeitung der Betriebe) einen einmaligen verrechenbaren Vorschuss i.H.v. 95.000,-- EUR. |
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| 2. Laufzeit der Vereinbarung: |
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| Sie beginnt am 01.07.2013 nach Vorlage der unterschriebenen Vereinbarung und endet am 01.07.2015. |
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| Die Rückführung erfolgt in Tranchen: |
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| durch Überweisung auf das Konto Nummer... Das Konto ist bis zum 31.07.2015 auszugleichen. |
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| 4. Beendigung der Vorschussvereinbarung: |
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| Die W. behält sich vor, bei Unregelmäßigkeiten in der Rückführung diese Vereinbarung zu kündigen. In diesem Falle ist die offenstehende Forderung zum sofortigen Ausgleich fällig. |
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| 5. Beendigung der Courtagevereinbarung: |
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| Bei einer Beendigung der Courtagevereinbarungen, unabhängig von dessen Seite diese aufgelöst wird, ist der nicht gedeckte Betrag ebenfalls in einer Summe zur sofortigen Rückzahlung fällig. |
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| Nachdem das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin zum 01.06.2016 geendet hatte und diese ihrer Zahlungsverpflichtung nicht mehr erfüllt hat, wurde gegenüber der Hauptschuldnerin das Mahnverfahren eingeleitet und am 14.03.2017 ein Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 36.241,71 EUR erlassen. Nach Abzug einer noch offenen Courtagegutschrift von 378,19 EUR ergibt sich ein Betrag i.H.v. 35.863,52 EUR. |
|
| Die Hauptforderung ergibt sich aus der Abrechnung des Courtagekontos der Hauptschuldnerin bei der Klägerin. Auf diesem Konto sind nicht nur die Provisionsansprüche positiv, sondern auch die Rückzahlungsansprüche aus der Vorschussvereinbarung zu den dort angegebenen Rückzahlungszeitpunkten negativ verbucht worden. Zu einer Überweisung der Beträge auf das in der Vorschussvereinbarung bezeichnete Konto oder einem entsprechenden Ausgleich des Courtagekontos, das außer zu Beginn die gesamte Vertragslaufzeit im Soll geführt wurde, kam es nicht. |
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| Ein auch gegen den Beklagten angestrengtes Mahnverfahren wurde nach Einlegung des Widerspruchs durch den Beklagten nicht weiter betrieben und nicht an das Streitgericht abgegeben. |
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| Die Klägerin ist der Meinung, der Rückforderungsanspruch aus der Vorschussvereinbarung sei wirksam entstanden, weil die Vorschussvereinbarung selbst wirksam sei. Ein Verstoß gegen §§ 89, 89a HGB liege nicht vor. Die Hauptschuldnerin werde durch die Rückzahlungsmodalitäten nicht faktisch gehindert, ihr freies Kündigungsrecht auszuüben. Der durch die Klägerin gewährte Vorschuss müsse durch den Hauptschuldner nicht umgehend ausgegeben werden. Ein kalkulierender Kaufmann hätte entsprechen die Möglichkeit, die weitere Entwicklung zu beobachten und einzuschätzen, ob er die steigenden Rückzahlungsbeträge ausgleichen könne. insoweit sei ein jederzeitiges Aussteigen aus dem Vertrag möglich, soweit sich der Vertragspartner kaufmännisch und wirtschaftlich verantwortungsbewusst verhalte. Es sei auch keinesfalls das Kündigungsrecht der Hauptschuldnerin beschränkt und diese wirtschaftlich geknebelt worden, da sie jederzeit das Vertragsverhältnis hätte beenden können, sofern sie kaufmännische Regelungen beachtet hätte. Soweit es bei der Hauptschuldnerin zu wirtschaftlichen Problemen gekommen sei, hätten diese sich allein durch den Wegfall eines Großkunden ergeben, nicht durch die vertraglichen Vereinbarungen. |
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| im Übrigen könne nicht jede für den Vertreter nachteilige Regelung als Kündigungserschwernis angesehen werden. Vorschüsse, die über einen längeren Zeitraum hinweg in erheblicher Höhe gewährt würden, seien insoweit abzugrenzen von Vorschusszahlungen zu Beginn eines Vertreterverhältnisses, die vorübergehend als Anschubfinanzierung gewährt würden. Hier sei Letzteres der Fall, nachdem die Zahlung zu Beginn als Einmalzahlung ausgestaltet gewesen sei. Im vorliegenden Verfahren sei außerdem zu berücksichtigen, dass hier die Vereinbarung nicht mit dem Beklagten direkt, sondern mit der Hauptschuldnerin, einer Kapitalgesellschaft, getroffen worden sei. Diese habe einen Mitgeschäftsführer gehabt, der ebenfalls als Bürge auf Grundlage der identischen Bürgschaftserklärung wie der Beklagte hafte, so dass letztendlich zwei Personen und die GmbH betroffen gewesen seien. die bisher in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle hätten sich dagegen jeweils auf einen Einzelvertreter bezogen. Insoweit seien im Rahmen der Abwägung eines Verstoßes gegen §§ 89, 89a HGB im vorliegenden Fall andere Beträge und Zeiträume zugrundezulegen. |
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| den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 35.863,52 EUR nebst Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 17.02.2017 zu bezahlen. |
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| hilfsweise, dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorzubehalten. |
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| Er ist der Meinung, die Klage sei bereits unzulässig, weil die Klägerin gegen den Beklagten schon ein Mahnverfahren betrieben habe, bei dem der Beklagte Widerspruch eingelegt habe. außerdem fehle der Klage die hinreichende Bestimmtheit, weil eine genaue Aufschlüsselung des eingeklagten Betrages in der Klage nicht vorgenommen worden sei. So sei unklar, welche konkreten Zahlungen die Klägerin hier zurückfordere. |
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| Die Hauptforderung sei unwirksam, da die Vorschussvereinbarung insoweit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei. Gemäß Ziffer 5 der Vorschussvereinbarung solle der nicht gedeckte Betrag bei Beendigung der Courtage Vereinbarungen zur sofortigen Rückzahlung fällig sein, unabhängig davon, durch wen und aus welchem Grund der Vertrag beendet wird. Diese Regelung verstoße gegen die zwingenden Regelungen der §§ 89 Abs. 3, 89a Abs. 1 HGB. Durch die Vorschussvereinbarung habe die Klägerin an eine Vertragsbeendigung durch die Hauptschuldnerin erhebliche finanzielle Nachteile geknüpft und der Hauptschuldnerin eine Kündigung damit praktisch unmöglich gemacht. Dieser Druck habe auch nicht fortlaufend abgenommen, vielmehr habe er sogar zugenommen, da sich die Rückzahlungstranchen stetig erhöhten. Die Hauptschuldnerin hätte monatlich rund 4.000 EUR an Provision erwirtschaften müssen, nur um die Vorschüsse „zurückzahlen“ zu können. Eine derartige Vereinbarung sei auch deshalb perfide, weil der Handelsvertreter, der merke, dass er keine ausreichenden Umsätze erzielen könne, aufgrund der drohenden sofortigen Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung erst recht nicht kündigen könne, was seine finanziellen Schwierigkeiten verschärfe. Ein rechtzeitiges Aussteigen aus dem Vertrag sei so nicht mehr möglich. Die erwirtschaftete Provision hätten vorliegend nicht ansatzweise ausgereicht, um die Rückzahlung an die Klägerin zu leisten. Durch die Vorschussvereinbarung sei die Hauptschuldnerin in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zur Klägerin gezwungen worden. Hierdurch sei sie faktisch in ihrer Kündigung- und Entscheidungsfreiheit beschränkt worden. Damit sei der Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 134 BGB unwirksam. |
|
| Soweit die Klägerin geltend mache, die zur Verfügung gestellten Mittel hätten nicht insgesamt bei Beginn der Vertragsbeziehung ausgegeben werden müssen, widerspreche das dem Sinn des Vorschusses, nämlich dem Betriebsausbau im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Auch bei einer Aufspaltung der vertraglichen Verpflichtungen aus der Vorschuss-Vereinbarung auf zwei Einzelpersonen und die GmbH ergebe sich in der vorliegenden Konstellation nichts Anderes. Zum einen sei die Wirksamkeit der Vorschuss-Vereinbarung vom Personalbestand der Hauptschuldnerin völlig unabhängig. Zum anderen sei die Vorschuss-Vereinbarung von vornherein auf ein Zeitraum von 24 Monaten angelegt gewesen, so dass es sich unzweifelhaft nicht mehr um einen Zeitraum für eine kurzfristige Anschubfinanzierung gehandelt habe. |
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| |
| Die Klage ist zulässig. Es besteht insbesondere keine doppelte Rechtshängigkeit aufgrund der Einleitung des Mahnverfahrens gegen den Beklagten. Die Sache wurde nicht ans Streitgericht abgegeben und wurde somit nicht rechtshängig, § 696 Abs. 3 ZPO. |
|
| Sie ist aber unbegründet. |
|
| Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 35.863,52 EUR aus § 765 Abs. 1 BGB i.V.m. der Vorschuss-Vereinbarung vom 18.06.2013/04.07.2013 und der Courtage-Zusage vom 02.12.2011 zu, weil der Rückforderungsanspruch aus der Vorschuss-Vereinbarung gem. §§ 134 BGB, 89, 89a HGB nichtig ist und ohne diese Forderung das Courtage-Konto der Hauptschuldnerin im Haben steht, so dass kein Hauptanspruch besteht, für den der Beklagte als Bürge haften würde. |
|
| Ob zwischen den Parteien ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zustande gekommen ist oder dieser gemäß § 138 BGB wegen einer sittenwidrigen Übersicherung nichtig ist, kann dahinstehen, da jedenfalls keine Hauptschuld besteht, für die der Beklagte als Bürge gem. § 765 Abs. 1 haften würde. |
|
| Die Rückzahlungsvereinbarung aus der Vorschuss-Vereinbarung vom 18.06.2013/04.07.2013 in Höhe von 95.000,00 EUR ist gemäß §§ 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS, 89a Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 134 BGB nichtig. |
|
| Nach § 89a Abs. 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden; es ist mithin für beide Teile unabdingbar (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 89a HGB Rn 26). Grundsätzlich sind nicht nur unmittelbare Beschränkungen der Kündigungsmöglichkeit unzulässig, sondern auch mittelbare Erschwernisse, die Vertragsbeziehung zu beenden, etwa in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen. Entsprechendes gilt auch für den Handels- bzw. Versicherungsvertretervertrag, wenn an die Kündigung des Handels- bzw. Versicherungsvertreters wesentliche, eine Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O.; Löwisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn [EBJS], Handelsgesetzbuch, 3. Auflage 2014, § 89 a HGB Rn 57; Emde BB 2011, 2755, 2763; Emde, in: Staub, Handelsgesetzbuch Großkommentar, 5. Auflage 2015, § 89 a HGB Rn 49; zitiert nach juris). Ein solcher Nachteil kann auch in der vertraglich vorgesehenen Verpflichtung zur sofortigen Rückzahlung langfristiger Vorschussleistungen bei einer Kündigung durch den Handels- bzw. Versicherungsvertreter bestehen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.2.2010 - 1 U 113/09; OLG Hamburg, Urteil vom 17.3.2000 - 14 U 77/99; jeweils zitiert nach juris). In einer solchen Vertragsklausel kann zudem ein unzulässiger Verstoß gegen § 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS HGB liegen, wonach die Frist zur ordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrags für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter. Diese zwingende gesetzliche Regelung stellt eine Schutzvorschrift zu Gunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handels- bzw. Versicherungsvertreters dar, die verhindern soll, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung beschnitten wird (vgl. Emde, in: Staub, Handelsgesetzbuch Großkommentar, a.a.O., § 89 HGB Rn 69; Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 89 HGB Rn 16 und Rn 28). Auch in Bezug auf § 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS HGB kann ein unzulässiger Nachteil in der Vereinbarung der Rückzahlung von gewährten Provisionsvorschüssen bestehen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 26.11.2013 - 13 U 30/13; OLG Hamburg, a.a.O.). Abweichende Vereinbarungen sind nach § 134 BGB nichtig. Ob die an eine Vertragsbeendigung geknüpften finanziellen Nachteile von solchem Gewicht sind, dass sie zu einer gemäß §§ 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS, 89a Abs. 1 Satz 2 HGB, § 134 BGB unwirksamen Kündigungserschwernis führen, ist eine Frage des Einzelfalls, wobei es insbesondere auf die Höhe der ggf. zurückzuerstattenden Zahlungen sowie den Zeitraum, für den diese zurückzuerstatten sein sollen, ankommt (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Oldenburg, a.a.O.). Letztlich ist entscheidend, ob im Einzelfall die vertragliche Regelung über die Rückzahlungspflicht von empfangenen Provisionsvorschüssen geeignet ist, den Handels- bzw. Versicherungsvertreter von einer Kündigung des Vertretervertrags abzuhalten (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 13. Mai 2016 – 19 U 156/15 –, Rn. 23, juris). |
|
| Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall von einer Unwirksamkeit der vorliegenden Rückzahlungsvereinbarung auszugehen. |
|
| 1. Der Hauptschuldnerin wurden von der Klägerin 95.000,00 EUR zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag war zur Investition in den Ausbau des Geschäftes mit der betrieblichen Altersversorgung vorgesehen. Wie dieses Geld ausgegeben werden sollte, ergibt sich weder aus der Vereinbarung noch aus dem weiteren Vortrag der Parteien. Da der Betrag selbst nicht als monatlicher Provisionsvorschuss, sondern als Einmalbetrag gezahlt wurde, ist davon auszugehen, dass er jedenfalls zeitnah in dieser Höhe benötigt wurde. Bei regulärem Verlauf war dann vorgesehen, dass die Rückzahlung durch die Hauptschuldnerin in Raten erfolgt, die vierteljährlich fällig werden und betragsmäßig ansteigen. Zwar ist es das Wesen eines investiv eingesetzten Kredites, dass über eine gewisse Zeit eine Kapitalbindung erfolgt und auch ein Verlust der Investition bei einem geschäftlichen Misserfolg möglich ist. Die Vergabe des Kredites selbst durch die Klägerin war also unproblematisch. Hätte es sich also vorliegend allein um einen Kredit der Klägerin gehandelt, der in regelmäßigen - wenn auch variablen - Raten zurückgezahlt werden müsste, käme eine unzulässige Erschwerung der Kündigung etwa durch den bloßen Verlust der Investitionen bei einer Kündigung der Hauptschuldnerin, soweit die Werthaltigkeit der Investitionen überhaupt an Produkte der Klägerin gebunden waren, nicht in Betracht. Das setzt indes voraus, dass die Fälligkeit unabhängig vom Bestand des Vertragsverhältnisses im Übrigen weiterhin ratierlich erfolgt und der Versicherungsvertreter diese dann durch einen Wechsel zu einer anderen Versicherung und einen entsprechenden Geschäftserfolg dort tilgen kann. Muss er jedoch den gesamten Investitionsbetrag bei einer Kündigung in toto zurückzahlen, hat er diese Möglichkeit nicht. Die Koppelung von Kündigung und vorzeitiger Gesamtfälligkeit wirkt daher wie eine faktische Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters. Soweit das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 18. Februar 2010 – 1 U 113/09 –, Rn. 51 ff., juris, eine Gesamtfälligstellung eines Darlehens nach Kündigung der Geschäftsbeziehungen nicht für ausreichend hält, ist das nicht überzeugend. Es kann keine Rolle spielen, ob ein Darlehen wie Arbeitseinkommen zu behandeln ist, wenn mit dem Darlehen eine Investition finanziert werden soll, die Arbeitseinkommen generieren soll mit dem wiederum das Darlehen zurückzuzahlen ist. Auch eine garantierte Provisionszahlung, die wie ein Arbeitseinkommen wirkt, aber nicht durch Einkünfte gedeckt ist, wirkt wie ein Investitionsdarlehen, das lediglich ratierlich und nicht als Gesamtbetrag ausgezahlt wird. Wirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob durch einen fehlenden geschäftlichen Erfolg eine fällige Rückzahlung nicht erfolgen kann und das Provisionskonto mit der Tilgungsrate belastet wird oder durch einen ratierlichen Vorschuss eine weitere Erhöhung des Sollstandes eines Provisionskontos erfolgt. |
|
| Ob sich also der relevante Rückzahlungsbetrag durch eine langfristige monatliche Zahlung aufbaut (wie in den o.g. Fällen der Oberlandesgerichte Hamburg, Karlsruhe, Frankfurt/M., Köln und Oldenburg, jew. a.a.O.) oder nach einer erheblichen Einmalzahlung über zwei Jahre wieder abgebaut werden soll (wie hier), ist unerheblich. Statt einer zunächst noch geringen, dann immer stärkeren Bindung im Falle des Misserfolgs im einen Fall, erfolgt vorliegend eine zunächst starke und im Falle des geschäftlichen Misserfolgs dann nicht abnehmende, also gleichbleibend starke, Bindung durch den Vorschuss. Im ersten Jahr sollen hier lediglich 18.000,00 EUR zurückgeführt werden, so dass zu dieser Zeit noch 67.000,00 EUR ausstehen. Ein halbes Jahr später sind es noch 40.000,00 EUR. Diese Beträge sind selbst bei einer regelmäßige Rückzahlung der Raten geeignet, die Hauptschuldnerin von einer Kündigung abzuhalten. Es handelt sich nicht lediglich um eine kurzfristige Anschubfinanzierung (vgl. OLG Frankfurt/M., Urteil v. 01.06.2012 - 14 U 15/12 -, juris: 6 Monate mit Verlängerungsmöglichkeit auf Wunsch des Vertreters um weitere 6 Monate; OLG Hamburg, a.a.O.), sondern um ein über längere Zeit gewährtes Investitionsdarlehen, mit dem die Hauptschuldnerin an die Klägerin gebunden wurde und das nicht nur zu einer überschaubaren und nicht übermäßig belastenden Rückzahlungsverpflichtung führt (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.: 36.000,00 EUR). |
|
| Dass es sich beim Hauptschuldner hier um eine GmbH handelt, ist ebenfalls ohne Belang. Unstreitig bestand die Gesellschaft hier aus zwei Personen, die jeweils auch im Rahmen von Bürgschaften persönlich haften. Die Haftungsbeschränkung durch die GmbH ist damit neutralisiert, die Geschäftsführer/Gesellschafter haften persönlich. Auch wenn man die Beträge hier entsprechend halbieren würde, ergäbe sich keine andere Bewertung. |
|
| 2. Die Vorschussvereinbarung ist nicht insgesamt nichtig, nur der Rückzahlungsanspruch ist gem. §§ 134, 139 BGB nichtig (s. OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O., OLG Frankfurt/M., a.a.O.; OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.). Die Soll-Stellung der Raten aus der Vorschuss-Vereinbarung für das Courtage-Konto der Hauptschuldnerin ist daher ohne Rechtsgrund erfolgt. Damit befindet sich das Courtage-Konto rechnerisch im Haben, eine Hauptforderung besteht nicht. |
|
| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. |
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| |
| Die Klage ist zulässig. Es besteht insbesondere keine doppelte Rechtshängigkeit aufgrund der Einleitung des Mahnverfahrens gegen den Beklagten. Die Sache wurde nicht ans Streitgericht abgegeben und wurde somit nicht rechtshängig, § 696 Abs. 3 ZPO. |
|
| Sie ist aber unbegründet. |
|
| Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 35.863,52 EUR aus § 765 Abs. 1 BGB i.V.m. der Vorschuss-Vereinbarung vom 18.06.2013/04.07.2013 und der Courtage-Zusage vom 02.12.2011 zu, weil der Rückforderungsanspruch aus der Vorschuss-Vereinbarung gem. §§ 134 BGB, 89, 89a HGB nichtig ist und ohne diese Forderung das Courtage-Konto der Hauptschuldnerin im Haben steht, so dass kein Hauptanspruch besteht, für den der Beklagte als Bürge haften würde. |
|
| Ob zwischen den Parteien ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zustande gekommen ist oder dieser gemäß § 138 BGB wegen einer sittenwidrigen Übersicherung nichtig ist, kann dahinstehen, da jedenfalls keine Hauptschuld besteht, für die der Beklagte als Bürge gem. § 765 Abs. 1 haften würde. |
|
| Die Rückzahlungsvereinbarung aus der Vorschuss-Vereinbarung vom 18.06.2013/04.07.2013 in Höhe von 95.000,00 EUR ist gemäß §§ 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS, 89a Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 134 BGB nichtig. |
|
| Nach § 89a Abs. 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden; es ist mithin für beide Teile unabdingbar (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 89a HGB Rn 26). Grundsätzlich sind nicht nur unmittelbare Beschränkungen der Kündigungsmöglichkeit unzulässig, sondern auch mittelbare Erschwernisse, die Vertragsbeziehung zu beenden, etwa in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen. Entsprechendes gilt auch für den Handels- bzw. Versicherungsvertretervertrag, wenn an die Kündigung des Handels- bzw. Versicherungsvertreters wesentliche, eine Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O.; Löwisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn [EBJS], Handelsgesetzbuch, 3. Auflage 2014, § 89 a HGB Rn 57; Emde BB 2011, 2755, 2763; Emde, in: Staub, Handelsgesetzbuch Großkommentar, 5. Auflage 2015, § 89 a HGB Rn 49; zitiert nach juris). Ein solcher Nachteil kann auch in der vertraglich vorgesehenen Verpflichtung zur sofortigen Rückzahlung langfristiger Vorschussleistungen bei einer Kündigung durch den Handels- bzw. Versicherungsvertreter bestehen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.2.2010 - 1 U 113/09; OLG Hamburg, Urteil vom 17.3.2000 - 14 U 77/99; jeweils zitiert nach juris). In einer solchen Vertragsklausel kann zudem ein unzulässiger Verstoß gegen § 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS HGB liegen, wonach die Frist zur ordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrags für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter. Diese zwingende gesetzliche Regelung stellt eine Schutzvorschrift zu Gunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handels- bzw. Versicherungsvertreters dar, die verhindern soll, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung beschnitten wird (vgl. Emde, in: Staub, Handelsgesetzbuch Großkommentar, a.a.O., § 89 HGB Rn 69; Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 89 HGB Rn 16 und Rn 28). Auch in Bezug auf § 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS HGB kann ein unzulässiger Nachteil in der Vereinbarung der Rückzahlung von gewährten Provisionsvorschüssen bestehen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 26.11.2013 - 13 U 30/13; OLG Hamburg, a.a.O.). Abweichende Vereinbarungen sind nach § 134 BGB nichtig. Ob die an eine Vertragsbeendigung geknüpften finanziellen Nachteile von solchem Gewicht sind, dass sie zu einer gemäß §§ 89 Abs. 2 Satz 1 2. HS, 89a Abs. 1 Satz 2 HGB, § 134 BGB unwirksamen Kündigungserschwernis führen, ist eine Frage des Einzelfalls, wobei es insbesondere auf die Höhe der ggf. zurückzuerstattenden Zahlungen sowie den Zeitraum, für den diese zurückzuerstatten sein sollen, ankommt (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Oldenburg, a.a.O.). Letztlich ist entscheidend, ob im Einzelfall die vertragliche Regelung über die Rückzahlungspflicht von empfangenen Provisionsvorschüssen geeignet ist, den Handels- bzw. Versicherungsvertreter von einer Kündigung des Vertretervertrags abzuhalten (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 13. Mai 2016 – 19 U 156/15 –, Rn. 23, juris). |
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| Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall von einer Unwirksamkeit der vorliegenden Rückzahlungsvereinbarung auszugehen. |
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| 1. Der Hauptschuldnerin wurden von der Klägerin 95.000,00 EUR zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag war zur Investition in den Ausbau des Geschäftes mit der betrieblichen Altersversorgung vorgesehen. Wie dieses Geld ausgegeben werden sollte, ergibt sich weder aus der Vereinbarung noch aus dem weiteren Vortrag der Parteien. Da der Betrag selbst nicht als monatlicher Provisionsvorschuss, sondern als Einmalbetrag gezahlt wurde, ist davon auszugehen, dass er jedenfalls zeitnah in dieser Höhe benötigt wurde. Bei regulärem Verlauf war dann vorgesehen, dass die Rückzahlung durch die Hauptschuldnerin in Raten erfolgt, die vierteljährlich fällig werden und betragsmäßig ansteigen. Zwar ist es das Wesen eines investiv eingesetzten Kredites, dass über eine gewisse Zeit eine Kapitalbindung erfolgt und auch ein Verlust der Investition bei einem geschäftlichen Misserfolg möglich ist. Die Vergabe des Kredites selbst durch die Klägerin war also unproblematisch. Hätte es sich also vorliegend allein um einen Kredit der Klägerin gehandelt, der in regelmäßigen - wenn auch variablen - Raten zurückgezahlt werden müsste, käme eine unzulässige Erschwerung der Kündigung etwa durch den bloßen Verlust der Investitionen bei einer Kündigung der Hauptschuldnerin, soweit die Werthaltigkeit der Investitionen überhaupt an Produkte der Klägerin gebunden waren, nicht in Betracht. Das setzt indes voraus, dass die Fälligkeit unabhängig vom Bestand des Vertragsverhältnisses im Übrigen weiterhin ratierlich erfolgt und der Versicherungsvertreter diese dann durch einen Wechsel zu einer anderen Versicherung und einen entsprechenden Geschäftserfolg dort tilgen kann. Muss er jedoch den gesamten Investitionsbetrag bei einer Kündigung in toto zurückzahlen, hat er diese Möglichkeit nicht. Die Koppelung von Kündigung und vorzeitiger Gesamtfälligkeit wirkt daher wie eine faktische Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters. Soweit das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 18. Februar 2010 – 1 U 113/09 –, Rn. 51 ff., juris, eine Gesamtfälligstellung eines Darlehens nach Kündigung der Geschäftsbeziehungen nicht für ausreichend hält, ist das nicht überzeugend. Es kann keine Rolle spielen, ob ein Darlehen wie Arbeitseinkommen zu behandeln ist, wenn mit dem Darlehen eine Investition finanziert werden soll, die Arbeitseinkommen generieren soll mit dem wiederum das Darlehen zurückzuzahlen ist. Auch eine garantierte Provisionszahlung, die wie ein Arbeitseinkommen wirkt, aber nicht durch Einkünfte gedeckt ist, wirkt wie ein Investitionsdarlehen, das lediglich ratierlich und nicht als Gesamtbetrag ausgezahlt wird. Wirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob durch einen fehlenden geschäftlichen Erfolg eine fällige Rückzahlung nicht erfolgen kann und das Provisionskonto mit der Tilgungsrate belastet wird oder durch einen ratierlichen Vorschuss eine weitere Erhöhung des Sollstandes eines Provisionskontos erfolgt. |
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| Ob sich also der relevante Rückzahlungsbetrag durch eine langfristige monatliche Zahlung aufbaut (wie in den o.g. Fällen der Oberlandesgerichte Hamburg, Karlsruhe, Frankfurt/M., Köln und Oldenburg, jew. a.a.O.) oder nach einer erheblichen Einmalzahlung über zwei Jahre wieder abgebaut werden soll (wie hier), ist unerheblich. Statt einer zunächst noch geringen, dann immer stärkeren Bindung im Falle des Misserfolgs im einen Fall, erfolgt vorliegend eine zunächst starke und im Falle des geschäftlichen Misserfolgs dann nicht abnehmende, also gleichbleibend starke, Bindung durch den Vorschuss. Im ersten Jahr sollen hier lediglich 18.000,00 EUR zurückgeführt werden, so dass zu dieser Zeit noch 67.000,00 EUR ausstehen. Ein halbes Jahr später sind es noch 40.000,00 EUR. Diese Beträge sind selbst bei einer regelmäßige Rückzahlung der Raten geeignet, die Hauptschuldnerin von einer Kündigung abzuhalten. Es handelt sich nicht lediglich um eine kurzfristige Anschubfinanzierung (vgl. OLG Frankfurt/M., Urteil v. 01.06.2012 - 14 U 15/12 -, juris: 6 Monate mit Verlängerungsmöglichkeit auf Wunsch des Vertreters um weitere 6 Monate; OLG Hamburg, a.a.O.), sondern um ein über längere Zeit gewährtes Investitionsdarlehen, mit dem die Hauptschuldnerin an die Klägerin gebunden wurde und das nicht nur zu einer überschaubaren und nicht übermäßig belastenden Rückzahlungsverpflichtung führt (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.: 36.000,00 EUR). |
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| Dass es sich beim Hauptschuldner hier um eine GmbH handelt, ist ebenfalls ohne Belang. Unstreitig bestand die Gesellschaft hier aus zwei Personen, die jeweils auch im Rahmen von Bürgschaften persönlich haften. Die Haftungsbeschränkung durch die GmbH ist damit neutralisiert, die Geschäftsführer/Gesellschafter haften persönlich. Auch wenn man die Beträge hier entsprechend halbieren würde, ergäbe sich keine andere Bewertung. |
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| 2. Die Vorschussvereinbarung ist nicht insgesamt nichtig, nur der Rückzahlungsanspruch ist gem. §§ 134, 139 BGB nichtig (s. OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O., OLG Frankfurt/M., a.a.O.; OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.). Die Soll-Stellung der Raten aus der Vorschuss-Vereinbarung für das Courtage-Konto der Hauptschuldnerin ist daher ohne Rechtsgrund erfolgt. Damit befindet sich das Courtage-Konto rechnerisch im Haben, eine Hauptforderung besteht nicht. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. |
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