Beschluss vom Landgericht Göttingen (10. Zivilkammer) - 10 T 10/02
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin Nr. 1 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 120.000,-- EUR.
Gründe
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Der Schuldner hat am 20.12.2000 den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Gleichzeitig hat er die Restschuldbefreiung beantragt. Mit Beschluss vom 9.2.2001 hat das Amtsgericht das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und den C. zum Treuhänder bestellt. Ausweislich des Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses hatte der Schuldner bei Eröffnung des Verfahrens drei Gläubiger mit einer Gesamtforderung von 327.797,53 EUR. Davon entfielen auf die Gläubigerin Nr. 1 205.359,48 EUR. Die Forderung der Gläubigerin Nr. 1 stammt aus einem Darlehensvertrag aus dem Jahre 1998. Der Schuldner hatte seinerzeit zum Erwerb eines Grundstücks und zwecks Errichtung eines Hauses einen Darlehensvertrag mit der Gläubigerin über insgesamt 522.000,-- DM geschlossen. Der Schuldner, von Beruf G., hatte vor Abschluss des Darlehensvertrags in einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Gläubigerin zu 1. Auskünfte über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilt. Der Mitarbeiter der Gläubigerin zu 1. hat insoweit ein Formular zur Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit des Schuldners ausgefüllt. Der Schuldner hatte in diesem Gespräch angegeben, dass er noch Verbindlichkeiten aus einem H. Darlehen bedienen müsse. Nicht erwähnt hat der Schuldner seinerzeit, dass er ein zinsloses Darlehen über 10.000,-- DM von seiner Mutter erhalten hatte. Während des Gesprächs mit dem Mitarbeiter der Gläubigerin Nr. 1 hatte der Schuldner das Testament seiner Mutter vorgelegt, nach dem der Schuldner spätestens nach dem Tod der Mutter ein Vermächtnis über 60.000,-- DM erhält. Ferner ist der Schuldner danach Erbe von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken. Der Schuldner erklärte seinerzeit, einige der Grundstücke würden in absehbarer Zeit Bauland. Zwischenzeitlich steht fest, dass die betreffenden Grundstücke nicht zum Baugebiet erklärt worden sind.
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Die Gläubigerin Nr. 1 hat mit Schriftsatz vom 31.10.2001 beantragt, dem Schuldner Restschuldbefreiung zu versagen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in den Gesprächen zur Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit sei der Schuldner ausdrücklich nach bestehenden Verbindlichkeiten befragt worden. Hierauf habe der Schuldner erklärt, es stehe noch ein kleiner Teil seiner H. Verbindlichkeiten offen, die aber kurzfristig getilgt würden. Tatsächlich betrugen die Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem I. aus dem H. Darlehen im Zeitpunkt seines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahren 39.999,-- DM.
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Die Gläubigerin Nr. 1 hat vorgetragen, sie hätte die Darlehensfinanzierung niemals übernommen, wenn sie gewusst hätte, dass der Schuldner eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber seiner Mutter und derart hohe Darlehensverbindlichkeiten gegenüber dem I. habe. Durch die falschen Angaben bzw. das Verschweigen der Verbindlichkeiten habe der Schuldner bei der Gläubigerin einen Irrtum erregt. Zusätzlich habe der Schuldner die Gläubigerin Nr. 1 getäuscht, indem er erklärt habe, dass einige der in dem Testament der Mutter aufgeführten Grundstücksflächen in absehbarer Zeit als Bauplätze verkauft würden.
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Der Schuldner hat eine Täuschung in Abrede genommen. Es sei nicht richtig, dass er gegenüber der Gläubigerin Nr. 1 erwähnt habe, dass nur noch ein kleiner Teil seiner H. Verbindlichkeiten offen stehe, die kurzfristig getilgt würden. Vielmehr habe er der Gläubigerin Nr. 1 Kopien der Darlehensverbindlichkeiten aus der J. vorgelegt. Der Gläubigerin Nr. 1 sei deshalb bekannt gewesen, dass er noch mehrere Jahre lang Ratenbeträge an das I. zahlen müsse. Die Angaben bezüglich der Baulandeigenschaft einiger im Testament der Mutter erwähnten Grundstücke seien zutreffend gewesen. Die Gemeinde K. habe auf der Fläche ein Gewerbegebiet mit einem Kaufpark geplant gehabt. Der Flächennutzungsplan sei am 26.2.1999 öffentlich ausgelegt worden. Nachdem es zu Bürgerprotesten gekommen sei, habe die Gemeinde von dem Vorhaben Abstand genommen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags habe der Schuldner jedoch noch davon ausgehen können, dass der Flächennutzungsplan aus dem Jahre 1998 umgesetzt würde. Soweit er, der Schuldner, das Darlehen seiner Mutter in Höhe von 10.000,-- DM nicht erwähnt habe, beruhe dies darauf, dass diese Verbindlichkeit keine fest Fälligkeit gehabt habe, denn seine Mutter habe ihm diese Forderung bis auf weiteres gestundet. Im übrigen habe seine Mutter inzwischen - unstreitig - auf die Forderung verzichtet.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20.12.2001 den Antrag der Gläubigerin Nr. 1, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO für die Versagung der Restschuldbefreiung lägen nicht vor. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift sei u. a., dass der Schuldner schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben getätigt habe. Mündliche unrichtige Angaben fielen indes nicht unter diese Vorschrift. Hier habe ein Mitarbeiter der Gläubigerin Nr. 1 aufgrund der Angaben des Schuldners ein Formular über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgefüllt. Dies reiche nicht aus, denn zur Verfahrensentlastung habe der Gesetzgeber davon abgesehen, mündliche Angaben als Versagungsgrund zuzulassen.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin Nr. 1 mit der sofortigen Beschwerde. Sie meint, es könne keinen Unterschied machen, ob der Schuldner selbst Angaben auf einem Blatt Papier schriftlich fixiert habe oder ob eine dritte Person die Angaben niedergeschrieben habe, denn mit seiner Unterschrift mache sich der unterzeichnende Schuldner die Angaben jedenfalls zu eigen. Darüber hinaus habe der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO den Sinn und Zweck, solche Insolvenzschuldner zu "bestrafen", die durch unrichtige Angaben ihre Gläubiger getäuscht hätten. Diese Insolvenzschuldner hätten das Privileg der Restschuldbefreiung nicht verdient. Es könne deshalb nicht darauf ankommen, ob die Täuschung mündlich oder schriftlich erfolgt sei. Wenn also der Insolvenzschuldner ein Schriftstück, das ein Dritter nach seinen Angaben gefertigt habe, unterzeichne, dann habe dieses den Beweis der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Es sei dann Sache des Schuldners die Richtigkeit des Schriftstückes zu widerlegen. Würde man jedoch für den Anwendungsbereich des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur solche Erklärungen zulassen, die der Schuldner eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe, liefe diese Vorschrift praktisch leer.
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Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin Nr. 1 ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 289 Abs. 2 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Gemäß § 289 Abs. 2 InsO steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der im Schlusstermin die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts zu. Hier war bereits der Antrag der Gläubigerin Nr. 1 vom 31.10.2001, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, unstatthaft, denn dieser Antrag ist zur Unzeit erfolgt. Wie sich aus § 289 Abs. 2 InsO ergibt, muss die Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin beantragt werden. Die Versagungsgründe nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO können weder vorher noch nach dem Schlusstermin geltend gemacht werden (Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Ahrens, 3. Aufl., § 289 Rn. 4 f.; Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung/Landfermann, 2. Aufl., § 289 Rn. 4; Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, 2000, S. 206 Rn. 434 ff.; Kübler/Prütting/Wenzel, Insolvenzordnung, § 289 Rn. 1; OLG Celle, Beschluss vom 4.2.2002 - 2 W 5/02 -). Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn ein masseunzulängliches Verfahren vorliegt oder das Insolvenzgericht auf die Durchführung eines Schlusstermins, der in diesem Verfahren nicht vorgeschrieben ist, verzichtet. Diese Ausnahmen liegen hier indes nicht vor. Das Verfahren ist weder massearm noch hat das Insolvenzgericht auf die Durchführung eines Schlusstermins verzichtet. Hier hat das Insolvenzgericht zwar das schriftliche Verfahren angeordnet, in diesem Fall muss jedoch vor der Entscheidung über die Restschuldbefreiung den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist gegeben werden. Eine solche Verfügung des Amtsgerichts befindet sich hier noch nicht in den Akten, der Antrag der Gläubigerin Nr. 1 auf Versagung der Restschuldbefreiung ist außerhalb einer solchen Stellungnahmemöglichkeit erfolgt. Der Antrag war mithin zum gegebenen Zeitpunkt nicht zulässig. Dies hat indes das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss nicht erkannt, denn unter Berücksichtigung der soeben dargestellten Rechtslage hätte sich das Amtsgericht mit der Frage, ob ein Fall des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorliegt nicht auseinandersetzen müssen.
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Die Kammer merkt jedoch an, dass das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin Nr. 1 wäre - sofern sie zulässig wäre - nicht begründet. Die Voraussetzungen des §§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift wird dem Schuldner Restschuldbefreiung versagt, der nicht früher als drei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mindestens grob fahrlässig unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um Kredite oder öffentliche Leistungen zu erhalten oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Der Versagungsgrund beruht auf dem Gedanken, dass derjenige keine Restschuldbefreiung verdient, der seine finanzielle Misere durch vorwerfbares Verhalten in Gestalt einer Täuschung eines oder mehrerer Gläubiger selbst herbeigeführt hat. Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten führen jedoch nur solche unrichtigen oder unvollständigen Angaben zur Versagung der Restschuldbefreiung, die der Schuldner schriftlich abgibt. Dabei kann hier die Frage dahinstehen, ob von der Schriftform im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch dann auszugehen ist, wenn der Kreditgeber anhand mündlicher Angaben des Schuldners ein Antragsformular ausgestellt hat, dass der Schuldner unterschreibt und so schriftlich die Verantwortung des Inhalts übernimmt (vgl. Nehrlich/Römermann, Insolvenzordnung, § 290 Rn. 44; Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung/Landfermann a.a.O., § 290 Rn. 5). Hier hat der Schuldner das in Rede stehende Formular der Gläubigerin Nr. 1 zur Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit weder selbst ausgefüllt noch unterschrieben. Vielmehr hat ein Mitarbeiter der Gläubigerin Nr. 1 die Angaben eingetragen und sodann das betreffende Formular unterschrieben. Eine Unterschrift des Schuldners trägt das Formular hingegen nicht. Der Gesetzgeber hat nur solche unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasst, die der Schuldner schriftlich abgibt. Hierdurch sollen Beweisschwierigkeiten vermieden werden, denn im Rahmen der Prüfung der Versagung der Restschuldbefreiung ist es nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, einen Streit zwischen Gläubiger und Schuldner über die Frage ob bzw. in welchem Umfang der Schuldner falsche Angaben gemacht hat, zu klären. Wenn also - wie hier - der Schuldner die Urkunde weder selbst geschrieben noch unterschrieben hat, kann ein solches Schriftstück keinen Beweis für die vom Gläubiger erhobene Behauptung der Täuschung seitens des Schuldners erbringen. Mithin handelt es sich um einen Fall, in dem der Schuldner mündlich Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse erteilt hat. Der Gläubiger, der diese Angaben schriftlich festhält ohne entsprechende Unterschrift des Schuldners, kann hierauf den Versagungsantrag gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht stützen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Den Beschwerdewert hat die Kammer gemäß § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse der Gläubigerin Nr. 1 an der Nichterteilung der Restschuldbefreiung ausgegangen.
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