Urteil vom Landgericht Hagen - 8 O 164/02
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 207.011,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2002 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand:
2Der Kläger ist durch Beschluß des Amtsgericht Hagen, Aktenzeichen 103 IN 21/00, zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxx ernannt worden. Die Beklagte ist Anteilseignerin zu 50 %.
3Die Gemeinschuldnerin befaßte sich ursprünglich mit der Herstellung und dem Betrieb von Zerstäubern und ähnlichem. In den Jahren 1985 bis 1988 erwirtschaftete sie Jahresverluste zwischen rund 400.000,00 DM und 1,6 Millionen DM. Am 23.04.1988 wurde die Betriebsstätte der Gemeinschuldnerin durch einen Brand vollständig vernichtet. Gegen Brandschäden bestand eine Versicherung für das Anlagevermögen für Schäden bis zu 7.000.000,00 DM. In der Folgezeit wurde der Schaden jedoch nicht ausgeglichen.
4Nach dem Brand gewährte die Beklagte der Gemeinschuldnerin ein Darlehen in Höhe von 4,5 Millionen DM. Zu diesem Zeitpunkt war sie mit 50 %, entsprechend 250.000,00 DM, am Stammkapital der Gemeinschuldnerin beteiligt. Nach Darlehensgewährung wechselte der Geschäftsgegenstand in den Bereich Handel, insbesondere Import von nicht näher spezifizierten Produkten für den Hauptkunden xxx.
5Durch Beschluß vom 11.06.1997 erfolgte eine Kapitalerhöhung um 1,5 Millionen auf 2 Millionen DM durch Einbringung des Gesellschafterdarlehens, dass zum damaligen Zeitpunkt mit rund 2,9 Millionen DM valutierte, wegen der Einzelheiten wird auf den Sacheinlagebericht (Anlage K 8) Bezug genommen. Die Anteilsquote der Gesellschafter blieb gleich. Ab 1991 erwirtschaftete die Gemeinschuldnerin jeweils Gewinne in schwankender Höhe zwischen rund 50.000,00 und 500.000,00 DM. Ein zum 31.05.1999 ermitteltes Stichtags bezogenes Betriebsergebnis belief sich auf rund 445.000,00 DM Gewinn. Tatsächlich erwirtschaftete die Gemeinschuldnerin zum 31.12.1999 einen Jahresverlust von rund 4.011 Millionen DM und stellte Anfang März 2000 Insolvenzantrag. Wegen der Einzelheiten der wirtschaftlichen Entwicklung wird auf die eingereichten Kopien der Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen 1985 ff. (Anlage B 2 und B 3) Bezug genommen.
6Die Gemeinschuldnerin erbrachte unter dem 07.03.1999 auf die bestehende Darlehensverpflichtung eine Rate in Höhe von 154.880,00 DM und unter dem 05.05.1999 eine Rate von 250.000,00 DM.
7Die Parteien sind sich darüber einig, dass jedenfalls bis zur Kapitalerhöhung im Juni 1997 das ursprünglich gewährte Darlehen Eigenkapital ersetzenden Charakter hatte.
8Die Klägerin meint, sie habe einen Rückzahlungsanspruch aus § 135 Nr. 2 InsO in Verbindung mit §§ 32a, 32b GmbHG, sowie aus §§ 30, 31 GmbHG. Hierzu behauptet sie, die Gemeinschuldnerin habe sich spätestens seit Ende 1998 erneut in der Krise befunden. Sowohl bei Darlehenshingabe, als auch bei Kapitalerhöhung sei das Darlehen Eigenkapital ersetzend gewesen. Diesen Charakter habe es bis zur neuerlichen Krise nach dem Geschäftsjahr 1998 nicht verloren.
9Die Klägerin forderte mit Schriftsatz vom 29.01.2002 (Anlage K 14) die Beklagte zur Rückzahlung der letzten beiden Darlehensraten bis zum 21.02.2002 auf.
10Die Klägerin beantragt,
11wie erkannt.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Hierzu behauptet sie, eine neuerliche Krise sei aufgrund der nicht vorhersehbaren Dollarkurs- und Frachtkostenentwicklung, sowie nicht vorhersehbare Gewährleistungsansprüche des Hauptkunden xxx erst in der zweiten Jahreshälfte 1999 eingetreten. Der Eigenkapital ersetzende Charakter sei mit der Kapitalerhöhung weggefallen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage ist aus §§ 135 Nr. 2 InsO, 32 a, 32 b GmbHG begründet.
17Es war zwischen den Parteien unstreitig, dass die Gemeinschuldnerin sich zum Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens im Jahre 1988 in der Krise befand und zahlungsunfähig war. Sie hatte im Zeitraum 1985 bis 1988 Verluste zwischen 400.000,00 und 1,7 Millionen DM jährlich erwirtschaftet. In dieser Situation hätte entweder der Geschäftsbetrieb eingestellt oder Eigenkapital zugeführt werden müssen, da sich die Gesellschaft in einer Krise im Sinne des § 32 a GmbHG befand.
18Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Eigenkapital ersetzende Charakter dieses Darlehens zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht durch die Kapitalerhöhung im Jahre 1997, weggefallen. Zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung wies die Gesellschaft einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 3.000.000,00 DM aus, der seit rund 10 Geschäftsjahren kontinuierlich angewachsen war bzw. sich auf hohem Niveau stabilisiert hatte. In dieser Konstellation war die Zuführung neuen Stammkapitals geboten. Diese konnte allerdings, entgegen dem grob fehlerhaften Sacheinlagebericht, nicht durch das Gesellschafterdarlehen der Beklagten bewerkstelligt werden. Die dahingehende Argumentation der Beklagten verläuft im Kreis. Es erfolgte lediglich eine formale Stammkapitalerhöhung, ohne dass der Gemeinschuldnerin Geld oder werthaltige Sacheinlagen zugeführt worden wären. Das eingebrachte Darlehen konnte zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung gerade nicht zurückgefordert werden, da es Eigenkapital ersetzenden Charakter hatte. Ein nicht rückforderbares Darlehen ist aber für den Darlehensgläubiger wertlos. Insofern ist der Sacheinlagebericht von 27.08.1997 (Anlage K 8) unrichtig. Nach den dort getroffenen Feststellungen, konnte die Darlehensforderung mit ihrem Nennwert als Sacheinlage eingebracht werden. Dies hatte aber nur eine nominelle Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse zur Folge. Das Darlehen konnte kein neues Eigenkapital werden, da es bereits Eigenkapital war.
19Da durch die Stammkapitalerhöhung eine Entsperrung des Darlehens nicht stattgefunden hat und andere Anhaltspunkte für eine Beendigung der Krise nicht vorgetragen sind, bestand diese fort.
20Selbst wenn man der Argumentation der Beklagten folgen würde, trat eine neuerliche Krise nicht erst in der zweiten Jahreshälfte 1999 auf. Die vermeintlichen wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, die von einem stichtagsbezogenen Betriebsergebnis von 445.000,00 DM Gewinn zu einem Verlust von rund 4,5 Millionen DM innerhalb eines halben Jahres führten, waren für die Gemeinschuldnerin, hätte sie wie ein ordentlicher Kaufmann handeln können und gehandelt, abwendbar gewesen. Nach den von der Beklagten vorgelegten Statistiken zur Entwicklung insbesondere des Dollarkurses war aber bereits in den Jahren 1995 und 1996 zu erkennen, dass der Preis für einen US-Dollar sich in einer Aufwärtsbewegung befand. Gerade im Jahr 1998 hingegen ist ein Zwischentief festzustellen. Dennoch hat die Gemeinschuldnerin nur ein Jahresergebnis von rund 56.000,00 DM erzielt. Die Beobachtung von Schwankungen der Wechselkurse und Transportkosten, sowie die Versicherung gegen derartige Unwirkbarkeiten gehört aber gerade bei einem Unternehmen, das auf internationalen Märkten Handel treibt, zu den wesentlichen Voraussetzungen für einen Geschäftsbetrieb nach ordentlich kaufmännischen Grundsätzen.
21Die im Jahre 1999 erbrachten Zahlungen sind gemäß § 32 b GmbHG an die Gemeinschuldnerin zurückzuführen. Die gemäß § 135 InsO erforderliche Anfechtung ist in dem Schriftsatz des Klägers vom 29.01.2002 (Anlage K 14) zu sehen.
22Der Anspruch ist ferner aus §§ 30, 31 GmbHG, die in der Insolvenz neben den §§ 32 a, 32 b GmbHG Anwendung finden, begründet. Da das Darlehen zum Rückzahlungszeitpunkt Eigenkapital ersetzend war, liegt in der Darlehenstilgung im Jahre 1999 ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG. Der Erstattungsanspruch ergibt sich demnach aus § 31 Abs. 1 GmbHG.
23Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 I BGB a.F.
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