Urteil vom Landgericht Hagen - 7 S 49/14
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 10.04.2014 (Az.: 94 C 193/13) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 48,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2013 und 39,00 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 10.04.2014 (Az.: 94 C 193/13) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 48,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2013 und 39,00 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
2Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.
4Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5Gründe:
6I.
7Die Parteien streiten darum, in welchem Umfang die Beklagte verpflichtet ist, Nebenkosten eines Pkw-Schadensgutachters zu ersetzen. Die Klägerin macht eine angebliche Schadensersatzforderung geltend, die durch die Geschädigte an den Sachverständigen und von diesem an die Klägerin abgetreten worden sein soll.
8In dem von der Geschädigten unterzeichneten Auftrag zur Gutachtenerstattung, der zugleich eine Abtretungserklärung der Geschädigten an den Sachverständigen beinhaltet, heißt es unter anderem:„Der Sachverständige berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Höhe des KFZ-Schadens.“
9Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Abtretungserklärung vom 12.02.2013, Bl. 7 d.A., verwiesen.
10Mit Rechnung vom 14.02.2013 rechnete der Sachverständige neben einem Grundhonorar in Höhe von 389,50 EUR netto diverse Netto-Nebenkosten ab:
11Schreibkosten: 3,00 EUR x 19 Seiten = 57,00 EUR
12Fotos: 2,25 EUR x 10 Fotos = 22,50 EUR
13Kopien: 2,54 EUR x 19 Seiten = 48,26 EUR
14Kopien der Fotos: 1,53 EUR x 10 Fotos = 15,30 EUR
15Telekommunikation/Porto: 16,24 EUR
16Die Beklagte zahlte das Grundhonorar und auf die abgerechneten Nebenkosten einen Pauschalbetrag von 100,00 EUR netto an die Klägerin.
17Die Klägerin begehrt nunmehr restliche Nebenkosten i.H.v. 70,56 EUR brutto.
18Der Geschädigte ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt.
19Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Abwicklung des Schadensfalles zwischen den Parteien wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf die Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 10.04.2014.
20Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, zwischen der Geschädigten und dem Sachverständigenbüro sei eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden, nach welcher dem Sachverständigen kein Anspruch auf Nebenkosten zustehe. Mit der vorprozessualen Zahlung der Beklagten sei der geltend gemachte Anspruch bereits ausgeglichen. Dies ergebe sich aus der Vereinbarung des Inhalts, dass der Sachverständige sein Honorar in Anlehnung an die Höhe des KFZ-Schadens berechnet. Da keine ausdrückliche Regelung über Nebenkosten getroffen worden sei, seien diese auch nicht geschuldet.
21Gegen das am 16.04.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.05.2015 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages hat sie das Rechtsmittel begründet. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass auch Nebenkosten in der begehrten Höhe geschuldet seien.
22Die Klägerin beantragt,
23unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 70,56 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.02.2013 sowie 39,00 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie vertritt weiterhin die Auffassung, über den gezahlten Pauschalbetrag hinaus seien keine Nebenkosten geschuldet. Außerdem bestreitet sie auch zweitinstanzlich die Aktivlegitimation der Klägerin.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Berufungsbegründung vom 08.05.2014, die Berufungserwiderung vom 20.06.2014, sowie auf die weiteren zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
28II.
29Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist lediglich in dem tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von restlichen Sachverständigen-Nebenkosten i.H.v. 48,85 EUR brutto aus §§ 7 StVG i.V.m. 115 VVG.
30Die Klägerin ist für ihre Klage aus abgetretenem Recht aktivlegitimiert. Die Abtretung verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), denn die Klägerin handelt hier nicht auf fremde Rechnung, sondern auf eigene. Sie hat die Forderung ausweislich der vorgelegten Abtretungsvereinbarung im Wege des echten Factorings angekauft und macht diese nunmehr in eigenem Namen geltend. Zur Abgrenzung, ob eine Forderung auf eigene oder fremde Rechnung eingezogen wird, hat der BGH in seinem Urteil vom 21.10.2014 – VI ZR 507/13 ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankommt, wem das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung zugutekommen soll. Hier trägt die Klägerin das volle Bonitätsrisiko. Ausweislich der Vertragsgestaltung besteht keine Möglichkeit der Klägerin, einseitig eine Rückabtretung der Forderung zu veranlassen. Bei dem Zedenten verbleibt lediglich das Veritätsrisiko. Dies erscheint jedoch nicht ungewöhnlich, da eine nicht bestehende Forderung auch nicht abgetreten worden sein kann.
31Nachdem die Klägerin nunmehr auch eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG vorgelegt hat, können zukünftig an ihrer Aktivlegitimation keine Zweifel mehr bestehen.
32Im Rahmen der hier getroffenen Abrede zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen sind nach Auffassung der Kammer entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Nebenkosten dem Grunde nach in dem Verhältnis des Geschädigten zu dem Sachverständigen werkvertraglich geschuldet. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Regelung, der Sachverständige berechne sein Honorar in Abhängigkeit von der Schadenshöhe, gerade keine Aussage zur Inrechnungstellung von Nebenkosten trifft. Ist aber keine Vergütung vereinbart, so gilt sie nach § 632 Abs. 1 BGB stillschweigend als vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Bestandteil des Sachverständigenhonorars sind jedoch auch Nebenkosten. Es ist gerichtsbekannt, dass Sachverständige neben einem Grundhonorar regelmäßig auch Nebenkosten abrechnen; dies geschieht auch in anderen Bereichen, so dass der Anfall von Nebenkosten für niemanden überraschend ist. Dies wird untermauert durch die BVSK-Honorarbefragung aus dem Jahre 2011, die durch verschiedene Gerichte – so auch durch die Kammer in ständiger Rechtsprechung – immer wieder als Schätzungsgrundlage bei Streitigkeiten über die Höhe von Sachverständigenhonoraren herangezogen wird. Von der Üblichkeit von Nebenkosten gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus. Anders ist die Zahlung von 100,00 EUR auf geltend gemachte Nebenkosten nicht zu verstehen. In Streit steht nur deren konkrete Höhe.
33Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (BGH VI ZR 225/13 v. 11.02.2014, S. 5 m.w.N.). Für deren Schätzung gem. § 287 ZPO bildet regelmäßig die tatsächliche Rechnungshöhe ein wesentliches Indiz (BGH a.a.O., S. 6 f.).
34Als erforderlicher Herstellungsaufwand sind hier auch Sachverständigenkosten anzusehen, wobei die erforderlichen Nebenkosten insgesamt 141,05 EUR netto (= 167,85 EUR brutto) betragen, die zum Teil bereits durch die vorgerichtliche Zahlung von 100,00 EUR erloschen sind. Weitere Nebenkosten sind nicht als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen. Namentlich können die geltend gemachten Schreib- und Fotokosten aus Sicht eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten nicht in vollem Umfang als erforderlich angesehen werden.
35Die Schreibgebühren waren auf 54,70 EUR zu kürzen. Hierbei hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen: Die Seiten 10 - 14 des Gutachtens enthalten lediglich Tabellenkalkulationen, die mithilfe eines Computerprogramms erstellt worden und dann in das Gutachten hineinkopiert worden sind. Der kostenintensive Teil der Schreibkosten ist jedoch erkennbar nicht der Einsatz von Tinte und Papier, sondern betrifft die Kosten für die Arbeitskraft des Schreibenden. Diese Kosten entfallen beim Einrücken computererstellter Kalkulationen, deren Erstellung nach Ansicht der Kammer bereits durch das Grundhonorar abgegolten ist. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer die „Schreibkosten“ für Seiten, die lediglich eingerückte Tabellenkalkulationen enthalten, wie Kopien des Sachverständigen behandelt und Kosten von 2,54 EUR pro Seite zu Grunde gelegt.
36Kosten für Lichtbilder waren lediglich in Höhe von 12,85 EUR erforderlich. Wie sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2011, die die Kammer auch hier als taugliche Schätzungsgrundlage heranzieht, ergibt, werden für Lichtbilder regelmäßig bis zu 2,57 EUR abgerechnet, die die Kammer als noch erforderlich ansieht. Allerdings ist die Kammer unter Anwendung ihrer Schätzungsbefugnis aus § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO der Ansicht, dass sich diese Kosten vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts auf dem Gebiet der Digitalfotografie und den damit verbundenen Einsparmöglichkeiten jeweils auf die mit Lichtbildern versehene Gutachtenseite beziehen müssen. Hier sind jedoch erkennbar jeweils zwei Lichtbilder auf einer Gutachtenseite abgedruckt. Dies rechtfertigt keinen doppelten Kostenansatz.
37In ständiger Rechtsprechung erkennt die Kammer eine Gutachtenkopie als erforderlich an, wobei die Kammer davon ausgeht, dass das Original des Gutachtens für die Unterlagen des Geschädigten vorgesehen ist und er eine Durchschrift zur Abrechnung mit der Versicherung benötigen wird. Gegen die Kosten der Kopien gibt es aus Sicht der Kammer nichts zu erinnern, da sie sich im Mittel des Korridors HB V der BVSK-Honorarbefragung 2011 bewegen. Hinsichtlich der kopierten Lichtbilder gelten jedoch die obigen Ausführungen, so dass die Kosten für den kopierten Fotosatz auf 9,00 EUR zu kürzen waren.
38Die von dem Sachverständigen abgerechneten Nebenkosten für Post und Telekommunikation sind von der Beklagten zu erstatten. Dass bei der Gutachtenerstattung Kosten für Telekommunikation und Porto angefallen sind, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Der Sachverständige hat seine Kommunikationskosten in nicht zu beanstandender Weise pauschaliert. Wie sich aus dem Zusatz „…und berechnen nach dem Mittelwert der BVSK HB V Korridor Liste 2011“ über der Aufstellung der einzelnen Positionen in der Rechnung des Sachverständigen ergibt, will der Sachverständige hier erkennbar pauschal abrechnen. Bei dem in Rechnung gestellten Betrag handelt es sich zudem exakt um den Mittelwert der Porto/Telefonpauschale in dem o. g. Honorarkorridor. Gegen eine pauschalierte Abrechnung bestehen seitens der Kammer keine Bedenken. Auch gegen die Höhe der Pauschale von 16,24 EUR bestehen aus vorgenannten Gründen keine Bedenken.
39Es ergeben sich danach folgende erstattungsfähige Nebenkosten:
40Schreibkosten: 54,70 EUR
41Fotos: 12,85 EUR
42Kopien: 48,26 EUR
43Kopien der Fotos: 9,00 EUR
44Telekommunikation/Porto: 16,24 EUR
45= 141,05 EUR netto – 100 EUR netto Zahlung = 41,05 EUR netto = 48,85 EUR brutto
46Die noch offene Forderung hat die Beklagte mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2013 zu verzinsen, §§ 286 Abs. I, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1, 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Spätestens nach der Übersendung ihres Abrechnungsschreibens vom 22.02.2013 befand sich die Beklagte im Verzug, da sie mit diesem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass sie weitere Forderungen nicht begleichen will. Zugegangen ist dieses Schreiben der Klägerin am 26.02.2013, wie sich aus dem darauf angebrachten Eingangsstempel ergibt. Die Zinspflicht beginnt am Tag nach dem Zugang der Erklärung, dass weitere Leistungen ernsthaft und endgültig verweigert werden. Ein früherer Verzugsbeginn lässt sich jedenfalls nicht sicher feststellen.
47Die Klägerin kann darüber hinaus die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 39,00 EUR beanspruchen. Insbesondere durfte die Klägerin – wie in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2015 erörtert – die vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwaltes auch ohne Erteilung eines unbedingten Klageauftrages für erforderlich halten. Letztlich hat die Klägerin unwidersprochen ausgeführt, dass die Beklagte auch außergerichtlich auf rechtsanwaltliche Aufforderungsschreiben hin Zahlungen geleistet und Ansprüche erfüllt hat. Vor diesem Hintergrund durfte ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für erforderlich halten. Das rechtsanwaltliche Aufforderungsschreiben datiert vom 24.04.2013, mithin zeitlich nach der endgültigen Leistungsverweigerung der Beklagten.
48Das Rechtsanwaltshonorar berechnet sich nach einem Streitwert in Höhe der berechtigten Forderung.
49Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
50Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzung des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtssprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
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