Beschluss vom Landgericht Halle - 7 Ns 126 Js 13249/14 (5/17), 7 Ns 5/17

Tenor

Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Zeugen ... wird dessen Entschädigung auf 138,10 € festgesetzt.

Die Auslagen des Antragstellers im Antragsverfahren trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

1

Der in der Berufungsverhandlung vernommene Zeuge machte mit Antrag vom 12.05.2017 eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 138,10 € geltend, wobei er einen Verdienstausfall für 6 Stunden zu je 21 €, bei einem tatsächlichen Bruttolohn von 44 € je Stunde, sowie Fahrtkostenersatz in Höhe von insgesamt 12,10 € in Ansatz brachte.

2

Die Anweisungsbeamtin kürzte den Verdienstausfall auf 5,25 Stunden zu je 21 € und wies einen Gesamtbetrag in Höhe von 122,35 € zur Überweisung an den Antragsteller an.

3

Der Zeuge hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit welchem er sich gegen die Kürzung des Verdienstausfalles durch die vorgenommene Rundung des Stundensatzes von 5,25 Stunden auf 5,3 Stunden wendet.

4

Die Anweisungsbeamtin hat dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht abgeholfen.

5

Die Bezirksrevisorin des Landgerichts nahm mit Schreiben vom 17.07.2017 zum Antrag Stellung.

II.

6

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 4 Abs. 1 JVEG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1.

7

Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 4 JVEG erhalten Zeugen Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge richtet und für jede Stunde höchstens 21 Euro beträgt.

8

Soweit die Entschädigung nach Stunden bemessen ist, wird sie für die gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt. Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen; anderenfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags (§ 19 Abs. 2 JVEG).

9

Die Auslegung der Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 2 JVEG ist umstritten.

10

Ein Teil der Literatur rundet die Entschädigung grundsätzlich auf eine volle Stunde auf. Lediglich in den Fällen, in denen die gesamte Heranziehung nicht länger als 30 Minuten dauert, sei lediglich eine halbe Stunde zu entschädigen (so Meyer/Hofer/Bach/Oberlack; JVEG-Kommentar, 26. Aufl., § 19 Rn. 12; Binz/Dörndorfer, GKG, FamGKG, JVEG 3. A. 3. Aufl. 2014, § 19 Rn. 10, Pannen/Simon in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, § 19 Rn. 13). Als Begründung wird herangeführt, die Entschädigung für Zeugen und Dritte sei grundsätzlich an diejenige der Sachverständigen und Dolmetscher (§ 8 Abs. 2 JVEG) angeglichen. Laut der Gesetzesbegründung sei es jedoch (nur) im Beispiel einer Anfrage der Strafverfolgungsorgane an gewerbliche Autovermieter nach der Person des Mieters eines Kraftfahrzeuges nicht gerechtfertigt eine Entschädigung für eine volle Stunde zu gewähren, da eine solche Anfrage insgesamt nur wenige Minuten dauere.

11

Die Aufrundung von Verdienstausfall dürfe jedoch auch nach dieser Ansicht nicht dazu führen, dass der Zeuge mehr Entschädigung erhalte, als ihm tatsachlich an Verdienstausfall entstanden sei.

12

Danach sind vorliegend grundsätzlich 6 Stunden à 21 € und somit 126 € in Ansatz zu bringen. Die Gesamtentschädigung erreicht den tatsächlich vom Antragsteller erlittenen Verdienstausfall von 5,25 h zu je 44 €, somit 231 €, nicht, so dass es bei einer Entschädigung in Höhe von 126 € verbleibt.

13

Nach der anderen Ansicht (Schneider, JVEG-Kommentar, 2. Aufl., 2014, § 19 Rn. 19) ist in den Fällen, in denen die letzte begonnene Stunde weniger als 30 Minuten für die Heranziehung genutzt werde, als Entschädigung stets die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages in Ansatz zu bringen. Hinsichtlich der Erstattung von Verdienstausfall sei jedoch nur der tatsächliche Verdienstausfall zu ersetzen, so dass weder aufgerundet noch gekürzt werden dürfe.

14

Nach dieser Ansicht wären somit 5,25 Stunden à 21 €, somit 110,25 €, anzusetzen.

15

Der Gesetzeswortlaut spricht für die erstgenannte Ansicht. Durch die Verwendung des Wortes "insgesamt" hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine Aufrundung auf die "volle halbe" Stunde nur in den Fällen erfolgen soll, in denen die gesamte Heranziehungszeit bis 30 Minuten beträgt. In allen anderen Fällen ist auf die volle Stunde aufzurunden. Die obengenannte Gesetzesbegründung stützt diese Ansicht. Hinzu kommt, dass hierdurch die Entschädigung an diejenige für Sachverständige und Dolmetscher angeglichen wird. Die von Schneider in JVEG-Kommentar, § 19 Rn. 19, vertretene Auffassung führt dazu, dass eine Aufrundung von Verdienstausfallentschädigung bereits grundsätzlich - entgegen des eindeutigen Wortlautes des § 19 Abs. 2 Satz 2 JVEG - nicht zur Anwendung kommt. Dem Umstand, dass der Zeuge finanziell nicht besser gestellt werden soll, als wenn seine Heranziehung unterblieben wäre, ist mit der erstgenannten Ansicht Rechnung getragen.

2.

16

Vorliegend war die Entschädigung wie folgt festzusetzen:

17

Zeugenentschädigung für Verdienstausfall

6 h à 21,00 €

126,00 €

nach §§ 19, 22 JVEG

Fahrtkostenersatz nach §§ 19, 5 JVEG

- für Kraftfahrzeug 26 km Hin- und Rückweg

6,50 €

6,50 €

- Parkgebühren

5,60 €

5,60 €

     

Gesamt:

  138,10 €

18

Das Gericht ist bei der Festsetzung der Entschädigung an die gestellten Anträge nur insoweit gebunden, als es nicht mehr festsetzen kann, als "verlangt" ist. Im Rahmen des allgemein gestellten Verlangens auf Entschädigung kann das Gericht auch Beträge festsetzen, deren Ablehnung durch die Anweisungsstelle bei dem Antrag auf gerichtliche Festsetzung nicht beanstandet worden ist. Die gerichtliche Festsetzung ist keine Abänderung der von der Anweisungsstelle vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 4 JVEG, wodurch eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos wird.

19

Auch wenn sich vorliegend der Antragsteller im Rahmen des Antrages auf gerichtliche Festsetzung lediglich gegen die Kürzung seines Verdienstausfalles von 5,5 h auf 5,25 h wendet, sind im gerichtlichen Festsetzungsverfahren 6 Stunden in Ansatz zu bringen,

III.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG,

IV.

21

Die Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zugelassen.


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