Beschluss vom Landgericht Hamburg - 328 T 67/15

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 16. November 2015 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin begehrt die Anordnung der Zwangsversteigerung.

2

Unter dem 22. September 2015 beantragt die Beschwerdeführerin die Anordnung der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums hinsichtlich der im Aufteilungsplan mit Nr. 17 bezeichneten Wohnung in (PLZ) H., G.X, eingetragen im Grundbuch von H. M., Blatt 2..0, verbunden mit dem an gleicher Grundbuchstelle eingetragenen 544/10.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück.

3

Die Beschwerdeführerin begehrt die Zwangsversteigerung wegen der an Grundbuchstelle in Abteilung 3 unter laufender Nummer 5 durch Buchgrundschuld genannten gesicherten Forderung hinsichtlich des Schuldversprechens aus Ziffer IV. der vollstreckbaren Urkunde des Notars Dr. F.M., Nr. 2005 der Urkundenrolle für 2014 M, vom 22. Mai 2014, über den Betrag von 106.932,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 15 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 22. Mai 2014 (Bl. 15 d. A.) erfolgen. In dieser notariellen Urkunde hat der Schuldner für die Zahlung des Grundschuldbetrags in Ziffer IV (1) die persönliche Haftung übernommen und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung mit seinem gesamten Vermögen unterworfen. Die Urkunde enthält in Ziffer V (3) einen Nachweisverzicht bezogen auf das Entstehen und die Fälligkeit der Grundschuld.

4

Noch am Tag der Unterzeichnung der Urkunde hat der Notar der Beschwerdeführerin eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt, die dem Schuldner am 22. Oktober 2015 über den Gerichtsvollzieher durch Aufgabe zur Post (§§ 192 ff., 178, 180 ZPO) zugestellt worden ist.

5

Unter dem 02. Oktober 2015 teilte das Amtsgericht Hamburg-St. Georg der Beschwerdeführerin mit, die Vollstreckungsklausel sei offensichtlich unwirksam. Die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs setze die Kündigung der Grundschuld nach § 1193 Abs. 1 BGB voraus, abweichende Vereinbarungen seien nach § 1193 Abs. 2 BGB unwirksam. Der unter Ziffer V. (3) der Urkunde erklärte Nachweisverzicht sei nach Ansicht des Amtsgerichts seit Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes am 19. August 2008 unzulässig. Daher sei im vorliegenden Fall die Vollstreckbarkeit bescheinigt worden, obwohl der Titel tatsächlich noch gar nicht vollstreckbar gewesen sei. Es forderte die Beschwerdeführerin sodann auf, den Titel mit einer wirksamen Vollstreckungsklausel versehen zu lassen.

6

Mit Beschluss vom 16. November 2015 wies das Amtsgericht Hamburg-St. Georg den Antrag der Beschwerdeführerin auf Anordnung der Zwangsversteigerung vom 22. September 2015 zurück, soweit die Anordnung wegen der dinglichen Ansprüche erfolgen soll. In seiner Begründung bezog es sich auf seinen Hinweis vom 02. Oktober 2015. Insbesondere stünde dem Amtsgericht hinsichtlich einer offensichtlichen Unrichtigkeit des Titels eine eigene Prüfungskompetenz zu.

7

Gegen diesen Beschluss, der Beschwerdeführerin zugestellt am 18. November 2015 legte diese am 01. Dezember 2015 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie an, die in der Literatur von Stöber vertretene Auffassung zur Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans sowie zur Zulässigkeit eines Nachweisverzichts, der das Amtsgericht gefolgt ist, sei nicht haltbar, wie bereits verschiedene Landgerichte festgestellt haben. Insbesondere sei die Prüfung von materiellen Voraussetzungen nicht Aufgabe des Vollstreckungsorgans. Der Schuldner müsse insoweit auf die in der Zwangsvollstreckung geltenden Rechtsbehelfe verwiesen werden.

8

Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 03. Dezember 2015 nicht ab und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor.

II.

1.

9

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

a.

10

Die nach §§ 95 ZVG, 793, 567 ZPO, 11 RPflG statthafte sofortige Beschwerde ist formgerecht und fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§§ 569 Abs. 1, 793 ZPO) eingelegt worden.

b.

11

In der Sache ist die Beschwerde gegen den Beschluss vom 16. November 2015 begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses war die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts erneut zu entscheiden hat.

12

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsvollstreckung liegen vor.

13

Die Beschwerdeführerin hat nachgewiesen, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung, Antrag) vorliegen. Demnach hat die gemäß §§ 3 Nr. 3 a), 20 Nr. 17 RPflG zur Vollstreckung berufene Rechtspflegerin den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung zu Unrecht zurückgewiesen. Sie war an die vom Notar erteilte Vollstreckungsklausel gebunden. Eine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Wirksamkeit der Klausel stand ihr nicht zu.

c.

14

Die vorliegende Entscheidung erfolgte durch den Einzelrichter und nicht, wie mit Schriftsatz vom 05. November 2015 beantragt, gemäß § 568 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch die Kammer. Auf die Grundsatzfrage, ob ein Nachweisverzicht bezogen auf das Vorliegen der Voraussetzungen zur Fälligkeit einer Sicherungsgrundschuld wirksam ist, kommt es im hiesigen Fall nicht an. Vielmehr ist das Vollstreckungsorgan an die vorliegende Klauselerteilung auf Basis von § 724 ZPO gebunden und hat von der Vollstreckbarkeit auszugehen. Der Gläubiger ist insoweit mit der Überprüfung, ob der Notar oder das Gericht statt einer notwendigen qualifizierten Vollstreckungsklausel fehlerhaft nur eine einfache Klausel erteilt hat, allein auf das Verfahren über die Erinnerung gemäß § 732 ZPO zu verweisen.

d.

15

Die Kammer folgt insoweit den von Bundesgerichtshof in drei Beschlüssen aufgestellten Grundsätzen, wonach dem Vollstreckungsorgan lediglich eine Prüfungskompetenz dahingehend zusteht, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde. Nicht zu überprüfen hat es hingegen, ob sie (materiell-rechtlich) wirksam erteilt wurde (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012, VII ZB 57/11, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012, VII ZB 71/09, zitiert nach juris BGH, Beschluss vom 23. Mai 2013, VII ZB 31/11, zitiert nach juris).

16

Grundsätzlich bescheinigt die Klausel die Vollstreckbarkeit des Titels gegenüber dem Vollstreckungsorgan, soweit nicht diesem die Prüfung besonderer Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zugewiesen ist, vgl. §§ 726 Abs. 1, 2, 727 Abs. 1 ZPO. Die Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt gemäß §§ 797 Abs. 2, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 724 ff. ZPO in bestimmten Fällen durch den Notar. Diesem obliegt es zu prüfen, ob der Titel Vollstreckungsbedingungen im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO enthält und es deshalb gemäß § 20 Nr. 12 RPflG dem Rechtspfleger vorbehalten ist, eine dann erforderliche qualifizierte Klausel zu erteilen. Gegenstand dieser Prüfung ist der Inhalt des Titels, der in der Regel durch Auslegung zu ermitteln ist. Gelangt die Prüfung des Notars zum objektiv falschen Ergebnis und erteilt er zu Unrecht eine einfache Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO, so liegt darin eine fehlerhafte Ausübung der ihm nach dem Gesetz übertragenen Aufgaben (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012, VII ZB 71/09, Rn. 14, zitiert nach juris BGH Beschluss vom 25. Oktober 2012, VII ZB 57/11, Rn. 8, zitiert nach juris).

17

Dieser Fehler betrifft jedoch lediglich die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel, die grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsorgans gestellt ist. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie unter materiell rechtlich wirksamen Voraussetzungen erteilt werden durfte (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012, VII ZB 71/09, Rn. 14, zitiert nach juris BGH Beschluss vom 25. Oktober 2012, VII ZB 57/11, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 23. Mai 2013, VII ZB 31/11, Rn. 12, zitiert nach juris; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Auflage 2015, § 797 Rn. 4). Deshalb ist es nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen (BGH jeweils a.a.O.).

18

Der angefochtene Beschluss kann insoweit keinen Bestand haben.

e.

19

Der vom Amtsgericht geltend gemachte vermeintliche Fehler bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel ist entgegen seiner Ansicht (Bl. 21 d. A.) bei unterstellter tatsächlicher Fehlerhaftigkeit nicht derart schwerwiegend, dass er auch ohne eine erfolgreiche Anfechtung im Verfahren nach § 732 ZPO die im Erinnerungsverfahren zu berücksichtigende Unwirksamkeit der Klausel begründen könnte.

20

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Vollstreckungsakt dann ausnahmsweise unwirksam sein, wenn grundlegende, schwere Mängel vorliegen und dieser von vorneherein unwirksam ist (BGH, Urteil vom 16. Februar 1976, II ZR 171/74, Rn. 7, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012, VII ZB 71/09, Rn. 14, zitiert nach juris).

21

Macht ein Beschwerdeführer allerdings, wie hier, geltend, der Notar bzw. der Urkundsbeamte habe die Klausel nach §§ 724, 725 ZPO zu Unrecht ohne die gemäß § 726 Abs. 1 ZPO erforderlichen Nachweise erteilt, so betrifft dieser Einwand die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungsklausel im Einzelfall, die der Notar im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zugewiesenen Aufgaben erteilt hat. Eine in solcher Weise fehlerhaft erteilte Vollstreckungsklausel leidet nicht an einem grundlegenden, schwerwiegenden Mangel, der es rechtfertigen könnte, die Überprüfung der Klauselerteilung dem nach obigen Grundsätzen hierfür allein vorgesehenen Verfahren nach § 732 ZPO zu entziehen (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 - VII ZB 71/09 -, Rn. 17, juris).

2.

22

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

3.

23

Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO zuzulassen, da es auf die Grundsatzfrage, ob ein Nachweisverzicht bezogen auf das Vorliegen der Voraussetzungen zur Fälligkeit einer Sicherungsgrundschuld wirksam ist, nicht ankam. Die Frage, ob sich die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans auf materiell-rechtliche Probleme bezieht, war durch den Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden worden. Diese Entscheidungen sind entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (Bl. 39 d. A.) auch nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes am 19. August 2008 ergangen.

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