Urteil vom Landgericht Hamburg (12. Kammer für Handelssachen) - 412 HKO 13/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Assekuradeurin, erhebt für die von ihr repräsentierten Versicherer (Aufzählung Seite 4 der Klage) Ansprüche unter Berufung auf abgetretenes und übergegangenes Recht der S. Fleischgroßhandel Im- und Export GmbH abgetretenes Recht der Fa. T. GmbH, H.. Die Fa. S. Fleischgroßhandel hatte bei der Firma F. C. B. S.A., U. U. insgesamt 835 Kartons, 11.725 kg brutto, gekühltes Rindfleisch (Chilled Boneless Beef, Rump & Loin) zum Einkaufspreis von US$ 159.915,00 (Rechnung Anlage K 2) erworben, die von Montevideo nach Hamburg transportiert werden sollten. Mit der Beförderung der Ware, verpackt in einen 20“ Kühlcontainer, wurde die Beklagte beauftragt, die für die Seereise mit der „ C. S. L.“ ein Bill of Lading mit der Nummer H. (Anlage K 3) erstellte. Nach der dort gegebenen Vorgabe sollte die Temperatur auf -1,4 Grad Celsius eingestellt werden. Die Beklagte übernahm den Container am 27. Februar 2014. Das Schiff kam am 23. März 2014 in Hamburg an, und die Ware wurde am 24. März 2014 bei der im Konnossement genannten Fa. T. GmbH abgeliefert. Da die Empfängerin Frostschäden beanstandete, wurde die Ware in ihrem Auftrag durch den Sachverständigen P. untersucht, welcher darüber unter dem 3. April 2014 ein Gutachten erstellte (Anlage K 6). In diesem Gutachten gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, das das Fleisch in allen Teilmengen einen Frostschaden erlitten habe und dadurch an Qualität verloren habe. Der Minderwert belaufe sich auf 25% des Wertes der unbeschädigten Ware. Als Schadensursache erkannte der Sachverständige, dass die Ware laut den Aufzeichnungen eines in dem Container deponierten Raumlufttemperaturaufzeichnungsgeräts konstant einer zu niedrigen Temperatur, nämlich -2,5 Grad C, ausgesetzt gewesen sei.
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Mit dem „Letter of Subrogation“ (Anlage K 8) vom 25.4.2014 an die Klägerin erklärte die Empfängerin S., dass die Klägerin in Ansehung von Zahlungen, die sie für die Versicherer leiste, „subrogatet and assigned to all our rights and remedies“ werde. Mit der Abtretungserklärung vom 8.5.14 (Anlage K 9) erklärte die im Konnossement benannte Empfängerin T. GmbH die Abtretung ihrer Ansprüche an die Klägerin.
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Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihre Sorgfaltspflichten in Bezug auf die überlassene Ware verletzt, insbesondere habe sie es zu verantworten, dass die Ware bei einer zu niedrigen Temperatur transportiert und dabei beschädigt worden sei. Die Beklagte hafte daher für den streitgegenständlichen Schaden nach § 498, 502, 504 Abs. 1 HGB. Die Schadenshöhe betrage 25% des in der Einkaufsrechnung ausgewiesenen Betrages, umgerechnet ca. € 28.983,10, wobei sich die Klägerin insoweit auf den sich aufgrund der seerechtlichen Haftungslimitierung des § 504 Abs. 1, 505 HGB ergebenden Betrag beschränke. Diesen berechnet sie mit € 26.275,26 (11.725 kg x 2 SZR/kg x € 1,12048 am 23.03.2014) zzgl. € 1.897,50 Sachverständigenkosten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 28.172,16 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2014 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet die Prozessführungsbefugnis bzw. Aktivlegitimation der Klägerin. De Klage sei im Übrigen unbegründet. Die Ware habe im Obhutszeitraum keinen Schaden erlitten. Die Beklagte habe die im Konnossement vorgegebene „Set-Temperature“ von -1,4 Grad C eingehalten und beruft sich dazu auf die von ihr vorgelegten Aufzeichnungen des Containers, insbesondere den Kühlgraphen (Anlage B 1) und das Kühlprotokoll (Anlage B 2). Entsprechend dieser Einstellung sei auch die Temperatur der eingeblasenen Luft (supply air) durchgängig in diesem Bereich. Der festgestellte Warenschaden könne daher nicht auf einer unsachgemäßen Behandlung seitens der Beklagten beruhen. Die Aufzeichnungen des durch die Absender beigefügten Geräts seien nicht aussagekräftig und es wird bestritten, dass die vorgelegten Aufzeichnungen diesem Geräte entstammten. Ergänzend beruft sich die Beklagte auf ein Gutachten von German Survey Marine, wonach eine Auswertung der Containerprotokolle ergäbe, dass sich die aufgezeichneten Temperaturen fast durchgängig zwischen -0,9 C und -1,3 C bewegten und zu keiner Zeit -2,5 C erreichten. Dementsprechend müsse der Schaden vor Übernahme des Fleisches durch die Beklagte entstanden sein. Schließlich beruft sich die Beklagte auf Ziffer 8. ihrer AGB, wonach Temperaturschwankungen von 2,5 Grad nach oben oder unten gegenüber der in der Bill of Lading genannten Temperatur zulässig seien.
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Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 10.07.2015 (Blatt 60 der Akten) durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Y. W., welches unter dem 31. Januar 2016 erstellt wurde (Blatt 79ff der Akten) Vernehmung, und welches der Sachverständige in seiner Anhörung näher erläutert hat. Für die Bekundungen des Sachverständigen wird auf das Protokoll vom 18.4.2016 (Blatt 149 der Akten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
I
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Die Klägerin ist als Assekuradeurin für die durch sie vertretenen Versicherer prozessführungsführungsbefugt. Ihre Stellung hat sie durch die Erklärung in Anlage K 1 nachgewiesen. Die Aktivlegitimation ergibt sich aus der in Anlage K 9 vorgelegten Abtretungserklärung des im Konnossement genannten Empfängers.
II.
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Die Beklagte haftet nicht nach § 498 I HGB für den eingetretenen Schaden, weil der Schaden mit der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnte. Für solche Fälle sieht § 498 II HGB eine Haftungsbefreiung vor.
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Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. W. steht fest, dass das durch die Beklagte transportierte Fleisch während des Transports zu niedrigen Temperaturen ausgesetzt wurde. Die durch den vorgerichtlichen Gutachter P. festgestellten und gut dokumentierten Frostschäden beruhen eindeutig darauf, dass die in den Container eingeblasene Luft nicht die eingestellte Temperatur von -1,4 Grad Celsius hatte und sich damit knapp oberhalb des Gefrierpunktes des transportierten Frischfleisches hielt, sondern dass das Fleisch einem Luftstrom von Temperaturen bis zu -2,5 Grad Celsius ausgesetzt war. Der Sachverständige Dr. W. hat in seiner Vernehmung überzeugend dargelegt, dass die Aufzeichnungen des als „Ryan Rekorder“ bezeichneten, in den Container eingelegten Temperturmessgeräts genau zu dem Transportverlauf passen, wie er sich auch aus den Aufzeichnungen des Containers ergibt. Es sei nicht zweifelhaft, dass die hier vorgelegten Aufzeichnungen zu dem hier streitgegenständlichen Transport gehörten. Der maßgebliche Unterschied zu den Aufzeichnungen des Containers bestände darin, dass das aufgezeichnete Temperaturniveau unterschiedlich sei. Aus den im Fleisch gemessenen Temperaturen und der Vereisung ergäbe sich, dass die Aufzeichnungen des Containers nicht richtig sein könnten. Dementsprechend sei - auch bei Berücksichtigung eines natürlichen Messfehlers - die Aufzeichnung des Ryan-Rekorders überzeugend. Überzeugend ausgeschlossen hat der Sachverständige die Möglichkeit einer zu starken Vorkühlung des Fleisches, die Möglichkeit eines falschen Staus der Ware oder die Möglichkeit, dass die Temperatur im Container aufgrund niedrigerer Außentemperaturen während des Deckstransports im Februar / März gesunken sein könnte (Letztere waren nicht so niedrig).
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Als Zwischenergebnis der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen lässt sich festhalten, dass das Fleisch während des Transportes durch die Beklagte in deren Obhut beschädigt wurde, und die Haftungsvoraussetzungen nach § 498 I HGB damit vorliegen.
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Aber aus dem Stellungnahme des Sachverständigen ergibt sich auch, dass die Ursache für das Einblasen zu stark gekühlter Luft in einer Fehlfunktion des Containers zu suchen ist, welche mit üblichen Mitteln für die Verfrachter nicht feststellbar ist. Der Sachverständige selbst vermochte diese Ursache nicht anzugeben. Der fragliche, zuvor unauffällige Container war der üblichen, aus mehreren Testreihen bestehenden pre-trip-inspection (PTI) unterzogen worden, ohne dass sich Auffälligkeiten zeigten. Das gilt auch für den nach Abschluss der Reise vorgenommenen PTI vor dem Folgeeinsatz. Insbesondere zeigten die verschiedenen Sensoren keine relevanten Abweichungen. Auch die während des Transports angezeigten Werte von Zu- und Rückluft waren nicht auffällig und die Set-Temperature war nicht verändert worden. Die wahrscheinlichste Ursache ist ein Fehler des „Controllers“ des Containers, welcher die durch die unterschiedlichen Sensoren übermittelten Werte erfasst und den Luftzufuhr steuert. Auch das ist aber letztlich nicht erwiesen, weil die aufgezeichneten Temperaturdifferenzen bei den PTI´s nach Auffassung des Sachverständigen dann unterschiedlich ausgefallen wären. Dass der Container während des Transports eine Fehlfunktion aufwies, konnte der Sachverständige auch daran erkennen, dass die Differenzen zwischen den angezeigten tatsächlichen Zu- und Rückluftwerten unter Berücksichtigung der Außentemperatur geringer waren als sie es nach den Berechnungen des Sachverständigen hätten sein müssen (Protokoll Seite 4, Gutachten Bild 12, Seite 29), dies wäre aber für die Leute an Bord nicht sichtbar. Für sie sähe aufgrund der angezeigten Werte alles so aus, als sei es in Ordnung.
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Bei dieser Sachlage scheidet eine Haftung des Verfrachters aus. Die Haftung nach § 498 HGB ist eine Verschuldenshaftung mit einer Verschuldensvermutung zu Lasten des Verfrachters. Das bedeutet, dass der Verfrachter zwar die Möglichkeit hat, sich bezüglich eines während des Transports eingetretenen Schadens zu entlasten, dass er dazu aber alle denkbaren, ihm anzulasten Sorgfaltswidrigkeiten ausräumen muss. Im vorliegenden Fall ist eine Fehlfunktion des Containers schadensursächlich. Die Beklagte ist in Bezug auf diese Fehlfunktion entlastet, weil es auch für einen ordentlichen, mit aller üblichen Sorgfalt handelnden Verfrachter unmöglich war, diese Fehlfunktion im Vorwege oder während des Transports zu erkennen. Für eine Verurteilung der Beklagten müsste das Gericht mindestens ansatzweise bezeichnen können, welche möglichen und zumutbaren Sorgfaltsmaßnahmen die Beklagte außer Acht gelassen haben könnte, um den Schadenseintritt zu verhindern. Dazu sieht sich die Kammer jedoch nicht in der Lage. Die Lage ist vergleichbar mit der Ausnahme, die im deliktischen Produkthaftungsrecht für sogenannte „Ausreißer“ gilt; eine verschuldensbasierte Haftung scheidet aus für Fehler, die trotz aller zumutbaren Vorkehrungen unvermeidlich sind (Palandt-Sprau, BGB, 75. Auflage 2016, § 823 RN 173).
III
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