Urteil vom Landgericht Hamburg (28. Zivilkammer) - 328 O 415/15

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 13.708,67 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Rückabwicklung einer Kapitalanlage in Anspruch.

2

Im Jahr 2009 wandte sich der Kläger per E-Mail an die Beklagte zu 2). Diese war seinerzeit Vertriebsbeauftragte der Beklagten zu 1), einer us-amerikanischen Gesellschaft, die Anteile an Öl- und Erdgasprojekten in den Vereinigten Staaten als Kapitalanlagen anbot.

3

Der Kläger, ein im Jahr 1981 geborener Kfz.-Meister, interessierte sich für die Anlageform und stellte in der E-Mail eine Reihe von Fragen zu deren Bedingungen. Die Beklagte zu 2) beantwortete die Fragen in knapper Form. Unter anderem verneinte sie die Frage des Klägers, ob eine Nachschusspflicht bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zweite der als K 2 bezeichneten Klägeranlagen Bezug genommen. Kurze Zeit später am selben Tag übersandte die Beklagte zu 2) dem Kläger eine weitere E-Mail mit zusätzlichen Informationen zu „Direktbeteiligungen an Erdgas- und Erdölproduktionen in Texas, Oklahoma, Kansas und Wyoming“. Darin hieß es unter anderem: „keine Nachschusspflicht (Festpreis bei den aktuellen Feldern)“ sowie „1/4 jährliche Ausschüttungen (ca. 18-36 % p.a.). Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf die Anlage und K 4 und den fettgedruckten Teil der Anlage K 3 verwiesen.

4

Ende September 2009 führten der Kläger und die Beklagte zu 2) dann ein Telefongespräch, in dem erstmals konkret über die hier streitgegenständliche Kapitalanlage hinsichtlich des Projekts R. # 1 D gesprochen wurde. Am Ende des Telefonats, dessen Inhalt im Einzelnen sowie dessen Dauer zwischen den Parteien in Streit stehen, verblieben die Parteien so, dass die Beklagte zu 2) dem Kläger die Image- und die Verkaufsbroschüre zu dem Projekt zusenden sollte. Dies tat sie anschließend. Der Kläger erhielt die als Anlagen B 1 und B 2 zur Akte gereichten Broschüren.

5

Am 23.10.2009 zeichnete er die Beteiligung an dem Ölförderprojekt R. # 1 D. Dieses bestand aus zwei Ölquellen, einer Wassereinleitungsanlage und vier Erweiterungsbohrungen, die allerdings bei Zeichnung lediglich geplant waren und später nicht zustande kamen. Wegen der Einzelheiten der Anlage wird auf den Prospekt (B 1) verwiesen.

6

Der Kläger beteiligte sich mit einer Summe von 22.000 $ nebst 5 % Agio, indem er das als zweite der als K 1 bezeichneten Anlagen zur Akte gereichten Formular unterschrieb, das am 27.10.2009 auch von der Beklagten zu 1) unterzeichnet wurde. In dem Vertragsformular ist eine Erklärung enthalten, nach welcher der Anleger auf eventuelle Risiken durch Aushändigung der Image- und der Verkaufsbroschüre, deren Inhalt er zur Kenntnis genommen habe, hingewiesen worden sei. Außerdem enthält das Vertragsformular eine Widerrufsbelehrung. Darin ist als Widerrufsadressatin die Beklagte zu 1), c/o A. GmbH Verwaltungsgesellschaft, benannt; wegen des weiteren Inhalts und der Gestaltung der Belehrung wird auf die Anlage verwiesen.

7

Am selben Tag unterschrieb der Kläger zudem einen Vertrag über die Verwaltung seiner Beteiligung durch die A. GmbH Verwaltungsgesellschaft (K 5). Auch dieser Vertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung.

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Der Kläger erhielt bis ins Jahr 2014 Ausschüttungen in wechselnder Höhe, insgesamt 3.876,03 € (K 6).

9

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 12.8.2015 erklärte der Kläger den Widerruf des streitgegenständlichen Kaufvertrages und forderte die Beklagte zu 1) zur Erstattung der Beteiligungssumme abzüglich der Ausschüttungen auf.

10

Über die Beklagte zu 1) wurde am 24.2.2016 ein Löschungsdokument des Staates Texas ausgestellt (Anlage B 9).

11

Der Kläger behauptet, das Telefonat zwischen ihm und der Beklagten zu 2) habe lediglich ca. 15 Minuten gedauert. Die Beklagte habe ihn dabei über wesentliche Risiken der Anlage im Ungewissen gelassen. So habe sie den unzutreffenden Eindruck vermittelt, dass die Ausschüttungen in der Regel zwischen 18 und 16 % betragen würden. Außerdem habe sie geäußert, dass die Anlage zur Altersvorsorge geeignet und wie eine Immobilie verkäuflich sei. Ein Totalverlustrisiko habe sie unter Hinweis auf die zwei bereits produzierenden Quellen als praktisch ausgeschlossen bezeichnet. Zudem habe die Beklagte zu 2) geäußert, dass der Ölpreis nicht sinken werde und lange mit stabilen Erträgen zu rechnen sei. Ihre Angabe, dass eine Nachschusspflicht nicht bestehe, sei unzutreffend. Der Kläger behauptet weiter, die Beklagte zu 1) sei Inhaberin möglicher Kostenerstattungsansprüche aus anderen vor dem Landgericht Hamburg geführten Rechtsstreitigkeiten. In einem Telefonat im Jahr 2014 habe die Beklagte zu 2) dem Kläger erklärt, dass das Erdölförderprojekt noch über mehr als ausreichende Mittel verfüge, um zu investieren und weitere Quellen zu erschließen, was derzeit nur deshalb unterbleibe, weil der Ölpreis niedrig sei. Der Kläger meint, sein Widerruf sei nicht verfristet, denn er sei nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden. Außerdem stehe ihm wegen der Falschberatung über die Kapitalanlage ein Schadensersatzanspruch gegen beide Beklagte zu.

12

Der Kläger beantragt,

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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 13.708,67 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem derzeit geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Abgabe aller Erklärungen, die zur Übereignung der Anteile an dem Förderprojekt „R. # 1D“ an die Beklagten erforderlich sind, zu zahlen;

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2. festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der gemäß Antrag 1.) Zug um Zug angebotenen Anteile an dem Förderprojekt „R. # 1D“ in Verzug befinden;

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3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

18

Sie behaupten, das Telefongespräch der Parteien vor der Zeichnung habe ca. eine Stunde gedauert. Die Beklagte zu 2) habe während des Gesprächs die Verkaufsbroschüre vor sich liegen gehabt und sei die dort genannten Punkte in groben Zügen durchgegangen. Die Beklagten meinen, der Widerruf sei verfristet, jedenfalls aber treuwidrig. Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erheben sie die Einrede der Verjährung.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7.6.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

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a) Die Klage ist zulässig.

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aa) Die örtliche und internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts ergibt sich jedenfalls aus der rügelosen Einlassung der Beklagten (§ 39 ZPO).

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bb) Der Zulässigkeit der Klage gegen die Beklagte zu 1) stehen weder Mängel der Partei- noch der Prozessfähigkeit der Beklagten entgegen.

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(1) Die Beklagte zu 1) ist weiterhin parteifähig. Die Frage ist nach der lex fori zu beantworten, mithin nach § 50 ZPO (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, Einl., Rn. 107). Hiernach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte (nach dem maßgeblichen Recht ihres Gründungsstaates, vgl. BGH, NJW 2004, 2523, 2524) ihre auch für der Prozessfähigkeit vorausgesetzte Rechtsfähigkeit verloren hat. Denn auch eine erloschene juristische Person wird insoweit als fortbestehend betrachtet, als sie noch über inländisches Vermögen verfügt (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 115, 116). Dies gilt auch für ausländische Gesellschaften, die ggf. in Deutschland als Liquidationsgesellschaft fortbestehen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 50 Rn. 9; Schulz, NZG 2005, 415, je m.w.N.). Hierbei genügt bereits die schlüssige Behauptung des Klägers, die (ausländische) Gesellschaft verfüge im Inland noch über Vermögen, das keinem anderen Rechtsträger zugeordnet ist (vgl. KG, NZG 2014, 901). Der Kläger behauptet ein solches Restvermögen, indem er unter Benennung konkreter Rechtsstreitigkeiten auf mögliche prozessuale Kostenerstattungsansprüche verweist. Ob diese tatsächlich gegeben sind und – entgegen der Behauptung der Beklagten, sie seien abgetreten worden – der Beklagten zu 1) bzw. einer von ihr verbliebenen Rest- oder Spaltgesellschaft (vgl. Schulz, NZG 2005, 415 m.w.N.) zustehen, ist unerheblich. Entgegen der von den Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 28.6.2016 geäußerten Rechtsauffassung ist auch der durch den Prozesserfolg bedingte Kostenerstattungsanspruch der Gesellschaft als in diesem Sinne berücksichtigungsfähiges Vermögen anzusehen (vgl. BGH, NJW 2004, 2523, 2524 m.w.N.). Soweit hierin ein Widerspruch gesehen wurde, weil der Kläger seine Klage dann auf die Behauptung stützen müsste, dieselbe zu verlieren (weil erst dann dem Beklagten ein Kostenerstattungsanspruch zuwächst) (vgl. BGHZ 74, 212; BGH, MDR 1982, 220), gilt dies jedenfalls nicht für Kostenerstattungsansprüche der beklagten juristischen Person aus anderen Verfahren.

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(2) Auch die Prozessfähigkeit der Beklagten zu 1) (§ 51 ZPO) ist unabhängig von ihrem möglichen Erlöschen am 24.2.2016 gegeben. Zwar dürfte die mögliche Vollbeendigung der Beklagten nicht ohne Einfluss auf die Vertretungsverhältnisse sein; die Kammer neigt nicht zu der Annahme, dass die ggf. fortbestehende Rest- oder Spaltgesellschaft als Inhaberin des verbliebenen Inlandsvermögens der Beklagten zu 1) ohne weiteres durch den Präsidenten der (ehemaligen) Beklagten zu 1) vertreten würde (so aber - ohne nähere Begründung - OLG Celle, NZG 2012, 738). Vielmehr dürfte sich die Frage, wer diese Gesellschaft vertritt, nach deutschem Gesellschaftsrecht richten (vgl. OLG Hamm, GmbHR 2014, 1156; ausf. FG Köln, EFG 2016, 388 m.w.N.). Allerdings kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn aus § 246 ZPO ergibt sich, dass der Rechtsstreit auch bei Erlöschen der Beklagten zu 1) mit der Folge des Verlusts der Vertretungsmacht ihres Präsidenten weiterzuführen ist, ohne dass es etwa der Bestellung eines Prozesspflegers oder Nachtragsliquidators bedürfte (vgl. BGHZ 121, 263). Denn die behauptete Beendigung der Gesellschaft hat erst stattgefunden, nachdem sich der Prozessbevollmächtigte für beide Beklagte bestellt hatte.

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b) Die Klage ist indes nicht begründet.

27

Dem Kläger steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere ist ein Schadensersatzanspruch weder gegen die Beklagte zu 2) noch gegen die Beklagte zu 1) begründet (vgl. u., aa), und der streitgegenständliche Beteiligungserwerb ist auch nicht aufgrund des von dem Kläger erklärten Widerrufs im Verhältnis zu der Beklagten zu 1) rückabzuwickeln (hierzu u., bb).

28

aa) Dem Kläger stehen gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche auf vertraglicher Grundlage zu.

29

(1) Die Beklagte zu 2) ist dem Kläger nicht zum Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus einem zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrag verpflichtet. Zwar ist zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) spätestens dadurch, dass diese den Kläger auf das von ihm geäußerte Interesse hin in dem Telefonat Ende September 2009 über die Umstände der streitgegenständlichen Kapitalanlage informierte, zumindest konkludent ein Auskunftsvertrag zustande gekommen (vgl. BGH, MDR 1993, 956; NJW 2014, 2348, 2349). Hieraus war die Beklagte zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind, verpflichtet (vgl. BGH, MDR 1993, 956 m.w.N.; NJW 2007, 1362, 1363 f.). Der (stillschweigende) Abschluss eines Anlageberatungsvertrages mit der weitergehenden Verpflichtung zu einer anlegergerechten Beratung (vgl. zur Abgrenzung BGH, MDR 1993, 956; NJW-RR 2000, 998) lässt sich dem Klagevorbringen hingegen nicht entnehmen. Die vom Kläger in Anspruch genommene Auskunftsleistung der Beklagten zu 2) beschränkte sich vielmehr von vornherein auf die Eigenschaften der Anlageform, zu deren Zeichnung sich der Kläger schließlich entschloss. Selbst wenn der Kläger zu erkennen gegeben haben sollte, dass er an einer zur Altersversorgung geeigneten Anlage interessiert sei, bezog sich auch diese Fragestellung allein auf die streitgegenständliche Anlage und ihre diesbezügliche Eignung. Dass die Parteien sich darüber hinaus auf eine Bewertung der Anlage – auch unter Einbezug alternativer Finanzprodukte – im Hinblick auf die individuellen Lebens- und Vermögensverhältnisse des Klägers geeinigt hätten, trägt der Kläger hingegen nicht vor.

30

Eine haftungsbegründende Verletzung der der Beklagten somit nur als Anlagevermittlerin obliegenden Informationspflichten ist nicht gegeben. Soweit der Kläger geltend macht, dass er in dem Telefonat nicht über sämtliche Risiken der Anlage aufgeklärt worden sei, kommt es hierauf insoweit nicht an, als diese Risiken in den dem Kläger unstreitig übersandten Broschüren der Beklagten zu 1) hinreichend dargestellt sind. Denn die dem Anleger geschuldete Aufklärung kann auch durch die Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötige Information wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2016, 567, 568 m.w.N.). Von einer rechtzeitigen Übergabe der Prospekte ist im vorliegenden Fall auszugehen, denn diese sind dem Kläger postalisch übersandt worden, so dass er vor seinem Zeichnungsentschluss ausreichend Gelegenheit hatte, ihren Inhalt in der von ihm für nötig gehaltenen Intensität zur Kenntnis zu nehmen.

31

Die bloße Unterlassung mündlicher Risikohinweise wäre daher nur dann erheblich, wenn auch die dem Kläger überlassenen Prospekte entsprechende Unzulänglichkeiten aufweisen würden. Dies macht der Kläger aber nicht geltend. Er tritt insbesondere dem durch die Anlagen B 1 und B 2 belegten Vortrag der Beklagten nicht entgegen, wonach beide Broschüren das Totalverlustrisiko ebenso wie die eingeschränkte Fungibilität der Anlage hinreichend deutlich darstellen. War der Kläger daher durch das Prospektmaterial über das Totalverlustrisiko belehrt, stellt sich auch die behauptete Aussage der Beklagten zu 2), wonach die Anlage als Altersvorsorge geeignet sei, nicht als pflichtwidrige Fehlinformation dar. Denn die Aussage konnte im Kontext der dem Prospekt zu entnehmenden Angaben nicht dahingehend verstanden werden, dass die Anlage eine vollständige Sicherheit verspreche. Warum sie sonst unzutreffend gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Anlage tatsächlich mit einem Totalverlustrisiko verbunden war, lässt sie noch nicht als zur Altersversorgung ungeeignet erscheinen (vgl. zur Anlageberatung OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.12.2014, 16 U 227/13, juris, Rn. 47 m.w.N.).

32

Im Übrigen ist allerdings auch ein ordnungsgemäßer Prospektinhalt für den Berater bzw. Vermittler kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt leerlaufen lässt oder in ihrer Bedeutung für die Anlageentscheidung mindert (vgl. BGH, a.a.O.). Auch eine erhebliche Abweichung der telefonischen Angaben der Beklagten zu 2) von dem Prospektinhalt ist indes nicht dargetan.

33

Soweit der Kläger behauptet, die Beklagte habe das Totalverlustrisiko als wegen der bestehenden Ölquellen praktisch ausgeschlossen dargestellt, ist nicht ersichtlich, dass hierin eine Verletzung der vertraglichen Auskunftspflicht läge. Die behauptete Aussage betrifft nicht die Frage des rechtlichen bzw. strukturell mit der Anlageform verbundene Totalverlustrisiko, sondern bezieht sich erkennbar auf den tatsächlichen Erfolg der Anlage bzw. der ihr zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter. Insoweit handelte es sich also um eine Prognose der Beklagten über den zu erwartenden Verlauf des Projekts und des hiermit verbundenen Schicksals der Investition. Insoweit haftet der auskunftspflichtige Anlagevermittler aber nicht für die Richtigkeit, also den Eintritt seiner Prognose, sondern er schuldet lediglich Angaben, die aus der ex-ante-Perspektive wenigstens nicht unvertretbar sind (vgl. zur Anlageberatung BGH, NJW-RR 2010, 115, 116 f.). Dass der Beklagte ausgehend von diesem Maßstab ein Pflichtverstoß vorzuwerfen wäre, legt der Kläger aber nicht dar. Er trägt weder vor, dass tatsächlich ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals eingetreten sei noch, dass und unter welchem Gesichtspunkt die – für sich genommen nicht unplausible – Behauptung, ein solcher sei wegen der bereits Erträge produzierenden Quellen ex ante als praktisch ausgeschlossen anzusehen, unvertretbar gewesen sei.

34

Entsprechendes gilt für die vom Kläger behauptete Antwort der Beklagten zu 2) auf seine Frage nach der Stabilität der Ausschüttungen. Sollte die Beklagte hierzu geäußert haben, dass es lange und stabile Erträge geben werde, wäre auch dies eine prognostische Einschätzung des Anlageerfolgs, die sich mithin an dem soeben dargestellten Maßstab messen lassen müsste. Auch hierzu fehlt es an Vortrag zur Unvertretbarkeit der optimistischen Bewertung der Beklagten zu 2). Im Übrigen erheben die Beklagten hinsichtlich dieses Aufklärungsfehlers zu Recht die Einrede der Verjährung. Wie der Kläger unter Verweis auf die Anlage K 6 selbst vorträgt, erhielt er bereits seit dem Folgejahr der Zeichnung (2010) eine Ausschüttung, die deutlich hinter den behaupteten Angaben der Beklagten zu 2) zurückblieb. Dem Kläger war daher bereits im Jahr 2010 positiv bekannt, dass die Angabe, es werde stabile Ausschüttungen in der angegebenen Höhe (16 bis 18 %) geben, unzutreffend war (vgl., die von der Vorinstanz angenommene Verjährung insoweit bestätigend BGH, WM 2016, 732, zit. nach juris, Rn. 15). Soweit hieraus ein Schadensersatzanspruch resultieren sollte, hätte die Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2010 begonnen und wäre bereits deutlich vor der erst im Dezember 2015 erfolgten Einreichung der vorliegenden Klage abgelaufen.

35

Auch den Vorwurf, die Beklagte zu 2) habe die Fungibilität der Anlage aktiv falsch dargestellt, erhebt der Kläger zu Unrecht. Die Kammer vermag, wie bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht nachzuvollziehen, warum die Angabe, die Beteiligung könne wie eine Immobilie veräußert werden, unzutreffend sein sollte. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass die Beteiligung aus Rechtsgründen nicht weiterveräußert werden könnte. Dass hierfür zunächst ein Erwerbsinteressent gefunden werden muss, ist eine Selbstverständlichkeit, in der sich die Anlage nicht von dem Eigentum an einer Immobilie unterscheidet. Im Übrigen wird auf die eingeschränkte Fungibilität auf S. 10 der Verkaufsbroschüre hingewiesen. Dass die Beklagte zu 2) abweichend hiervon die Existenz eines geregelten Zweitmarktes vorgetäuscht hätte, behauptet der Kläger nicht.

36

Des Weiteren kann die Kammer auch in der – der Sache nach unstreitigen – Aussage der Beklagten zu 2), wonach eine Nachschusspflicht nicht bestehe, keinen Verstoß gegen die vertragliche Auskunftspflicht der Beklagten zu 2) erkennen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Aussage falsch wäre. Woraus eine tatsächlich bestehende Nachschusspflicht des Klägers folgen soll, hat er nicht nachvollziehbar dargetan. Soweit er in der mündlichen Verhandlung seinen Vortrag hierzu dahingehend klargestellt hat, dass er die auf S. 20 der als Anlage B 2 zur Akte gereichten Broschüre dargestellten Folgen einer Unterdeckung meine, überzeugt dies nicht. Denn bei dieser Broschüre handelt es sich um eine allgemeine Darstellung der Anlageform, während die konkreten Bedingungen der vom Kläger gezeichneten Beteiligung in der Verkaufsbroschüre (Anlage B 1) mitgeteilt werden. Dort ist allerdings ausgeführt, dass der Beteiligungsbetrag als Festpreis zu verstehen sei und eine „Nachschusspflicht für die Erstellung der einzelnen Produktionsanlagen für das gesamte Projekt“ nicht bestehe (B 1, S. 8). Im Weiteren heißt es zwar auch, dass die Kosten für die regelmäßigen Wartungen nicht im Festpreis enthalten seien. Im darauf folgenden Absatz des Prospekts wird dann allerdings ausgeführt, dass „Kosten im Zusammenhang mit Maßnahmen zum Erhalt oder Steigerung der Produktion“ erstattet werden müssten, indem sie gegen die Einnahmen aus Verkäufen verrechnet würden; sie minderten also die Ausschüttungen. Eine rechtliche Grundlage für eine Verpflichtung des Klägers, über die Beteiligungssumme hinaus ggf. weitere Geldmittel nachschießen zu müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

37

Soweit der Kläger schließlich einen Schadensersatzanspruch darauf stützen möchte, dass die in Aussicht gestellten Erweiterungsbohrungen unterblieben sind, trägt er nicht vor, dass dieses schon vor seiner Zeichnung festgestanden hätte und daher von der Beklagten zu 2) in ihre Beratung hätte einbezogen werden müssen.

38

(2) Auch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) stehen dem Kläger nicht zu. Zwar dürfte die Beklagte zu 1) nach deutschem Recht, dessen Anwendbarkeit die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wirksam vereinbart haben, aufgrund eines mit der Anbahnung des Beteiligungsvertrags zwischen den Parteien zustande gekommenen vorvertraglichen Schuldverhältnisses verpflichtet gewesen sein, den Kläger über sämtliche wesentlichen Umstände der Anlage aufzuklären (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB). Allerdings hat die Beklagte diese Pflicht nicht durch eine eigene Fehlaufklärung verletzt. Soweit sie sich zur Erfüllung der Aufklärungspflicht der Beklagten zu 2) gem. § 278 BGB bediente, haftet sie dem Kläger aus den oben zum Verhältnis zur Beklagten zu 2) ausgeführten Gründen nicht.

39

Auch der Umstand, dass es zu den geplanten Erweiterungsbohrungen nicht gekommen ist, begründet keine schadensursächliche Pflichtverletzung der Beklagten zu 1). Hinsichtlich der vorvertraglichen Aufklärungspflicht der Beklagten gilt das bereits oben zur Beklagten zu 2) Ausgeführte. Es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Erweiterungsbohrungen bereits vor der Zeichnung des Klägers nicht zur Ausführung kommen sollten oder auch nur absehbar gewesen sei, dass sie nicht ausgeführt werden würden. Auch eine Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag selbst ist nicht ersichtlich. So lässt der Kläger schon im Unklaren, aus welchem Grund die weiteren Bohrungen unterblieben sind; sollte sich etwa herausgestellt haben, dass mit einem Erfolg der Bohrungen nicht zu rechnen sein würde, weil die Quellen keine Erträge erwarten ließen, hätte sich lediglich das Risiko des wirtschaftlichen Misserfolgs realisiert, vor dem auf S. 16 der Verkaufsbroschüre (B 1) gewarnt wird.

40

Im Übrigen trägt der Kläger auch nicht vor, welchen Schaden er gerade durch das Ausbleiben der vier Erweiterungsbohrungen erlitten hat.

41

bb) Auch die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung der Beklagten sind nicht hinreichend dargetan. Insbesondere fehlt es hinsichtlich der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (§ 826 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264a StGB) an hinreichendem Vortrag zum subjektiven Tatbestand.

42

cc) Der Kläger kann auch nicht die Rückabwicklung seiner Anlage nach §§ 312d Abs. 1, 355, 346 ff. BGB a.F. (i.V.m. Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) von der Beklagten zu 1) beanspruchen. Zwar stand dem Kläger ursprünglich ein Widerrufsrecht aus § 312d Abs. 1 BGB zu, denn der Vertrag zwischen ihm und der Beklagten zu 2) über den Erwerb der Beteiligung an dem Ölförderprojekt war unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen, also ein Fernabsatzgeschäft in Sinne der Vorschrift.

43

Der Widerruf ist gem. § 355 Abs. 2 BGB in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung auch nicht verfristet. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten fehlte es an einer deutlich gestalteten Widerrufsbelehrung i.S.d. § 355 Abs. 2 BGB a.F. Das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB a.F. erfordert, dass die Belehrung nicht nur inhaltlich richtig und vollständig sein, sondern dem Verbraucher die Rechtslage auch unübersehbar zur Kenntnis bringen muss. Diesen Anforderungen ist bereits dann nicht Genüge getan, wenn sich innerhalb einer einheitlichen Vertragsurkunde die Belehrung aus dem übrigen Vertragstext drucktechnisch nicht deutlich heraushebt (vgl. BGH, MDR 2009, 1178, 1179). So liegt der Fall hier. Die Widerrufsbelehrung zu dem Beteiligungsvertrag ist zwar durch eine unterstrichene Zwischenüberschrift vom übrigen Vertragstext abgegrenzt. Hierdurch wird aber eine deutliche drucktechnische Hervorhebung der Belehrung noch nicht erreicht. Denn die Schrift der Widerrufsbelehrung unterscheidet sich ansonsten in keiner Weise von dem übrigen Fließtext, in dem sich außerdem auch an anderer Stelle eine entsprechend gestaltete Zwischenüberschrift findet. Drucktechnische Hervorhebungen, die auch im sonstigen Text des Schriftstückes auftauchen, sind aber unzureichend, weil sie nicht in der gebotenen Weise die besondere Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf die Widerrufsbelehrung zu lenken vermögen (vgl. OLG Stuttgart, NJW 1992, 3245, 3246; LG Dortmund, VuR 2000, 454).

44

Allerdings war der Kläger im vorliegenden Fall durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sein Widerrufsrecht noch im Jahr 2015 auszuüben. Wie die Beklagte zu 1) zutreffend geltend macht, ist der Widerruf bei Gesamtwürdigung aller Umstände als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Zwar steht dem Verbraucher das gesetzliche Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die seiner Ausübung zugrunde liegenden Motive zu (vgl. BGH, MDR 2016, 575). Gleichwohl kann im Einzelfall ein Widerruf treuwidrig sein, wenn er nicht mehr mit dem Zweck des gesetzlichen Widerrufsrechts . nämlich dem Schutz vor übereilten Vertragsschlüssen - erklärbar ist, sondern offensichtlich als Vehikel der Vertragsreue eingesetzt wird. Die Kammer folgt in diesem Ausgangspunkt der von den Beklagten zitierten Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (vgl. HansOLG, Urteil vom 16.3.2016, 13 U 86/15, juris, m.w.N.; Urteil vom 02.04.2015, 13 U 87/14. Im Streitfall führt er zur Unwirksamkeit des erst 2015 erklärten Widerspruchs. Maßgeblich sind hierfür die folgenden Gesichtspunkte: Zunächst deutet bereits der Umstand, dass der Kläger den Widerruf parallel zu gegen die Beklagten verfolgten Schadensersatzansprüchen durchzusetzen versucht, darauf hin, dass er sich von dem Vertrag nicht wegen einer nicht ausreichend durchdachten Entscheidung für seinen Abschluss, sondern im Hinblick auf die schlechte wirtschaftliche Entwicklung der Anlage und die hierdurch erlittenen, nicht erwarteten Vermögenseinbußen lösen wollte. Hierfür spricht des Weiteren, dass er den Widerruf erst ca. sechs Jahre nach dem Vertragsschluss erklärte, nachdem er über die gesamte Laufzeit sowohl Ausschüttungen entgegengenommen als auch – wie die „Schadensaufstellung“ K 6 belegt – die Anlage steuerlich geltend gemacht und hierbei mutmaßlich steuerliche Vorteile ausgenutzt hat. Besonderes Gewicht misst die Kammer zudem der Tatsache zu, dass der Kläger im Streitfall gleichzeitig mit dem Beteiligungserwerb einen Verwaltungsvertrag mit der A. Verwaltungs GmbH abschloss, der mit einer (durch durchgezogene Linien und ein zweites Unterschriftsfeld) ihrerseits hinreichend deutlich hervorgehobenen Widerrufsbelehrung versehen war. Hätte der Kläger sich von seinem Investment lösen wollen, weil er innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist zu der Einsicht gelangt wäre, sich übereilt hierzu entschlossen zu haben, hätte es nicht nur nahegelegen, dass er nicht nur von diesem für ihn unübersehbaren Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hätte, um wenigstens die vorgesehenen Verwaltungskosten einzusparen und durch Beendigung der im Beteiligungsvertrag zwingend vorgesehenen Verwaltung durch die Treuhänderin womöglich auch den Beteiligungsvertrag zu Fall bringen zu können; vielmehr wäre auch zu erwarten gewesen, dass er vor dem Hintergrund des ihm bekannten Widerrufsrecht in dem Verwaltungsvertrag prüft, ob ihm ein solches nicht auch in dem am selben Tag geschlossenen Beteiligungsvertrag eingeräumt war. Hätte er dies getan, wäre er ohne Schwierigkeiten auf die zwar nicht ausreichend hervorgehobene, inhaltlich aber hinreichend klare Widerrufsbelehrung in diesem Vertrag gestoßen und hätte diesen ohne Schwierigkeiten widerrufen können. Dass er hiervon absah und stattdessen erst nach mehreren Jahren der Entgegennahme von Ausschüttungen (in abnehmender Höhe) versucht, sich von dem Vertrag zu lösen, ist nicht mehr mit einem unüberlegten Abschluss des Geschäfts, sondern nur noch mit der späten Einsicht in dessen Ungünstigkeit zu erklären und stellt sich daher als unzulässige Rechtsausübung in Form der Ausnutzung einer nur formalen Rechtsposition dar.

45

Die nachgelassenen Schriftsätze beider Parteien hat die Kammer zur Kenntnis genommen; sie enthalten aber keinen neuen Tatsachenvortrag, der gem. § 156 ZPO zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nötigen würde.

46

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 GKG, 3, 4 ZPO.

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