Urteil vom Landgericht Hamburg (20. Zivilkammer) - 320 S 156/15

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 29.9.2015 - 314b C 257/15 - wird zurückgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angegriffene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

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Von einer Darstellung gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1. ZPO wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

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Hinsichtlich der im Berufungsverfahren erhobenen Widerklage sind die Beklagten der Auffassung, der Kläger habe gemäß § 654 BGB seine Anspruch auf Maklerlohn verwirkt und diesen an die Beklagten zurückzuerstatten.

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Die Beklagten beantragen,

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das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 29.9.2015 - 314b C 257/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen

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und im Wege der Widerklage,

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den Kläger zu verurteilen, an die Beklagten zu 1. und 2. 40.625,-- Euro nebst einer Verzinsung von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen sowie
die Widerklage abzuweisen.

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Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.

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1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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Zu Recht und mit zutreffenden Gründen, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

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a. Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung enthält keinen Dissens. Auf die Anfrage der Beklagten,

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“leider haben wir seitens der Bank noch keine Finanzierungszusage. Die Sache wird komplizierter als gedacht. Frage: wie sieht das aus mit einer Reservierung? Da Frau S. das Haus abgöttisch liebt, wäre sie bereit eine verfallene Reservierungsgebühr zu zahlen, ohne den Ausgang der Finanzierungsanfrage zu kennen. Sprechen sie doch bitte mit dem Verkäufer und verhandeln sie eine angemessene Summe für sagen wir 30 Tage?...“,

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unterbreitete der Kläger dem Beklagten das folgende Angebot:

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“gern komme ich dem Wunsch von Frau S. nach und reservierte ihnen das Objekt…. Für 30 Tage. Bedingung ist, dass eine Reservierungsgebühr von… 5.000,-- Euro auf mein Konto bei ... lautend auf den Namen W. P. gezahlt wird. Im Falle eines Kaufs wird die Summe mit der fälligen Maklercourtage verrechnet. Sollte der Kauf in den nächsten 30 Tage nicht zu Stande kommen, gelten die 5.000 € als verfallen…“.

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Die Beklagten nahm dieses Angebot an, indem sie mitteilten,

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„anbei erhalten Sie die Überweisungsübersichten über die Reservierungsgebühr von 5.000 €. Bitte reservieren Sie das Objekt … entsprechend…“,
und der Betrag auf dem Konto des Klägers einging.

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Ob die Beklagten bei ihrer Anfrage die Vorstellung hatten, dass sich auch der Verkäufer zu einer Reservierung des Objektes verpflichten sollte oder aber dass der allein beauftragte Kläger sich in seinem Vertragsverhältnis zum Verkäufer dessen Einverständnis mit einer zeitlich befristeten Einstellung der Maklertätigkeit (ohne Selbstverpflichtung des Verkäufers) einholen sollte, kann dahin stehen. Denn nach den dargestellten wechselseitigen Erklärungen, welche zu der Reservierungsvereinbarung geführt haben, war klar, dass sich allein der Kläger verpflichtet hat, nicht aber der Verkäufer.

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Demgemäß gibt es auch keinen - versteckten - Dissens.

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b. Ein Irrtum der Beklagten ist aus den genannten Gründen weder dargetan noch ersichtlich. Zudem wäre die Anfechtungserklärung mit Schriftsatz vom 27.6.2016 auch nicht rechtzeitig im Sinne des § 121 BGB erklärt worden. Eine Täuschung durch den Kläger ist nicht dargetan. Auf die Ausführungen unter 1. a. wird verwiesen.

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c. Das Amtsgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Vereinbarung nicht formbedürftig war. Die in der Rechtsprechung angenommene Grenze von 10 % bis 15 % der üblichen Maklerprovision wird vorliegen nicht erreicht (BGH IV a ZR 102/85 m.w.N.). Es ist auch nicht dargetan, dass die Beklagten aufgrund weiterer Umstände unangemessen so unter Druck gesetzt worden sind, dass eine freie Entscheidung nicht möglich war (BGH a.a.O.). Im Gegenteil waren es die Beklagten, die ausdrücklich eine Reservierung gegen Zahlung einer verfallbaren Reservierungsgebühr verlangt haben, und zwar ausdrücklich ohne zu wissen, ob sich die offene Finanzierungsfrage in ihrem Sinne lösen würde. Im Übrigen wäre den Beklagten ein Berufen auf eine unangemessene Drucksituation gemäß § 242 BGB verwehrt, denn sie haben durch die Mitteilung an den Kläger etwa eine Stunde vor dem Notartermin, dass eine Finanzierungslücke von 30.000,-- Euro bestehe, erreicht, dass der Kläger auf 10.000,-- Euro seiner Courtage und der Verkäufer auf 20.000,-- Euro des Kaufpreises verzichtet haben, um den Vertragsschluss zu ermöglichen.

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d. Die Frist, nach deren Ablauf die Reservierungsgebühr verfallen sollte, endete, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, vor Abschluss des Vertrages. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Reservierungsfrist stillschweigend verlängert worden ist. Die Frist endete bereits vor dem ersten Notartermin, der sodann noch einmal um 4 Tage verlegt worden ist. Allein der Umstand, dass der Vertrag in der Folgezeit zustande kam, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Reservierung stillschweigend verlängert worden sei, denn andernfalls würde eine Reservierungsvereinbarung mit Verfallklausel immer dann folgenlos bleiben, wenn der angestrebte Vertrag nach Ablauf der Reservierungsfrist geschlossen wird. Demgemäß ist auch die relative zeitliche Nähe des Vertragsschlusses keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer stillschweigenden Verlängerung der Reservierungsfrist. Dies zumal der Vertrag nach allem nur deswegen noch zeitnah geschlossen werden konnte, weil der Kläger und der Verkäufer durch den oben dargestellten Verzicht auf einen Teil ihrer jeweiligen Forderung eine bestehende Finanzierungslücke geschlossen haben. Der Beklagte zu 1. hat selbst erklärt, dass nach dem Scheitern des ersten Notartermins, über die Reservierungsgebühr nicht mehr gesprochen worden sei.

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e. Die Vereinbarung ist nicht aufgrund der Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, denn es ist schon nicht dargetan, dass es sich vorliegend um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB handelt. Vielmehr hat der Kläger aufgrund der Anfrage der Beklagten ein individuelles Angebot unterbreitet, welches die Vorgaben der Beklagten, nämliche Reservierung für 30 Tage gegen Zahlung einer verfallbaren Reservierungsgebühr, aufgreift. Für die Annahme, dass der Kläger die Vereinbarung für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, sie eingebracht hat und deren Einbeziehung verlangt, gibt es keine hinreichende Grundlage. Allein, dass sich Höhe die Reservierungsgebühr mit ca. 10 % der Courtage an der Rechtsprechung orientiert, genügt nicht. Wesentliche Teile der Vereinbarung haben, wie dargelegt, die Beklagten gestaltet.

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Im Übrigen läge auch keine Unwirksamkeit nach §§ 310, 307 BGB vor. Die Beklagen, welche die Immobilie gewerblichen nutzen, sind durch die Reservierungsvereinbarung nicht unangemessen benachteiligt. Auf die Ausführungen unter 1. a. - d. und f. wird verwiesen.

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f. Die Reservierungsvereinbarung ist nicht gemäß § 138 BGB nichtig.

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(1) Die Reservierungsvereinbarung war nach ihrem Inhalt oder Gesamtcharakter nicht sittenwidrig. Dies würde voraussetzen, dass sie mit grundlegenden Wertungen der Rechte der Sittenordnung unvereinbar ist oder sich die Sittenwidrigkeit aus einer Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäftes, in die Inhalt, Beweggrund und Zweck des Geschäftes einzubeziehen sind, ergibt. Hieran fehlt es.

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Die von dem Kläger geschuldete Gegenleistung war nicht objektiv wertlos. Nach der geschlossenen Vereinbarung hat sich der mit einem Alleinauftrag versehenen Kläger gegenüber den Beklagten verpflichtet, das Objekt für 30 Tage zu reservieren, mithin es 30 Tage lang nicht einem anderen Interessenten zu vermitteln.

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Der Kläger verfügt auch noch zum Zeitpunkt der Reservierungsvereinbarung über einen Alleinauftrag. Die Kammer folgt nicht der Literaturmeinung in Staudinger/Arnold Rdn. 234 zu § 652. Die Verlängerungsklausel in dem Maklervertrag, „Der Auftrag verlängert sich jeweils um einen Monat, soweit nicht zwei Wochen vor Ablauf schriftlich gekündigt wird“, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Verkäufers dar. Der Verkäufer ist nur jeweils einen - weiteren - Monat gehindert, weitere Makler zu beauftragen. Die Klausel ist auch nicht überraschend. Der Vertragstext umfasst 6 Sätze, die auf weniger als einer halben Seite Platz finden. Dies kann im Ergebnis jedoch dahin stehen (siehe unter f. (2)).

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Mit der Reservierungsvereinbarung war zwar nicht ausgeschlossen, dass der Verkäufer in dieser Zeit einen Interessenten findet und an diesen veräußert. Indessen war die Wahrscheinlichkeit einer anderweitigen Veräußerung in dem Reservierungszeitraum erheblich gesenkt. Denn die Beauftragung eines Maklers hat ja gerade das Ziel, sämtliche die Veräußerung vorbereitenden Tätigkeiten auf einen Dritten zu verlagern. Die Beklagten haben mit der Reservierungsvereinbarung daher keine 100 %ige Sicherheit, jedoch eine überwiegende Sicherheit erlangt. Nichts anderes hat der Kläger erklärt und nichts anderes haben die Parteien vereinbart.

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Auch bei einem qualifizierten Alleinauftrag, so er wirksam, nämlich individualvertraglich, vereinbart worden ist, bleibt die Abschluss- und Entscheidungsfreiheit des Verkäufers erhalten. Der Verkäufer macht sich gegenüber dem Makler allenfalls schadensersatzpflichtig, wenn er den Maklervertrag verletzt (Palandt-Sprau, Rdn. 81 zu § 652); allerdings nur dann, wenn diese Vertragsverletzung - trotz Untätigkeit des Maklers während der vereinbarten Reservierung - einen kausalen Schaden verursacht haben sollte. Im Verhältnis zum Interessenten geht der Verkäufer keine Verpflichtungen ein.

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Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich erheblich von jenem, der etwa der Entscheidung des OLG Hamm vom 8.11.1990 (18 U 181/89) zugrunde lag. Denn dort hatte ein Makler eine Reservierungsvereinbarung getroffen, der über keinen Alleinauftrag verfügte, sondern einen solchen nur vorspiegelte.

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(2) Selbst wenn der Kläger - die Unwirksamkeit der Verlängerungsklausel unterstellt - zum Zeitpunkt der Reservierungsvereinbarung nur über einen gewöhnlichen Maklerauftrag verfügt hätte, lägen die Voraussetzungen des § 138 BGB nicht vor. Denn zum objektiven Sittenverstoß muss ein persönliches Verhalten hinzukommen, welches den Beteiligten zum Vorwurf gemacht werden kann (Palandt-Ellenberger, Rdn. 8 zu § 138). Jedenfalls hieran würde es fehlen. Denn wollte man von einem gewöhnlichen Maklervertrag zum Zeitpunkt der Reservierungsvereinbarung ausgehen, wäre dies die Folge einer rechtlichen Bewertung der Verlängerungsklausel des Maklervertrages, die Parteien des Maklervertrages gingen von einem wirksamen Alleinauftrag aus.

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2. Die Widerklage ist zulässig, weil sie sachdienlich ist (§ 533 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

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§ 654 BGB findet keine - entsprechende - Anwendung. Die Voraussetzung, nämlich eine objektiv schwerwiegende Treuepflichtverletzung des Maklers, kann aus den unter 1. genannten Gründen nicht festgestellt werden. Die Entscheidung des OLG Hamm behandelt, wie dargelegt, einen anderen Sachverhalt.

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Auch im Falle eines unterstellten gewöhnlichen Maklervertrages - wegen hier angenommener Unwirksamkeit der Verlängerungsklausel - zum Zeitpunkt der Reservierungsvereinbarung wäre § 654 BGB nicht entsprechend anwendbar. Die Rechtsprechung hat den Verwirkungstatbestand auf alle Fälle ausgedehnt, in denen der Makler durch vorsätzliche oder grob leichtfertige Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seines Auftraggebers in erheblicher Weise zuwider handelt (Palandt-Sprau, Rdn. 1 zu § 654). Hieran fehlt es, wenn ein bestehender Alleinauftrag allein wegen der rechtlichen Bewertung der AGB ausläuft und als gewöhnlicher Auftrag weitergeführt wird.

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3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708, 713 ZPO.

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4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Vielmehr handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, bei welcher der konkret geschlossene Vertrag zu bewerten ist. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichtes. Eine befristete entgeltliche Reservierungsvereinbarung kann grundsätzlich wirksam vereinbart werden (BGH IVa ZR 102/85; IVa ZR 268/86). Das OLG Hamm hat über einen nicht vergleichbaren Sachverhalt entschieden. Die Entscheidung des AG Bremen vom 31.3.2006 (7 C 219/05) behandelt ebenfalls einen abweichenden Sachverhalt, denn dort war offenbar in der Reservierungsvereinbarung ausdrücklich ein qualifizierter Alleinauftrag vorausgesetzt worden, der tatsächlich nicht vorlag. Soweit das Amtsgerichts Hamburg 1987 (22a C 2658/86) die Sittenwidrigkeit u.a. (die Reservierungsgebühr betrug dort allerdings 20 % der Courtage) mit dem Fehlen eines qualifizierten Alleinauftrages begründet hat, ist nicht ersichtlich, dass sich die Berufungsinstanz dieser Auffassung angeschlossen hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 8.11.2016 (15 o 152/16), da es sich vorliegend nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.

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