Urteil vom Landgericht Hamburg (18. Zivilkammer) - 318 S 88/15

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 23.07.2015, Az. 303b C 3/13, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 92.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Gültigkeit der in der Eigentümerversammlung vom 20.12.2012 gefassten zu TOP 3 Beschlüsse (Protokoll Anlage K 1) betreffend die Sanierung des Wohnhauses in der K. Str. ..., ... H.. Das Gebäude war im Zeitpunkt der Beschlussfassung stark sanierungsbedürftig. Bereits im Jahr 2006 fanden Sanierungsarbeiten an zwei Balkonen statt.

2

Das Wohnhaus verfügt über 9 Wohnungen, von denen 6 mit einem Balkon ausgestattet sind. Der Kläger war Mitglied der Beklagten und Eigentümer der im Erdgeschoss belegenen Wohnung Nr. 1 mit einer Größe von 54 qm. Vor der Wohnung des Klägers befand sich im Zeitpunkt der Beschlussfassung ein (unterkellerter) Wintergarten, der vom Kläger zunächst rechtwidrig erbaut worden war und später von ihm zurückgebaut werden musste.

3

Die Teilungserklärung (Anlage K 3) sieht in § 12 Ziffer 2 lit. a) vor, dass

4

„die Bewirtschaftungskosten unter den Wohnungseigentümern entsprechend der in der Anlage 1 ausgewiesenen Größe (qm-Wohn-/Nutzfläche) zu verteilen (sind). Zu den Bewirtschaftungskosten gehören insbesondere ... die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung ...“ Sollte sich durch eine spätere Neuvermessung der Wohnungen die Größenangaben ändern, so soll diese für die Abrechnung maßgeblich sein.“

5

Auf der Eigentümerversammlung vom 22.04.2010 diskutierten die Wohnungseigentümer zu TOP 7 kontrovers die weitere Vorgehensweise hinsichtlich des vorhandenen Sanierungsstaus (Protokoll Anlage K 4). Eine Beschlussfassung erfolgte nicht.

6

Zum 15.10.2010 erstellte der Architekt Dipl. Ing. M. A. im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Gutachten u.a. zur Bewertung der technisch notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen (Anlage K 12a).

7

In der Zeit vom 18.08.2010 bis zum 29.05.2012 wurden zudem 5 der 6 Balkone bezüglich einer Sanierungsbedürftigkeit (positiv) untersucht (Anlagen B 1 und B 6). Auch erfolgte eine Untersuchung weiterer Balkenköpfe.

8

In der Eigentümerversammlung vom 30.08.2011 (Protokoll Anlage K 4b) wurden einstimmig Sanierungsarbeiten am Dach und an der obersten Geschossdecke des Gebäudes beschlossen. Ferner wurden weitere Sanierungsmaßnahmen diskutiert.

9

In der Eigentümerversammlung vom 22.08.2012 (Protokoll Anlage K 5) erörterten die Wohnungseigentümer sodann (erneut) die hier streitgegenständlichen Sanierungsmaßnahmen (Balkenköpfe, Fassadensanierung, Balkone) im Beisein des Architekten Herrn A.. Sie fassten sodann unter TOP 7 einstimmig den folgenden Beschluss:

10

Für die geplante Sanierung der ... Balkenköpfe ... Hausfassade und Erneuerung aller Balkone wird das Ing. Büro A. beauftragt, Leistungsverzeichnisse für die jeweiligen Maßnahmen zu erarbeiten, zu versenden und vergleichbare Angebote von mindestens 3 Firmen einzuholen. Diese Angebote sind in einer Gegenüberstellung darzustellen und rechtzeitig vor der nächsten Versammlung allen Eigentümern zuzuleiten. Des Weiteren soll das Ingenieurbüro A. eine Vergabeempfehlung aussprechen bzw. diese auf der nächsten Eigentümerversammlung vertreten.

11

Weiter wurde beschlossen,

12

... die rückwärtige Fassade im Falle einer Sanierung/Bearbeitung mit einem Wärmeverbundsystem ... auszustatten.

13

Herr A. holte in der Folgezeit 3 Angebote (Anlage K 5b) ein und erstellte einen Preisspiegel (Anlage K 5a).

14

In der Eigentümerversammlung vom 20.12.2012 kam es sodann unter TOP 3 zu der streitgegenständlichen Beschlussfassung.

15

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

16

Das Amtsgericht hat mit seinem am 23.07.2015 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Beschlüsse seien nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.

17

Die Beschlüsse seien nicht schon deshalb für ungültig zu erklären, weil den Eigentümern vor der Versammlung nicht sämtliche Unterlagen, insbesondere das Ausschreibungs-Leistungsverzeichnis (Anlage K 5b), übersandt worden seien bzw. diese nicht in der Versammlung vorgelegen hätten. Das Informationsbedürfnis der Eigentümer erfordere bei schwerwiegenden Beschlüssen, dass den Wohnungseigentümern eine Unterlage zur Verfügung gestellt werde, die ihnen die inhaltliche Befassung mit dem Beschlussgegenstand ermögliche. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt. Unstreitig sei den Wohnungseigentümern mit dem Einladungsschreiben bereits das Anschreiben des Architekten Herrn A. nebst Preisspiegel übersandt worden. Diese Unterlagen hätten ausgereicht, damit die Eigentümer die tatsächlichen und rechtlichen Folgen der Beschlussfassung hinsichtlich der Sanierung im Vorwege hätten erkennen und über ihre Teilnahme an der Versammlung hätten entscheiden können, zumal die Sanierung bereits seit mehreren Jahren angestanden habe und auf vorherigen Eigentümerversammlungen diskutiert worden sei. Dem Kläger seien zudem auf seine Aufforderung hin alle drei Angebote der Baufirmen, die auf das Angebots-Leistungsverzeichnis Bezug nähmen, übersandt worden. Weitere Unterlagen hätten ihm nicht übersendet werden müssen. Auch führe das bloße Fehlen, der – später vorliegenden – Statikberechnung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht zur Ungültigkeit der Beschlüsse.

18

Es liege auch ein ausreichendes Sanierungskonzept vor. Mit dem Gutachten des Architekten Herrn A. vom 15.12.2010 (Anlage K12a) sei eine grundsätzliche Bestandsaufnahme hinsichtlich des Umfangs und der Ursachen der Schäden an dem Gebäude (und zwar insbesondere auch an der Fassade und den Balkenköpfen) erfolgt. Mit dem anhängenden Leistungsverzeichnis seien zugleich Möglichkeiten der Mängelbehebung hinsichtlich der Holzbalkendecken und der Hoffassade nebst der damit verbundenen Kosten angezeigt worden. Soweit die Bestandsaufnahme zu den Balkonen in dem Gutachten nicht ausreichend gewesen sei, weil im Rahmen dieser Begutachtung nur eine äußere Sichtung der Balkone (ohne Bauteilöffnung) erfolgt sei, sei die Begutachtung noch vor der Beschlussfassung am 20.12.2012 durch weitere Untersuchungen mittels Bauteilöffnungen von dem Architekten Herrn A. komplettiert worden. Diesbezüglich sei der Kläger dem substantiierten Vortrag der Beklagtenseite, es seien 5 von 6 Balkonen untersucht worden und der nicht untersuchte Balkon der WE 3 sei baugleich mit dem Balkon der WE 5, so dass davon auszugehen gewesen sei, dass dieser auch instandsetzungsbedürftig sei, nicht hinreichend entgegengetreten. Dies gelte auch in Bezug auf die Balkenköpfe. Nach dem substantiierten Vorbringen der Beklagtenseite, das der Kläger nicht hinreichend konkret bestritten habe, seien nämlich in 5 von 9 Wohnungen stichprobenartige Bauteilöffnungen erfolgt, auf deren Basis auf den Gesamtsanierungsbedarf an den Balkenköpfen geschlossen worden sei. Dieser Rückschluss sei im Rahmen der Bestandsaufnahme vor der Beschlussfassung über die Sanierung ausreichend. Denn die Bauteilöffnung in sämtlichen Wohnungen an sämtlichen Balken wäre mit erheblichen Kosten und erheblichen Einschränkungen für die Wohnnutzung der teilweise vermieteten Wohnungen verbunden gewesen. Demgegenüber habe aufgrund der Stichproben von Anfang an festgestanden, dass im Rahmen der Sanierung ohnehin weitgreifende Bauteilöffnungen an den Holzbalkendecken vorzunehmen seien. Es entspreche dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, hier im Vorwege auf Basis einer Hochrechnung zu entscheiden. Da bereits am 22.08.2012 hinsichtlich der rückwärtigen Fassade bestandskräftig beschlossen worden sei, für den Fall der Sanierung ein WDVS auf der Fassade aufzubringen, sei der Kläger vorliegend mit dem Argument ausgeschlossen, es fehle an einer weiteren Bestandsaufnahme zu dem genauen Umfang der Sanierungsbedürftigkeit der rückwärtigen Fassade, insbesondere der Feststellung, ob die Mängel durch Ausbesserung beseitigt werden könnten oder ob mehr als 10 % der Fassadenfläche betroffen sei. Soweit der Kläger meine, die Statik für die Sanierungsarbeiten an der Fassade und den beiden Balkenköpfen sei nicht ausreichend geprüft worden, verfange sein Vortrag nicht. Es handele sich insoweit unstreitig um erforderliche Sanierungsmaßnahmen. Wie im Rahmen der späteren Umsetzung die Bauabsicherung im Einzelnen zu erfolgen habe, sei nicht Gegenstand der Beschlussfassung gewesen. Spätere Fehler oder Mängel bei der Bauausführung hätten daher nicht rückwirkend die Ungültigkeit des Beschlusses über die Sanierung an sich zur Folge.

19

Es sei nicht zu beanstanden, dass der Verwalter mit der Erteilung des Auftrages betraut worden sei, da der Inhalt (im Wesentlichen) festgestanden habe, so dass die Abwicklung in die Zuständigkeit eines Verwalters habe gestellt werden dürfen.

20

Auch die Regelungen zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen seien nicht zu beanstanden. Insbesondere sei für die Zahlung der Sonderumlage eine ausreichende Frist von mehreren Wochen bemessen, in welcher Kreditanfragen und dergleichen ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen seien. Zudem sei den Wohnungseigentümern bereits seit längerer Zeit der Sanierungsbedarf und auch das damit verbundene finanzielle Volumen bekannt gewesen, so dass sie entsprechende eigene Rücklagen hätten bilden können. An der Bestimmtheit des Umlageschlüssels “Quadratmeter Wohnfläche“ bestünden keine Zweifel. Die Frage der Wohnfläche der klägerischen Wohnung sei für die Berechnung des auf den Kläger entfallenden Teils in diesem Verfahren nicht streitgegenständlich.

21

Unschädlich sei weiter, dass die Auftragsvergabe durch den Verwalter nicht zwingend mit der Sicherstellung der Finanzierung verknüpft sei. Dass die Verwaltung das Bauunternehmen bereits vor der Fälligkeit der Sonderumlage habe beauftragen sollen, sei dem Beschluss nicht zu entnehmen. Die Sonderumlagen seien laut dem Beschluss bereits zum 01.02.2013 fällig gewesen, während die Bauarbeiten erst im Frühjahr 2013 hätten beginnen sollen, so dass für § 648a BGB vor Fälligkeit der Sonderumlage kein Raum gewesen wäre. Es sei Aufgabe des Verwalters im Rahmen der ihm obliegenden ordnungsgemäßen Verwaltung, die Liquidität bei der Wahl des Zeitpunktes für die Auftragsvergabe im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Ermessens zu überprüfen. Abgesehen davon hätten alle Eigentümer mit Ausnahme des Klägers ihren Anteil der Sonderumlage gezahlt, so dass ausreichende finanzielle Mittel vorgelegen hätten. Dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung konkrete Anhaltspunkte für die Zahlungsunfähigkeit mehrerer Eigentümer vorgelegen hätten oder es sogar angekündigte Zahlungsverweigerung gegeben habe, sei nicht vorgetragen oder ersichtlich.

22

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 28.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 28.08.2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel – nach vorheriger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat – mit einem am 28.10.2015 eingegangenen Schriftsatz begründet.

23

Der Kläger trägt vor, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes kein hinreichendes Sanierungskonzept vorgelegen habe. Soweit das Amtsgericht das Gutachten des Architekten Herrn A. vom 15.12.2010 als Grundlage für die Sanierung ausreichen lasse, übersehe es, dass Herr A. in diesem Gutachten selber schreibe, dass der Zweck des Gutachtens nicht der eines Sanierungsgutachtens sei. Soweit es danach weitere Untersuchungen der Gemeinschaft an den Balkonen und weiteren Balkenköpfen gegeben habe, habe er bis zu diesem gerichtlichen Verfahren keine Kenntnis von diesen Untersuchungen gehabt. Wenn aber diese Informationen zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Beschlussfassung gar nicht vorgelegen hätten, habe die Gemeinschaft bzw. hätten die Eigentümer sich überhaupt kein schlüssiges Bild von der Sachlage machen können. Dass es letztlich an einem schlüssigen Sanierungskonzept fehle, zeige sich auch daran, dass Herr A. mit Schreiben vom 23.04.2013 die Gemeinschaft darauf hingewiesen habe, dass der bauliche Zustand des Gebäudes deutlich schlechter sei als zunächst angenommen. Alle Balken seien mehr oder minder stark und das Außenmauerwerk in den Bereichen der Balkone stark beschädigt. Hinsichtlich der Balkenkopfsanierung habe er, der Kläger, per Email vom 12.12.2012 angeforderte Informationen nicht erhalten. Die Eigentümer seien vor der Beschlussfassung auch nicht darüber informiert worden, dass eine Baugenehmigung bereits eingeholt worden sei und dass die Baugenehmigung vom 29.11.2012 unter dem Vorbehalt einer Statik stehe, die überhaupt noch nicht vorgelegen habe.

24

Ferner sei die beschlossene Auftragsvergabe durch den Verwalter nicht hinreichend bestimmt. Es werde nicht klar, in welcher Höhe die Verwaltung einen Auftrag erteilen dürfe. Der Preisspiegel, auf den sich das Protokoll beziehe (Anlage K 5a), enthalte zum einen mit dem dort ausgewiesenen Titel 8 (Instandsetzung Gebäudeabdichtung) eine wesentliche Position, die ausweislich der Beschlusslage gar nicht habe beauftragt werden sollen. Ausweislich der Beschlusslage hätten nur die Balkenköpfe, die rückwärtige Fassade und die Balkone saniert werden sollen. Es liege also gerade kein einheitliches Angebot vor, das in seiner Gänze habe beauftragt werden sollen. Darüber hinaus lasse sich dem Preisspiegel entnehmen, dass das Angebot der Firma G. und R. diverse Eventualpositionen enthalte. Der Beschluss lasse völlig offen, wie mit diesen Eventualpositionen umgegangen werden solle und worauf sich der Auftrag des Verwalters insoweit erstrecke.

25

Soweit die Gemeinschaft beschlossen habe, eine Sonderumlage von € 185.000,00 zu erheben, die nach Quadratmeter Wohnfläche habe berechnet und zum 01.02.2013 habe erhoben werden sollen, sei zu beachten, dass den Eigentümern letztlich nur vier Wochen zur Verfügung gestanden hätten, um sich nachhaltig um die Finanzierung einer solchen Sonderumlage zu bemühen. Es sei keinem Eigentümer möglich, innerhalb von sechs Wochen (nach Abzug der Feiertage netto vier Wochen) eine Sonderumlage zu beschaffen. Dies gelte für ihn umso mehr, als er die Wohnung als Kapitalanlage erworben habe, aber aufgrund von akuten Durchfeuchtungen und verzögerter Sanierung dieser Durchfeuchtungen durch die Gemeinschaft bereits seit längerer Zeit nicht habe vermieten können. Zudem fehle es an einem konkreten Umlagemaßstab. Der Beschluss spreche zwar von einer Umlage nach „Quadratmeter Wohnfläche“. Die Anforderung der Sonderumlage durch den Verwalter zeige aber, dass der Verwalter sich nicht darüber klar gewesen sei, welche Berechnungsgrundlage gelte, die tatsächliche Wohnfläche oder die Wohnfläche, wie sie sich nach einem zwischenzeitlichen Wintergartenausbau in der Wohnung Nr. 1 ergebe. Der Beschluss wäre daher nur hinreichend bestimmt, wenn er klarstellend erwähnt hätte, dass nach „Quadratmetern Wohnfläche“ gemäß Teilungserklärung umgelegt werden solle.

26

Zudem werde in den Beschlüssen nicht sichergestellt, dass die Gemeinschaft als Auftraggeberin in der Lage gewesen wäre, dem beauftragten Bauhandwerker nach § 648a BGB Sicherheit zu leisten. Dies bedeute, dass ein Beschluss zur Ermächtigung der Verwaltung über die Auftragsvergabe entweder eine Einschränkung dahingehend enthalten müsse, dass der Auftrag erst vergeben werden dürfe, wenn die Sonderumlage vollständig eingezahlt oder beigetrieben worden sei, oder wenn die sonstige Liquidität der Gemeinschaft ausreiche, ein solches Sicherheitsverlangen des Bauhandwerkers zu erfüllen. Soweit das Amtsgericht ausführe, dem Beschluss lasse sich nicht entnehmen, dass das Bauunternehmen bereits vor Fälligkeit der Sonderumlage beauftragt werden solle, sei dies richtig. Dies müsse sich dem Beschluss auch nicht entnehmen lassen, weil Beschlüsse sofort auszuführen seien, wenn sie keine zeitliche Beschränkung enthielten.

27

Der Kläger beantragt,

28

das Urteil des Amtsgerichtes Hamburg-Altona vom 23.07.2015 zum Az.: 303b C 3/13 abzuändern und die in der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft K. Str. ..., ... H. , vom 20.12.2012 zu TOP 3 gefassten Beschlüsse:

29

„... die durch das Ingenieurbüro A. ausgeschriebenen Sanierungsmaßnahmen für die Bereiche a) Balkenköpfe der Geschossdecken sowie b) der rückwärtigen Fassade sowie c) der Balkonerneuerung gemäß des den Eigentümern vorliegenden Preisspiegels verschiedener Anbieter durch die Firma G. und R. –H. A. GmbH ausführen zu lassen. Die Verwaltung erhält den Auftrag und die Vollmacht, der Firma G. und R. einen entsprechenden Auftrag zu erteilen. Die Arbeiten sollen im Frühjahr 2013 beginnen und durch das Ingenieurbüro A. begleitet und abgenommen werden. Die Honorierung des Ingenieurbüros A. erfolgt nach der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieureleistungen). Zur Finanzierung der Maßnahme und des Architektenhonorars inklusive Sicherheit wird eine Sonderumlage in Höhe von € 185.000,00 nach Quadratmeter Wohnfläche berechnet, fällig zum 01.02.2013 erhoben. Die Eigentümer erhalten kurzfristig eine entsprechende Umlagenberechnung.“

30

sowie

31

„Es wird der Antrag gestellt, der Verwaltung Auftrag und Vollmacht zu erteilen, rückständige Umlagen eine Woche nach Fälligkeit unter anwaltlicher Hinzuziehung notfalls gerichtlich einklagen zu lassen.“

32

für ungültig zu erklären.

33

Die Beklagten beantragen,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie verteidigen das amtsgerichtliche Urteil und tragen vor, dass ein Sanierungskonzept bereits seit dem 15.12.2010 vorgelegen habe.

36

Der Umfang der Auftragsvergabe sei auch hinreichend bestimmt. Titel 8 des Angebotes vom 03.12.2012 habe nicht beauftragt werden sollen. Das Abdichtungskonzept habe aufgrund der vorübergehenden Blockadehaltung des Klägers gegenüber den erforderlichen Feuchtigkeitsmessungen erst im Mai 2013 vorgelegt werden können. Die von der Klägerseite vorgetragenen Eventualpositionen würden lediglich einen Gesamtanteil von nur € 3.428,00 ausmachen. Im Vergleich zum Gesamtvolumen des Auftrages handele es sich um geringfügige Positionen. Zudem handele es sich um Leistungen, bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung der Leistungsbeschreibung noch nicht festgestanden habe, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen würden.

37

Es sei zudem sichergestellt gewesen, dass eine vom Bauhandwerker möglicherweise verlangte Sicherheit hätte geleistet werden können. Im Falle eines Sicherheitsverlangens der Baufirma gemäß § 648a BGB hätte die Sicherheit beispielsweise durch eine Bürgschaft gestellt werden können. Der Auftragnehmer habe dem Auftraggeber zudem eine angemessene Zeit (§ 648a Abs. 5 S. 1 BGB) einzuräumen, um die verlangte Sicherheit stellen. Neben einer Bürgschaft hätte auch eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines Kreditinstitutes als Bauhandwerkersicherheit dienen können.

38

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze im Berufungsverfahren Bezug genommen.

II.

39

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

40

Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

41

Die in der Eigentümerversammlung vom 20.12.2012 zu TOP 3 gefassten Beschlüsse entsprechen ordnungsgemäßer Verwaltung.

42

Was unter dem Begriff ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne § 21 Abs. 3, Abs. 4 WEG zu verstehen ist, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung. Ordnungsgemäß ist soweit jede Maßnahme, die dem gemeinschaftlichen Interesse aller Wohnungseigentümer dient, gemessen am Standpunkt eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (OLG Hamburg, Beschluss vom 16.07.2001, 2 Wx 116/00, Rn. 22 zitiert nach juris). Danach sind die streitgegenständlichen Beschlüsse nicht zu beanstanden. Hierzu im Einzelnen:

1.1

43

Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass vorliegend mit dem Gutachten des Architekten A. vom 15.12.2010 und den weiteren Untersuchungen an den Balkonen und den Balkenköpfen ein ausreichendes Sanierungskonzept vorlag. Dass den Eigentümern vor der Beschlussfassung die (schriftlichen) Ergebnisse der weiteren Untersuchungen an den Balkonen und den Balkenköpfen nicht übermittelt wurden, ist unschädlich. Unstreitig war Herr A. auf der Eigentümersammlung hinsichtlich des TOP 3 anwesend und konnte mithin konkrete Nachfragen der Eigentümer zu seinem Gutachten vom 15.12.2010 beantworten. Aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.12.2012 (Anlage K 1) ergibt sich zudem, dass der Kläger hiervon ausgiebig Gebrauch machte und Herr A. diverse Fragen des Klägers zu verschiedenen Bauteilen - insbesondere auch hinsichtlich der Geschossbalkendecke und der Balkone - beantwortete. Dass vor diesem Hintergrund dem Informationsinteresse der Eigentümer vor der Beschlussfassung nicht ausreichend Rechnung getragen wurde, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht konkret vorgetragen. Auch der Umstand, dass sich im Rahmen der Sanierung der bauliche Zustand des Gebäudes deutlich schlechter als zunächst angenommen darstellte, hat keine Bedeutung für die Frage, ob ein ausreichendes Sanierungskonzept im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorlag. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich der Bauzustand bei stark sanierungsbedürftigen Gebäuden im Rahmen der Durchführung von Instandsetzungsarbeiten schlechter darstellen kann, als zunächst - aufgrund von Voruntersuchungen - angenommen. Zutreffend geht das Amtsgericht insoweit davon aus, dass zur Bestimmung des Sanierungsbedarfs aus wirtschaftlichen Gründen eine stichprobenartige Bauteilöffnung ausreichend ist. Eine vollständige Untersuchung sämtlicher Bauteile ist nicht erforderlich und würde die Anforderung an ein tragfähiges Sanierungskonzept überspannen. Den Eigentümern steht insoweit ein Ermessen zu, in welchem Umfang Voruntersuchungen stattfinden sollen. Dass die vom Architekten Herrn A. vorgenommen Untersuchungen unzureichend waren, ist nicht ersichtlich. Unschädlich ist weiter, dass bereits vor der Eigentümersammlung eine Baugenehmigung eingeholt wurde, die unter dem Vorbehalt einer noch nicht erstellten Statik stand. Es ist weder ersichtlich, noch vom Kläger dargetan, dass sich die Nichtkenntnis der Eigentümer von der Baugenehmigung auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat.

44

Soweit der Klägerin der Berufungsbegründung bezüglich der Sanierungsmaßnahmen im Einzelnen und der entsprechenden Angriffspunkte ergänzend auf seinen erstinstanzlichen Vortrag verweist, wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil Bezug genommen, denen die Kammer folgt.

1.2

45

Der Umfang der Auftragsvergabe ist hinreichend bestimmt. Aus dem Preisspiegel (Anlage K 5a) ergibt sich zweifelsfrei, dass der Titel 8 (Instandsetzung Gebäudeabdichtung) nicht zu der beschlossenen Sanierung/Erneuerung der Balkenköpfe, Hausfassade und Balkone gehört und der Verwalter insoweit nicht mit der Auftragsvergabe beauftragt wurde. Es widerspricht auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, dass die Auftragsvergabe auch geringfügige Eventualpositionen - die weniger als 5% der Gesamtkosten ausmachen - enthält, wenn zum Zeitpunkt der Erstellung der Leistungsbeschreibung noch nicht feststand, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen. Ansonsten wäre der Verwalter verpflichtet, wegen solcher geringfügiger Positionen stets eine neue Beschlussfassung der Wohnungseigentümer herbeizuführen, was zu erheblichen Verzögerungen bei der Durchführung der Sanierungsarbeiten führen könnte.

1.3

46

Die Erhebung der Sonderumlage zum 01.02.2013 ist nicht zu beanstanden. Bereits in der Eigentümerversammlung vom 22.08.2012 wurde der Architekt Herr A. im Beschlusswege beauftragt, für die geplante Sanierung der Balkenköpfe, Hausfassade und Erneuerung aller Balkone. Leistungsverzeichnisse für die jeweiligen Maßnahmen zu erarbeiten, zu versenden und vergleichbare Angebote von mindestens 3 Firmen einzuholen. Den Eigentümern war mithin bereits seit dem 22.08.2012 bewusst, dass eine Entscheidung über die Durchführung/Beauftragung der geplanten Sanierung bevorstand. Sie hatten mithin ausreichend Zeit, sich um die Finanzierung der (anteiligen) Sonderumlage im Wege einer Darlehenszusage - sofern erforderlich - zu kümmern, wobei die beschlossene Sonderumlage in Höhe von insgesamt € 185.000,00 vor dem Hintergrund der geplanten Sanierung auch nicht außergewöhnlich hoch erscheint, so dass die Eigentümer hiermit nicht hätten rechnen müssen. Auch fehlt dem Beschluss nicht ein konkreter Umlagemaßstab. Die Umlage nach „Quadratmeter Wohnfläche“ entspricht § 12 Ziffer 2 lit. A) der Teilungserklärung (Anlage K 3). Dass dem Verwalter nicht klar gewesen ist, ob hinsichtlich des Klägers die (ursprüngliche) Wohnfläche der Wohnung Nr. 1 oder die Wohnfläche, wie sie sich nach dem zwischenzeitlichen Wintergartenausbau ergab, anzusetzen war, ist eine Frage der konkreten Berechnung der Umlage, nicht aber der Bestimmtheit des Beschlusses.

1.4

47

In den Beschlüssen musste - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht sichergestellt werden, dass die Gemeinschaft als Auftraggeberin in der Lage gewesen wäre, dem beauftragten Bauhandwerker nach § 648a BGB Sicherheit zu leisten. Dies ist im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht der Fall, weil unter Berücksichtigung der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht die Gefahr bestand, dass für den Fall, dass das ggfs. vom Verwalter vor der Fälligkeit der Sonderumlage beauftragte Bauunternehmen vor der Leistung der Sonderumlage eine Sicherheitsleistung nach § 648a BGB verlangt hätte, die Eigentümer die Erbringung dieser Sicherheit nicht im Wege einer kurzfristig einberufenen Eigentümerversammlung beschlossen hätten. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass - mit Ausnahme des Klägers - sämtliche Eigentümer für den Antrag zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 20.12.2012 gestimmt haben.

2.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

49

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO zu entnehmen.

50

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung durch das Revisionsgericht.

51

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ist gemäß § 49a Abs. 1 GKG erfolgt.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen