Beschluss vom Landgericht Hamburg (26. Zivilkammer) - 326 T 97/16
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 30.06.16 gegen den Beschluss des Amtsgericht Hamburg vom 13.06.16, Aktenzeichen 67e IN 123/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Am 22.04.13 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen.
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Zunächst wurde Rechtsanwalt J. B. als Sachverständiger bestellt, dann zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Der vorläufige Insolvenzverwalter nahm in seinem Bericht an, dass die Verfahrenskosten durch erfolgreiche Anfechtungsprozesse (auch gegen die Antragstellerin) zu decken wären. Am 01.08.2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt J. B. bestellt. Am 28.10.2013 fand die erste Gläubigerversammlung statt. Im Prüftermin wurden 12 Gläubigerforderungen geprüft, vier davon angemeldet von der Beschwerdeführerin. Bis auf eine Forderung der Freien und Hansestadt Hamburg (Justizkasse, 13.024,00 €) und drei Forderungen der Beschwerdeführerin in Höhe von 1.203.125,00 € wurden alle angemeldeten Forderungen vom Insolvenzverwalter bestritten.
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In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der beschwerdeführenden Gläubigerin und dem Insolvenzverwalter in Bezug auf die Verfahrensführung durch den Insolvenzverwalter.
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Mit Schreiben vom 22.01.14 machte der Insolvenzverwalter Anfechtungsansprüche gegen die Beschwerdeführerin geltend, die diese für unbegründet hält. Im April 2016 wurde der Beschwerdeführerin eine vom Insolvenzverwalter rechtshängig gemachte Anfechtungsklage in Höhe von 90.291,73 € zugestellt.
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Mit Schreiben vom 18.05.16 beantragt die Beschwerdeführerin die Einberufung einer Gläubigerversammlung. Als Thema kündigte sie die Abberufung des Insolvenzverwalters wegen des Verdachtes der Untreue an und die Bestimmung eines neuen Insolvenzverwalters. Zur Begründung des Antrages wurde auf eine bei der Staatsanwaltschaft erstattete Anzeige Bezug genommen und ausgeführt, der Insolvenzverwalter verfolge lediglich eigene Gebühreninteressen statt Gläubigerinteressen.
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In seiner Stellungnahme vertritt der Insolvenzverwalter die Auffassung, der Antrag auf seine Abberufung sei unbegründet. Er sei als Insolvenzverwalter verpflichtet, Anfechtungsansprüche geltend zu machen. Es lägen derzeit anerkannte bzw. anzuerkennende Forderungsanmeldungen in Höhe von 1.246.971,02 € vor. Dem stehe eine Masse von 17.494,82 € gegenüber. Ohne Berücksichtigung der Verfahrenskosten würde dies eine Quotenerwartung von ca. 1% ergeben, bei erfolgreicher Anfechtung gegenüber der Beschwerdeführerin würde sich die Quote ohne Berücksichtigung der Verfahrenskosten auf 8% (zzgl Zinsen) verbessern.
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Mit Beschluss vom 13.06.16, zugestellt am 16.06.16, wies das Insolvenzgericht den Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung als unzulässig und den Antrag auf Abberufung des Insolvenzverwalters nach § 59 InsO als unbegründet zurück. Der Insolvenzverwalter sei zur Ermittlung und Verfolgung anfechtbarer Rechtshandlungen verpflichtet. Da die Beschwerdeführerin nicht die einzige Gläubigerin sei, diene die Anfechtung den Interessen der Gläubigergemeinschaft. Eine Pflichtverletzung sei nicht erkennbar.
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Soweit der Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters zurückgewiesen wurde legte die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde ein. Der Insolvenzverwalter führe in erheblichem Umfang Aktivprozesse, die allein dem Zwecke dienen würden, seiner Kanzlei auf Kosten der Gläubiger Honorareinnahmen zu verschaffen. Hätte der Insolvenzverwalter mit der Klage Erfolg, würden rund 93% der von der Beschwerdeführerin erstrittenen Summe ohnehin an die Beschwerdeführerin als Hauptgläubigerin der Schuldnerin zurückfließen. Die Forderungen der übrigen Insolvenzgläubiger würden nicht merklich erhöht, durch die zusätzliche Verfahrensdauer würden zusätzliche Verfahrensgebühren entstehen und Zinsen auf die Insolvenzquote ausfallen. Die Beschwerdeführerin müsse zusätzlich die Anwaltsgebühren für die Kanzlei des Insolvenzverwalters zahlen.
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Sei die Klage hingegen erfolglos, wovon auszugehen sei, habe der Insolvenzverwalter der Insolvenzmasse einen Schaden in Höhe der Prozesskosten zugefügt. Auch insoweit würde er nur seiner Kanzlei einen Vorteil in Form der verursachten Anwaltsgebühren verschaffen, auf Kosten der Beschwerdeführerin als Insolvenzgläubigerin. Diese trage auf diese Weise in jedem Fall die Prozesskosten für einen Prozess gegen sie selbst.
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Das Insolvenzgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor. Die Entlassung des Insolvenzverwalters könne nur erfolgen, wenn ein Grund gegeben sei, der schon bei der Bestellung entgegengestanden hätte oder wenn eine dauerhaft gesetzesmäßige Verfahrensführung nicht gesichert sei. Dies sei hier nicht der Fall. Fragen der Zweckmäßigkeit des Verwalterhandelns unterlägen hingegen nicht der Aufsicht des Insolvenzgerichts.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zurückzuweisen.
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Dabei kann es dahin stehen, ob die sofortige Beschwerde nach § 59 II InsO zulässig ist, obwohl der Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters nicht im Rahmen einer Gläubigerversammlung getroffen wurde. Jedenfalls ist der Antrag der Beschwerdeführerin unbegründet.
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Nach § 59 I S. 1 InsO kann ein Insolvenzverwalter lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aus dem Amt entlassen werden. Maßgeblich ist, ob die Belange der Gesamtgläubigerschaft und die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung objektiv nachhaltig beeinträchtigt würden (BGH ZIP 2006, 247, 249; BGH NZI 2015, 20).
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Dies ist vorliegend nicht anzunehmen.
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Zwar kann ein Entlassungsgrund darin liegen, dass der Insolvenzverwalter evident nutzlose Prozesse führt, insbesondere, um hierfür besondere Vergütungen zu erhalten (Uhlenbruck/Vallender, 14. Aufl. § 59 Rn 10 m. w. N.).
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Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der gegen die Beschwerdeführerin geführte Prozess „evident nutzlos“ oder „unsinnig“ ist.
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Die Führung von Anfechtungsprozessen gehört zu den verfahrensimmanenten Pflichten des Insolvenzverwalters. Sie dienen der Massemehrung und damit den Interessen der Gesamtgläubigerschaft. Würde der Verwalter Anfechtungsprozesse gegen einzelne Gläubiger wegen deren Gewicht in Bezug auf die angemeldeten Forderungen nicht führen, wäre dies vielmehr eine Bevorzugung dieser Gläubiger und eine Pflichtverletzung.
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Die vom Verwalter in Anspruch genommene Beschwerdeführerin ist vorliegend zwar die Hauptgläubigerin, aber dennoch nicht die Gesamtgläubigerschaft. Neben ihr gibt es die Justizkasse Hamburg und das Finanzamt Hamburg, für das durch eine Anfechtung des Insolvenzverwalters, die die Beschwerdeführerin nicht als unsinnig empfand, obwohl es um eine weitaus geringere Forderung als gegen die Beschwerdeführerin ging, eine zur Tabelle anmeldefähige Forderung entstanden ist. Die Quote der Gesamtgläubigerschaft kann durch den Prozess erhöht werden.
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Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage nach § 133 InsO gegen die Beschwerdeführerin evident erfolglos sein wird. In seinen Berichten hat der Insolvenzverwalter dargelegt, dass die Beschwerdeführerin, bevor sie die prozessrelevante Zahlung erhielt, der Schuldnerin selbst die Stellung eines Insolvenzantrages per E-Mail zumindest empfohlen habe. Die Prozessführung ist daher nicht aussichtslos.
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Juristische Aufgaben dürfen als besondere Aufgaben i. S. d. § 4 I S. 3 InsVV vom Insolvenzverwalter auch delegiert werden. Ist er selbst Rechtsanwalt, kommt es insoweit auf den Schwierigkeitsgrad des Prozesses an. Ein wichtiger Grund zur Abberufung kann in der Delegierung einer Prozessführung jedenfalls nicht gesehen werden. Ggf. kann, wenn insoweit die Pflicht zur kostenoptimierten Abwicklung in Frage steht, die Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters im Rahmen der Vergütungsfestsetzung gekürzt werden (vgl. Büttner, Hamburger Kommentar, InsR, 6. Aufl. § 4 InsVV Rn 3).
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Dass für die Hauptgläubigerin Prozesskosten vermieden würden, wenn der Prozess nicht geführt würde, kann der Insolvenzverwalter nicht über die Interessen der Gesamtgläubigerschaft an der realistischen Aussicht auf Massemehrung stellen. Der Insolvenzverwalter ist gerade nicht Interessenvertreter allein der Hauptgläubigerin.
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Schließlich ist auch nicht davon auszugehen, dass durch diese Prozessführung das Insolvenzverfahren über Gebühr und zinsschädigend verschleppt wird. Der Insolvenzverwalter hat inzwischen – auch nach Drängen der Beschwerdeführerin - noch einen weiteren Prozess gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter der Schuldnerin eingeleitet. Das Verfahren könnte somit gegenwärtig ohnehin noch nicht durch Schlussverteilung beendet werden.
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Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung.
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Referenzen
- InsO § 59 Entlassung des Insolvenzverwalters 3x
- InsO § 133 Vorsätzliche Benachteiligung 1x
- § 4 InsVV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- InsO § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung 1x
- § 4 I S. 3 InsVV 1x (nicht zugeordnet)
- 67e IN 123/13 1x (nicht zugeordnet)