Urteil vom Landgericht Hamburg - 705 Ns 143/16

Tenor

1. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 3.11.2016 wird verworfen.

2. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird der Rechtsfolgenausspruch des Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 3.11.2016 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

3 Jahren

verurteilt wird.

3. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet.

4. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Berufung sowie die der Staatsanwaltschaft ebenso wie seine hierauf entstandenen notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, 244 Abs. 1 Nr. 3 ( in der alten Fassung vom 5. 11. 2011),21,49, 53, 64 StGB, § 17 BZRG.

Gründe

I.

1

Mit Urteil vom 03.10.2013 hat das Amtsgericht Hamburg den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Angeklagten, die er zeitgerecht mit Einlegung bereits auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches beschränkt hat. Gegen das Urteil richtet sich auch die form- und fristgerecht eingelegte, auf die Überprüfung des Strafmaßes beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft, die mit ihrem Rechtsmittel eine schärfere Verurteilung erfolgreich angestrebt hat.

II.

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Aufgrund der Berufungsbeschränkungen stehen der Schuldspruch und die ihn tragenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils für die Kammer bindend fest. Auf die Ausführungen des Amtsgerichts wird insoweit verwiesen.

3

Zur Person hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

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Der zur Berufungshauptverhandlung 36 Jahre alte Angeklagte ist in B. S. geboren und lebte in seiner Kindheit und Jugendzeit mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in H.. Der Angeklagte hatte zu seinem Stiefvater ein schlechtes Verhältnis und riss deshalb mehrfach von zu Hause aus. Bereits im Alter von 14 Jahren begann der Angeklagte Alkohol zu trinken und beging Diebstähle. Er besuchte die Schule bis zur 9. Klasse, ohne einen Abschluss zu erlangen. Nach einer Betreuung durch den Jugendnotdienst F. Str. in H. lebte der Angeklagte im Alter von 15 Jahren für ca. 6 Monate in einer betreuten Jugendwohnung. In diesem Alter kam der Angeklagte in Kontakt mit älteren Jugendlichen zusammen, brach die Verbindung zu seiner Familie vollständig ab und begann, nachdem er bereits mit 15 Jahren angefangen hatte, Marihuana zu rauchen, nun auch andere Drogen, wie Ecxtasy oder LSD, und kurze Zeit später auch Kokain und Heroin zu konsumieren. Die Förderschule verließ er mit 21 Jahren. Eine Berufsausbildung schloss er nicht an. Im Jahre 2008 war der Angeklagte für einige Zeit im Garten- und Landschaftsbau tätig.

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Nach der Haftentlassung im August 2009 begann der Angeklagten eine Entzugstherapie, die er jedoch wegen des raschen Drogenrückfalls wieder abbrach. Auch eine weitere stationäre Therapie, die er in der Zeit der Reststrafenaussetzung ab Juni 2011 begann, scheiterte schnell. Nach seiner Haftentlassung im Jahre 2013 war der Angeklagte zunächst drogenfrei, ohne eine Therapie gemacht zu haben. Er hat dann jedoch wieder mit dem Konsum von Subutex und Kokain angefangen. Nach der Haftentlassung im Jahre 2014 war der Angeklagte zunächst mit Polamidon eingestellt, er wurde jedoch wiederum rasch rückfällig. Für seinen seit Ende 2015 betriebenen nahezu täglichen Drogenkonsum brauchte der Angeklagte Geldmittel in Höhe von mehreren Hunderten Euro pro Tag, wobei er gegenüber dem Amtsgericht-B. in der ersten Instanz und dem Landgericht K. im März 2017 noch eine Summe von 300 bis 400 Euro angegeben hat, in der Berufungsverhandlung aber meinte, es sei etwas weniger gewesen. Im Jahre 2015 arbeitete er für 2 Monate für einen Bekannten. Ansonsten bestritt der Angeklagte seinen Lebensunterhalt von staatlichen Leistungen. Es besteht bei dem Angeklagten der Verdacht der Minderbegabung.

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Der Angeklagte ist Vater einer im Jahre 1997 geborenen Tochter, zu der allerdings seit vielen Jahren kein Kontakt mehr besteht und für die er keinen Unterhalt zahlt.

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Aufgrund des erlassenen Haftbefehls vom 21. Juni 2016 ist der Angeklagte seit dem 28. Juli 2016 in der Fassung des Haftbefehls vom 8.September 2016 in Untersuchungshaft. Im Rahmen der Untersuchungshaft wird der Angeklagte nicht substituiert und möchte auch in Zukunft nicht substituiert werden, wobei er auch angegeben hat, dass er bei einer Substitution auch in Freiheit das Risiko sehe, bei der Medikamentenausgabe auf alte Bekannte zu stoßen, die einen schlechten Einfluss auf ihn haben würden. Der Angeklagte möchte stattdessen nur freiwillig eine stationäre Drogenentwöhnungstherapie im Rahmen § 35 BtMG absolvieren. Die noch im März 2017 vorgelegene Kostenzusage für die stationäre Drogenentwöhnungstherapie in einer Einrichtung in Lüneburg gilt nicht mehr.

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Der Angeklagte ist folgendermaßen strafrechtlich in Erscheinung getreten:

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1. Am 23. Mai 1995 sah die Staatsanwaltschaft beim Landgericht H. von der Verfolgung eines Verfahrens wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gem. § 45 Abs. 1 JGG ab.

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2. Ebenso sah die Staatsanwaltschaft beim Landgericht H. am 24. Oktober 1995 von der Verfolgung wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum unbefugten Gebrauch eines Fahrzeuges nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

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3. Am 19. Januar 1996 stellte das Amtsgericht H. das Verfahren wegen gemeinschaftlichen Diebstahls nach Erbringung von Arbeitsleistungen nach § 47 JGG ein.

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4. Am 13. März 1998 wurde dem Angeklagten wegen gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls in 14 Fällen, davon in 5 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen Unfallflucht, versuchten Diebstahls in 4 Fällen, Begünstigung, gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie unerlaubten Führens einer halbautomatischen Waffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm eine richterliche Weisung erteilt.

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5. Am 18.06.1998 sah die Staatsanwaltschaft H. von der Verfolgung wegen des Vorwurfs der Beförderungserschleichung nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

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6. Am 21.Juli 1998 sah die Staatsanwaltschaft H. von der Verfolgung wegen des Vorwurfes der Beförderungserschleichung erneut nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

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7. Am 28. Juli 1998 stellte das Amtsgericht H. das Verfahren wegen Diebstahls im besonders schweren Fall nach § 47 JGG ein.

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8. Am 2. Februar 1999 verurteilte das Amtsgericht H. den Angeklagten wegen Brandstiftung, Wohnungseinbruchs in 2 Fällen, Diebstahls in 14 Fällen, teils versucht, teils geringwertig, teils im besonders schweren Fall zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten.

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9. Am 11.05.2000 verurteilte das Amtsgericht H. den Angeklagten wegen Diebstahls in 2 Fällen in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Strafe aus der Verurteilung vom 02.02.1999 zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten. Nachdem der Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, musste diese widerrufen werden.

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10. Am 14.09.2000 sah die Staatsanwaltschaft H. bzgl. des Vorwurfs des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

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11. Am 09.05.2001 verurteilte das Amtsgericht H. den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in 9 Fällen, davon in 5 Fällen in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, versuchtem gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in 3 Fällen sowie wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten und zog dabei die Strafen aus der Entscheidung vom 11.05.2000 und vom 02.02.1999 mit ein. Durch Beschluss vom 28. Januar 2002 wurde der Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt und nach Widerruf war die Strafvollstreckung am 28. Juni 2004 erledigt.

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12. Am 08.10.2002 verhängte das Landgericht L. gegen den Angeklagten wegen Diebstahls in 8 Fällen, davon in 7 Fällen in Tateinheit vom vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Wohnungseinbruchsdiebstahl eine Strafe von 1 Jahr und 10 Monaten, deren Vollstreckung am 17.05.2004 erledigt war.

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13. Am 10. Januar 2005 verurteilte das Amtsgericht L. den Angeklagten wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in 12 Fällen (richtigerweise wohl in 22 Fällen) davon in 16 Fällen teils gemeinschaftlich handelnd, wobei es in 3 Fällen beim Versuch blieb und davon in 14 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. Die Strafvollstreckung war am 24. November 2006 erledigt. Nach mehrmaliger Änderung der Dauer der eingetretenen Führungsaufsicht nach § 68f war die Führungsaufsicht am 24. Juni 2011 beendet.

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14. Am 28.06.2007 verurteilte ihn das Amtsgericht H.-S.. G. wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in 11 Fällen, in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, Brandstiftung in 8 Fällen, davon einmal im Versuch, Fahren ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlichen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer H. vom 21.08.2009 wurde der Strafrest zur Bewährung mit einer Bewährungszeit bis zum 25.08.2012 ausgesetzt. Nach Widerruf der Strafaussetzung und einer im Weiteren erfolgten Zurückstellung durch die Staatsanwaltschaft war die Strafvollstreckung am 26. August 2010 erledigt. Die Dauer der Führungsaufsicht ist letztendlich bis zum 05.06.2020 festgelegt worden.

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15. Am 18.12.2009 verurteilte ihn das Landgericht H. wegen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten. Der Strafrest wurde durch Entscheidung der Strafvollstreckungskammer H. vom 21.06.2011 zur Bewährung ausgesetzt und nach Widerruf der Aussetzung und einer im Weiteren noch erfolgten Zurückstellung war die Strafvollstreckung am 28.09.2012 erledigt.

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16. Am 29. Oktober 2010 verurteilte das Amtsgericht H.-W. den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, deren Vollstreckung am 28.04.2012 erledigt war.

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17. Am 26.09.2011 verurteilte das Amtsgericht H.-B. den Angeklagten wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in 2 Fällen, davon in 1 Fall als versucht, zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, deren Strafvollstreckung am 24.05.2013 erledigt war. Das Amtsgericht hat dabei festgestellt, dass die Tat aufgrund von Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde. Der Strafrest wurde ebenfalls durch Entscheidung der Strafvollstreckungskammer H. vom 21.06.2011 zur Bewährung ausgesetzt und nach Widerruf der Aussetzung und der erfolgten Zurückstellung war die Strafvollstreckung am 28.09.2012 erledigt.

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18. Am 15.10.2013 verurteilte das Amtsgericht H.-A. wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, deren Vollstreckung am 12.08.2014 erledigt war. Auch hier stellte das Amtsgericht fest, dass die Tat aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde.

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19. Am 15.01.2015 verurteilte das Amtsgericht N. den Angeklagten wegen schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, deren Vollstreckung am 18.11.2015 erledigt war.

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20. Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts N1 am 5. Dezember 2016 wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt. Das Landgericht K. hat am 29. März 2017 die Berufung gegen das Urteil verworfen. Nach Angaben des Angeklagten sei diese Verurteilung nun seit kurzem rechtskräftig.

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Die Angaben zur Person beruhen - bis auf die Ausführungen zum Verlauf des Drogenkonsums - auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie auf dem verlesenen Auszug des Bundeszentralregisters vom 05.01.2017, wobei der Angeklagte insbesondere die einzelnen Vorstrafen als inhaltlich richtig anerkannt hat.

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Der Angeklagte wollte keinen weiteren Angaben zu seinem Drogenkonsum machen. Diese Feststellungen beruhen auf den folgenden jeweils verlesenen Urkunden:

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- Urteil des Landgerichts K. vom 29.03.2017,
- Urteil des Amtsgerichts N. vom 05.01.2015,
- Urteil des Amtsgerichts H.- A. vom 15.10.2013,
- Urteil des Amtsgerichts H.- B. vom 26.09.2011,
- Urteil des Amtsgerichts H.- W. vom 29.10.2010,
- Urteil des Amtsgerichts L. vom 10.01.2005
- Urteil des Amtsgerichts H.- B. vom 03.11.2016

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sowie seinen Bekundungen in der ersten Instanz, die gem. § 254 StPO aus dem amtsgerichtlichen Protokoll verlesen wurden.

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Die Kammer ist der Überzeugung, dass die Angaben zur Person, so wie sie in den verlesenen Dokumenten aufgeführt und den hiesigen Feststellungen zugrunde gelegt wurden, richtig sind. Die jeweilig verlesenen Urteile lassen die in jeweilig mitgeteilte Beweiswürdigung keine Fehler erkennen, die Hinweise für die Unrichtigkeit der festgestellten Tatsachen eröffnen würden. Die Urteile geben jeweils wieder, dass die Feststelllungen zur Person jeweils auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten getroffen wurden. Die Kammer ist von der inhaltlichen Richtigkeit überzeugt. Insbesondere stimmen die zur Person verlesenen Feststellungen der jeweiligen Urteile miteinander und auch mit den vom Angeklagten im hiesigen Verfahren vor dem Amtsgericht angegebenen Umständen seines Lebens überein. Er hat zu seiner Kindheit und zu seinem weiteren Werdegang jeweils die gleichen Angaben gemacht. Gleiches gilt auch für die Angaben zu seinem Drogenkonsum. Ebenso hat der Angeklagte in der ersten Instanz korrespondierende Angaben zu seinem Lebensweg gemacht. Weiterhin hat er vor dem Amtsgericht die jeweiligen Tatvorwürfe im vollen Umfang eingeräumt. Er hat dabei angegeben, er habe bei den Taten unter Einfluss von Drogen gestanden, er habe z.B. bei der Tat im Mai 2016 „eine Nase links und eine Nase rechts voll Kokain“ genommen. Seit 2 Jahren sei er wieder von Drogen abhängig und zwar von Heroin und Kokain. habe Das Heroin er nicht gespritzt, sondern immer nur „gebased“. Er habe am Tag 300 bis 400 Euro gebraucht, um seine Drogen zu finanzieren, dafür habe er 4g bis 5 g bekommen. Er habe beides, nämlich Heroin und Kokain, ständig konsumiert. Er habe die Drogen genommen, damit die Hemmschwelle weg sei. Die Drogen würden ihn hochfahren. Sie würden ihm Energie geben. Dies würde dann 10 bis 15 Minuten andauern. Wenn etwas mit der Arbeit, der Wohnung oder Sonstiges nicht klappe oder wenn er Stress mit der Familie habe, dann werde er wieder rückfällig. Er sei auch schon auf einer Ersatzdroge gewesen. Er habe keine Lust mehr zu konsumieren. In der Untersuchungshaft seien die ersten Tage schlimm für ihn gewesen, da habe er Entzugserscheinungen gehabt, aber er konsumiere in der Untersuchungshaft nicht. Er komme nun klar mit dem kalten Entzug und bereite mit der Therapieeinrichtung „J. h. J.“ eine Therapie in H. A. vor. In der Berufungsinstanz hat er auch wiederholt, dass eine Therapie ihn „rund um Uhr “ betreuen müsse, sonst halte er diese nicht durch. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht richtig sind, haben sich nicht ergeben. Dabei hat die Kammer auch bedacht, dass der Angeklagte diese Angaben nur gemacht haben könnte, um eine Strafmilderung zu erlangen. Angesichts des langen Zeitraums, in welcher der Angeklagte diese gleichlautenden Angaben vorgetragen hat und dabei auch die jeweils neuen Entwickelung vorgetragen hat , wie z.B. die Therapien, schließt die Kammer es aus, dass es sich um erfundene Angaben handelt.

III.

34

Zu Sachverhalt hat die Kammer noch folgende Feststellungen getroffen:

35

Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der jeweiligen Tatbegehung aufgrund seiner Drogenabhängigkeit erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt.

IV.

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Die Feststellungen hinsichtlich der erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf den in jeder Hinsicht für die Kammer nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen S., an dessen Fachkompetenz als Facharzt für Psychiatrie die Kammer keine Zweifel hat. Der Gutachter hat dazu ausgeführt, zwar habe der Angeklagte nicht mit ihm sprechen wollen, jedoch sei aus gutachterlicher Sicht aufgrund der vorliegenden Informationen mit einer großen Sicherheit von dem Vorliegen der erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB auszugehen. Der Angeklagte leide an einer schweren Polytoxikomanie von führenden Opiattypen mit Kokain, Cannabis sowie Alkoholabusus. Es bestehe auch der Verdacht auf eine kognitive Minderung und damit die Vergröberung und Schwäche seines Urteils- und Steuerungsvermögens, die jedoch nur eine untergeordnete Rolle bei den Taten gespielt habe. Anhaltspunkte für eine zusätzliche psychiatrische Erkrankung oder Störung bestehen nicht. Im Zeitpunkt der Tat habe der Angeklagte, wie er beim Amtsgericht angegeben hat, jeweils unter Drogeneinfluss gehandelt bzw. habe er durch die Taten Mittel zum Drogenerwerb beschaffen wollen. Hiermit im Einklang stünden insbesondere die in den Vorverurteilungen aufgeführten Umstände, wie z.B. der frühe Beginn des Konsums mit Marihuana sowie der relativ schnelle Umstieg auf die harte Drogen, hauptsächlich Heroin und Kokain. Dass es sich hierbei auch um eine erhebliche Sucht handele, sei neben den Therapieversuchen auch daraus zu schließen, dass der Angeklagte im Jahre 2014 nach der Haft mit Polamidon substituiert wurde, welches nur bei einem sicheren und längeren Heroinmissbrauch stattfände. Bei einem anhaltenden polytoxikomanen Konsum sei jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass das Heroin aufgrund seines hohen Suchtpotentials eine führende Rolle einnehme und zwar unabhängig davon, wie das Rauschmittel konsumiert werde. Insofern sei bei dem Angeklagten auch eine relativ typische Entwicklung zu erkennen, die auf dem Boden eines beeinträchtigten Sozialmilieus zu einem zunehmenden Drogenkonsum und Beschaffungskriminalität führte.

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Der erhebliche Mangel an Steuerungsfähigkeit werde insbesondere durch die desorganisierte, mit ständigen Diebstählen und Gesetzesverstößen belastete Lebensführung des Angeklagten, die ihn zwangsläufig wieder in Untersuchungs- und Strafhaft führen musste, offensichtlich. Der Angeklagte sei bei seinen Taten ohne jede Vorsicht brachial vorgegangen, haben die Scheiben eingeschlagen oder mit massiver Gewalt Eingangstüren aufgedrückt, ohne Rücksicht darauf, wie viel Aufsehen er damit errege oder welche Spuren er am Tatort hinterlassen würde. Trotz der bestehenden Erfahrungen (und obwohl dem Angeklagten hätte klar sein müssen, dass seine Taten offenbar werden würden und er dadurch seine Lage hinsichtlich der Verurteilung zur Strafhaft weiter verschlechtert, habe er auch diese ihm unmittelbar vor Augen stehende Konsequenz ihn nicht von weiteren Straftaten abhalten können. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei jedoch nicht aufgehoben gewesen; so habe er insbesondere zielgerichtet handeln können, was auch daran sichtbar sei, dass der Angeklagte - nach der ersten erheblichen Beute mehrfach den von ihm schon einmal aufgebrochenen Kiosk nach dessen nur unzulänglicher Sicherung erneut aufgesucht hat, um Dinge zu stehlen. Insbesondere anhand der Hartnäckigkeit mit der der Angeklagte sein Ziel verfolgt habe, lasse auf einen akuten Drogenmissbrauch zum Tatzeitpunkt erkennen, aufgrund dessen eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB anzunehmen sei.

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Die Kammer hat sich den vorstehenden Ausführungen des Sachverständigen nach kritischer Würdigung und in vollem Umfang angeschlossen. Dabei hat der Gutachter auch ausgeführt, dass es nach seiner Ansicht auf Grund der wohl vorliegenden Minderbegabung des Angeklagten nicht vorstellbar sei, dass dieser seit fast einem Jahrzehnt die Angaben zu seiner Drogensucht immer fälschlich behauptet habe, z.B. um eine Strafmilderung zu erreiche, und der Angeklagte überhaupt kein Drogenproblem habe. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund der erfolgten Substitution, die nur nach Prüfung bei schwerer Abhängigkeit bewilligt werden, nicht vorstellbar. Die Kammer ist insbesondere nach den Angaben des Angeklagten im Verlauf der Berufungshauptverhandlung, dass er eine Therapie, aber nur freiwillig und nicht durch eine Anordnung nach § 64 StGB durchführen wolle, davon überzeugt, dass der Angeklagte tatsächlich ein erhebliches Drogenproblem hat und er dieses nicht nur der Wahrheit zuwider behauptet hat.

V.

39

Der Angeklagte hat sich somit im Fall 8 des Wohnungseinbruchs gem. § 244 Abs. 1 StGB schuldig gemacht, in den Fällen 1, 2 und 11 des Diebstahls im besonders schweren Fall gem. § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB, im Fall 13 des einfachen Diebstahls gem. § 242 StGB, in den Fällen 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10 und 12 hat sich der Angeklagte des Diebstahls im besonders schweren Fall gem. § 243 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Dabei hat er in den Fällen 1 bis 7 und 9 bis 12 gewerbsmäßig gehandelt, da er durch die Begehung dieser Taten eine auf gewisse Dauer angelegte Einnahmequelle zur Finanzierung seiner Drogensucht eröffnet hat und hinsichtlich der Taten 3 bis 7, 9 und 10 sowie 12 zusätzlich das Regelbeispiel des Einbruches verwirklicht, da der Angeklagte zur Tatbegehung jeweils durch das Aufstemmen verschlossener Türen in die Geschäftsräume eindrang. Die Kammer hat hier trotz des generellen Vorliegens der erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit das Entfallen der Indizwirkung nicht gesehen, da nach einer Gesamtbetrachtung nicht ersichtlich ist, dass die strafmildernden Umstände, die in der Tat oder in der Täterpersönlichkeit liegen können, so deutlich überwiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens des § 243 Abs. 1 StGB unangemessen erscheinen würde. Dabei war hier bei allen Taten zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die Taten in der Drogensucht begründet waren, und der Angeklagte die Fällen 1 bis 12 vollständig gestanden hat. In den Fällen 3 bis 7 und 10 war dieses Geständnis auch strafbegründend, da sowie es das Amtsgericht bereits ausgeführt hat, aufgrund der eher schlechten Qualität der Überwachungsaufnahmen hier der Tatnachweis durch das Geständnis erheblich leichter war. Zudem hatte der Angeklagte durch die Berufungsbeschränkung auf die Rechtsfolgen sich zu den Taten bekannt. Weiterhin war hier zu berücksichtigen, dass in den Fällen 1 bis 2 der Wert der Beute eher gering war und in den Fällen 2 und 11 die Beute an die Geschädigten zurückgelangt ist. Zudem war in den Fällen 6, 7 und 9 hier das Eindringen in den Kiosk durch die nur provisorische Sicherung deutlich erleichtert. Dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass hinsichtlich der Taten 10 und 12 diese bereits längere Zeit zurückliegen. Jedoch sprach hier erheblich zu seinen Lasten, dass der Angeklagte bereits vielfach vorbestraft ist, auch wegen Diebstahlstaten, er schon mehrfach Strafhaft verbüßt hat und eine hohe Rückfallgeschwindigkeit an den Tag gelegt hat. Obwohl er erst am 18.11.2015 aus der Strafhaft entlassen wurde, hat er keine 4 Wochen nach der Entlassung begonnen die Fälle 1 bis 10 zu begehen. Dabei hatte er auch jeweils in den Fällen 3 bis 10 ebenso wie in den Fällen 11 und 12 für die Jahre 2014 einen erheblichen Schaden angerichtet. Insofern kann für die Kammer ein Absehen der vom Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB nicht in Betracht.

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Hinsichtlich des Falls 8 hat die Kammer den Strafrahmen des § 244 Abs. 1 StGB angewandt. Ein minderschwerer Fall im Sinne des § 244 Abs. 3 StGB kam unter Zugrundlegung der oben aufgeführten generellen Erwägungen, wobei in diesem Fall kein Geständnis für ihn spricht, für die Kammer auch unter Berücksichtigung des § 21 StGB nicht in Betracht. Dies lag schon deshalb fern, da es dem Angeklagten egal war, ob sich Personen in der Wohnung befinden und ob sich daraus gegebenenfalls ein wesentlich erhöhtes Eskalationspotential ergeben könnte. Weiterhin war hier zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass er durch seine Handlungen das Sicherheitsgefühl der Zeugin erheblich beeinträchtigt hatte, so dass sie neben anderen Einschränkungen auch den Wohnungswechsel früher als geplant durchgeführt hat.

41

Die Kammer hat jedoch alle Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 Abs.1 StGB gemildert.

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Unter Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer jeweils folgende Strafen für tat- und schuldangemessen erachtet:

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Fälle 1 und 2 jeweils 4 Monate
Fälle 3, 4, 5, 6, 7 und 10 jeweils 6 Monate
Fall 8 1 Jahr und 6 Monate
Fälle 9 und Fall 12 jeweils 8 Monate
sowie Fälle 11 und Fall 13 jeweils 4 Monate.

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Dabei hat die Kammer die Strafe zum einen nach den erbeuteten Werten und zum anderen nach der Vehemenz der Krafteinwirkung bei den Tathandlungen unterschieden. Angesichts der erheblichen Vorstrafen war es hier auch gemäß § 47 StGB unerlässlich, in den Fällen 1, 2, 11 und 13 jeweils eine Freiheitsstrafe und keine vorrangigen Geldstrafen zu verhängen. Dabei war der Kammer durchaus bewusst, dass die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung weitgehend zurückgedrängt werden soll und dass auf eine kurzfristige Freiheitsstrafe nur dann erkannt werden darf, wenn sich auf Grund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände die Verhängung einer Freiheitsstrafe als unerlässlich erweist. Unerlässlich ist die Verhängung deshalb, weil hier besondere Umstände in der Person des Täters vorliegen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung unentbehrlich machen. Die Kammer hat bei dem Angeklagten bestimmte Eigenschaften und Verhältnisse festgestellt, die diesen von durchschnittlichen Tätern solcher Taten deutlich unterscheiden. Der Angeklagte hat durch seinen bisherigen Lebenslauf, gezeigt, dass er in den letzten fast 15Jahren mit Vehemenz und Hartnäckigkeit überwiegend Diebstahlstaten, auch schwerer Art, begangen. Dabei hat die Kammer durchaus bedacht, dass der Berücksichtigung der rechtskräftigen Vorstrafen bei der Annahme der Voraussetzungen für die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe kein gegenüber der konkreten Tatschuld unangemessenes Gewicht beigemessen werden darf, da zentraler Anknüpfungspunkt für die Strafzumessung und damit auch für die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe das nach seiner Schwere abstufbare verschuldete Unrecht der Tat bleiben muss. Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Kammer vorliegend den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht aus den Augen verloren und die nicht unerheblichen Vorstrafen nicht überbewertet. Jedoch hat er die hier zugrunde liegenden Taten in den Jahren 2015 und 2016 nur wenige Monate nach der Verurteilung wegen Eigentumsdelikte und nur nach wenigen Wochen nach der diesbezüglichen Verbüßung begangen. Die hohe Rückfallgeschwindigkeit bei der Begehung der Taten lässt den Schluss zu, dass sich der Angeklagte konsequent über Warnungen hinwegzusetzen pflegt. Dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass dem Handeln des Angeklagten sicherlich seine Drogensucht zugrunde liegt; aber auch hierzu hat der Angeklagte kein tragfähiges Konzept nach der Haftentlassung gelebt oder vorweisen können, um diese Problematik wirksam zu bearbeiten. Die Gesamtabwägung hat zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass der Angeklagte in einem so hohen Maße als unbelehrbar und unbeeinflussbar angesehen werden muss, dass ein Rückgriff auf die mildere Sanktion der Geldstrafe nicht mehr möglich ist und die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter unerlässlich, zumal auch keine Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen eingetreten sind, die geeignet erscheinen würden, eine Verhaltensänderung herbeizuführen.

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Aus diesen Einzelstrafen hat die Kammer unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung der mitgeteilten Strafzumessungsgesichtspunkte und unter mildernder Berücksichtigung des kriminologischen Zusammenhangs - die Taten resultierten Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten - und des zeitlichen Zusammenhangs, aber auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Angeklagte auch nach der Haftentlassungen die vor der Haft gezeigte Verhaltensweise wieder aufgenommen hat, und es sich um zwei zeitlich getrennte Tatserien gehandelt hat, unter Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet, die mit

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3 Jahren

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tat- und schuldangemessen war, wobei auch die Vielzahl der Taten, wenn auch nur einen untergeordneten, Aspekt darstellten. Dabei ist bei der Festsetzung der Einzelstrafen, aber auch bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe, auch die potentiell strafmildernd wirkende Herabsetzung der Hemmschwelle bei sich wiederholender Tatbegehung beachtet worden, zumal die Tatserie im Jahre 2015 und 2016 nicht durch den warnenden Appell, der etwa durch zwischenzeitliche polizeiliche Festnahmen zu verzeichnen ist, unterbrochen worden ist. Die Kammer hat auch berücksichtigt, dass durch die Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe aus der Verurteilung vom 15. Januar 2015 zumindest in Bezug auf die Strafe der Fälle 10 und 12 keine Gesamtstrafe mehr gebildet werden kann.

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Bezüglich Verurteilung des Amtsgerichts N1 vom 5. Dezember 2016 wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in Form des Berufungsurteils des Landgerichts K. vom 29. März 2017, liegt nach Angaben des Angeklagte nun seit kurzer Zeit Rechtskraft vor, jedoch lag der Kammer nur das Berufungsurteil vor, welches aufgrund der Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch keinen Sachverhalt enthält, so dass eine eventuell mögliche Gesamtstrafe nicht im Verfahren gebildet werden konnte und nachträglich zu bilden sein wird.

VI.

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Über die erkannte Strafe hinaus hat das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 Abs. 1 StGB angeordnet.

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Die Kammer schließt sich insoweit den überzeugenden und in vollem Umfang plausibel erläuterten Ausführungen des Sachverständigen S. an. Der Sachverständige hat angegeben, auf der Grundlage der Akten und der Berufungshauptverhandlung liege bei dem Angeklagten eine Suchterkrankung in Form einer Abhängigkeit von diversen Betäubungsmitteln, zuletzt insbesondere von Heroin und Crack, vor und es sei somit im Sinne des § 64 StGB ein Hang vorhanden, Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren.

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Der Angeklagte leide an einer schweren Suchterkrankung in Form einer Polytoxikomanie vom führenden Opiattyp (Heroin), mit Kokain-, Cannabis- und Alkoholabusus. In allen Urteilen seit 2005 werde zur Person des Angeklagten weitgehend übereinstimmend angeführt, Im Alter von 14 habe er mit dem Konsum von Cannabis begonnen, der sich dann sukzessive auf andere Drogen, hauptsächlich Heroin und Kokain ausgeweitet habe. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass bei einem anhaltenden polytoxikomanen Konsum das Heroin aufgrund seines hohen Suchtpotenzials fast immer die führende Rolle übernehme. Zusätzlich habe wohl die kognitive Störung - Intelligenzminderung, wie in fast allen Urteilen erwähnt - offenbar auch dazu geführt, dass der Angeklagten förderbeschult worden sei, aber auch unter diesen Bedingungen keinen Abschluss oder im Anschluss einer Ausbildung habe absolvieren können. Kennzeichnend habe der Angeklagte trotz seines mindestens bis zum Ende der 8. Klasse eingehaltenen Schulbesuchs weder ausreichend Lesen noch Schreiben gelernt und sich dies auch später nachträglich nicht oder allenfalls rudimentär aneignen können und mit hoher Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten in allen grundlegenden Kulturfähigkeiten habe. Seit mehreren Jahren würde der Angeklagte in geradezu automatisiert Straftaten begehen, um sich Geld für Drogen und der übrige Lebensführung zu beschaffen. Ein klar trennender Mechanismus, etwa in der Form, dass es erst zum Drogenrückfall und dann in der Folge aus der Not zur Geldbeschaffung zur Delinquenz gekommen sei, scheint bei dem Angeklagten in dieser Form nicht vorgelegen zu haben. Vielmehr habe er jeweils nach der Entlassungen von vornherein in einer deprivierten Situation ohne eigene Wohnung, ohne Arbeit und ohne eigentliche soziale Lebensperspektive befunden und habe offensichtlich auch nie über die Fähigkeit und Ressourcen verfügt, die ihm eine konstruktive Lebensgestaltung oder es aber auch nur möglich gemacht hätten, die angebotene Hilfe zu nützen. Stattdessen haben sich bei dem Angeklagten nach dem Scheitern aller pädagogischen, therapeutischen und forensischen Maßnahme inzwischen Mechanismen eingeschliffen, die ihn außerhalb von Haftanstalten geradezu zwanghaft in ein untrennbar miteinander verwobenes Milieu von Drogen und Straftaten und bald wieder in die Untersuchungshaft bringen werden, wie sich z.B. an den schnellen Rückfällen trotz erheblicher Haftzeiten aufzeigt habe. Dabei sei auch davon auszugehen, dass der Angeklagte trotz dieser offenbaren Automatismen und seiner ständigen negativen Erfahrungen ohne die restriktiven Kontrollen, z.B. der Haftanstalten, unfähig sei, den Drogenkonsum, die Straffälligkeit und die damit verbundene Kaskade von Inhaftierung und Verurteilung über eine nennenswerte Zeit einzustellen. Dass es dem Angeklagten wohl nicht mehr gelungen sei, ein Leben außerhalb des strafrechtlich dokumentierten Bereichs zu führen, lasse sich auch aus den Gerichtsurteilen spätestens seit 2009 ein mehr oder weniger lückenloser Verkauf rekonstruieren. Die bisherigen Versuche einer Therapie, für die der Angeklagte nach vielfachen Haftstrafen zeitweise motiviert gewesen sei, seien wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit gescheitert, weil der Angeklagte mit den Anforderungen dort schnell überfordert gewesen sei und sich dann der weiteren Therapie entzogen habe. Daher stelle sich deshalb auch die Frage, ob die herkömmlichen freiwilligen Therapien für den Angeklagten, auch angesichts seiner kognitiven Rückstände, überhaupt geeignet seien. Es spreche vieles dafür, dass daneben seine Intelligenzschwäche, seine fehlenden Strategien und seine Vulnerabilität im sozial menschlichen Bereich auch ein unüberwindliches Therapiehindernis in einer Maßnahme nach § 35 BtMG darstellen. Der Angeklagte selbst habe seine Vorstellungen früher - und auch nun in der Berufungshauptverhandlung - an eine Therapie insofern formuliert, dass er von ihr eine „rund um die Uhr"-Betreuung erwarte und deshalb, wie in früheren Urteilen aufgeführt - daraus zu schlussfolgern sei, dass der Angeklagte deshalb nur in einem streng kontrollierten Rahmen, wie z.B. in einer Haftanstalt oder einer ähnlich gegliederten Einrichtung, die nötigen Bedingungen für Abstinenz und Strukturierung erhalten könne. Das schnelle Scheitern seiner Therapieversuche scheinen diesem Wünsch des Angeklagten zu bestätigen. Der Angeklagte habe danach von sich aus auch keine tatsächlichen Versuche unternommen, eine Therapie anzutreten, ebenso eine Substitution abgelehnt und auch in der Bewährung - soweit es überhaupt längere zusammenhängende Zeiten außerhalb der Haftanstalt gegeben habe - von den dort angebotenen Hilfen nicht profitiert. Abstinenz könne bei Herrn S. offenbar ausschließlich durch den Haftvollzug oder ähnliche Einrichtung hergestellt werden. Daher sei die vom Gericht gestellte Frage zu bejahen, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Taten aufgrund seines Hanges, Suchtmittel im Übermaß zu konsumieren, begangen hat.

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Ebenso könne kein Zweifel daran bestehen, dass angesichts des weitgehend eingeschliffenen Konsumverhaltens, angesichts des Verlaufes der letzten 10 Jahre, in denen der Angeklagten immer wieder zu Haftstrafen verurteilt und nach seiner Entlassung sowohl hinsichtlich seines Drogenkonsums als auch seiner Straftaten schnell rückfällig wurde, auch weiterhin die erhebliche Gefahr bestehe, dass er ohne eine Suchttherapie weitere rechtswidrige Taten, die in ihrer Schwere mit der hier gegenständlichen Tat zumindest vergleichbar sind. begehen werde. Es sei aus Sicht des Gutachters nicht zu erkennen, durch welche Einwirkung oder auf welche Weise es bei einer freiwilligen Therapie zu einer Verhaltensänderung beim Angeklagten kommen sollte, der sich auch bisher weder durch pädagogische noch durch forensische Maßnahme habe insoweit erreichen lassen, dass er außerhalb der Haft abstinent und straffrei bleiben könne. Die bisherigen Therapieversuche seien jeweils bezeichnend schnell gescheitert. Dadurch sei allerdings auch gerade hinsichtlich aller zukünftigen Therapien nach § 35 BtMG eine negative Prognose zu stellen. Ob der Angeklagte überhaupt eine ausreichendes Krankheitsbewusstsein besitze, bzw. eine Einsicht in die Gründe und Konsequenzen seiner Drogensucht entwickeln werden könne, sei zwar fraglich, aber der Angeklagte habe zumindest eine Therapiewilligkeit geäußert, wenn diese in einem herkömmlichen Therapierahmen aber auch schnell erschöpft sein werde. In diesem Zusammenhang müsse der Gutachter, insbesondere im Vergleich mit herkömmlichen Therapien, ob ambulant oder stationär, die vom Gericht gestellte Frage bejahen, dass hinsichtlich der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB eine ausreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg in der gesetzlich zur Verfügung stehenden Zeit bestehe. Denn zum einen sei der Angeklagten grundsätzlich therapiebereit und zum anderen würde in einer forensischen Unterbringung auch jene Problemfelder bei ihm bearbeitet werden können, die den wohnungslosen und unausgebildeten Angeklagten insbesondere an einem abstinenten und straffreien Leben hindern, nämlich seine fehlende soziale und berufliche Perspektive, sein Analphabetismus und insgesamt seinen Mangel an grundlegenden Kulturfähigkeiten. Der vom Angeklagten formulierte Wunsch nach einer „Rund-um-die Uhr"-Betreuung mache zudem deutlich, dass sich der Angeklagte - aus Sicht des Unterzeichners zu Recht - keine große Erfolgsaussicht in den herkömmlichen freiwilligen Therapien einräume. Tatsächlich brauche der beeinflussbare Angeklagte eine besondere Form der Führung und des Schutzes, die nicht nur zu einer Abstinenz führen, sondern auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Angeklagte ein konstruktives und ihm angemessenes Lebensziel anstreben könne. Hierfür aber werde der Angeklagte neben der Reflexionen über seine Drogensucht, vor allen Dingen auch Schulung, Ausbildung und konkrete Hilfen und Unterstützung hinsichtlich einer Wohnungs- und Arbeitssuche benötigen, die ihm in einem weit größeren Umfang in einer forensischen Unterbringung nach § 64 StGB geboten werden könne.

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Die Kammer hat sich diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in jeder Hinsicht angeschlossen. Sie stehen insbesondere im Einklang mit der von dem Angeklagten auch in der Hauptverhandlung glaubhaft geäußerten Therapiewilligkeit. Dass der Angeklagte seine Zustimmung zu einer etwaigen Therapie in erster Linie auf eine Therapieform gemäß § 35 BtMG ausrichtete, steht der Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB nicht entgegen. Insbesondere hat dies keine Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nach § 64 StGB, da - im Falle des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen - die Vorschrift des § 64 StGB den vollstreckungsrechtlichen Sonderregelungen des Betäubungsmittelgesetzes vorgeht (vgl. etwa BGH NStZ 2009, 441 f; StV 2009, 353; Fischer, StGB, 647. Auflage 2017, § 64 Rn. 26 m.w.N.). Dies gilt vor allem auch unter Berücksichtigung des hohen Anteils der Abbrüche von auf freiwilliger Basis begonnenen Therapien (vgl. Fischer, a.a.O). So hat der Angeklagte in der Vergangenheit zwar bereits derartige Therapien abgebrochen, er hat sich jedoch bislang noch nie in einer geschlossenen Einrichtung mit entsprechenden Rahmenbedingungen zur langfristigen Stabilisierung seiner Lebensverhältnisse befunden hat. Mildere, vergleichbar effektive Mittel, die das erstrebte Ziel, den Angeklagten durch die Behandlung zu heilen bzw. eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

VII.

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Die Kammer hat den von der Staatsanwaltschaft beantragten Wertersatzverfall in Höhe von über 15.000€ nach § 73, 73a StGB nicht ausgesprochen. Der Angeklagte hat die gestohlenen Waren verkauft und dafür Drogen gekauft, die er konsumiert hat. Weiterhin hat er seinen Lebensunterhalt davon bestritten. Die Kammer hat angesichts der Vermögenslosigkeit und der Tatsache, dass einige Ansprüche durch Schadensregulierung der Versicherungen mit Sicherheit an diese übergangen sind und die Versicherungsgesellschaften diese bei Möglichkeit gelten machen werden, von der Verfallsanordnung nach § 73 c StGB abgesehen, denn die Anordnung würde eine unbillige Härte darstellen. Eine unbillige Härte im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB liegt dann vor, wenn die Verfallsanordnung das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen deshalb besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszweck liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Angeklagten auch unter Berücksichtigung des Zweckes des Verfalls nicht zugemutet werden kann. Insofern ergibt sich bereits aus § 73 Abs. 2 Satz 1 StGB, dass die vollständige Entreicherung des Täters als solche keinen zwingenden Grund darstellt, eine unbillige Härte anzunehmen („kann“ abgesehen werden ). Hier ist jedoch der Angeklagte vermögenslos und wird dies auch auf unabsehbare Zeit bleiben. Sollte es nach einer erfolgreichen Therapie tatsächlich zu einer Arbeitsaufnahme kommen, so wird diese nur in einem Sektor sein, der mit niedrigen Löhnen ausgestattet ist. Angesichts der sonstigen zu erwartenden Unterhaltskosten, wie z. B. Wohnung, wird der Angeklagte immer eher am untersten Rand der Einkommen liegen. Dabei hat die Kammer auch den Grund, warum sich der Vermögensvorteil nicht mehr im Vermögen des Angeklagten befindet, berücksichtigt, nämlich dass der Angeklagte das Geld aufgrund seiner Drogenabhängigkeit ausgegeben hat. Insofern hat er aus einer krankheitsbedingten Lage den Vermögensvorteil wieder verloren. Die Kamer hat hierin die besonderen Gründe für ein Absehen der Anordnung des Verfalls gesehen.

VIII.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1, 465 StPO

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