Urteil vom Landgericht Hamburg (12. Zivilkammer) - 312 O 358/18
Tenor
In der Sache
…
1. erkennt das Landgericht Hamburg - Zivilkammer 12 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Perels, die Richterin am Landgericht Dr. Bremer und den Richter am Landgericht Steinbach auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 für Recht:
Die einstweilige Verfügung vom 8.10.2018 wird zu Ziffer 1) mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antragsgegnerin verboten wird,
in Deutschland parallel importierte Arzneimittel „A. 10 mg/ml Augentropfen“ in Packungen mit einer Tropfflasche mit 5 ml in neuverpackten Ausstattungen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn diese Packungen aus Rumänien und/oder Bulgarien importiert werden und wenn dies geschieht wie aus der Anlage AST 3 ersichtlich.
Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung zu Ziffer 1) aufgehoben.
2. Die Kostenentscheidung wird wie folgt neu gefasst: Die Kosten des Verfahrens hat zu ¾ die Antragstellerin und zu ¼ die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
- 1
Die Parteien vertreiben Arzneimittel, die Antragsgegnerin ist im Parallelimport tätig.
- 2
Die Antragsgegnerin vertreibt das Arzneimittel A. 10 mg/ml Augentropfen der Antragstellerin, welches sie aus EU-Ländern parallel importiert und in eigene Umverpackungen verpackt.
- 3
Die Antragsgegnerin zeigte der Antragstellerin ab Dezember 2017 an, dass sie A. 10 mg/ml aus verschiedenen EU-Ländern importieren und in Anbetracht der von der Fälschungsrichtlinie geforderten Maßnahmen in neue Verpackungen umpacken wolle, weil anders die Vorrichtungen, die jegliche Manipulation der äußeren Umhüllung einer Arzneimittelpackung erkennen lassen müssten, nicht erneut erschaffen werden könnten.
- 4
Dabei wurden folgende Vertriebsanzeigen an die Antragstellerin geschickt:
- 5
Unter dem 21.12.2017 (Anlage AG 3) zeigte die Antragsgegnerin den beabsichtigten Vertrieb von A. 10 mg/ml aus Griechenland, Italien, Spanien, Österreich in eigener Faltschachtel an. Eine Reaktion der Antragstellerin erfolgte nicht.
- 6
Unter dem 4.6.2018 (Anlage AG 4) teilte die Antragsgegnerin den beabsichtigten Vertrieb von A. 10 mg/ml aus Portugal in eigener Faltschachtel mit. Am 11.6.2018 forderte die Antragstellerin Muster an, die am 14.6.2018 übersandt wurden (Anlage AG 5). Die Antragstellerin beanstandete die Muster nicht.
- 7
Am 5.4.2018 (Anlage AG 6) schrieb die Antragsgegnerin, dass sie A. 10 mg/ml aus Rumänien in eigener Faltschachtel importieren wolle, am 2.5.2018 erbat die Antragstellerin die Übersendung von Mustern. Dies wurden ihr unter dem 18.7.2018 geschickt, wobei mitgeteilt wurde, dass der Rest nicht lieferbar sei und später übersendet werden würde. Unter dem 15.8.2018 (Anlage AG 8) beanstandete die Antragstellerin die Muster. Auf ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 5.9.2018 mahnte sie diese am 24.9.2018 ab (Anlage AS 5), woraufhin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2.10.2018 die Ansprüche zurückwies (Anlage AS 6). Am 4.10.2018 stellte die Antragstellerin den vorliegenden Verfügungsantrag.
- 8
Unter dem 4.7.2018 (Anlage AG 9) zeigte die Antragsgegnerin den beabsichtigten Vertrieb von A. 10 mg/ml aus Bulgarien in eigener Faltschachtel an, auf die Bitte der Antragstellerin vom 11.7.2018 übersandte sie am 24.7.2018 die Muster (Anlage AG 10), die die Antragstellerin wiederum am 15.8.2018 beanstandete. Auch hier wurde auf ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 5.9.2018 (Anlage AS 4) am 25.9.2018 (Anlage AS 5) abgemahnt und auf die Antwort der Antragsgegnerin vom 2.10.2018 (Anlage AS 6) am 4.10.2018 der Verfügungsantrag gestellt.
- 9
Die Antragstellerin tritt gemäß Anlage AS 8 in gewillkürter Prozessstandschaft für die Markeninhaberin, die N. AG, auf. Die N. AG ist Inhaberin der Unionswortmarken „ N.“ und „ A.“ (Anlagenkonvolut AS 1).
- 10
Die Antragstellerin hat die Verpackungen von A. 10 mg/ml bisher noch nicht mit den von der Fälschungsrichtlinie RL 2001/83/EG geforderten und ab dem 9.2.2019 nach § 10 I c AMG vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet und auf den Markt gebracht. Das von der Antragsgegnerin übersandte Musterexemplar einer Neuverpackung ist aus Anlage AS 3 ersichtlich.
- 11
Die Antragstellerin meint, dass ihr ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II a UMV gegen die Antragsgegnerin zustehe, weil keine Erschöpfung gemäß Art. 15 I UMV eingetreten sei. Denn das Umverpacken ihres Arzneimittels sei nicht erforderlich, vielmehr sei es der Antragsgegnerin möglich, eine in Deutschland gemäß §§ 10 ff. AMG vertriebsfähige Packung zu schaffen, indem sie auf der Originalpackung neue Etiketten in deutscher Sprache und neue Vorrichtungen gegen Manipulation aufbringe. Die europäische Kommission führe in ihren Leitlinien ausdrücklich aus, dass Umverpackungen, die eine Vorrichtung gegen Manipulation trügen und die von Parallelimporteuren zulässig geöffnet würden, mittels Aufbringens einer neuen Vorrichtung gegen Manipulation versiegelt werden könnten. Hierzu sei die neue Vorrichtung gegen Manipulation, zum Beispiel ein Siegel, auf der alten, gebrochenen Vorrichtung gegen Manipulation aufzubringen.
- 12
Dass der Parallelimporteur die zuständige Behörde um Zustimmung zu den neu angebrachten weiteren Sicherheitsmerkmalen ersuchen solle, sei nichts Ungewöhnliches und zumutbar. Denn Parallelimporteure müssten gemäß Art. 57 I o der VO EG 726/2004 bei zentral zugelassenen Arzneimitteln ebenfalls eine Behörde, nämlich EMA, um Zustimmung ersuchen.
- 13
Dringlichkeit sei gegeben, weil die Antragsgegnerin durch Schreiben vom 5.9.2018, eingegangen bei der Antragstellerin am 10.9.2018, abschließend erklärt habe, dass sie beabsichtige, das Arzneimittel A. 10 mg/ml Augentropfen mit der bemusterten Umverpackung in Verkehr zu bringen. Dass die Parteien seit dem Sommer 2018 Korrespondenz geführt hätten, stehe dem nicht entgegen, weil die Anzeige des Parallelimporteurs gerade dazu diene, dass der Markeninhaber Stellung nehmen und der Importeur die Packung entsprechend ändern könne. Erst wenn der Importeur sich abschließend weigere, die Position des Markeninhabers anzuerkennen, beginne die Erstbegehungsgefahr und damit die Dringlichkeit. Dies sei mit Schreiben vom 5.9.2018, eingegangen bei der Antragstellerin am 10.9.2018, geschehen.
- 14
Die Kammer hat der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 8.10.2018 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel
- 15
verboten,
- 16
in Deutschland parallel importierte Arzneimittel „ A. 10 mg/ml Augentropfen“ in Packungen mit einer Tropfflasche mit 5 ml und/oder zu Packungen mit drei Tropfflaschen mit 5 ml in umverpackten Ausstattungen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr zu bringen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.
- 17
Die Antragsgegnerin hat gegen die einstweilige Verfügung mit Schriftsatz vom 23.10.2018 Widerspruch eingelegt.
- 18
Mit Schriftsatz vom 2.11.2018 hat die Antragstellerin den Verfügungsantrag insoweit zurückgenommen, als der Antragstellerin untersagt worden ist,
- 19
in Deutschland parallel importierte Arzneimittel „ A. 10 mg/ml Augentropfen“ zu Packungen mit drei Tropfflaschen mit 5 ml in umverpackten Ausstattungen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr zu bringen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.
- 20
Die Antragsgegnerin meint, dass keine Eilbedürftigkeit vorliege.
- 21
Die Antragstellerin habe aufgrund der verschiedenen Anzeigen des beabsichtigten Parallelvertriebs in eigenen, neuen, Umverpackungen seit Dezember 2017 Kenntnis gehabt, jedoch nicht oder spät reagiert, so dass sie zu erkennen gegeben habe, dass es ihr nicht eilig sei. Die Dringlichkeit sei insbesondere in Anbetracht des weiten Verfügungsantrags, der ein Totalverbot beinhalte, nicht gegeben.
- 22
Schließlich handele es sich bei der Antragstellerin um ein weltweit führendes Pharma-Konzernunternehmen, dass ausreichend Erfahrung in der Betreuung markenrechtlicher Auseinandersetzungen mit Parallelimporteuren habe. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin alles klar vorgetragen und rechtlich substantiiert begründet, so dass die nicht umgehende Reaktion zumindest dazu führen müsse, dass der Antragstellerin die Rechtsverfolgung in einem Eilverfahren zu versagen sei.
- 23
Zu dem Zeitpunkt, als der Eilantrag am 4.10.2018 bei Gericht eingegangen sei, habe die maßgebliche Kenntnis auf Antragstellerseite seit dem Dezember 2017 bestanden.
- 24
Der Antragstellerin stehe auch kein Verfügungsanspruch aus Art. 9 II a, III a, b UMV zu.
- 25
Für den Vertrieb in Deutschland sei wegen der Vorschriften der Fälschungsrichtlinie eine eigene, neue Faltschachtel der Antragsgegnerin erforderlich. Im Hinblick auf die Packungsgröße 3 x 5 ml sei dies evident, da eine Bündelung unzulässig sei.
- 26
Gemäß § 10 I c AMG, der am 9.2.2019 Kraft trete, müssten Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, auf den äußeren Umhüllungen Sicherheitsmerkmale sowie Vorrichtungen zum Erkennen einer möglichen Manipulation der äußeren Umhüllung aufweisen. Diese Regelung diene der Umsetzung von Art. 54 o der Richtlinie 2001/83/EG, der für die Etikettierung verschreibungspflichtige Arzneimittel Sicherheitsmerkmale fordere, die es ermöglichten, die Echtheit des Arzneimittels zu überprüfen und einzelne Packungen zu identifizieren.
- 27
Die Antragsgegnerin vertreibe aktiv in Deutschland 1.892 verschiedene Arzneimittelpackungen unter jeweils eigener Pharmazentralnummer, davon seien 1.781 Packungen gemäß der Fälschungsrichtlinie umzustellen. Es sei ein erheblicher logistischer Aufwand, alle Arzneimittel ab dem 10.2.2019 in Verpackungen in Verkehr zu bringen, die dann den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Daher sei die Antragsgegnerin wie alle anderen pharmazeutischen Unternehmer gezwungen, bereits vorher sukzessive auf die neuen Verpackungen umzustellen.
- 28
Um Zweifel in die Integrität des Arzneimittels auszuschließen und Patientensicherheit und das Vertrauen des Patienten in das Arzneimittel sicherzustellen, sei gerade in Anbetracht des aktuellen Lunapharm-Skandals das Umpacken in eine eigene Faltschachtel notwendig. Das Aufbringen eines Aufklebers auf der Packung von A. sei nicht möglich, weil die Verpackung so klein sei, dass nicht genügend freie Fläche vorhanden sei, um neben den umfangreichen arzneimittelrechtlichen erforderlichen Textbausteinen den UI, als Datamatrix Code und zudem alle Elemente des Datamatrix Codes aufzubringen, nämlich Produktcode, Seriennummer, Chargenbezeichnung, Verfalldatum sowie PZN als nationale Kostenerstattungsnummer und Umpackchargenbezeichnung.
- 29
Die Leitlinien der europäischen Kommission in den Fragen und Antworten seien unverbindlich, wie sich aus Anlage AG 13 ergebe. Die europäische Kommission habe in einem Rundschreiben vom Oktober 2018 mehrfach darauf hingewiesen, dass die betroffenen Unternehmen ihre Packungen sukzessive umstellen sollten, um die Einhaltung der neuen Vorschriften sicherzustellen.
- 30
Die von der Antragstellerin eingereichte Anlage AS 10 zeige eine Großpackung, auf der das Umetikettieren wegen der Größe möglich sei.
- 31
Ansprüche der Antragstellerin seien nach Treu und Glauben hinsichtlich des Parallelimports aus Griechenland, Italien, Spanien, Österreich und Portugal ausgeschlossen, weil die Antragstellerin keine Muster angefordert oder auf die Musterübersendung nicht geantwortet habe.
- 32
Schließlich sei der Unterlassungsanspruch nach Treu und Glauben verwirkt.
- 33
Die Antragstellerin hat den Verfügungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 4.12.2018 zum Teil zurückgenommen.
- 34
Die Antragstellerin beantragt,
- 35
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 8. Oktober 2018 mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten wird,
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in Deutschland parallel importierte Arzneimittel „ A. 10 mg/ml Augentropfen“ in Packungen mit einer Tropfflasche mit 5 ml in neuverpackten Ausstattungen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn diese Packungen aus Rumänien und/oder Bulgarien importiert werden und wenn dies geschieht wie aus der Anlage AST 3 ersichtlich.
- 37
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 38
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den zugrundeliegenden Antrag in seiner jetzigen Fassung zurückzuweisen.
- 39
Die Antragstellerin hat ihren Vortrag vertieft.
- 40
Sie macht geltend, dass die Fälschungsrichtlinie erst ab dem 9.2.2019 gelte, so dass vorher der Vertrieb des Arzneimittels in neuen Umverpackungen schon deshalb unzulässig sei.
- 41
Zudem sei der Vertrieb auch ab dem 9.2.2019 unzulässig, weil der Parallelimporteur sich des mildesten Mittels zu bedienen habe. Dies sei vorliegend aber das Versehen mit Etiketten und neuen Vorrichtungen gegen Manipulation.
- 42
Auf die Notifizierungsverfahren gemäß Anlagen AG 3, 4 und 5 komme es nicht an, weil erst seit dem 6.7.2018 mit der Veröffentlichung der Leitlinien der europäischen Kommission Rechtssicherheit dahin bestehe, dass zulässig geöffnete Arzneimittelverpackungen wieder versiegelt werden könnten.
- 43
Die Antragsgegnerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Originalpackungen nicht wieder versiegelt werden könnten, sondern behaupte dies pauschal. Andere Parallelimporteure wie zum Beispiel Haemato Pharm GmbH nutzten die Originalpackungen und versähen sie mit Klebeetiketten und verwendeten neue Vorrichtungen gegen Manipulation (Anlage AS 10). Die Anlage AS 10 zeige allerdings ein Produkt, das seitens der Antragstellerin vor dem Neuetikettieren noch nicht mit den ab dem 9.2.2019 vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmalen versehen gewesen sei.
- 44
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.12.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die einstweilige Verfügung ist, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens zu bestätigen, weil der auf ihren Erlass gerichtete Antrag insoweit zulässig und begründet ist.
I.
- 46
Ein Anordnungsgrund liegt vor.
- 47
Denn die Antragstellerin hat innerhalb der Korrespondenz mit der Antragsgegnerin jeweils in angemessener Frist reagiert:
- 48
Die Antragstellerin hat nach der unter dem 18.7.2018 erfolgten Übersendung der bereits am 2.5.2018 angeforderten Muster zum beabsichtigten Parallelvertrieb aus Rumänien diese innerhalb eines Monats, nämlich am 15.8.2018, beanstandet. Auf die Zurückweisung der Beanstandung vom 5.9.2018 hat sie innerhalb von drei Wochen, am 25.9.2018, die Antragsgegnerin abgemahnt und ist damit wie oben beschrieben umgehend tätig geworden. Nachdem die Antragsgegnerin unter dem 2.10.2018 mitgeteilt hatte, dass sie die beanstandete Markenverletzungen nicht sehe und die Angelegenheit auch für nicht dringlich halte, hat die Antragstellerin unverzüglich am 4.10.2018 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und damit gezeigt, dass ihr die Angelegenheit dringlich war.
- 49
Gleiches gilt für den 4.7.2018 angezeigten Vertrieb aus Bulgarien (Anlage AG 9). Nachdem die Antragstellerin die am 11.7.2018 erbetenen Muster unter den 24.7.2018 übersandt erhalten hatte, hat sie wiederum am 15.8.2018 diese Muster beanstandet und auf das Schreiben vom 5.9.2018 am 25.9.2018 abgemahnt und am 4.10.2018 den Verfügungsantrag gestellt. Auch insoweit hat die Antragstellerin die Angelegenheit als eilig behandelt.
II.
- 50
Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II a, 130 I UMV gegen die Antragsgegnerin zu.
1.
- 51
Ausweislich der Anlage AS 3 beabsichtigte die Antragsgegnerin die Unionsmarke „ A.“ in rechtsverletzender Weise zu benutzen. Denn auf der aus Anlage AS 3 ersichtlichen Verpackung wird die Wortmarke in identischer Form für eine mit der eingetragenen identische Ware benutzt.
2.
- 52
Es ist keine Erschöpfung gemäß Art. 15 UMV eingetreten.
- 53
Es ist nicht erforderlich, das aus Rumänien oder Bulgarien importierte Arzneimittel der Antragstellerin in eine neue Umverpackung zu packen.
a.
- 54
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verfügt der Markeninhaber dann nicht über einen berechtigten Grund, sich dem Vertrieb parallelimportierter umverpackter Arzneimittel zu widersetzen, wenn 1. die Geltendmachung der Rechte aus der Marke erwiesenermaßen zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führen würde, 2. das Umpacken den Originalzustand des in der Verpackung enthaltenen Arzneimittels nicht beeinträchtigt, 3. auf der neuen Verpackung klar angegeben ist, von dem das Arzneimittel umgepackt wurde und wer der Hersteller ist, 4. das umgepackte Arzneimittel nicht so aufgemacht ist, dass dadurch der Ruf der Marke oder ihres Inhabers geschädigt werden kann und 5. der Parallelimporteur den Markeninhaber vorab vom Vertrieb des umgepackten Arzneimittels unterrichtet und ihm auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware übersandt hat(vgl. EuGH, Urteil vom 28.7.2011, Az. C-400/09, Rz. 27 Orifarm/Merck m.w.N.; EuGH, Urteil vom 11.11.1997, Az. C-349/95 Rz. 309 – Loenderslot/Ballentine).
- 55
Dagegen kann sich der Markeninhaber dem Umpacken der Ware in eine neue äußere Verpackung widersetzen, wenn es dem Importeur möglich ist, eine im Einfuhrmitgliedstaat vertriebsfähige Packung zu schaffen, indem er z. B. auf der äußeren oder inneren Originalverpackung neue Etiketten in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats anbringt, neue Beipack- oder Informationszettel in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats beilegt oder einen zusätzlichen Artikel, der im Einfuhrmitgliedstaat nicht zugelassen werden kann, gegen einen vergleichbaren, zugelassenen Artikel austauscht (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.1996, Az. C-427/93 Rz. 55 – Bristol-Myers, Bristol-Myers Squibb).
b.
- 56
Vorliegend ist es möglich, in Deutschland vertriebsfähige Packungen durch schlichte Umetikettierung zu schaffen.
- 57
Das Erfordernis, auf den äußeren Umhüllungen Sicherheitsmerkmale und eine Vorrichtung zum Erkennen einer möglichen Manipulation anzubringen gemäß Art. 54 a der RL 2001/83/EG und § 10 I c AMG in der ab 9.2.2019 gültigen Fassung, gebietet nicht zwingend eine neue Umverpackung des parallelimportierten Arzneimittels. Dies ergibt sich weder aus der Richtlinie noch aus § 10 AMG. Dementsprechend ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen, ob eine vertriebsfähige Verpackung unter Berücksichtigung der oben unter a. stehenden Grundsätze durch Umetikettierung oder nur durch das Packen in eine neue Umverpackung erreicht werden kann.
- 58
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die neuen vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmale das Umpacken in eine andere Verpackung als die der Antragstellerin erfordern würden. Vielmehr hält die Kammer das Neuetikettieren für ein milderes und ausreichendes Mittel.
- 59
Die Packungen, die die Antragstellerin in Rumänien und Bulgarien vertreibt und die gegenwärtig nur Gegenstand des Parallelimports sein können, verfügen unstreitig noch nicht über die neuen Sicherheitsmerkmale und auch nicht die Vorrichtung zum Erkennen einer möglichen Manipulation. Dass diese Vorrichtung zum Erkennen einer möglichen Manipulation geöffnet werden muss, um die Beipackzettel auszutauschen, kann daher vorliegend nicht dazu führen, dass trotz des Anbringens einer neuen Vorrichtung wie eines Siegels, sichtbar bleiben könnte, dass die Packung schon einmal geöffnet wurde. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass eine Vorrichtung wie ein Siegel unproblematisch aufgebracht werden könnte. Auch dass das Anbringen eines Etiketts mit den Textbausteinen des UI, Produktcode, Seriennummer, Chargenbezeichnung, Verfalldatum sowie PZN als nationale Kostenerstattungsnummer und Umpackchargenbezeichnung, auf den aktuellen Packungen der Antragstellerin nicht möglich wäre, ist nicht erkennbar. Die insoweit darlegungspflichtige Antragsgegnerin hat dazu weder eine aktuelle Originalverpackung vorgelegt noch im Einzelnen zu ihrer Gestaltung vorgetragen.
- 60
Dass die noch nicht im Handel befindliche Verpackung der Antragstellerin mit den Sicherheitsmerkmalen und der besonderen Vorrichtung in Zukunft zu klein sein würde, um die Textbausteine des UI, den Datamatrix Code und zudem alle Elemente des Datamatrix Codes aufzubringen, nämlich Produktcode, Seriennummer, Chargenbezeichnung, Verfalldatum sowie PZN als nationale Kostenerstattungsnummer und Umpackchargenbezeichnung, ist ebensowenig erkennbar wie dass die geöffnete Vorrichtung zum Erkennen einer Manipulation nicht durch Überkleben oder ähnliches in einer Weise ersetzt werden könnte, die die Originalverpackung in Deutschland vertriebsfähig machen würde. Über die Gestaltung der neuen Originalverpackung der Antragstellerin ist nichts bekannt, was es ermöglichen würde, das Erfordernis einer vollständig neuen Verpackung durch den Parallelimporteur festzustellen.
- 61
Soweit die Antragstellerin für die Vorrichtung zum Schutz gegen eine Manipulation ein Klebesiegel wählen sollte, dürfte es möglich sein, ein solches mit einem neuen Siegel zu überkleben (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 28.11.2018, Az. 6 W 120/18, S. 5). Zudem wäre nicht erheblich, dass das Öffnen der Umverpackung durch die Antragsgegnerin erkennbar bleiben würde, sofern die Ware der Antragstellerin und der Ruf der Marke oder der Markeninhaberin nicht beeinträchtigt werden würden. Dadurch, dass das Öffnen der Umverpackung erkennbar bliebe, würde nur transparent, was tatsächlich erfolgt wäre, nämlich das Öffnen und Wiederverschließen der Originalverpackung der Antragstellerin (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 28.11.2018, Az. 6 W 120/18, S. 5).
II.
- 62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, § 269 III Satz 2 ZPO analog. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6, §§ 711 709 S. 2 ZPO.
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