Der Angeklagte ist der unerlaubten vorsätzlichen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an einen Minderjährigen schuldig.
Er wird hierwegen zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Ihm wird für die Dauer von fünf Jahren untersagt, als Allgemeinarzt in dem Berufszweig der Betäubungsmittelsubstitutionstherapie tätig zu sein.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
§§ 1, 3, 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG; 5 BtmVV; 56 Abs. 2, 70 StGB.
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(Ausführungen zum persönlichen Werdegang des Angeklagten)
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Seit 1979 ist der Angeklagte als Allgemeinmediziner in G. niedergelassen. In seiner Praxis beschäftigt er bis zu fünf Voll- und Teilzeitbeschäftigte.
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Seit 1998 hat der Angeklagte auch die Gestattung, in seiner Praxis Methadonsubstituierungsprogramme bei Patienten durchzuführen. Seit dieser Zeit hat er rund 100 Personen mit Hilfe von Methadon substituiert. Er ist im Rahmen dieser Tätigkeit Mitglied des Arbeitskreises für Substitution in B., welches vom Gesundheitsamt des Landratsamtes federführend betreut wird.
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(Weitere Ausführungen zur Person des Angeklagten )
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Im Dezember 2001 fasste der damals 15 Jahre alte T. den Entschluss Methadon zu konsumieren. Bis zum damaligen Zeitpunkt hatte er bereits zwei Jahre lang regelmäßig Haschisch geraucht, an den Wochenenden gelegentlich auch Ecstasy oder Kokain konsumiert, indes Heroin oder andere Opiate lediglich wenige Male probeweise zu sich genommen.
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Im Herbst des Jahres 2001 hatte er regelmäßig an den Wochenenden Kontakt zu Cousins seiner Mutter, nämlich S. und J., mit denen er dabei gemeinsam Haschisch einkaufte und konsumierte. Der erstere konsumierte zum damaligen Zeitpunkt bereits längere Zeit Heroin und war - ebenso wie ein weiterer Cousin - beim Angeklagten in einem Methadonsubstitutionsprogramm aufgenommen.
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Dieses „Vorbild“ motivierte auch T., an Methadon zu gelangen, um es auszuprobieren, obwohl S. ihm hiervon unter Hinweis auf seine eigene Suchtproblematik abriet.
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T., der äußerst eigenwillig und dickköpfig war, gelang es indes, seine Mutter D. dazu zu bewegen, für ihn noch vor Weihnachten beim Angeklagten einen Termin zu vereinbaren, damit auch er bei diesem in ein Methadonsubstitutionsprogramm aufgenommen werde. D., eine einfach strukturierte Frau, die lediglich darum wusste, dass ihr Sohn seit mindestens einem Jahr regelmäßig Haschisch und an den Wochenenden gelegentlich Ecstasy-Pillen konsumierte, verstand zunächst den Sinn eines Methadonprogramms nicht, indes beugte sie sich dem Willen ihres Sohnes, zumal dieser ihr gegenüber auch recht aggressiv werden konnte. Am Vormittag des 18. Dezember 2001 vereinbarte sie auf Wunsch ihres Sohnes einen Gesprächstermin beim Angeklagten, den sie - die aus G. stammt - aus früheren Zeiten her als Hausarzt kannte und fuhr am Nachmittag desselben Tages mit ihrem Sohn und ihren beiden jüngeren Töchtern nach G. zur Praxis des Angeklagten.
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Während des Erstberatungsgespräches mit dem Angeklagten war D. zumindest von ihrer jüngsten Tochter abgelenkt und folgte dem Gesprächsinhalt kaum. T. indes wusste, dass Voraussetzung für die Aufnahme in ein Methadonsubstitutionsprogramm das Vorbringen war, Opiatkonsument zu sein, weshalb er der Wahrheit zuwider angab, dass er seit rund drei Monaten Heroinkonsument sei. Ob er hierbei angab, Heroin zu schnupfen oder zu spritzen, konnte die Kammer nicht mehr feststellen.
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Der Angeklagte hatte Zweifel an diesem Vorbringen von T.: Zum einen war ihm bekannt, dass Rauschgiftkonsumenten „generell unglaubwürdig“ sind, wenn es ihnen um die Erlangung von Betäubungsmitteln wie Methadon geht, zum anderen stellte er bei einer grobkörperlichen Untersuchung fest, dass Einstichstellen an den Armen von T. nicht vorhanden waren. Schließlich stellte er auch fest, dass ein sogleich bei T. vorgenommener Urintest keinen positiven Opiatbefund ergab, sondern lediglich Hinweise auf THC, Benzodiazepin und Cocainhydrochlorid, somit also auf Abbauprodukte von Cannabis, Ecstasy und Kokain erbrachte.
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Obwohl er wusste, dass er zur Verabreichung von Methadon zur Drogensubstitution nur an manifest Opiatabhängige berechtigt war, also an solche Drogenabhängige, die bereits über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren hinweg beständig Heroin oder andere Opiate konsumiert haben, stellte er seine begründeten Zweifel an einer solchen manifesten Opiatabhängigkeit des - wie er wusste, 15 Jahre alten - T. unter Außerachtlassung jeglicher Vernunft hintan, weil es ihm bei der „Behandlung“ seiner Substitutionspatienten auch darum zu tun ist, diese schnellstmöglich wieder aus Behandlungs- und Wartezimmer verweisen zu können, da diese aufgrund ihres Erscheinungsbildes und Auftretens andere Patienten veranlassen könnten, künftig die Praxis zu meiden.
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Dementsprechend erstellte er auch keinerlei umfassendes psychotherapeutisches Behandlungskonzept für T. und wies diesen auch nicht darauf hin, dass zunächst andere Entzugsmodelle versucht werden sollten, bevor auf die Behandlung der vorgeblichen Abhängigkeit mit einem wiederum in höchstem Maße abhängig machenden Ersatzsuchtstoff entzogen werde, wozu gerade bei einem noch minderjährigen Opiatabhängigen in verstärkterem Maße hinzuwirken ist, wie ihm bekannt war. Weiter wies er auch auf mögliche gesundheitsbeeinträchtigende Folgen des Methadonkonsums nicht hin, insbesondere auch nicht auf die mögliche Gefahr eines Herz- und Kreislaufversagens, und dass deshalb ein in den Schlaf fallen kurze Zeit nach der Einnahme des Methadons ein Alarmsignal ist, welches sofortige Benachrichtigung eines Arztes erfordert. Solches blieb daher sowohl T. als auch seiner Mutter verborgen.
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Zur Beruhigung von T., der auf befürchtete Entzugserscheinungen hinwies, verschrieb er diesem das Beruhigungsmittel Doxepin in einer Dosierung von 20 Tabletten zu je 100 mg, wovon zwei Tabletten pro Tag eingenommen werden sollten, falls Unruhezustände dieses erforderten. Er wies D. an, die Tabletten zu verwahren und ihrem Sohn bei Bedarf täglich zwei davon zu geben. Auf der Heimfahrt löste D. dieses Rezept bei der Hohenzollernapotheke in B. ein, welche Nachtdienst hatte. Nachdem dort nur Doxepin in einer Dosierung von 50 mg vorrätig war, erhielt D. eine Packung von 50 Tabletten zu je 50 mg. Den nach der Verschreibung überzähligen Streifen mit zehn Tabletten beließ der Apotheker in der Schachtel, indes brachte er auf dieser einen Klebezettel mit dem Hinweis auf, dass entsprechend der gegenüber der Verschreibung geänderten Dosierung bei Bedarf pro Tag vier Tabletten zu je 50 mg eingenommen werden durften.
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Obwohl er wissentlich gegen die genannten, ihm bekannten Sorgfaltspflichten verstoßen hatte und wusste, dass seine Erlaubnis lediglich die Abgabe von Methadon an manifest Opiatabhängige gestattete, bei denen dies medizinisch indiziert war, orderte der Angeklagte am 19. Dezember 2001 gegen 16.00 Uhr in Kenntnis des Alters von T. 100 ml einer 1%igen Methadonlösung, aus welcher Gesamtmenge er in der Folge wiederholt Einmaldosen zu je 8 ml an T. zur Substitution überlassen wollte. Dabei nahm er billigend in Kauf, eine Methadonsubstitution an einem nicht Opiatabhängigen vorzunehmen.
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Entsprechend seines Vorhabens händigte der Angeklagte durch eine Sprechstundenhilfe erstmals am Abend des 19. Dezember 2001 gegen ca. 17.00 Uhr 8 ml 1%iger Methadonlösung an T. aus, die dieser durch Abtrinken einnahm. Eigentlich war ein zweites Erscheinen von T. am Morgen dieses Tages vereinbart worden, indes hatte er morgens verschlafen, weshalb er erst gegen Abend mit seiner Mutter nach G. fuhr. Bei seinem Vorgehen war dem Angeklagten bewusst, dass die Empfehlung der einschlägigen ärztlichen Richtlinien einen erstmaligen Konsum von lediglich 3 ml Methadon in 1%iger Lösung empfehlen, welcher morgens erfolgen sollte und bei Bedarf eine weitere Verabreichung von 2 ml Methadon gegen Abend, falls sich erweisen sollte, dass die morgens ausgereichte Menge dem Substituenten nicht genügt. Der Angeklagte verfuhr indes in seiner Praxis entgegen dieser ihm bekannten Richtlinie, da er häufige Besuche von Substituenten befürchtete, die mit der Verabreichung von 3 ml nicht zufrieden waren, solchermaßen, dass er entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst jeweils 8 ml schon in der Einstellungsphase verabreichte. Entgegen der ihm weiter bekannten Verpflichtung, die Substituenten noch mindestens zwei Stunden nach der Einnahme in der Praxis zu überwachen, ließ er T. - wie dies ebenfalls seiner Übung entspricht - nach einer Stunde wieder aus der Praxis nach Hause gehen, da er die negative Auswirkung der Anwesenheit dieser „Klientel“ in der Praxis auf andere, „normale“ Patienten und in der Folge das Ausbleiben der Letzteren fürchtete.
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T. traf sodann gegen 18.30 Uhr bei C. in G. ein, einer Freundin seiner Mutter, bei welcher diese während des Arztbesuches ihres Sohnes gewartet hatte. Unmittelbar nach seinem Eintreffen war T. durstig und hungrig. Nachdem er gegessen hatte, wurde er umgehend müde, so dass seine Mutter mit ihm nach Hause fuhr, wo sie gegen 20.30 Uhr eintraf. T. war nach wie vor schläfrig und begab sich sogleich zu Bett, wo er bis zum nächsten Morgen durchschlief, dann aber selbst erwachte.
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Gegen 8.00 Uhr traf er entsprechend Terminabsprache - wiederum von seiner Mutter gefahren - in der Arztpraxis des Angeklagten ein, wo ihm gegen 10.00 Uhr wiederum 8 ml Methadon in 1%iger Lösung verabreicht wurden. Aufgrund seiner Zweifel an der Opiatabhängigkeit des T. veranlasste der Angeklagte zuvor nunmehr nicht nur die Entnahme einer weiteren Urinprobe, sondern auch die Entnahme einer Blutprobe, die in einem Labor auf Betäubungsmittel untersucht werden sollte. Auch diese erst nach dem Ableben von T. ausgewertete Probe ergab keinen positiven Opiatbefund.
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Nachdem auch hier wiederum die zweistündige Überwachungsdauer vom Angeklagten in seiner Arztpraxis wider besseres Wissen nicht eingehalten wurde, fuhr T. mit seiner Mutter gegen 10.30 Uhr wieder nach Hause nach A. Bereits auf der Heimfahrt klagte er über ein pelziges Gefühl in seiner Brust und über Schläfrigkeit. Nachdem er zunächst noch eine Pizza zu essen wünschte, die ihm seine Mutter besorgte, verspürte er bei Eintreffen im elterlichen Hause keinen Appetit mehr und begab sich - wie am Abend zuvor - sogleich zu Bett. Er schlief in seinem Zimmer mit Unterbrechungen bis in die Nacht hinein. Bei gelegentlichen Kontrollen seines Vaters oder seiner Mutter schien er schwer zu atmen, weshalb von ihnen das Fenster in seinem Zimmer geöffnet wurde. Als sich sein Schlaf hierauf besserte, waren die Eltern wieder beruhigt.
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Bei diesem Röcheln handelte es sich indes um die Folge einer Methadonintoxikation, die zu einer Blutstauung der inneren Organe sowie zu einem Lungen- und einem Hirnödem führte, welche in der Nacht vom 20. auf den 21.12.2001 zwischen 23.00 Uhr und 02.50 Uhr zum Tode des T. führten.
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Die Kammer kann nicht ausschließen, dass T. in der Zeit vom 18.12.2001 abends bis zu seinem Ableben 20 Tabletten Doxepin zu je 50 mg eingenommen hat, welche die atmungsdepressive Wirkung des zum Verbrauch überlassenen Methadons verstärkten und somit mitursächlich für den Tod waren.
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T. wurde am Morgen des 21.12.2001 gegen 02.50 Uhr von den Eltern tot in seinem Zimmer aufgefunden. Eine noch am selben Tage im Rahmen der Obduktion der Leiche entnommen Blutprobe ergab eine Methadonkonzentration von 880 ng/ml und von Doxepin in Höhe von 484 ng/ml im Vollblut, das dem Herzen entnommen wurde. Es wurden bei der Obduktion weder Einstichstellen an der Leiche gefunden, noch fanden sich im Blut des Verstorbenen Opiatrückstände.
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III. Die Feststellungen zum persönlichen Werdegang und den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen glaubhaften Angaben.
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Dass ihm die Richtlinien und Empfehlungen der Ärztekammer und der Kassenverbände zum Vorgehen bei Substitutionstherapien mit Methadon bekannt waren und er in vielerlei Hinsicht gegen diese verstoßen hat, hat der Angeklagte eingeräumt.
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Er wisse, dass in der Einstellungsphase zunächst eine Substitution mit 3 ml 1-%iger Methadonlösung am Morgen empfohlen sei und diese nur bei Bedarf dahingehend ausgeweitet werden soll, dass am Nachmittag desselben Tages nochmals höchstens 2 ml 1-%iger Methadonlösung ausgehändigt werden. Daneben sei ihm ebenfalls bekannt, dass eine Überwachung des Substituenten nach Konsum des Methadons in der Praxis von mindestens noch zwei Stunden erfolgen soll. Ebenso sei ihm bekannt, dass neben der Substitution auch eine therapeutische „Gesamtbehandlung“ des Patienten zu erfolgen habe, weshalb schon von Anbeginn an ein Behandlungskonzept vorzuliegen habe.
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Er räumte indes ein, dass die Verstöße hiergegen nicht nur beim verstorbenen T. erfolgt seien, sondern dass er generell so verfahre, wie dies vorliegend geschehen sei, nämlich dass er schon in der Einstellungsphase den Substituenten 8 ml 1-%iger Lösung zum Abtrinken überlasse und sie nach der Einnahme auch lediglich für eine Stunde in seiner Praxis überwache.
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Grund hierfür sei, dass er die zeitliche Kapazität nicht habe, um stark abhängigen Methadonsubstituenten mehrmals täglich geringe Dosen Methadon zu überlassen und sie dabei jedes Mal zu untersuchen, er daneben auch den negativen Eindruck dieser teilweise unordentlich, teilweise aggressiv und unruhig wirkenden Patienten auf seine sonstigen Patienten fürchte, insbesondere wenn sie sich eben über einen Zeitraum von mehr als einer Stunde hinweg im Wartezimmer unruhig auf und ab gehend aufhielten. Er sei deshalb schon aus den Motiven des Erhalts seines sonstigen Patientenstammes bemüht, die Besuche der Substitutionspatienten selten und dann kurzzeitig auszugestalten.
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Indes sei ihm die hohe Dosierung des Methadons unbedenklich erschienen, auch sei er der Auffassung, dass die Auswirkung des Methadons auf den Organismus des Konsumenten schon kurze Zeit nach der Einnahme beobachtet werden könne, da sich dann ja der volle Wirkstoff im Körper befinde. Eine längere Überwachung als eine Stunde halte er deshalb nicht für erforderlich, zudem seien ja die Substituenten „in der Regel nie alleine, sondern immer andere Personen um sie herum“, die sie beaufsichtigen könnten.
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Es sei schließlich auch richtig, dass er über die Gefahren einer Methadonintoxikation, insbesondere auch über die Gefahr der in den Tod übergehenden Bewusstlosigkeit nicht aufgeklärt habe. Indes sei er davon ausgegangen, dass sowohl T. als auch seine Mutter sich über die Gefahren der Substitution im Klaren gewesen seien, da Verwandte der Mutter des Verstorbenen bei ihm schon längere Zeit ebenfalls in einem Methadonsubstitutionsprogramm gewesen seien, so dass er davon ausgegangen sei, dass auch T. und seine Mutter über diesbezügliche Kenntnisse verfügten.
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Hinsichtlich der Anamnese und ihres Zustandekommens, die den Angeklagten dazu brachte, T. als Opiatabhängigen und damit geeignete Zielperson für ein Substitutionsprogramm zu betrachten, hat er im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben gemacht:
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Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23. Januar 2003 ließ er im Ermittlungsverfahren vortragen, dass T. sowie seine Mutter beim Erstgespräch am 18. Dezember 2001 übereinstimmend berichtet hätten, dass T. seit mindestens zwei Jahren drogenabhängig sei, wovon er in den ersten drei Monaten nur Cannabis konsumiert, anschließend aber auch Heroin konsumiert habe. Die Einnahme des Heroins sei sowohl nasal als auch durch Spritze erfolgt.
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Anschließend habe er eine Urinprobe bei T. genommen, welche auch einen positiven DHC-Befund ergeben habe, also einen Hinweis auf ein Opiatabbauprodukt.
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Daneben habe eine körperliche Untersuchung ohne Anwesenheit der Mutter Einstichstellen bei T. in den Ellenbeugen und am Handrücken aufgezeigt. Schließlich hätten auch Entzugserscheinungen von T. wie starkes Schwitzen und Zittern sowie ein unruhiges Verhalten während des Erstgespräches die Anamnese bestätigt. Er habe deshalb in erster Linie aufgrund der Eigenanamnese des Patienten, die durch die Angaben der Mutter und den Urintest bestätigt worden sei, davon ausgehen dürfen, dass der damals 15 Jahre alte T. bereits seit ca. zwei Jahre opiatabhängig gewesen sei.
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In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte hiervon abweichend an, dass T. geschildert habe, dass er seit rund zwei Jahren Cannabis, seit längerer Zeit auch Heroin, dies aber erst seit rund drei bis vier Monaten in stärkerem Maße konsumiere, indem er nämlich drei bis fünf Briefchen Heroingemisch täglich schnupfe. Auch die Mutter habe diesen nasalen Konsum bestätigt, den sie bei einer Gelegenheit selbst beobachtet habe. Allerdings habe T. auch in Anwesenheit seiner Mutter davon berichtet, dass er sich Heroin auch schon gelegentlich gespritzt habe.
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Im Widerspruch zur früheren Einlassung gab er nunmehr an, dass er Einstichstellen bei T. nicht gefunden habe. Lediglich an den Oberarmen seien unnatürliche Hautveränderungen/-verdickungen von ihm festgestellt worden, die Anzeichen dafür sein konnten, dass der Patient früher Heroin gespritzt habe. Als aktuelle Einstichstellen seien diese Hautveränderungen indes nicht zu identifizieren gewesen. Er sei sich bewusst, dass er diese Hautveränderungen hätte im Krankenblatt dokumentieren müssen, was indes aufgrund der dichtgedrängten Patientenabfolge in seiner Praxis unterblieben sei.
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Daneben musste er auch einräumen, dass der am ersten Tage genommene Urintest nicht DHC, sondern THC, also Tetrahydrocannabinol, ein Abbauprodukt von Cannabis, ausgewiesen habe. Dies räumte er ein, nachdem ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München darlegte, dass der damals in der Praxis des Angeklagten verwendete Schnelltest der Marke „Intex Multi 6“ zu keiner Zeit in der Lage war, DHC nachzuweisen, sondern dass dieser nur THC nachweisen konnte. Schließlich sei eine begleitende psychotherapeutische Maßnahme beabsichtigt gewesen, indes sei diese zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eingeleitet und auch noch nicht erörtert worden.
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Das widersprüchliche Aussageverhalten des Angeklagten kann sich die Kammer nur damit erklären, dass er in jeder Lage des Verfahrens darum bemüht war, die Überlassung des Methadons an T. als aus seiner Sicht eindeutig manifest Opiatabhängigem als medizinisch indiziert darzustellen und darüber zu täuschen, dass er die mindestens genau so große Wahrscheinlichkeit für eine falsche Eigenanamnese des Verstorbenen und damit eine gänzlich fehlende Opiatabhängigkeit von Anfang an zumindest billigend in Kauf genommen hat.
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Zu dieser Überzeugung kommt die Kammer aufgrund folgender Überlegungen:
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Zwar könnten sich die widersprüchlichen Einlassungen des Angeklagten nach einer Zeitdauer von mehr als zwei Jahren seit dem Ableben von T. bis zu Hauptverhandlung mit schlechter Erinnerung erklären lassen, zumal seine Dokumentation hinsichtlich der Eigenanamnese und erhobener Untersuchungsbefunde mehr als dürftig sind und kaum eine Gedankenstütze bieten.
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Hinsichtlich der Anamnese enthält das Krankenblatt des Verstorbenen lediglich folgende Worte: „Drogenabhängigkeit: drei Monate Cannabis zwei J Age + Spritze“ sowie für denselben Tag, den 18. Dezember 2001 die Worte „Urin Coc +, Benzo +, DHC +“.
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Die Kammer ist aber davon überzeugt, dass sich der Angeklagte diese dürftigen Einträge im Stadium des Ermittlungsverfahrens dahingehend zu nutze machen wollte, dass er vortragen ließ, die Drogenabhängigkeit habe insgesamt seit zwei Jahren bestanden und anfangs sei für drei Monate Cannabis konsumiert worden, sodann sei auf den Konsum von Age (gemeint H, mithin Heroingemisch) übergegangen worden.
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Zwar ließe sich grundsätzlich der dürftige Eintrag in dieser Art und Weise lesen, indes musste der Angeklagte bei Anklageerhebung erkennen, dass das Verfahren zur Hauptverhandlung führen werde und er dort nicht ernsthaft würde behaupten können, dass ein zum damaligen Zeitpunkt 15-jähriger Patient bereits seit zwei Jahren beständig Heroin konsumiert habe. Auch ihm ist bekannt, dass die Beschaffung von Heroin ein kostspieliges Unterfangen ist, zu welchem ein 13 bis 15 Jahre alter Konsument in der Regel nicht ohne weiteres die finanziellen Mittel hat. Insbesondere der von ihm zuletzt behauptete Konsum des Verstorbenen in Höhe von drei bis fünf Briefchen Heroin pro Tag, die geschnupft worden sein sollen, können schlechterdings von einem Jungen in diesem Alter legal nicht finanziert werden. Zudem musste er auch erkennen, dass - davon abgesehen, dass der Verstorbene zuletzt die Schule nicht mehr besuchte - keine massiven Brüche im sozialen Umfeld und im Sozialverhalten des T. zu erkennen waren, auch war angesichts des Ergebnisses der Obduktion keinerlei körperlicher Abbau bei diesem 180 cm großen und 80 Kilogramm schweren Jungen zu erkennen, wie er bei einem mittlerweile zwei Jahre stark Opiatabhängigen zu erwarten gewesen wäre.
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In der Hauptverhandlung schilderte er daher, dass seit zwei Jahren ein Cannabiskonsum des T. vorgelegen habe und der Heroinkonsum, der seit einiger Zeit vorgelegen habe, in den letzten drei Monaten vor Vorstellung in der Praxis massiv ausgeweitet worden sei laut Eigenanamnese des Verstorbenen.
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Diese Auslegung der Krankenakte hält die Kammer für die wirklichkeitsnähere, da ein bloßer Cannabiskonsum landläufig wohl nicht mehr als „Drogenabhängigkeit“ bezeichnet wird, insbesondere kaum bei einem Arzt, der Opiatabhängige mittels Methadon substituiert. Für diesen dürfte ein bloßer Konsum von Cannabis nicht als seit zwei Jahren bestehende „Drogenabhängigkeit“ bezeichnet werden. Deshalb hält auch die Kammer dafür, dass die Formulierung „Cannabis 2 J“ so zu lesen ist, dass Cannabis bereits seit zwei Jahren konsumiert wurde und eine stärkere Drogenabhängigkeit, nämlich auch die von Heroin, von T. als seit drei Monaten bestehend behauptet wurde.
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Solchermaßen sah sich der Angeklagte nunmehr für das Strafverfahren gewappnet, zumal die Patientenkarteikarte bei der Urintestauswertung auch einen positiven DHC-Befund auswies.
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Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich hierbei indes um eine nachträgliche Verfälschung der Krankenunterlagen, wie die Beweisaufnahme ergeben hat.
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Ein vom Angeklagten in Auftrag gegebenes Privatgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München, das er kurz vor Beginn der Hauptverhandlung vorgelegt hat, weist darauf hin, dass der im Dezember 2001 in der Praxis des Angeklagten verwendete Urinschnelltest „Intex Multi 6“ lediglich THC, nicht aber DHC habe nachweisen können. Hierauf angesprochen, erklärte der Angeklagte, sich dazu nicht erklären zu können. Möglicherweise handle es sich bei der Bezeichnung DHC in der Krankenkarte um ein Schreibversehen.
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Die Kammer ist davon überzeugt, dass ein solches Schreibversehen nicht vorliegt. Zum damaligen Zeitpunkt 2001 hat der Angeklagte nach eigenen Angaben bereits seit rund drei Jahren Methadonsubstitutionen durchgeführt und beständig Urintests abgenommen. Hierbei war er sich im Klaren, welche Abbauprodukte mit dem von ihm verwendeten Test nachgewiesen werden konnten, ansonsten konnte eine zuverlässige Anamnese überhaupt nicht getroffen werden.
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Die hierzu vernommene Zeugin M., Angestellte des Angeklagten, die auch zum damaligen Zeitpunkt bereits in der Praxis beschäftigt war, gab an, dass neuerdings ein Teststreifen von einer anderen Firma verwendet werde, mit dem sich auch Opiate nachweisen lassen. Den Umstellungszeitpunkt vom alten auf den neuen Test konnte sie indes nicht angeben. Sie behauptete, nicht angeben zu können, ob mit dem früheren Test auch schon Opiate oder nur THC nachgewiesen werden konnte, wollte jedoch wie ihr Arbeitgeber einen Schreibfehler in der Karteikarte nicht ausschließen.
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Zwar hat sich in der Praxisführung des Angeklagten für die Kammer ein nicht nachvollziehbarer Mangel an Dokumentation offenbart, indes glaubt die Kammer dem Angeklagten und seiner Bediensteten nicht, dass in solchem Maße nachlässig gearbeitet wurde, dass statt THC der Begriff DHC verwendet wurde, wenn letzteres mit dem damaligen Test überhaupt nicht nachgewiesen werden konnte, wie zur Überzeugung der Kammer feststeht.
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Nachdem die Bezeichnung DHC auch die letzte in der aufgeführten Liste der im Urin nachgewiesenen Abbauprodukte darstellt, ist die Kammer vielmehr davon überzeugt, dass nachträglich die Karteikarte um diesen Begriff ergänzt wurde, nachdem die Kriminalpolizei am 21. Dezember 2001 in der Praxis des Angeklagten anrief und diesen über das Ableben des T. informierte.
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Nicht nur dieses Verhalten lässt die Kammer zu der Überzeugung kommen, dass der Angeklagte von Anfang an mit einer nicht vorhandenen Opiatabhängigkeit bei T. rechnete: Zwar ist seine Einlassung T. habe bei seiner Eigenanamnese angegeben, zuletzt drei bis fünf Briefchen Heroin täglich geschnupft zu haben, nicht zu widerlegen, nachdem die Zeugin D., die Mutter des Verstorbenen, zwar bei dem Erstgespräch in dem Behandlungsraum zugegen war, indes auch zumindest ihre jüngere Tochter bei sich hatte und sich von dieser beständig ablenken ließ und nur am Rande der Unterhaltung ihres Sohnes mit dem Arzt zuhörte. Sie habe dabei zwar wohl mitbekommen, dass von einem Konsum durch die Nase die Rede gewesen sei, um welches Rauschgift es dabei aber gegangen sei, habe sie nicht mitbekommen. Ob von spritzen die Rede gewesen sei, könne sie heute nicht mehr angeben.
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Zwar scheint das Verhalten der Zeugin im Behandlungszimmer zunächst für unvoreingenommene Dritte nicht nachvollziehbar, indes ist die Kammer nach der Hauptverhandlung von der Glaubwürdigkeit der Zeugin überzeugt. Es handelt sich bei ihr um eine intellektuell sicherlich unterdurchschnittlich begabte Frau, die zudem mit der Erziehung ihrer drei Kinder deutlich überfordert scheint. Sie gab zur Überzeugung der Kammer glaubhaft an, dass sie zwar vom langjährigen Haschischkonsum ihres Sohnes gewusst habe und er ihr auch erzählt habe, dass er am Wochenende gelegentlich Ecstasy konsumiere, ihr gegenüber habe er indes von anderen Rauschgiften nie berichtet. Sie habe zwar zunächst den Sinn einer Methadonsubstitution nicht verstanden, die ihr Sohn habe durchführen wollen, indes habe er so darauf gedrängt, dass sie gedacht habe, dass es das Beste sei wenn sie ihm seinen Willen lasse. Vielleicht komme er dann vom Cannabiskonsum weg. Aufgrund seines Konsums und seines Umganges wegen habe er zuletzt auch wochenlang nicht mehr in A. das Haus verlassen wollen und schon gar nicht in die Schule gehen wollen, weil er Probleme mit anderen Konsumenten und Angst vor diesen gehabt habe. Deshalb habe sie für sich befürwortet, dass er von den Drogen wegkomme. Über Methadon und dessen Wirkung habe sie sich indes keine Gedanken gemacht. Für gefährlich habe sie das Ganze nicht gehalten, weshalb sie vielleicht auch der Unterhaltung mit dem Angeklagten nicht voll gefolgt sei.
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Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie bis dahin nicht davon ausgegangen war, dass ihr Sohn harte Drogen konsumiert und angesichts der bereits geschilderten Persönlichkeitsstruktur der Zeugin schenkt die Kammer ihr Glauben und kann nachvollziehen, das diese dem Gespräch mit dem Angeklagten nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit gefolgt ist. Auch die Vernehmung der Zeugin Ma., Mitarbeiterin der Apotheke, die sich gegenüber der Praxis des Angeklagten befindet, hat hierzu nichts im Widerspruch stehendes ergeben: Sie konnte sich zwar noch daran erinnern, dass D. am 18. Dezember 2001 gegen 17:00 Uhr in der Apotheke gewesen sei und mit der Zeugin gesprochen habe, die sie von früher her kannte. Die Zeugin vermochte sich weiter noch daran zu erinnern, dass D. ihr berichtet habe, dass ihr Sohn jetzt beim Angeklagten in ein „Drogenprogramm“ aufgenommen worden sei, indes bekundete auch sie nicht, dass hierbei von Heroin oder auch Methadon die Rede war.
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Wie bereits ausgeführt ist die Kammer durchaus auch davon überzeugt, dass T. einen Heroinkonsum in irgend einer Form erwähnt hat, nachdem er durch die Cousins seiner Mutter wusste, das dies Voraussetzung für die Aufnahme in ein Methadonsubstitutionsprogramm ist. Die bloße Schilderung von Cannabiskonsum hätte ihn in nicht den Genuss des Methadons bringen können.
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Indes nimmt ihm die Kammer nicht ab, dass er dieser eigenen Anamnese voll vertraut und keine Zweifel hatte. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte sehr wohl mit der Möglichkeit der fehlenden Opiatabhängigkeit des T. rechnete, dies aber gleichwohl in Kauf nahm, um diesen in der Praxis wieder los zu werden und sich den anderen Patienten widmen zu können. Darauf, dass an der Eigenanamnese von Substitutionspatienten grundsätzlich erhebliche Zweifel angezeigt sind, weisen nicht nur die ärztlichen Richtlinien der Kassenverbände wie auch anderer ärztlicher Einrichtungen hin, vielmehr hat auch der Angeklagte selbst in anderem Zusammenhang erklärt, dass er grundsätzlich den Angaben seiner Substitutionspatienten keinen Glauben schenke, da diese alles mögliche erzählen würden, wenn sie an Drogen gelangen wollten. Da es sich auch bei Methadon um eine Droge handelt, war auch im vorliegenden Fall - insbesondere angesichts des Alters des Verstorbenen - eine besonders kritische Überprüfung der Eigenanamnese erforderlich. Eine solche hat der Angeklagte indes unterlassen.
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Seine Schilderung, dass D. angegeben habe, dass sie ihren Sohn beim Schnupfen von Heroin beobachtet habe, hat diese nicht bestätigt. Sie gab zur Überzeugung der Kammer glaubhaft an, dass sie lediglich von Cannabis- und Ecstasykonsum gewusst habe, indes auch bei diesen Rauschgiften nie persönlich einen Konsum ihres Sohnes beobachtet habe. Auch insoweit hat die Kammer ihr Glauben geschenkt. Auch hierdurch wird das Bemühen des Angeklagten ersichtlich, seine Sorgfaltspflichtverstöße in Abrede zu stellen und durch eine unwahre Darstellung des Sachverhalts wegzudiskutieren.
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Dass er indes - berechtigte - Zweifel an der Eigenanamnese des Verstorbenen hatte, ist zudem durch sein eigenes Verhalten belegt. Er gab nämlich in der Hauptverhandlung mit Nachdruck an, dass er grundsätzlich eine Urinprobe für ausreichend halte um sich über die Konsumgewohnheiten seiner Patienten ein Bild zu verschaffen. Eine Blutprobe werde zwar ebenfalls veranlasst, indes nur zur Untersuchung auf Infektionen wie HIV oder Hepatitis. Dies sei aus gesundheitlichen Gründen und für die weitere Behandlung erforderlich. Erst auf den Vorhalt, dass er ausweislich der Patientenkarteikarte am 20. Dezember 2001 eine Blutentnahme beim Verstorbenen vorgenommen hat, die in dem von ihm beauftragten Labor auf Drogen und auf Infektionen untersucht wurde, gab er an, dass er dann wohl einen solchen Auftrag erteilt habe, da das Labor nur auf Antrag auch ein Drogenscreening des Blutes durchführe. Dann müsse er wohl doch Zweifel gehabt haben.
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Bestätigt wird diese übliche Vorgehensweise auch durch die Zeugin M., die angab, dass in 95 % aller Blutuntersuchungen bei Methadonsubstituenten lediglich auf Infektionskrankheiten getestet werde, lediglich bei 5 % vielleicht auch auf Drogen.
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Damit ist aber zur Überzeugung der Kammer belegt, dass der Angeklagte der Eigenanamnese des Verstorbenen von Anfang an nicht getraut hat und Zweifel an dessen Opiatabhängigkeit hatte. Anderenfalls hätte er nicht entgegen seiner üblichen Praxis gerade beim Verstorbenen die Blutprobe auch auf Drogen untersuchen lassen.
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Dass er von der Möglichkeit einer fehlenden Opiatabhängigkeit des T. ausging, hat er schließlich auch in seinem letzten Wort eingeräumt, indem er angab, dass ihm Leid tue, dass er dem Verstorbenen trotz seiner Zweifel an dessen Opiatabhängigkeit Methadon zum Verbrauch überlassen habe.
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Dass T. entsprechend dieser vom Angeklagten ins Auge gefassten Möglichkeit tatsächlich zu keinem Zeitpunkt opiatabhängig war, steht zur Überzeugung der Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest.
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D., die Mutter des Verstorbenen, hat hierzu glaubhaft angegeben, dass sie zu keinem Zeitpunkt etwas davon mitbekommen habe, dass ihr Sohn Heroin gespritzt oder geschnupft habe. Auch von Kokainkonsum oder ähnlichem habe sie nichts bemerkt. Sie wisse nur, dass ihr Sohn seit rund eineinhalb Jahren vor seinem Ableben Cannabis konsumiert habe und gelegentlich an Wochenenden Ecstasy. Dies habe er ihr aber auch freimütig erzählt. Auch als er ihr erklärt habe, dass er wünsche, beim Angeklagten in ein Methadonsubstitutionsprogramm aufgenommen zu werden, habe er von Heroinkonsum nichts berichtet.
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Die Kammer verkennt nicht, dass nicht unbedingt davon auszugehen ist, dass ein heroinabhängiger 15-jähriger dies seiner Mutter offenbart. Indes wird ihre Schilderung bestätigt durch ihre Cousins, die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen S. und J.
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Beide waren jeweils mindestens fünf Jahre älter als der Verstorbene, indes pflegte er zumindest in den letzten drei Monaten vor seinem Ableben an den Wochenenden regelmäßigen Kontakt zu diesen, mit welchen er nach ihren übereinstimmenden und glaubhaften Angaben an den Wochenenden nach T. fuhr, wo alle drei für den Eigenkonsum Cannabis in der Bahnhofsumgebung erwarben. Beide gaben übereinstimmend an, dass sie von einem Heroinkonsum des Verstorbenen nichts wussten und auch davon überzeugt seien, dass dieser bis zu seinem Tode Heroin lediglich vielleicht einmal probiert, aber ansonsten nicht konsumiert habe.
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Beide schilderten weiter übereinstimmend, dass der Verstorbene vor seinem Ableben wiederholt die Absicht geäußert habe, dass er auch Methadon konsumieren möchte und beabsichtige, sich beim Angeklagten in ein Substitutionsprogramm aufnehmen zu lassen. S. schilderte, dass er ihm unter Hinweis auf sein eigenes Heroinproblem davon abgeraten habe, da die Suchtproblematik durch das Methadonprogramm nicht besser geworden sei.
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Beide Zeugen machten für die Kammer einen absolut glaubwürdigen Eindruck. Sie schilderten ihre eigenen Konsumgewohnheiten freimütig, obwohl sie sich hierbei auf ein Aussageverweigerungsrecht hätten berufen können. Der Zeuge J. schilderte glaubhaft, dass ihn der Verstorbene noch am Tage nach dem erstmaligen Besuch beim Angeklagten angerufen habe und ihm „freudestrahlend“ oder auch „voller Stolz“ berichtet habe, dass er jetzt auch in ein Methadonprogramm beim Angeklagten aufgenommen sei. Glaubhaft ist diese Schilderung insbesondere deshalb, weil der Zeuge nicht nur gegenüber dem Verstorbenen, sondern auch in der Hauptverhandlung sein Unverständnis für dieses Verhalten zum Ausdruck brachte, da er Methadon für gefährlich halte und der Verstorbene nicht heroinabhängig gewesen sei.
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Entsprechend schilderte auch der Zeuge S. freimütig seinen früheren Heroinkonsum und auch, dass er dem Verstorbenen dringend davon abgeraten habe ohne abhängigkeitsbedingte Veranlassung Heroin zu konsumieren.
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Schließlich haben auch die Zeugen Mar. und Sch. übereinstimmend erklärte, dass der Verstorbene ihnen unabhängig voneinander im November 2001 bei verschiedenen Gelegenheiten von Cannabis- und Ecstasykonsum freimütig berichtet habe, vom Konsum harter Drogen aber nie die Rede gewesen sei.
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Der Zeuge Mar. ist Kriminalbeamter bei der Außenstelle A. der Kriminalpolizei B. und hat im November 2001 ein Verfahren gegen T. wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geführt. Bis zum 15. November 2001 hatte er hierbei immer wieder Kontakt mit T., wobei dieser nach glaubhafter Aussage des Zeugen Mar. den gelegentlichen Konsum von Ecstasy wie auch in einem Falle von Kokain schilderte und aus seinem beständigen Cannabiskonsum überhaupt keinen Hehl machte. Von Heroin indes hat er nicht berichtet.
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Die Gespräche haben jeweils in entspannter Atmosphäre stattgefunden und der erfahrene Kriminalbeamte Mar. hat den Eindruck gewonnen, dass sich ihm T. mit zunehmender Dauer freimütig offenbart habe. Insbesondere habe er auch Lieferanten für das Cannabis namhaft gemacht, weshalb er mit seinem damaligen Umfeld Probleme bekommen habe.
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Der Zeuge Sch. ist Psychologe und beschäftigt bei der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen in der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, wo T. vom 01. bis 02. November 2001 zur stationären Krisenintervention in Behandlung war. Dem ging voraus, dass T. in alkoholisiertem Zustand Einrichtungsgegenstände seines Zimmers demoliert hatte und sich mit Splittern einer Glühbirne zahlreiche oberflächliche Schnittverletzungen am Oberkörper zugefügt hatte, weshalb Suizidgefahr befürchtet wurde.
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Sch. schilderte glaubhaft und überzeugend, dass er in diesen zwei Tagen guten Zugang zu T. gefunden habe und als Ursache der Probleme für dessen Verhalten herausgefunden habe, dass dieser sich in alkoholisiertem Zustand darüber geärgert habe, dass er kein Cannabis mehr zum Rauchen gehabt habe. Im weiteren habe er geschilderte, dass er seit rund eineinhalb Jahren täglich Cannabis rauche, gelegentlich auch Kokain konsumiere, Heroin jedoch lediglich einmal „gesnifft“ habe, ansonsten mit Heroin nichts zu tun habe. Zugleich habe er indes geschildert, dass er einen Onkel habe, der heroinabhängig gewesen sei und sich jetzt durch Methadon substituieren lasse. Auch T. wolle sich jetzt von Drogen entwöhnen und deshalb ebenfalls eine Methadonsubstitution unternehmen.
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Auch dieser erfahrene Kinder- und Jugendpsychologe hatte beim Gespräch mit T. den Eindruck, dass dieser sich ihm vollständig geöffnet hatte und ihm gegenüber wahrheitsgemäße Angaben über seinen Drogenkonsum machte.
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Zudem schilderte er nachvollziehbar, dass T. vor der Behandlung körperlich untersucht worden sei, wie dies bei jedem Patienten geschehe, der zur Krisenintervention oder auch ansonsten in die Abteilung aufgenommen werde. Hierbei seien offenkundig keinerlei Einstichstellen am Oberkörper beobachtet worden, da diese sonst auffallen hätten müssen, nachdem gerade der Oberkörper auch auf die Schnittverletzungen untersucht wurde, die sich T. selbst beigebracht hatte.
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All dies führt die Kammer zu der Überzeugung, dass T. zu keiner Zeit opiatabhängig war, schon gar nicht manifest opiatabhängig. Ein abschließendes Indiz hierfür ist schließlich auch das Ergebnis der vom Angeklagten am 20. Dezember 2001 veranlassten Blutprobe, die einen negativen Opiatbefund ergab, sowie das diesbezüglich negative Ergebnis der Blutuntersuchung anlässlich der Obduktion des Verstorbenen. Für sich alleine wären diese Ergebnisse aufgrund der schnellen Abbauzeit von Opiaten wenig aussagefähig, in Zusammenschau mit den übereinstimmenden Angaben der Vielzahl von Zeugen aus verschiedenen Lebensbereichen des Verstorbenen indes runden diese das Gesamtbild zur Überzeugung der Kammer ab, ebenso wie die Ausführungen der Sachverständigen Dr. S., langjährige Mitarbeiterin der Gesellschaft für rechtsmedizinische Untersuchungen der Universität Tübingen und der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als forensisch erfahren bekannt. Diese hat beim Verstorbenen die Obduktion durchgeführt und der Kammer anschaulich und nachvollziehbar geschildert, dass der über 80 kg schwere Körper des Verstorbenen in einem gesunden und guten Allgemeinzustand war. Auch solches deutet nicht auf eine langjährige, manifeste Opiatgewöhnung hin, die über kurz oder lang verzehrende Wirkungen beim Organismus hinterlässt.
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Frau Dr. S. hat der Kammer auch schlüssig und nachvollziehbar die Kenntnis der einschlägigen ärztlichen Richtlinien und Empfehlungen vermittelt, die im Sachverhalt genannt sind und die auch der Angeklagte zu kennen eingeräumt hat, so die Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen mit ihrer Anlage A: Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden oder auch die „Empfehlungen zur Qualitätssicherung bei der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger“ der Bayerischen Akademie für Suchtfragen oder der Bundesärztekammer, gegen die verstoßen zu haben der Angeklagte voll umfänglich einräumte.
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Die Kammer konnte sich indes nicht davon überzeugen, dass dem Angeklagten der Vorwurf der leichtfertigen Todesverursachung durch die Betäubungsmittelabgabe bei T. zu machen ist.
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Zwar hat die Sachverständige Dr. S. schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass T. unzweifelhaft an den Folgen einer Methadonintoxikation verstorben sei. Bei der Obduktion seien Blutstauungen in allen inneren Organen sowie ein Lungen- und Hirnödem vorgefunden worden, welches erfahrungsgemäß typische Befunde für einen Intoxikationstod nach Betäubungsmittelüberdosierung seien. Zudem seien andere, organische Ursachen für diese inneren Verletzungen vollständig auszuschließen, da T. im Übrigen körperlich vollständig gesund gewesen sei.
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Aufgrund dieser nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen, die sich die Kammer zu Eigen macht, geht auch sie davon aus, dass T. infolge einer Intoxikation verstorben ist. Indes konnte sie nicht feststellen, dass die Intoxikation dem Angeklagten zuzurechnen ist.
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Prof. Dr. W., Leiter der Gesellschaft für rechtsmedizinische Untersuchungen der Universität Tübingen, der als langjährig erfahrener Toxikologe weitere Ausführungen gemacht hat, hat nämlich für die Kammer weiter nachvollziehbar dargestellt, dass die in der Leiche festgestellte Methadonkonzentration von 880 ng/ml Vollblut sich als solche alleine nicht mit Sicherheit tödlich ausgewirkt habe, sondern hierfür lediglich ein hohe Wahrscheinlichkeit spreche. Zwar könne er nicht ausschließen, dass das Methadon alleine zum Tode geführt hätte, indes könne er hierzu keine zuverlässigen Angaben machen, da die Wirkung von Methadon bei nicht Opiatgewöhnten nicht bekannt sei, hierzu gebe es keinerlei Versuchsreihen oder Auswertungen. Die hierfür herangezogenen Werte ergäben sich in der Regel aus den ausgewerteten Befunden von verstorbenen Substituenten, die in aller Regel opiatgewöhnt seien. Regelmäßig werde auch nachträglich nicht ermittelt, ob ein Verstorbener möglicherweise nicht opiatabhängig war, so dass zuverlässige Anknüpfungstatsachen für die Feststellung der Sicherheit der tödlichen Wirkung der verabreichten Methadondosis fehlen. Indes sei eine Vielzahl von Todesfällen bei Substituenten beobachtet worden, die auch eine geringere Methadonkonzentration im Vollblut aufwiesen als der verstorbene T., weshalb er in jedem Falle davon ausgehe, dass die Überdosierung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch alleine letal gewirkt hat, indes vermochte er dies nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu bestätigen.
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Er könne nicht ausschließen, dass die ihrerseits noch im therapeutischen Bereich liegende Dosierung an Doxepin von 474 ng/ml Vollblut die atmungsdepressive Wirkung des Methadons noch verstärkt und beides zusammen aufgrund eines synergistischen Effekts die Intoxikation und den Tod hervorgerufen hat. Er hat für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass eine sicher tödliche Dosierung von Methadon erst bei ungefähr 1.200 ng/ml Vollblut erreicht sei, indes die vorgefundene Konzentration und damit auch die Dosierung von 2 mal 8 ml Methadon innerhalb von weniger als 24 Stunden angesichts der vorgefundenen Methadonkonzentration zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit, aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit letal gewirkt hat. Andererseits habe die vorgefundene Doxepinkonzentration für sich betrachtet ebenfalls nicht im letalen, sondern noch im therapeutischen Bereich gelegen. Es sei nicht auszuschließen, das erst die Kombination von beidem und die synergistische Wirkung des Doxepins in Kombination mit dem Methadon zum Intoxikationstod von T. geführt habe.
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IV. Damit hat sich der Angeklagte als Person über 21 Jahre der unerlaubten Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar gemacht.
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Der Angeklagte kannte sämtliche Umstände, die sein Handeln zu einem strafbaren Tun machen, insbesondere wusste er auch, dass die ihm eingeräumte Erlaubnis zur Verschreibung, Verabreichung und Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln gemäß § 13 BtMG nur dazu dient, solche im Rahmen einer ärztlichen Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit zu überlassen, wenn die Anwendung im menschlichen Körper begründet, also medizinisch indiziert ist.
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In welchen Fällen eine Substitutionsbehandlung die Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln indiziert, ist durch die dem Angeklagten ebenfalls bekannte Betäubungsmittelverschreibungsverordnung gesetzlich näher ausgestaltet.
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§ 5 BtMVV stellt klar, dass Substitution im Sinne der Verordnung die Anwendung eines ärztlich verschriebenen Betäubungsmittels bei einem opiatabhängigen Patienten darstellt.
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§ 5 Abs. 2 BtMVV ergänzt, dass der Arzt ein Substitutionsmittel unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 BtMG verschreiben darf, wenn er dazuhin weitere ärztliche Sorgfaltspflichten einhält, so zum Beispiel gemäß Nr. 2 der Vorschrift dafür Sorge trägt, dass in die Behandlung erforderliche psychiatrische, psychotherapeutische oder psychosoziale Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen einbezogen werden.
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Absatz 10 der Vorschrift sieht vor, dass der Arzt die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den vorstehenden Absätzen sowie nach § 5 Abs. 2 und 4 im erforderlichen Umfang und nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zu dokumentieren hat.
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Die Verbrauchsüberlassung war indes alleine schon deshalb unerlaubt, weil T. nach den Feststellungen der Kammer zum Zeitpunkt der Verbrauchsüberlassung nicht opiatabhängig im Sinne des Gesetzes war und der Angeklagte dies zumindest billigend in Kauf nahm.
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Auch das Fehlen einer Erlaubnis im Sinne des § 3 BtMG muss vom Vorsatz umfasst sein, da § 29 a BtMG ein Handeln „entgegen § 13 BtMG“ unter Strafe stellt.
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Die nach Auffassung der Kammer dieses Tatbestandsmerkmal begründenden Umstände waren dem Angeklagten bekannt (s. o. S. 9ff). Die fehlende Opiatabhängigkeit des Verstorbenen hat er zumindest billigend in Kauf genommen, ebenso war ihm bewusst, dass in diesem Falle die Methadonsubstitution unzulässig war und solche Fälle von seiner ärztlichen Erlaubnis nicht umfasst sind. Einen Irrtum hinsichtlich des letztgenannten Umstandes hat der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt für sich in Anspruch genommen.
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Nachdem nicht auszuschließen ist, dass erst die Kombination beider vom Angeklagten verschriebener Wirkstoffe, nämlich des Methadons und des Doxepins todesursächlich waren, waren zwar beide Handlungen jedenfalls mit ursächlich für den Tod des T. Indes konnte nicht sicher festgestellt werden, dass der Tod des T. auch bei einer Einnahme von nur 8 Tabletten Doxepin, wie vom Angeklagten verschrieben, zum Tode geführt hätte, da es auch insoweit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt. Zwar muss ein Arzt insbesondere bei unzuverlässigen rauschgiftabhängigen Patienten damit rechnen, dass diese sich über ärztliche Anordnungen hinweg setzen und Medikamente nicht entsprechend der Verschreibungsanordnung einnehmen. Indes hatte der Angeklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hier noch ausreichend Vorsorge dadurch getroffen, dass er die Tabletten verschrieb und der Mutter des Verstorbenen erklärte, dass sie die Tabletten verwahren solle und ihrem Sohn bei Bedarf bis zu zwei Tabletten täglich aushändigen solle. Dass diese sich über seine Anordnung hinwegsetzen werde und T. die gesamte Tablettenschachtel in seinem eigenen Zimmer verwahrte, konnte der Angeklagten nicht vorhersehen, weshalb der eingetretene Intoxikationstod dem Angeklagten zumindest nicht zugerechnet werden kann.
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V. Die Kammer hat der Strafzumessung den Normalstrafrahmen des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG zugrunde gelegt. Für die Anwendung des Strafrahmens des minder schweren Falles gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG bestand keine Veranlassung.
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Die diesbezüglich vorzunehmende Gesamtabwägung von Tat und Täterpersönlichkeit hat zu folgendem Ergebnis geführt:
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Für den Angeklagten sprach, dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und dass er das objektive Tatgeschehen weitgehend eingeräumt hat. Auch verkennt die Kammer nicht, dass den heute 59-jährigen Angeklagten eine mögliche Strafe - ungeachtet der Höhe - deshalb hart trifft, weil er als Arzt auch um den Verlust seiner Approbation fürchten muss und deshalb auch seine wirtschaftliche Zukunft auf dem Spiel steht. Dies wäre auch deshalb eine starke Beeinträchtigung, weil der Angeklagte zumindest noch das jüngste, heute 18 Jahre alte Kind, in seinem Haushalt versorgt.
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Andererseits überwogen die strafschärfenden Elemente: Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte zwei mal 8 ml Methadon überließ, eine Dosis, die von sämtlichen ärztlichen und sonstigen Verbänden, die Richtlinien zur Methadonsubstitution erstellt haben, als drastisch überdosiert und nach den Ausführungen des Sachverständigen mit hoher Wahrscheinlichkeit letal wirken. Dies bringt eine gesteigerte Sorglosigkeit des Angeklagten im Umgang mit einem Betäubungsmittel zum Ausdruck. Auch haben die weiteren Verstöße, die die Kammer dargestellt hat, wie eine absolut unzulängliche Dokumentation, die fehlende Überwachung des Verstorbenen nach dem Methadonkonsum sowie das Fehlen jeglicher psychotherapeutischer Behandlungsansätze und nicht zuletzt die Äußerung des Angeklagten, dass er diese Behandlungsrichtlinien kennt und regelmäßig ignoriert, dazu geführt, dass das Verhalten des Angeklagten als in nicht mehr nachvollziehbarem Maße besonders sorglos und nachlässig betrachtet werden muss.
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Nachdem auch vertypte Milderungsgründe nicht vorliegen, kam ein Absehen vom Normalstrafrahmen nicht in Betracht.
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Bei der konkreten Strafzumessung hat die Kammer die bereits genannten Umstände, die für die Frage des Absehens vom Normalstrafrahmen berücksichtigt wurden, nochmals strafmildernd und -schärfend abgewogen. Hierbei fiel die Tatsache, dass der Angeklagte skrupellos eine Dosis von zweimal 8 ml Methadon zum Verbrauch überlassen hat, besonders strafschärfend ins Gewicht, da dies eine nicht nachvollziehbare Nachlässigkeit darstellt, die auch eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem Gesundheitsinteresse seiner Patienten zum Ausdruck bringt, dem er sein Interesse an einem geordneten und lukrativen Praxisablauf vorzieht, indem er nach eigenen Worten lieber einmal eine höhere Dosis als empfohlen überlässt, damit die nur eingeschränkt in der Praxis gewünschte Klientel der Opiatabhängigen sich nicht mehrmals täglich in seinem Wartezimmer einfindet und andere, nicht abhängige Patienten möglicherweise von weiteren Besuchen seiner Praxis abschreckt.
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Bei der Bemessung der zu findenden Freiheitsstrafe hat die Kammer indes besonders strafmildernd das fortgeschrittene Lebensalter des Angeklagten berücksichtigt, der im Falle einer Verbüßung von Frau und Kindern getrennt wäre und der nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund möglicher Maßnahmen der Aufsichtsbehörde um berufliche Auswirkungen bis hin zum Verlust seiner wirtschaftlichen Existenz fürchten muss. Zwar ist solches nicht absehbar, indes beeinträchtigt den Angeklagten alleine die längere Zeit andauernde Befürchtung einer solchen Folge.
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Unter Berücksichtigung der genannten, für und wider den Angeklagten sprechenden Tatumstände hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren für tat- und schuldangemessen.
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Die Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da besondere Umstände in der Person des Angeklagten dies rechtfertigen. Der Angeklagte hat sich des Verbrechens nicht als Drogenhändler strafbar gemacht, der aus der Rauschgiftabhängigkeit und der möglichen Gesundheitsgefährdung seiner Kunden Kapital zieht, vielmehr hat er sich des Verbrechens als Arzt schuldig gemacht, der grundsätzlich durch eine Substitutionstherapie zu helfen beabsichtigt. Zudem war zu berücksichtigten, dass der Angeklagte nunmehr mit 59 Jahren in fortgeschrittenem Alter ist und sich bislang straffrei geführt hat.
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Hinzu kommt ein Weiteres: Um die Erwartung, dass alleine die Verhängung einer durchaus empfindlichen Freiheitsstrafe ohne ihre Verbüßung geeignet ist, den Angeklagten zu einem Überdenken seines Tuns zu veranlassen und von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, nachhaltig zu sichern, hat die Kammer auch ein eingeschränktes Berufsverbot gemäß § 70 Abs. 1 StGB angeordnet, soweit es den Berufszweig der Substitutionstherapie betrifft.
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Dies war deshalb erforderlich, weil der Angeklagte zwar sein Fehlverhalten hinsichtlich verschiedener Verstöße als auch die deutlich zu hohe Dosierung eingeräumt hat, ein gravierendes Versagen in seinem Tun aber nicht erkennen wollte. Vielmehr gab er an, dass ein vorschriftsmäßiges Handeln in einer Landpraxis schlicht nicht möglich sei und das Einhalten der ärztlichen Richtlinien der Standesverbände und auch der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung den Universitätskliniken vorbehalten bleiben müsse, die Personal und Zeit hätten um sich an diese zu halten. Diese Haltung des Angeklagten lässt die Kammer befürchten, dass er bei einer Fortführung der Substitutionstherapie trotz des durchgeführten Hauptverfahrens weiterhin in nicht hinnehmbarem Maße oberflächlich und ungenau verfahren wird, so dass weitere Taten der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln aufgrund mangelnder Opiatabhängigkeit oder auch nur aufgrund der Vielfalt der aufgeführten Verstöße zu befürchten stehen. Aufgrund dieser Haltung des Angeklagten schien auch das zeitige Höchstmaß von fünf Jahren erforderlich, um die Sicherung der Allgemeinheit vor seinem verantwortungslosen Tun in der Substitutionstherapie zu sichern.
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Die Kammer verkennt nicht, dass der Angeklagte freiwillig erklärt hat, keine neuen Substitutionspatienten mehr aufzunehmen. Aufgrund des in der Hauptverhandlung festgestellten Mangels an Verlässlichkeit konnte indes nur das von der Kammer angeordnete eingeschränkte Berufsverbot die erforderliche Sicherheit schaffen, dass weitere einschlägige Gesetzesverstöße vom Angeklagten nicht zu befürchten sind und auch nur deshalb kam überhaupt eine Strafaussetzung in Betracht.
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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO. Nachdem eine Verurteilung wegen eines Nebenklagedelikts des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG nicht erfolgt ist, waren die Kosten der Nebenklage dem Angeklagten nicht aufzuerlegen.
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