Urteil vom Landgericht Hechingen - 2 O 285/02

Tenor

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.000,- EUR zuzüglich Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszins seit 18.7.2002 zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, sowie sämtlichen schon entstandenen und künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch das Schadensereignis vom 25.2.1994 in der Kreisklinik H noch entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

c) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streithelfer trägt die Kosten der Streithilfe.

d) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 53.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Klagantrag Ziffer 1: 40.000,- EUR,

Klagantrag Ziffer 2: 10.000,- EUR

Tatbestand

 
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Fehlbehandlung einer Schulterdystokie geltend, die bei ihrer Geburt am 25.2.1994 aufgetreten ist.
Der Beklagte ist niedergelassener Frauenarzt und Belegarzt der vom Streithelfer betriebenen Kreisklinik H.
Die Klägerin ist das dritte Kind ihrer 1963 geborenen Mutter M.S. Ihre beiden 1982 und 1987 geborenen älteren Geschwister waren mit einem Geburtsgewicht von 4000 bzw. 4050 g komplikationslos und spontan zur Welt gekommen. Die Schwangerschaft mit der Klägerin war vom Beklagten betreut worden und verlief ebenfalls komplikationslos. Als Geburtstermin war der 27.2.1994 errechnet.
Am 25.2.1994 wurde die Mutter der Klägerin um 15.30 Uhr in der Kreisklinik H stationär aufgenommen. Ein externes CTG zeigte Wehen alle vier Minuten an. Die vaginale Untersuchung durch die Hebamme, die Zeugin K., um 16.10 Uhr ergab eine Eröffnung des Muttermundes auf 4 cm. Die Fruchtblase war noch nicht eröffnet. Der Kopf des Kindes war im Bereich des Beckeneingangs ("- 3"). Nach dieser Untersuchung konnte die Mutter spazieren gehen. Der Beklagte wurde informiert.
Um 18.45 Uhr erfolgte eine weitere vaginale Untersuchung durch die Zeugin K. Der Muttermund hatte sich nun auf 6 cm eröffnet. Es wurde ein internes CTG angelegt, wobei es zum Blasensprung kam und klares Fruchtwasser abging. Ferner wurde eine Braunüle in die Vene eingebracht und eine Infusion mit dem Wehenhormon Oxytocin ("Syntho") eingeleitet.
Als sich kurz danach eine Verlangsamung des kindlichen Herzschlags anzeigte, wurde die Infusion kurz unterbrochen und nach Erholung der Herztöne etwa um 19.06 Uhr wieder aufgenommen. Ab 19.24 Uhr kam es zu drei Presswehen die um 19.29 Uhr zur Kopfgeburt führten.
In einem vom Beklagten noch am 25.2.1994 diktierten Beiblatt zum Geburtsbericht wird folgender Ablauf vermerkt:
... nach rascher unauffälliger Eröffnungsphase wird der Kopf des Neugeborenen aus SL mit 3 Presswehen geboren. Dann Eintritt einer schweren Schulterdystokie → Schulter im Geburtskanal verkeilt. Vagina und Weichteile ausreichend weit. Unter wechselnden Traktionen (Fr. W, Sr. H, Dr. H) gelingt es nicht, den Körper zu entwickeln.
(Tel. Konsil Prof. B)
10 
Sofortige Verständigung Dr. Z/Anästhesie und Kinderarzt Dr. A.
11 
In Maskennarkose gelingt es dann schließlich, die Axilla mit 1 Finger zu fassen und den Körper zu extrahieren. (19.40) ca. 4-5 '.
12 
Das schlaffe neugeborene Mädchen (5.200 g, 57 cm, KU 37 cm) wird in der Reha-Einheit rasch und erfolgreich reanimiert (Dr. Z). Anforderung des Verlegungsdienstes KiKl Tü, Dr. G. - Intubation und Legen einer Infusion, 3 ml Natriumcarbonat iv (Dr. Z, Dr. A, Frau Dr. B, Hr. P) Nach weiterer Versorgung durch Frau Dr. G/Tü Verlegung des Kindes mit Kindernotarztwagen in die KiKl Tü Apgar 1 min 0, 2 min 3, 5 min 7, 10 min 8 (unauffällige Nachgeburtsperiode, kl. Dammriss mit EK versorgt.) ..."
13 
Im Geburtsbericht ist vermerkt, dass der Mutter der Klägerin eine Maskennarkose verabreicht wurde. Das Anästhesieprotokoll ist aber in der Klinik nicht mehr auffindbar.
14 
Als Folge der Geburtskomplikation erlitt die Klägerin eine geburtstraumatische linksseitige Armplexusparese, ein Horner-Syndrom mit Lidspaltendifferenz, Pupillendifferenz und Ptosis (herabhängendes Oberlid). Eine klinisch-neurologische Untersuchung im O-Hospital, Stuttgart, vom 24.5.1995 ergab einen fehlenden linksseitigen Patellar- und Bizepssehnenreflex, einen Schulterschiefstand, sowie eine Atrophie der linken Schulter-, Arm- und Handmuskulatur mäßigen Ausmaßes im Bereich des Oberarms, deutlicher im Bereich des Unterarms und damit einhergehend eine nach distal abnehmende Innervation der Muskulatur, ferner klinisch einen vermehrten Beugetonus der Hand mit kaum aktiver Streckfunktion.
15 
Eine Untersuchung in der Universitätskinderklinik T. vom 11.7.2003 bestätigt diesen Befund (vgl. Bl. 105-107 d.A.). Es wurde ein vermindertes Wachstum des gesamten linken Armes und der Hand mit deutlichen Kontrakturen in allen Gelenken und eingeschränkter aktiver Motorik festgestellt. Dadurch ist die Hand nur sehr gering und als Hilfshand einsetzbar. Die Klägerin kommt zwar in Alltagstätigkeiten (z.B. an- und ausziehen) sehr gut zurecht, hat aber Einschränkungen u.a. beim Sport und Fahrradfahren. Folgeprobleme an der Wirbelsäule liegen noch nicht vor. Sie ist jedoch auf ständige Krankengymnastik angewiesen.
16 
Die Eltern der Klägerin wandten sich im Jahr 1999 an die Gutachterkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg, als sie feststellten, dass die ihnen angeratenen krankengymnastischen Behandlungen, die die Klägerin seit der Geburt erhalten hatte, zu keiner Besserung am linken Arm geführt hatten. Gegenüber der Gutachterkommission gab der Beklagte zum Geburtsverlauf an, nach Entwicklung des Kopfes sei eine schwere Schulterdystokie mit Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse eingetreten. Es sei weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen, den Körper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug war. Erst in Kurznarkose der Mutter sei ihm die Extraktion "unter großer Mühe" gelungen.
17 
Auf Anforderung der Kommission verfertigte der Beklagte gemeinsam mit den beiden Hebammen, den Zeuginnen K. und W am 12.3.2000 eine weitere schriftliche Schilderung des Geburtsverlaufs (Bl. 54/55 d.A.), u.a. mit folgenden Konkretisierungen:
18 
..."Es handelte sich um einen hohen Schultergeradstand. Zuerst wurde versucht, die Schulter durch Überdrehen des Kopfes bei gleichzeitigem Anziehen der Oberschenkel freizubekommen. Verständigung des Anästhesisten... und des Pädiaters... Masken-Narkose Beginn ca. 19.35 Uhr. Manuell wird die Schulterpartie hochgeschoben und in den schrägen Durchmesser gedrückt. Durch die vollständige Entspannung der Patientin gelingt es so, die Schulter freizubekommen und die Axilla zu fassen. Danach normale Entwicklung des Körpers unter zusätzlichem Kristellern von oben. Kind geboren um 19.40 Uhr ..."
19 
Die Gutachterkommission kam daraufhin in ihrem Gutachten vom 13.11.2001 (K 3 zu Bl. 12 d.A.) zu dem Ergebnis, es sei zu beanstanden, dass das ursprüngliche Geburtsprotokoll unzureichend erstellt wurde. Insbesondere hätte dokumentiert werden müssen, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder einen tiefen Querstand gehandelt habe, ferner fehlten die Abfolge der durchgeführten Manöver und einzelnen Schritte zur Behebung der Dystokie sowie die entsprechenden Zeiten. Die vom Beklagten nachgereichte Dokumentation sei nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt erstellt worden. Mangels weiterer Erkenntnismöglichkeiten könne seine Einlassung aber nicht widerlegt werden, sodass eine Feststellung, der Geburtsschaden sei durch fehlerhafte, verzögerte oder unterlassene Maßnahmen verursacht worden, nicht getroffen werden könne.
20 
Die Klägerin ist der Auffassung, wegen der unzureichenden Dokumentation obliege dem Beklagten der Beweis, dass die Schulterentwicklung nach der Dystokie medizinisch ordnungsgemäß erfolgt sei und der eingetretene Geburtsschaden nicht auf ein ärztliches Fehlverhalten zurückzuführen sei. Diesen Beweis könne er nicht erbringen. Aufgrund der spärlichen Dokumentation sei nicht feststellbar, wie lange der Depressionszustand, dem sie während der Geburt ausgesetzt gewesen sei, angedauert habe und sei nicht auszuschließen, dass die schwere Asphyxie durch fehlerhafte Maßnahmen verursacht oder verspätet diagnostiziert und behandelt wurde. Auch spreche die Dokumentation dafür, dass der Anästhesist verspätet hinzugezogen worden sei. Schließlich sei ihre Mutter nicht über die bestehende und sich hier aufdrängende Behandlungsalternative einer Schnittentbindung aufgeklärt worden.
21 
Da somit von einem schuldhaften Behandlungsfehler des Beklagten auszugehen sei, habe sie Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 20.000,- EUR. Nachdem das OLG Stuttgart (VersR 1999,582 und Bl. 143 ff. d.A.) in einem vergleichbaren Fall ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen habe, müsste jedoch ein angemessenes Schmerzensgeld deutlich über dem geforderten Mindestbetrag liegen. Sie müsse ihr Leben lang mit den Einschränkungen am linken Arm leben, die sich sowohl in ihrem privaten Lebensbereich als auch bei ihrem beruflichen Fortkommen durch eine Einschränkung in der Berufswahl und der Erwerbsfähigkeit auswirken würden. Das Hornersyndrom führe zu einer dauernden Entstellung des Gesichts.
22 
Da nach Art der vorliegenden Gesundheitsschäden auch mit weiteren künftigen materiellen und immateriellen Schadensfolgen zu rechnen sei, sei ihr Feststellungsbegehren gerechtfertigt. Dies gelte auch für bereits eingetretene Schadensfolgen, da die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei.
23 
Die Klägerin hat dem Landkreis als Träger der Kreisklinik H den Streit verkündet, da nicht auszuschließen sei, dass ihr Gesundheitsschaden auch durch Einrichtung, Organisation oder Personal der Klinik verursacht worden sein könnte.
24 
Die Klägerin beantragt:
25 
1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 20.000,- EUR zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 18.7.2002 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
26 
2.) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, sowie sämtlichen schon entstandenen und künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch das Schadensereignis vom 25.2.1994 in der Kreisklinik H noch entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
27 
Der Beklagte und der Streithelfer beantragen, die Klage abzuweisen.
28 
Der Beklagte bestreitet, dass bei der Geburt der Klägerin Fehler unterlaufen seien, die zu den von der Klägerin erlittenen Schäden geführt haben.
29 
Für eine Schnittentbindung habe keine Veranlassung bestanden, nachdem die Mutter der Klägerin bereits zwei Kinder mit einem Gewicht von 4.000 und 4.050 g geboren hatte und der Geburtsvorgang mit einer unauffälligen Eröffnungsphase mit der Geburt des Kopfes begonnen gehabt habe und erst dann durch die stecken gebliebene Schulter überraschend zum Stillstand gekommen sei.
30 
Es habe sich um einen hohen Schultergeradstand gehandelt. Es sei weder ihm noch den beiden erfahrenen Hebammen gelungen, den Körper der Klägerin zu extrahieren. Er habe versucht, die Schulter durch Überdrehen des Kopfes bei gleichzeitigem Anziehen der Oberschenkel der Mutter freizubekommen ("Mc Roberts Manöver"). Als dies nicht gelungen sei, habe er sofort den diensthabenden Anästhesisten und den Kinderarzt hinzugezogen, die unverzüglich gekommen seien. Insbesondere der Anästhesist habe bereits um 19.35 Uhr mit der Maskennarkose begonnen. Durch die dadurch bewirkte vollständige Entspannung der Mutter sei es ihm gelungen, die Schulterpartie der Klägerin freizubekommen und die Axilla zu fassen ("Woods Methode"). Unter zusätzlichem Druck oberhalb des Schambeins ("Kristellern") sei die Klägerin dann um 19.40 Uhr geboren worden.
31 
Sofort danach sei die schwer asphyktische Klägerin vom Anästhesisten und vom Kinderarzt reanimiert und in die Betreuung durch den Kindernotdienst der Universitätskinderklinik T. übergeben worden.
32 
Zwar sei in der Dokumentation der Geburtsverlauf nicht in allen Einzelheiten festgehalten worden. Der zeitliche Ablauf und die wesentlichen Maßnahmen seien aber ersichtlich. Aus der Art der Darstellung in dem unmittelbar nach der Geburt von ihm geschriebenen Beiblatt sei erkennbar, dass es sich um einen hohen Schultergeradstand gehandelt habe. Bei einem tiefen Schulterquerstand wären eher mütterliche Verletzungen zu erwarten gewesen. Im Übrigen seien aber auch seine präzisierenden Angaben gegenüber der Gutachterkommission, insbesondere die Durchführung des Mc Roberts Manövers, zutreffend.
33 
Eine Feststellungsklage sei i.ü. nur bezüglich künftig zu erwartender Schäden der Klägerin zulässig.
34 
Der Streithelfer schließt sich dem Vortrag des Beklagten an und verweist darauf, dass die beiden Hebammen auf Weisung des Beklagten tätig geworden seien. Organisatorische Mängel der Klinik seien nicht ersichtlich. Der Anästhesist sei im Haus gewesen und unverzüglich erschienen, nachdem er vom Beklagten angefordert worden war.
35 
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat die Behandlungsunterlagen des Beklagten im Original beigezogen (s. Hülle Bl. 45 d.A.). In der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2002 wurden die Zeugen Dr. med. Z, W und H K. vernommen. Wegen ihrer Aussagen wird auf das Protokoll Bl. 71 ff. d.A. verwiesen. Sodann wurde durch Beweisbeschluss vom 29.11.2002 (Bl. 79-81 d.A.) ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. Kr. von der Universitätsfrauenklinik U. eingeholt (Bl. 109 ff. d.A.) und der Sachverständige nach schriftlichen Ergänzungen vom 30.8.2003 (Bl. 134a) und 5.3.2004 (Bl. 162 ff.) in der mündlichen Verhandlung vom 23.7.2004 persönlich gehört (vgl. Protokoll Bl. 204 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

 
I.)
36 
Die Klage ist zulässig. Dies gilt hinsichtlich des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) insbesondere auch für den Feststellungsantrag Ziffer 2 soweit er sich auch auf den bisher entstandenen materiellen Schaden bezieht. Die Klägerin ist wegen ihrer Beeinträchtigungen weiterhin in ärztlicher und krankengymnastischer Behandlung. Die Schadensentwicklung ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Es ist anerkannt, dass unter diesen Voraussetzungen eine insgesamt erhobene Feststellungsklage zulässig ist (Zöller-Greger, 24. Aufl., Rn 7a zu § 256 ZPO mwN.).
II.)
37 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte haftet der Klägerin für die bei ihr beim Geburtsvorgang eingetretene Armplexuslähmung und das Hornersyndrom gem. §§ 823, 847 BGB aF. i.V.m. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB.
38 
Es ist zwar nicht positiv feststellbar, dass dem Beklagten bei der geburtlichen Entwicklung der Klägerin Fehler unterlaufen sind. Wegen der mangelhaften Dokumentation obliegt es aber dem Beklagten nachzuweisen, dass sein Vorgehen kunstgerecht und unverschuldet oder jedenfalls nicht kausal war. Diesen Nachweis kann er nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbringen.
39 
1.) Aus den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. Kr. ergibt sich im Einklang mit den Anforderungen an die Dokumentation einer Schulterdystokie, die in der Medizin und ihr folgend in der Rechtsprechung gestellt werden (vgl. OLG Stuttgart VersR 1999, 582 mwN., OLG Düsseldorf VersR 2003, 114, LG Rottweil, Urteil vom 27.11.2003, Az.: 2 O 537/01, jeweils für Vorfälle aus dem Jahr 1994 und früher), dass zunächst festgehalten werden muss, um welche Art der Schulterdystokie es sich handelt (hoher Schultergeradstand/tiefer Schulterquerstand) und dass sodann die ergriffenen Maßnahmen chronologisch unter Angabe der Uhrzeiten der relevanten Maßnahmen und unter Nennung der hieran beteiligten Personen zu schildern sind.
40 
Für das Vorgehen nach der Diagnose einer Schulterdystokie in Gestalt eines hohen Schultergeradstandes ist ferner als Ablaufschema anerkannt und vom Sachverständigen dargelegt, dass zunächst ein angelegter Wehentropf abgestellt werden muss, um zu verhindern, dass die an der Symphyse verkeilte Schulter des Kindes durch weitere Wehentätigkeit weiterer Druckbelastung ausgesetzt wird. Stattdessen ist eine medikamentöse Wehenhemmung zu verabreichen. Aus demselben Grund ist ein kräftiger Zug am kindlichen Kopf ebenso zu vermeiden, wie Druckmaßnahmen auf den Fundus ("sog. Kristellern"). Sodann ist mit äußeren Handgriffen zu versuchen, die Dystokie zu lösen. Dazu kommen in Betracht, das sog. Mc-Roberts Manöver, bei dem durch Überstrecken und anschließendes maximales Beugen der mütterlichen Beine im Hüftgelenk versucht wird, die kindliche Schulter von der Symphyse zu lösen. Sodann kann durch Druck oberhalb der Symphyse versucht werden, die Schulter in das Becken hineinzudrücken. Ferner kann man versuchen, das Köpfchen äußerlich zu überdrehen, um die Drehbewegung auf den Körper zu übertragen (Martius-Methode).
41 
Spätestens wenn diese äußeren Handgriffe versagen, müssen innere Manöver folgen, für die in der Regel ein Dammschnitt gelegt werden muss, um den Eingang zu erleichtern. Außerdem ist ein Anästhesist und ein Pädiater hinzuziehen. Mit dem sog. Manöver nach Woods versucht der Gynäkologe, mit der Hand die vordere Schulter des Kindes zu lösen, was sowohl von der Brust wie von der Rückenseite her geschehen kann. Gelingt dies nicht, muss versucht werden, den in der Sakralhöhle liegenden hinteren Arm zu lösen, wobei sich das Risiko für kindliche Oberarm- und Schlüsselbeinfrakturen deutlich erhöht.
42 
(Weitere nächste Schritte, wie das Zurückschieben des Kindes und Durchführung einer Schnittentbindung oder ein Durchtrennen der Schambeinfuge, sind für den vorliegenden Fall irrelevant.)
43 
Der Sachverständige weist zwar darauf hin, dass sich bisher keines dieser Manöver und deren Abfolge als überlegen gezeigt habe, dass aber das geschilderte Vorgehen logisch ist und insbesondere versucht, mit möglichst wenig invasiven Maßnahmen zum Ziel zu gelangen. Dies hat Eingang gefunden in die Empfehlungen zur Schulterdystokie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe aus dem Jahr 2000, war aber auch schon wesentlich früher Standard, wie etwa die oben zitierten Entscheidungen der OLG Stuttgart und Düsseldorf zeigen.
44 
2.) Bezogen auf diese Maßnahmen enthält das Geburtsprotokoll in Verbindung mit dem vom Beklagten nach der Geburt diktierten "Beiblatt" keine Hinweise auf die Art der Schulterdystokie. Die "wechselnden Traktionen" sind nicht näher definiert. Weitere äußere Manöver (z.B. Mc-Roberts) werden nicht genannt. Auch das innere Manöver ist nicht im Sinne der oben genannten verschiedenen Möglichkeiten näher beschrieben.
45 
Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, ob das Vorgehen des Beklagten sachgerecht war. Darauf hat schon die Gutachterkommission in ihrem Gutachten vom 13.11.2001 hingewiesen und kam zu dem Ergebnis, ein Behandlungsfehler des Beklagten könne "nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden".
46 
3.) Im Zivilprozess stellt sich diese Frage aber aus Beweislastgründen anders. Da die Dokumentation, die zeitnah in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung zu erfolgen hat und nicht beliebig nachholbar ist (Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 2. Aufl., § 59 Rn 12), hier erhebliche Lücken aufweist, wird der Klägerin der Nachweis eines fehlerhaften Verhaltens unbillig erschwert. Ihr ist deshalb zumindest eine Beweiserleichterung zuzubilligen, die dazu führt, dass ein Behandlungsfehler als erwiesen gilt, wenn dieser ernsthaft in Betracht kommt (OLG Saarbrücken VersR 1988, 916 mwN., OLG Köln VersR 1994, 1424). Im Übrigen wird vermutet, dass eine dokumentationspflichtige aber nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht getroffen worden ist (BGH NJW 1988,2949). Der Dokumentationsmangel ist sodann auch für den Nachweis des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, wenn der aufgrund der unterlassenen oder fehlerhaften Dokumentation indizierte Behandlungsfehler als "grob" anzusehen wäre (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, Seite 268 mwN.).
47 
a) Nach diesen Grundsätzen kann ein Behandlungsfehler des Beschuldigten nicht ausgeschlossen werden.
48 
Es ergibt sich aus den zahlreichen in der Rechtsprechung ausgeurteilten Sachverhalten und wird auch vom Sachverständigen bestätigt, dass bei einer Schulterdystokie z.B. ein kräftiges Ziehen am Kopf des Kindes oder Druck auf den Fundus vermieden werden muss und dass überstürzte Extraktionsversuche häufig zu einer Armplexuslähmung führen. Damit kommt angesichts der Verletzung der Klägerin ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten oder der unter seiner Aufsicht tätigen Hebammen in Betracht.
49 
aa) Insbesondere ist unklar, in welcher Weise die im Beiblatt zum Geburtsbericht beschriebenen "wechselnden Traktionen" stattgefunden haben. Der Sachverständige hat dargelegt, dass es regelgerecht ist, wenn nach der Geburt des Kopfes zunächst einmal die Hebamme feststellt, dass die Geburt nicht weitergeht. Wieso dann aber - entsprechend dem Protokoll - noch die zweite Hebamme vor dem Beklagten an den Traktionen beteiligt war, konnte der Sachverständige nicht erklären. Zwar wird in den genannten Leitlinien (vgl. K 4) ebenfalls der Begriff "Traktion" verwendet, aber ausdrücklich von "vorsichtiger" Traktion gesprochen, wie dies auch der Sachverständige erläutert hat. Ob diese Bedingung gewahrt wurde, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sich alle drei Beteiligten bei den Traktionen versucht haben, kann auch ein Hinweis darauf sein, dass forciert versucht wurde, auf diesem Wege zum Erfolg zu gelangen und dabei die Traktionen nicht vorsichtig genug durchgeführt wurden, zumal hier die Übergänge nach den einleuchtenden Darlegungen des Sachverständigen fließend sind.
50 
bb) Ferner ist nicht ersichtlich und kann auch vom Beklagten nicht behauptet werden, dass alsbald nach Feststellung der Dystokie der Wehentropf abgeschaltet wurde. In dem vorgelegten CTG ist vermerkt, dass die Infusion nach 19.00 Uhr wegen einer Verlangsamung des kindlichen Herzschlags kurzfristig abgestellt, dann aber wieder in Gang gesetzt wurde, ohne dass eine Beendigung dokumentiert wäre. Wehenhemmende Mittel sind offenbar nicht verabreicht worden. Der Sachverständige wies zwar darauf hin, dass man angesichts des raschen weiteren Geburtsverlaufs nicht angeben kann, ob das Belassen des Tropfes in dieser Phase überhaupt noch eine Wehe ausgelöst hat. Aussagen dazu sind aber nicht möglich, sodass sich auch keine Erkenntnisse zugunsten des Beklagten ableiten lassen.
51 
cc) Dass vor dem invasiven Vorgehen das Mc-Roberts-Manöver versucht wurde, ist nicht dokumentiert, sodass zunächst davon auszugehen ist, dass dies nicht der Fall war.
52 
3.) Unter diesen Umständen wäre es Sache des Beklagten, nachzuweisen, dass die Geburtsschädigung der Klägerin trotz sachgerechten Vorgehens eingetreten ist. Diese Überzeugung konnte er der Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit vermitteln.
53 
a) Der Beklagte hat sich erstmals im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin im Jahr 1999 in Gang gesetzten Verfahren vor der Gutachterkommission zu den Vorgängen bei der Geburt geäußert.
54 
In seiner ersten Stellungnahme gab er zwar nunmehr an, es sei eine "Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse" eingetreten, was für einen "hohen Schultergeradstand" spricht, schilderte aber trotz Kenntnis, dass gegen ihn Vorwürfe erhoben worden waren, das weitere Vorgehen nur pauschal dahin, dass es weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen sei, den Körper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug gewesen sei. Erst mit Hilfe der Kurznarkose sei ihm unter großer Mühe die Extraktion des Kindes gelungen. Diese Extraktion habe so rasch wie möglich erfolgen müssen, um cerebrale Schäden oder gar den Tod des Kindes zu verhindern.
55 
b) Zu einer detaillierteren Schilderung des Beklagten kam es erst mit seinem Schreiben an die Gutachterkommission vom 12.3.2000, nachdem er in einem Gespräch mit den beiden Hebammen anhand der Krankenunterlagen versucht hatte, das damalige Geschehen zu rekonstruieren.
56 
Hier wird erstmals ein Vorgehen entsprechend dem Mc-Roberts-Manöver geschildert und - nachdem dieses nicht zum Erfolg führte - das unter der inzwischen verabreichten Narkose erfolgte manuelle Hochschieben der Schulterpartie, durch das es gelungen sei, diese in den schrägen Durchmesser zu drücken, die Schulter frei zu bekommen und die Axilla des Kindes zu fassen.
57 
Dementsprechend haben dann beide Hebammen am 15.11.2002 als Zeugen vor der Kammer angegeben, es seien die Manöver nach Mc-Roberts durchgeführt worden.
58 
Die Zeugin W ergänzte, dass, als dies erfolglos war, nach der Woods-Methode vorgegangen worden sei. Sie bezog ihre Sicherheit hinsichtlich dieser Tatsachen jedoch daraus, dass es sich bei diesen Maßnahmen um das "standardmäßige Vorgehen" handle. Die dokumentierten "Traktionen" beschrieb die Zeugin als "Ziehen am Kopf des Kindes".
59 
Die Zeugin K. räumte ein, dass sie sich nicht mehr in allen Einzelheiten an den Geburtsvorgang erinnere, die Ausführungen im Schreiben vom 12.3.2000 beruhten jedoch auf ihren "präsenten Erinnerungen".
60 
Unter diesen Umständen bleiben bei der Kammer erhebliche Zweifel, wie weit die sechs Jahre nach dem Geschehen in einer "Gemeinschaftsarbeit" zwischen dem Beklagten und den beiden Hebammen verfasste Darstellung zuverlässig ist, auch wenn damit keineswegs unterstellt werden soll, die Schilderung sei wissentlich geschönt worden. Diesen Angaben kann nach so langer Zeit kein entscheidender Beweiswert beigemessen werden (OLG Stuttgart aaO.).
61 
c) Auch mit Hilfe des Sachverständigen konnte keine ausreichende Aufklärung der Vorgänge mehr erfolgen.
62 
Nach seiner Darstellung ergibt sich zwar aus den Gesamtumständen, dass es sich entsprechend der Darstellung des Beklagten um einen sog. hohen Schultergeradstand gehandelt hat, sodass das gebotene weitere schulmäßige Vorgehen bestimmbar ist. Auch der zeitliche Ablauf lässt sich mit Hilfe der sich aus dem CTG ergebenden Uhrzeiten und den Angaben des Beklagten im Krankenblatt, wonach es ca. 4 bis 5 Minuten gedauert hat, bis ihm die vollständige Geburt des Kindes um 19.40 Uhr gelungen war, hinlänglich genau eingrenzen. Der Sachverständige kommt damit zu dem Ergebnis, dass das zeitliche Geburtsmanagement, insbesondere auch die Hinzuziehung des Anästhesisten und die Verabreichung der Narkose ohne ersichtliche Zeitverzögerung erfolgte. Auch die Tatsache, dass die Klägerin sich nach der Geburt schnell erholte (Apgar nach 5 Minuten> 5) und keine cerebralen Schäden davongetragen hat, spricht für das rasche Vorgehen. Der Verzicht auf einen Dammschnitt war im konkreten Fall vertretbar, nachdem festgestellt worden war, dass Vagina und Weichteile ausreichend weit waren und der innere Eingriff möglich war und nur zu einem leichten Dammriss geführt hat.
63 
Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass davon auszugehen ist, dass der Wehentropf nicht abgestellt wurde, dass unklar ist, welche Manipulationen der Beklagte und die Hebammen bei den vermerkten "wechselnden Traktionen" vorgenommen haben, dass zweifelhaft bleibt, ob das externe Manöver nach Mc-Roberts versucht wurde und wie der Beklagte vorgegangen ist, um - wie im Beiblatt zum Geburtsprotokoll vermerkt - die Axilla zu fassen zu bekommen. Vielmehr lässt dies die ernsthafte Möglichkeit offen, dass angesichts der hoch dramatischen und in der Praxis eher selten vorkommenden Situation der Schulterdystokie in einzelnen Phasen doch zu hastig, überstürzt oder sonst wie fehlerhaft vorgegangen und dadurch der Geburtsschaden ausgelöst wurde.
64 
d) Auf Grund dieser spärlichen Dokumentation sind entscheidende Punkte des Geburtsmanagements auch nicht wenigstens in groben Zügen nachvollziehbar, sodass unterstellt werden muss, dass das Vorgehen in erheblichem Ausmaß hinter den elementaren Behandlungsregeln zurückgeblieben ist. Unter diesen Umständen lässt die Beweisbehinderung der Klägerin es als billig erscheinen, ihr auch im Hinblick auf die Frage der Kausalität Beweiserleichterungen zugute kommen zu lassen (OLG Stuttgart aaO.; OLG Köln VersR 1994, 1424, LG Rottweil aaO.). Da bei der gegebenen Beweislage in Betracht kommende fehlerhafte Manipulationen in Verbindung mit der weiteren Verabreichung wehenfördernder Mittel in hohem Maße geeignet sind, den bei der Klägerin entstandenen Geburtsschaden auszulösen, ist zulasten des Beklagten davon auszugehen, dass hier solche Fehler zum Schaden geführt haben.
65 
Mit dem OLG Stuttgart (aaO.) weist die Kammer darauf hin, dass damit das anerkennenswerte Bemühen des Beklagten, den Geburtsvorgang und die eingetretene lebensbedrohliche Situation für die Klägerin rasch zu beenden, ebenso wenig verkannt wird, wie die Tatsache, dass es ihm erfreulicherweise gelungen ist, das Kind lebend und ohne cerebrale Schäden zur Welt zu bringen. Bei der Feststellung der Haftung geht es nicht "um eine Sanktion für grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer auch subjektiv gesteigerten Vorwerfbarkeit der festgestellten Versäumnisse" (aaO.), sondern um einen Ausgleich dafür, dass die Beweissituation der Patientin durch die mangelhafte Dokumentation derart verschlechtert worden ist, dass ihr der volle Nachweis der Kausalität für den Gesundheitsschaden nicht zugemutet werden kann.
III.)
66 
1.) Zur Abgeltung der der Klägerin entstandenen körperlichen Schäden und Beeinträchtigungen hält die Kammer gem. § 847 aF. BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,- EUR für angemessen und orientiert sich dabei u.a. an den Entscheidungen des OLG Stuttgart aaO., das im Jahr 1997 für ähnliche Körperschäden ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen hat und dem Urteil des LG Rottweil (aaO.), das unter Hinweis auf Entscheidungen der OLG Hamm und Frankfurt zu einem Schmerzensgeldbetrag von 50.000,- EUR kam.
67 
Die Klägerin hat sich zur Darlegung ihrer Beeinträchtigungen im Wesentlichen auf das Attest der Universitätskinderklinik T. vom 15.7.2003 (Bl. 105 d.A.) gestützt. Auch im Gutachten der Gutachterkommission wird ein Attest des O-Hospitals Stuttgart vom 24.5.1995 wiedergegeben, das den damaligen Zustand festhält. Die sich aus diesen Unterlagen ergebenden und im Tatbestand wiedergegebenen Tatsachen sind unstreitig.
68 
Demnach ist die Klägerin dadurch, dass der linke Arm ein vermindertes Wachstum aufweist, in der Motorik stark beschränkt ist und die Hand nur noch im Sinne einer Hilfshand eingesetzt werden kann, dauerhaft und erheblich in ihrem Alltagsleben, in der Schule, bei sportlicher Betätigung, z.B. beim Fahrradfahren, sowie in ihrer künftigen Berufswahl beeinträchtigt. Sie wird darauf angewiesen sein, in regelmäßiger krankengymnastischer Behandlung zu bleiben, um ihren Status nicht zu verschlechtern, insbesondere auch Beschwerden etwa im Bereich der Wirbelsäule zu vermeiden. Das Horner-Syndrom mit der Lidlähmung hat eine Entstellung im Gesicht zur Folge, die für ein heranwachsendes Mädchen im gesellschaftlichen Bereich nachteilig und belastend ist.
69 
Andererseits ist festzustellen, dass sich die Klägerin Techniken angeeignet hat, um sich im Alltag alleine zurechtzufinden, etwa beim An- und Auskleiden. Dabei mag auch von Vorteil sein, dass sich die Schädigung auf den linken Arm bezieht. Folgeschäden etwa an der Wirbelsäule liegen bisher nicht vor. Nach Darstellung der Eltern hat die jetzt 10-jährige bisher keine psychischen Probleme. Ihre schulischen Leistungen sind gut.
70 
Unter diesen Umständen hält die Kammer ein Schmerzensgeld von 40.000,- EUR als angemessen, aber auch ausreichend.
71 
2.) Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet. Schon die Tatsache, dass die Klägerin sich auch weiterhin in ärztliche und insbesondere regelmäßige krankengymnastische Behandlung begeben muss, macht offensichtlich, dass mit weiteren künftigen materiellen aber auch immateriellen Schäden zu rechnen ist.
IV.)
72 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Gründe

 
I.)
36 
Die Klage ist zulässig. Dies gilt hinsichtlich des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) insbesondere auch für den Feststellungsantrag Ziffer 2 soweit er sich auch auf den bisher entstandenen materiellen Schaden bezieht. Die Klägerin ist wegen ihrer Beeinträchtigungen weiterhin in ärztlicher und krankengymnastischer Behandlung. Die Schadensentwicklung ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Es ist anerkannt, dass unter diesen Voraussetzungen eine insgesamt erhobene Feststellungsklage zulässig ist (Zöller-Greger, 24. Aufl., Rn 7a zu § 256 ZPO mwN.).
II.)
37 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte haftet der Klägerin für die bei ihr beim Geburtsvorgang eingetretene Armplexuslähmung und das Hornersyndrom gem. §§ 823, 847 BGB aF. i.V.m. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB.
38 
Es ist zwar nicht positiv feststellbar, dass dem Beklagten bei der geburtlichen Entwicklung der Klägerin Fehler unterlaufen sind. Wegen der mangelhaften Dokumentation obliegt es aber dem Beklagten nachzuweisen, dass sein Vorgehen kunstgerecht und unverschuldet oder jedenfalls nicht kausal war. Diesen Nachweis kann er nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbringen.
39 
1.) Aus den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. Kr. ergibt sich im Einklang mit den Anforderungen an die Dokumentation einer Schulterdystokie, die in der Medizin und ihr folgend in der Rechtsprechung gestellt werden (vgl. OLG Stuttgart VersR 1999, 582 mwN., OLG Düsseldorf VersR 2003, 114, LG Rottweil, Urteil vom 27.11.2003, Az.: 2 O 537/01, jeweils für Vorfälle aus dem Jahr 1994 und früher), dass zunächst festgehalten werden muss, um welche Art der Schulterdystokie es sich handelt (hoher Schultergeradstand/tiefer Schulterquerstand) und dass sodann die ergriffenen Maßnahmen chronologisch unter Angabe der Uhrzeiten der relevanten Maßnahmen und unter Nennung der hieran beteiligten Personen zu schildern sind.
40 
Für das Vorgehen nach der Diagnose einer Schulterdystokie in Gestalt eines hohen Schultergeradstandes ist ferner als Ablaufschema anerkannt und vom Sachverständigen dargelegt, dass zunächst ein angelegter Wehentropf abgestellt werden muss, um zu verhindern, dass die an der Symphyse verkeilte Schulter des Kindes durch weitere Wehentätigkeit weiterer Druckbelastung ausgesetzt wird. Stattdessen ist eine medikamentöse Wehenhemmung zu verabreichen. Aus demselben Grund ist ein kräftiger Zug am kindlichen Kopf ebenso zu vermeiden, wie Druckmaßnahmen auf den Fundus ("sog. Kristellern"). Sodann ist mit äußeren Handgriffen zu versuchen, die Dystokie zu lösen. Dazu kommen in Betracht, das sog. Mc-Roberts Manöver, bei dem durch Überstrecken und anschließendes maximales Beugen der mütterlichen Beine im Hüftgelenk versucht wird, die kindliche Schulter von der Symphyse zu lösen. Sodann kann durch Druck oberhalb der Symphyse versucht werden, die Schulter in das Becken hineinzudrücken. Ferner kann man versuchen, das Köpfchen äußerlich zu überdrehen, um die Drehbewegung auf den Körper zu übertragen (Martius-Methode).
41 
Spätestens wenn diese äußeren Handgriffe versagen, müssen innere Manöver folgen, für die in der Regel ein Dammschnitt gelegt werden muss, um den Eingang zu erleichtern. Außerdem ist ein Anästhesist und ein Pädiater hinzuziehen. Mit dem sog. Manöver nach Woods versucht der Gynäkologe, mit der Hand die vordere Schulter des Kindes zu lösen, was sowohl von der Brust wie von der Rückenseite her geschehen kann. Gelingt dies nicht, muss versucht werden, den in der Sakralhöhle liegenden hinteren Arm zu lösen, wobei sich das Risiko für kindliche Oberarm- und Schlüsselbeinfrakturen deutlich erhöht.
42 
(Weitere nächste Schritte, wie das Zurückschieben des Kindes und Durchführung einer Schnittentbindung oder ein Durchtrennen der Schambeinfuge, sind für den vorliegenden Fall irrelevant.)
43 
Der Sachverständige weist zwar darauf hin, dass sich bisher keines dieser Manöver und deren Abfolge als überlegen gezeigt habe, dass aber das geschilderte Vorgehen logisch ist und insbesondere versucht, mit möglichst wenig invasiven Maßnahmen zum Ziel zu gelangen. Dies hat Eingang gefunden in die Empfehlungen zur Schulterdystokie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe aus dem Jahr 2000, war aber auch schon wesentlich früher Standard, wie etwa die oben zitierten Entscheidungen der OLG Stuttgart und Düsseldorf zeigen.
44 
2.) Bezogen auf diese Maßnahmen enthält das Geburtsprotokoll in Verbindung mit dem vom Beklagten nach der Geburt diktierten "Beiblatt" keine Hinweise auf die Art der Schulterdystokie. Die "wechselnden Traktionen" sind nicht näher definiert. Weitere äußere Manöver (z.B. Mc-Roberts) werden nicht genannt. Auch das innere Manöver ist nicht im Sinne der oben genannten verschiedenen Möglichkeiten näher beschrieben.
45 
Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, ob das Vorgehen des Beklagten sachgerecht war. Darauf hat schon die Gutachterkommission in ihrem Gutachten vom 13.11.2001 hingewiesen und kam zu dem Ergebnis, ein Behandlungsfehler des Beklagten könne "nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden".
46 
3.) Im Zivilprozess stellt sich diese Frage aber aus Beweislastgründen anders. Da die Dokumentation, die zeitnah in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung zu erfolgen hat und nicht beliebig nachholbar ist (Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 2. Aufl., § 59 Rn 12), hier erhebliche Lücken aufweist, wird der Klägerin der Nachweis eines fehlerhaften Verhaltens unbillig erschwert. Ihr ist deshalb zumindest eine Beweiserleichterung zuzubilligen, die dazu führt, dass ein Behandlungsfehler als erwiesen gilt, wenn dieser ernsthaft in Betracht kommt (OLG Saarbrücken VersR 1988, 916 mwN., OLG Köln VersR 1994, 1424). Im Übrigen wird vermutet, dass eine dokumentationspflichtige aber nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht getroffen worden ist (BGH NJW 1988,2949). Der Dokumentationsmangel ist sodann auch für den Nachweis des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, wenn der aufgrund der unterlassenen oder fehlerhaften Dokumentation indizierte Behandlungsfehler als "grob" anzusehen wäre (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, Seite 268 mwN.).
47 
a) Nach diesen Grundsätzen kann ein Behandlungsfehler des Beschuldigten nicht ausgeschlossen werden.
48 
Es ergibt sich aus den zahlreichen in der Rechtsprechung ausgeurteilten Sachverhalten und wird auch vom Sachverständigen bestätigt, dass bei einer Schulterdystokie z.B. ein kräftiges Ziehen am Kopf des Kindes oder Druck auf den Fundus vermieden werden muss und dass überstürzte Extraktionsversuche häufig zu einer Armplexuslähmung führen. Damit kommt angesichts der Verletzung der Klägerin ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten oder der unter seiner Aufsicht tätigen Hebammen in Betracht.
49 
aa) Insbesondere ist unklar, in welcher Weise die im Beiblatt zum Geburtsbericht beschriebenen "wechselnden Traktionen" stattgefunden haben. Der Sachverständige hat dargelegt, dass es regelgerecht ist, wenn nach der Geburt des Kopfes zunächst einmal die Hebamme feststellt, dass die Geburt nicht weitergeht. Wieso dann aber - entsprechend dem Protokoll - noch die zweite Hebamme vor dem Beklagten an den Traktionen beteiligt war, konnte der Sachverständige nicht erklären. Zwar wird in den genannten Leitlinien (vgl. K 4) ebenfalls der Begriff "Traktion" verwendet, aber ausdrücklich von "vorsichtiger" Traktion gesprochen, wie dies auch der Sachverständige erläutert hat. Ob diese Bedingung gewahrt wurde, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sich alle drei Beteiligten bei den Traktionen versucht haben, kann auch ein Hinweis darauf sein, dass forciert versucht wurde, auf diesem Wege zum Erfolg zu gelangen und dabei die Traktionen nicht vorsichtig genug durchgeführt wurden, zumal hier die Übergänge nach den einleuchtenden Darlegungen des Sachverständigen fließend sind.
50 
bb) Ferner ist nicht ersichtlich und kann auch vom Beklagten nicht behauptet werden, dass alsbald nach Feststellung der Dystokie der Wehentropf abgeschaltet wurde. In dem vorgelegten CTG ist vermerkt, dass die Infusion nach 19.00 Uhr wegen einer Verlangsamung des kindlichen Herzschlags kurzfristig abgestellt, dann aber wieder in Gang gesetzt wurde, ohne dass eine Beendigung dokumentiert wäre. Wehenhemmende Mittel sind offenbar nicht verabreicht worden. Der Sachverständige wies zwar darauf hin, dass man angesichts des raschen weiteren Geburtsverlaufs nicht angeben kann, ob das Belassen des Tropfes in dieser Phase überhaupt noch eine Wehe ausgelöst hat. Aussagen dazu sind aber nicht möglich, sodass sich auch keine Erkenntnisse zugunsten des Beklagten ableiten lassen.
51 
cc) Dass vor dem invasiven Vorgehen das Mc-Roberts-Manöver versucht wurde, ist nicht dokumentiert, sodass zunächst davon auszugehen ist, dass dies nicht der Fall war.
52 
3.) Unter diesen Umständen wäre es Sache des Beklagten, nachzuweisen, dass die Geburtsschädigung der Klägerin trotz sachgerechten Vorgehens eingetreten ist. Diese Überzeugung konnte er der Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit vermitteln.
53 
a) Der Beklagte hat sich erstmals im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin im Jahr 1999 in Gang gesetzten Verfahren vor der Gutachterkommission zu den Vorgängen bei der Geburt geäußert.
54 
In seiner ersten Stellungnahme gab er zwar nunmehr an, es sei eine "Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse" eingetreten, was für einen "hohen Schultergeradstand" spricht, schilderte aber trotz Kenntnis, dass gegen ihn Vorwürfe erhoben worden waren, das weitere Vorgehen nur pauschal dahin, dass es weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen sei, den Körper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug gewesen sei. Erst mit Hilfe der Kurznarkose sei ihm unter großer Mühe die Extraktion des Kindes gelungen. Diese Extraktion habe so rasch wie möglich erfolgen müssen, um cerebrale Schäden oder gar den Tod des Kindes zu verhindern.
55 
b) Zu einer detaillierteren Schilderung des Beklagten kam es erst mit seinem Schreiben an die Gutachterkommission vom 12.3.2000, nachdem er in einem Gespräch mit den beiden Hebammen anhand der Krankenunterlagen versucht hatte, das damalige Geschehen zu rekonstruieren.
56 
Hier wird erstmals ein Vorgehen entsprechend dem Mc-Roberts-Manöver geschildert und - nachdem dieses nicht zum Erfolg führte - das unter der inzwischen verabreichten Narkose erfolgte manuelle Hochschieben der Schulterpartie, durch das es gelungen sei, diese in den schrägen Durchmesser zu drücken, die Schulter frei zu bekommen und die Axilla des Kindes zu fassen.
57 
Dementsprechend haben dann beide Hebammen am 15.11.2002 als Zeugen vor der Kammer angegeben, es seien die Manöver nach Mc-Roberts durchgeführt worden.
58 
Die Zeugin W ergänzte, dass, als dies erfolglos war, nach der Woods-Methode vorgegangen worden sei. Sie bezog ihre Sicherheit hinsichtlich dieser Tatsachen jedoch daraus, dass es sich bei diesen Maßnahmen um das "standardmäßige Vorgehen" handle. Die dokumentierten "Traktionen" beschrieb die Zeugin als "Ziehen am Kopf des Kindes".
59 
Die Zeugin K. räumte ein, dass sie sich nicht mehr in allen Einzelheiten an den Geburtsvorgang erinnere, die Ausführungen im Schreiben vom 12.3.2000 beruhten jedoch auf ihren "präsenten Erinnerungen".
60 
Unter diesen Umständen bleiben bei der Kammer erhebliche Zweifel, wie weit die sechs Jahre nach dem Geschehen in einer "Gemeinschaftsarbeit" zwischen dem Beklagten und den beiden Hebammen verfasste Darstellung zuverlässig ist, auch wenn damit keineswegs unterstellt werden soll, die Schilderung sei wissentlich geschönt worden. Diesen Angaben kann nach so langer Zeit kein entscheidender Beweiswert beigemessen werden (OLG Stuttgart aaO.).
61 
c) Auch mit Hilfe des Sachverständigen konnte keine ausreichende Aufklärung der Vorgänge mehr erfolgen.
62 
Nach seiner Darstellung ergibt sich zwar aus den Gesamtumständen, dass es sich entsprechend der Darstellung des Beklagten um einen sog. hohen Schultergeradstand gehandelt hat, sodass das gebotene weitere schulmäßige Vorgehen bestimmbar ist. Auch der zeitliche Ablauf lässt sich mit Hilfe der sich aus dem CTG ergebenden Uhrzeiten und den Angaben des Beklagten im Krankenblatt, wonach es ca. 4 bis 5 Minuten gedauert hat, bis ihm die vollständige Geburt des Kindes um 19.40 Uhr gelungen war, hinlänglich genau eingrenzen. Der Sachverständige kommt damit zu dem Ergebnis, dass das zeitliche Geburtsmanagement, insbesondere auch die Hinzuziehung des Anästhesisten und die Verabreichung der Narkose ohne ersichtliche Zeitverzögerung erfolgte. Auch die Tatsache, dass die Klägerin sich nach der Geburt schnell erholte (Apgar nach 5 Minuten> 5) und keine cerebralen Schäden davongetragen hat, spricht für das rasche Vorgehen. Der Verzicht auf einen Dammschnitt war im konkreten Fall vertretbar, nachdem festgestellt worden war, dass Vagina und Weichteile ausreichend weit waren und der innere Eingriff möglich war und nur zu einem leichten Dammriss geführt hat.
63 
Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass davon auszugehen ist, dass der Wehentropf nicht abgestellt wurde, dass unklar ist, welche Manipulationen der Beklagte und die Hebammen bei den vermerkten "wechselnden Traktionen" vorgenommen haben, dass zweifelhaft bleibt, ob das externe Manöver nach Mc-Roberts versucht wurde und wie der Beklagte vorgegangen ist, um - wie im Beiblatt zum Geburtsprotokoll vermerkt - die Axilla zu fassen zu bekommen. Vielmehr lässt dies die ernsthafte Möglichkeit offen, dass angesichts der hoch dramatischen und in der Praxis eher selten vorkommenden Situation der Schulterdystokie in einzelnen Phasen doch zu hastig, überstürzt oder sonst wie fehlerhaft vorgegangen und dadurch der Geburtsschaden ausgelöst wurde.
64 
d) Auf Grund dieser spärlichen Dokumentation sind entscheidende Punkte des Geburtsmanagements auch nicht wenigstens in groben Zügen nachvollziehbar, sodass unterstellt werden muss, dass das Vorgehen in erheblichem Ausmaß hinter den elementaren Behandlungsregeln zurückgeblieben ist. Unter diesen Umständen lässt die Beweisbehinderung der Klägerin es als billig erscheinen, ihr auch im Hinblick auf die Frage der Kausalität Beweiserleichterungen zugute kommen zu lassen (OLG Stuttgart aaO.; OLG Köln VersR 1994, 1424, LG Rottweil aaO.). Da bei der gegebenen Beweislage in Betracht kommende fehlerhafte Manipulationen in Verbindung mit der weiteren Verabreichung wehenfördernder Mittel in hohem Maße geeignet sind, den bei der Klägerin entstandenen Geburtsschaden auszulösen, ist zulasten des Beklagten davon auszugehen, dass hier solche Fehler zum Schaden geführt haben.
65 
Mit dem OLG Stuttgart (aaO.) weist die Kammer darauf hin, dass damit das anerkennenswerte Bemühen des Beklagten, den Geburtsvorgang und die eingetretene lebensbedrohliche Situation für die Klägerin rasch zu beenden, ebenso wenig verkannt wird, wie die Tatsache, dass es ihm erfreulicherweise gelungen ist, das Kind lebend und ohne cerebrale Schäden zur Welt zu bringen. Bei der Feststellung der Haftung geht es nicht "um eine Sanktion für grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer auch subjektiv gesteigerten Vorwerfbarkeit der festgestellten Versäumnisse" (aaO.), sondern um einen Ausgleich dafür, dass die Beweissituation der Patientin durch die mangelhafte Dokumentation derart verschlechtert worden ist, dass ihr der volle Nachweis der Kausalität für den Gesundheitsschaden nicht zugemutet werden kann.
III.)
66 
1.) Zur Abgeltung der der Klägerin entstandenen körperlichen Schäden und Beeinträchtigungen hält die Kammer gem. § 847 aF. BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,- EUR für angemessen und orientiert sich dabei u.a. an den Entscheidungen des OLG Stuttgart aaO., das im Jahr 1997 für ähnliche Körperschäden ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen hat und dem Urteil des LG Rottweil (aaO.), das unter Hinweis auf Entscheidungen der OLG Hamm und Frankfurt zu einem Schmerzensgeldbetrag von 50.000,- EUR kam.
67 
Die Klägerin hat sich zur Darlegung ihrer Beeinträchtigungen im Wesentlichen auf das Attest der Universitätskinderklinik T. vom 15.7.2003 (Bl. 105 d.A.) gestützt. Auch im Gutachten der Gutachterkommission wird ein Attest des O-Hospitals Stuttgart vom 24.5.1995 wiedergegeben, das den damaligen Zustand festhält. Die sich aus diesen Unterlagen ergebenden und im Tatbestand wiedergegebenen Tatsachen sind unstreitig.
68 
Demnach ist die Klägerin dadurch, dass der linke Arm ein vermindertes Wachstum aufweist, in der Motorik stark beschränkt ist und die Hand nur noch im Sinne einer Hilfshand eingesetzt werden kann, dauerhaft und erheblich in ihrem Alltagsleben, in der Schule, bei sportlicher Betätigung, z.B. beim Fahrradfahren, sowie in ihrer künftigen Berufswahl beeinträchtigt. Sie wird darauf angewiesen sein, in regelmäßiger krankengymnastischer Behandlung zu bleiben, um ihren Status nicht zu verschlechtern, insbesondere auch Beschwerden etwa im Bereich der Wirbelsäule zu vermeiden. Das Horner-Syndrom mit der Lidlähmung hat eine Entstellung im Gesicht zur Folge, die für ein heranwachsendes Mädchen im gesellschaftlichen Bereich nachteilig und belastend ist.
69 
Andererseits ist festzustellen, dass sich die Klägerin Techniken angeeignet hat, um sich im Alltag alleine zurechtzufinden, etwa beim An- und Auskleiden. Dabei mag auch von Vorteil sein, dass sich die Schädigung auf den linken Arm bezieht. Folgeschäden etwa an der Wirbelsäule liegen bisher nicht vor. Nach Darstellung der Eltern hat die jetzt 10-jährige bisher keine psychischen Probleme. Ihre schulischen Leistungen sind gut.
70 
Unter diesen Umständen hält die Kammer ein Schmerzensgeld von 40.000,- EUR als angemessen, aber auch ausreichend.
71 
2.) Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet. Schon die Tatsache, dass die Klägerin sich auch weiterhin in ärztliche und insbesondere regelmäßige krankengymnastische Behandlung begeben muss, macht offensichtlich, dass mit weiteren künftigen materiellen aber auch immateriellen Schäden zu rechnen ist.
IV.)
72 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen