Urteil vom Landgericht Heidelberg - 5 O 205/12

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger EUR 150.191,- nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent hieraus seit 01. August 2008 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung eines 24,72/1000 Miteigentumsanteil an dem Flurstück 385, H.-Str. 45, 47, 49, B.-Str. 2, Le., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im zweiten Obergeschoss, im Aufteilungsplan mit Nr. 34 bezeichnet, nebst Kellerabteil Nr. 34, eingetragen im Grundbuch von L. Blatt 681.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Verpflichtung gemäß Ziffer 1 Hs. 2 (Mitwirkung an der Rückübertragung des Wohnungseigentums) im Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen ein Grundstückskaufvertrag zustande gekommen und rechtsbeständig ist oder ob die zwischen ihnen ausgetauschten Leistungen zurückzugewähren sind.
Mit notarieller Urkunde vom 06.02.2008 (Anlage K 1, Anl.bd. Kl. AS 1 ff.) gaben die Kläger gegenüber der Beklagten das Angebot ab, von diesen das Wohnungseigentum an einer näher bezeichneten Wohnung in Le.- L. zum Preis von EUR 150.191,- zu kaufen. Darin heißt es:
„Frist zur Annahme
Der Anbietende hält sich an dieses Angebot 3 Monate ab heute gebunden.
Das Angebot ist bis zu diesem Tag unwiderruflich. Für die Einhaltung der Frist ist die Beurkundung der Vertragsannahme innerhalb der Frist vor einem deutschen Notar ausreichend.
Mit diesem Termin erlischt das Angebot nicht automatisch. Es gilt über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet weiter, kann jedoch von da an jederzeit widerrufen werden, solange es nicht angenommen ist.
Der Widerruf bedarf der Schriftform und ist wirksam sobald er dem anderen Vertragsteil zugeht.“ (S. 3 der not. Urkunde - Anlage K 1, Anl.bd. Kl. AS 7)
Mit notarieller Urkunde vom 03.06.2008 (Anlage K 1, Anl.bd. Kl. AS 17 f.) nahm die Beklagte das Angebot der Kläger an.
In der Folgezeit wurden der vereinbarte Kaufpreis von den Klägern an die Beklagte bezahlt sowie Auflassung und Eintragung des Wohnungseigentums in das Grundbuch vollzogen. Der Kaufpreis war in voller Höhe mittels eines Darlehens der D.-Bank AG fremdfinanziert worden (vgl. Darlehensangebot v. 09.09.2008 - Anlage K 4, Anl.bd. Kl. AS 121 ff.).
10 
Die Kläger behaupten,
11 
die Wohnung sei um annähernd 100 % überteuert gewesen und ihnen mit unzutreffenden Informationen und Berechnungen als Steuersparmodell angepriesen worden.
12 
Sie meinen,
13 
ihr Vertragsangebot sei am 03.06.2008 nicht mehr wirksam gewesen und habe daher zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten nicht mehrangenommen werden können, so dass zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen sei.
14 
Die Kläger beantragen:
15 
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 150.191,- nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent hieraus seit 01. August 2008 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung eines 24,72/1000 Miteigentumsanteil an dem Flurstück 385, H.-Str. 45, 47, 49, B.-Str. 2, Le., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im zweiten Obergeschoss, im Aufteilungsplan mit Nr. 34 bezeichnet nebst Kellerabteil Nr. 34, eingetragen im Grundbuch von L. Blatt 681.
16 
2. Es wird festgestellt, dass sie die Beklagte mit der Verpflichtung gemäß Ziffer 1 HS 2 im Annahmeverzug befindet.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Sie behauptet,
20 
bei dem Kaufvertragsangebot handle es sich um eine Individualvereinbarung und nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Annahme dieses Angebots sei aus Rücksicht auf die Kläger erst am 03.06.2008 erklärt worden, da erst zu diesem Zeitpunkt festgestanden habe, dass ihre Fremdfinanzierung zustande gekommen sei und sie sich den Kaufpreis auch aus dem finanzierten Betrag hätten leisten können.
21 
Die Wohnung sei zum Zeitpunkt des Verkaufs mindestens EUR 140.000,- wert gewesen. Die Kläger seien bei Vertragsschluss über alle wesentlichen Punkte zutreffend informiert worden. Die Beispielberechnungen der Beklagten, namentlich hinsichtlich einer Steuerersparnis, hätten sich an den von den Klägern gemachten Angaben orientiert.
22 
Die Beklagte meint,
23 
der Kaufvertrag sei wirksam zustande gekommen. Weder handle es sich bei dem Angebot der Kläger um allgemeine Geschäftsbedingungen, noch führe die dort bedungene zeitlich unbeschränkte Annahmefähigkeit zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kläger.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des entrichteten Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübertragung des dinglich erworbenen Wohnungseigentums, da zwischen den Parteien ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen und die Beklagte daher in Höhe des gezahlten Kaufpreises ungerechtfertigt bereichert ist (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB).
27 
1. Die Beklagte konnte das Kaufvertragsangebot der Kläger vom 06.02.2008 am 03.06.2008 nicht mehr wirksam annehmen, da es zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen war.
28 
a) Zwar bestimmt der von den Klägern unterschriebene Text des Kaufvertragsangebots, dass dieses selbst nach Ablauf einer dreimonatigen Bindungsfrist (die - ihre Wirksamkeit unterstellt - am 03.06.2008 jedenfalls bereits verstrichen war) unbefristet widerruflich weitergilt. Jedoch ist diese Klausel nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Diese Vorschrift verbietet eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme eines Angebots vorbehält. So liegt der Fall.
29 
aa) Bei der Bestimmung, dass das Angebot unbefristet weitergilt, handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte den Klägern gestellt hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
30 
Zwar hat die Beklagte unsubstantiiert bestritten, dass es sich eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, und behauptet, es liege eine Individualvereinbarung vor. Jedoch kann unter Würdigung der als Anlagenkonvolut K 4 vorgelegten Vertragsunterlagen, welche belegen, dass die Beklagte eine Vielzahl von Wohnungen saniert und deren Kauf standardisiert damit beworben hat, „aus ersparten Steuern Vermögen [zu] schaffen“ (Anlagenbd. Kl. AS 107), ausgeschlossen werden, dass die im Streit stehende Klausel nicht für eine Vielzahl gleichartiger Willenserklärungen vorformuliert, sondern allein für den vorliegenden Fall entworfen wurde.
31 
Die Klausel wurde auch einseitig von der Beklagten gestellt. Dies ergibt sich vorliegend schon aus der Vermutung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, nach der Allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden. Nachdem die Kläger in ihrer Eigenschaft als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und die Beklagte als Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB handelten und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Klausel auf Betreiben der Kläger in die notarielle Urkunde eingeführt wurde, gilt sie als von der Beklagten gestellt.
32 
bb) Die Bestimmung der Klausel, dass das Vertragsangebot nach Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist von drei Monaten unbefristet weitergelte, stellt eine unangemessen lange „Frist“, die sich die Beklagte als Verwenderin der Klausel für die Annahme des Angebots der Kläger vorbehalten hat, i.S.d. § 308 Nr. 1 BGB dar.
33 
§ 308 Nr. 1 BGB regelt (u.a.) Klauseln, durch die sich der Verwender Fristen für die Annahme vorbehält. Ein solcher Vorbehalt liegt nicht nur bei einer (formularmäßigen) Erklärung einer Bindungsfrist eines Angebots, sondern auch bei der Erklärung einer Fortgeltungsfrist des (nunmehr allerdings widerruflichen) Angebots vor. Auch diese Bestimmung ist vom Wortlaut des § 308 Nr. 1 BGB erfasst. Sie betrifft ebenfalls die Dispositionsfreiheit des Verbrauchers, die Schutzgut des § 308 Nr. 1 BGB ist (vgl. MünchKomm-BGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 308 Nr. 1 Rz. 1); denn auch wenn die Erklärung des Widerrufs (der bei der zunächst vereinbarten Bindung des Angebots naturgemäß nicht möglich ist) die Dispositionsfreiheit des Verbrauchers wiederherstellt, so wird diese doch so lange weiter beeinträchtigt, wie diese Erklärung nicht erfolgt und zugegangen ist. Eine solche Fortgeltungsklausel ist daher nach Auffassung des Gerichts gleichfalls an § 308 Nr. 1 BGB zu messen (i.E. ebenso Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883, 891 unter III. 2. a.; a.A. BeckOK-BGB/Becker, Stand 01.08.2012, § 308 Nr. 1 Rz. 4 a.E.). Überschritten wird der Wortlaut des § 308 Nr. 1 BGB vorliegend lediglich insoweit, als das notarielle Angebot der Kläger keine Fortgeltungs-„Frist“, sondern die unbefristete Fortgeltung des Angebots vorsieht. Es erschiene aber widersinnig, diese zeitlich stärkste Form des Annahmevorbehalts seitens des Verwenders vom Anwendungsbereich des § 308 Nr. 1 BGB auszunehmen.
34 
Die unbefristete widerrufliche Fortgeltung des Kaufvertragsangebots ist unangemessen lange i.S.d. § 308 Nr. 1 BGB. Bei dieser Wertung sind zwar auch berechtigte Interessen des Verwenders sowie die dem Verbraucher unbenommene Widerrufsmöglichkeit zu berücksichtigen. Jedoch birgt eine unabsehbar lange Geltung des Angebots die Gefahr, dass der Verbraucher, der bis zur Annahme des Vertrags keinerlei für ihn günstige Rechtsfolgen aus dem von ihm abgegebenen Angebot für sich herleiten kann, noch zu einem Zeitpunkt, der lange nach Angebotsabgabe liegt, gleichsam „aus heiterem Himmel“, mit einem Vertragsschluss und seinen dann eintretenden Wirkungen konfrontiert werden kann, zu welchem er nicht mehr damit rechnet und diesen auch nicht mehr wünscht. Zwar kann er diese Folge durch die Erklärung des Widerrufs verhindern (solange dieser vor der Annahmeerklärung des Verkäufers zugeht); jedoch erfordert dies eben ein Aktivwerden des Verbrauchers (vgl. hierzu Thode, ZNotP 2005, 162, 164 f.; zit. n. Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 891, Fn. 39), der damit das Risiko trägt, dass die Widerrufserklärung nicht zugeht, verspätet zugeht oder gar von ihm (etwa nach längerer Zeit) vergessen wird. Demgegenüber ist ein berechtigtes Interesse des Verkäufers, das Angebot noch „unendlich lange“ annehmen zu können, nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte geltend macht, die Fortgeltungsklausel und die durch sie ermöglichte Verzögerung der Annahmeerklärung, um den Abschluss der Finanzierung abzuwarten, sei im Interesse der Kläger, ist bereits nicht ersichtlich, warum hierzu eine unbefristete Fortgeltung des Angebots erforderlich ist. Im Übrigen hat die Beklagte das Zustandekommen der Finanzierung nach Aktenlage gerade nicht abgewartet; denn das Darlehensangebot der D.-Bank AG an die Kläger datiert erst vom 09.09.2008 (Anlagenkonvolut K4, Anl.bd. Kl. AS 125 f.).
35 
Der anderslautenden Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden im (nicht rechtskräftigen) Urteil vom 20.12.2011 (NotBZ 2012, 105 ff. - juris), welches eine formularmäßige unbefristete Fortgeltungsklausel für wirksam gehalten hat, vermag das Gericht nicht zu folgen. Dies gilt insbesondere für die dort vertretene Ansicht, ein gesetzliches Leitbild, das Modifikationen der Wirksamkeit und der Dauer eines Angebots entgegenstünde, bestehe nicht (a.a.O. - juris Rz. 25). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts besteht vielmehr ein gesetzliches Leitbild, nach dem ein Angebot nur bis zu dem Zeitpunkt wirksam (und nicht nur bindend) ist, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§§ 146, 147 Abs. 2 BGB).
36 
Auch das für die Zulässigkeit der unbefristeten Fortgeltung ins Feld geführte Widerrufsrecht im Verbraucherschutzrecht nach § 355 BGB stellt nach Auffassung des Gerichts kein Argument für die Zumutbarkeit bzw. Angemessenheit einer unbefristeten Fortgeltungsklausel dar (so aber OLG Dresden, a.a.O., unter Berufung auf Herrler/Suttmann, S. 894 unter I. 2. b. cc.). Denn Gegenstand dieses Widerrufsrecht ist ein bereits zustande gekommener, Pflichten und Rechte verleihender Vertrag, keine einseitig gebliebene Willenserklärung, die (noch) keine Rechtsvorteile verleiht.
37 
Schließlich verfängt auch das Argument, lange Schwebezustände, wie sie durch die unbefristete Fortgeltungsklausel erzeugt werden, seien dem Gesetz nicht fremd, wie § 177 Abs. 1 BGB zeige, und die Beendigung dieses Schwebezustands erfordere auch ein aktives Verhalten des anderen Teils nach § 177 Abs. 2 BGB (OLG Dresden, a.a.O. - juris Rz. 27 f.; Herrler/Suttmann, S. 893 unter I. 2. b. bb.), nach Auffassung des Gerichts nicht; denn diese Norm betrifft die schwebende Unwirksamkeit einer Willenserklärung und nicht, wie im Fall der Fortgeltungsklausel, die schwebende Wirksamkeit.
38 
cc) Die unangemessene Frist bzw. Länge der von der Klausel bestimmten Fortgeltung hat unter Berücksichtigung des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion ihre Unwirksamkeit im Ganzen zur Folge. Die Frage, ob die erst am 03.06.2008 erfolgte Annahmeerklärung seitens der Beklagten noch zum Zustandekommen des Grundstückskaufvertrags führen konnte, ist daher nach den dispositiven gesetzlichen Vorschriften zu beurteilen (§ 306 Abs. 2 BGB).
39 
b) Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Regelungen konnte die erst am 03.06.2008 erfolgte Annahmeerklärung seitens der Beklagten nicht mehr zum Zustandekommen des Grundstückskaufvertrags führen.
40 
Nach § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dies ist bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss eine Bonitätsprüfung vorausgeht, regelmäßig innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen der Fall (BGH, NJW 2010, 1854 ff. - juris). Selbst wenn man die Besonderheiten von Grundstückskaufverträgen der vorliegenden Art weiter in Rechnung stellt, bei denen die Sanierung der zu verkaufenden Wohnung noch nicht begonnen hatte und eine man sog. „Platzierungsfrist“ in Rechnung stellt (vgl. hierzu ausführlich OLG Nürnberg, MDR 2012, 630 f. - juris Rz. 38 ff.), liegt der spätestmögliche Annahmezeitpunkt i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB deutlich unter 10 Wochen (OLG Nürnberg, a.a.O. - juris Rz. 44; OLG Dresden, Urt. v. 26.06.2003, BauR 2005, 559 ff. - juris Rz. 27).
41 
Auf Grund der über 16 Wochen nach dem Angebot erklärten Annahme konnte mithin kein Vertrag mehr zustande kommen, weil das Angebot bereits (längst) erloschen war.
42 
2. Soweit die Annahmeerklärung der Beklagten vom 03.06.2008 ein neues Angebot zum Vertragsschluss darstellte (§ 150 Abs. 2 BGB), ist dieses von den Klägern nicht, auch nicht konkludent, angenommen worden (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 26.06.2003 - juris Rz. 28).
43 
3. Wegen der Unwirksamkeit des Kaufvertrags fehlt den zwischen den Parteien ausgetauschten Leistungen der rechtliche Grund i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, so dass die empfangenen Leistungen - unter Berücksichtigung der sog. Saldotheorie Zug um Zug (vgl. Palandt/Sprau, 72. Aufl. 2013, § 818 Rz. 50) - zurückzugewähren sind. Der gezahlte Kaufpreis ist damit, einschließlich der insoweit unwidersprochen geltend gemachten Zinsen (vgl. Palandt/Sprau, § 818 Rz. 11), Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums zurückzuerstatten und zwar, nachdem die Beklagte den Ersatz gezogener Nutzungen durch die Kläger (§ 818 Abs. 1 BGB) nicht geltend gemacht hat, in voller Höhe.
44 
4. Der zu 2. gestellte Feststellungsantrag der Kläger ist zulässig (vgl. zum nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Interesse auf Feststellung des Gläubigerverzugs BGH, NJW 2000, 2280 ff. - juris Rz. 10 m.w.N) und begründet. Die Beklagte befindet sich seit dem Zugang des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 22.03.2012 (Anlage K 3, Anl.bd. Kl. AS 31 f.), mit dem die Kläger ihr die Rückübereignung der verkauften Wohnung Zug um Zug gegen die Kaufpreisrückzahlung angeboten haben, im Gläubigerverzug i.S.d. §§ 293, 295 Satz 1 Alt. 2. BGB.
II.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Gründe

 
I.
25 
Die Klage ist zulässig und begründet.
26 
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des entrichteten Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübertragung des dinglich erworbenen Wohnungseigentums, da zwischen den Parteien ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen und die Beklagte daher in Höhe des gezahlten Kaufpreises ungerechtfertigt bereichert ist (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB).
27 
1. Die Beklagte konnte das Kaufvertragsangebot der Kläger vom 06.02.2008 am 03.06.2008 nicht mehr wirksam annehmen, da es zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen war.
28 
a) Zwar bestimmt der von den Klägern unterschriebene Text des Kaufvertragsangebots, dass dieses selbst nach Ablauf einer dreimonatigen Bindungsfrist (die - ihre Wirksamkeit unterstellt - am 03.06.2008 jedenfalls bereits verstrichen war) unbefristet widerruflich weitergilt. Jedoch ist diese Klausel nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Diese Vorschrift verbietet eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme eines Angebots vorbehält. So liegt der Fall.
29 
aa) Bei der Bestimmung, dass das Angebot unbefristet weitergilt, handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte den Klägern gestellt hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
30 
Zwar hat die Beklagte unsubstantiiert bestritten, dass es sich eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, und behauptet, es liege eine Individualvereinbarung vor. Jedoch kann unter Würdigung der als Anlagenkonvolut K 4 vorgelegten Vertragsunterlagen, welche belegen, dass die Beklagte eine Vielzahl von Wohnungen saniert und deren Kauf standardisiert damit beworben hat, „aus ersparten Steuern Vermögen [zu] schaffen“ (Anlagenbd. Kl. AS 107), ausgeschlossen werden, dass die im Streit stehende Klausel nicht für eine Vielzahl gleichartiger Willenserklärungen vorformuliert, sondern allein für den vorliegenden Fall entworfen wurde.
31 
Die Klausel wurde auch einseitig von der Beklagten gestellt. Dies ergibt sich vorliegend schon aus der Vermutung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, nach der Allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden. Nachdem die Kläger in ihrer Eigenschaft als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und die Beklagte als Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB handelten und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Klausel auf Betreiben der Kläger in die notarielle Urkunde eingeführt wurde, gilt sie als von der Beklagten gestellt.
32 
bb) Die Bestimmung der Klausel, dass das Vertragsangebot nach Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist von drei Monaten unbefristet weitergelte, stellt eine unangemessen lange „Frist“, die sich die Beklagte als Verwenderin der Klausel für die Annahme des Angebots der Kläger vorbehalten hat, i.S.d. § 308 Nr. 1 BGB dar.
33 
§ 308 Nr. 1 BGB regelt (u.a.) Klauseln, durch die sich der Verwender Fristen für die Annahme vorbehält. Ein solcher Vorbehalt liegt nicht nur bei einer (formularmäßigen) Erklärung einer Bindungsfrist eines Angebots, sondern auch bei der Erklärung einer Fortgeltungsfrist des (nunmehr allerdings widerruflichen) Angebots vor. Auch diese Bestimmung ist vom Wortlaut des § 308 Nr. 1 BGB erfasst. Sie betrifft ebenfalls die Dispositionsfreiheit des Verbrauchers, die Schutzgut des § 308 Nr. 1 BGB ist (vgl. MünchKomm-BGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 308 Nr. 1 Rz. 1); denn auch wenn die Erklärung des Widerrufs (der bei der zunächst vereinbarten Bindung des Angebots naturgemäß nicht möglich ist) die Dispositionsfreiheit des Verbrauchers wiederherstellt, so wird diese doch so lange weiter beeinträchtigt, wie diese Erklärung nicht erfolgt und zugegangen ist. Eine solche Fortgeltungsklausel ist daher nach Auffassung des Gerichts gleichfalls an § 308 Nr. 1 BGB zu messen (i.E. ebenso Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883, 891 unter III. 2. a.; a.A. BeckOK-BGB/Becker, Stand 01.08.2012, § 308 Nr. 1 Rz. 4 a.E.). Überschritten wird der Wortlaut des § 308 Nr. 1 BGB vorliegend lediglich insoweit, als das notarielle Angebot der Kläger keine Fortgeltungs-„Frist“, sondern die unbefristete Fortgeltung des Angebots vorsieht. Es erschiene aber widersinnig, diese zeitlich stärkste Form des Annahmevorbehalts seitens des Verwenders vom Anwendungsbereich des § 308 Nr. 1 BGB auszunehmen.
34 
Die unbefristete widerrufliche Fortgeltung des Kaufvertragsangebots ist unangemessen lange i.S.d. § 308 Nr. 1 BGB. Bei dieser Wertung sind zwar auch berechtigte Interessen des Verwenders sowie die dem Verbraucher unbenommene Widerrufsmöglichkeit zu berücksichtigen. Jedoch birgt eine unabsehbar lange Geltung des Angebots die Gefahr, dass der Verbraucher, der bis zur Annahme des Vertrags keinerlei für ihn günstige Rechtsfolgen aus dem von ihm abgegebenen Angebot für sich herleiten kann, noch zu einem Zeitpunkt, der lange nach Angebotsabgabe liegt, gleichsam „aus heiterem Himmel“, mit einem Vertragsschluss und seinen dann eintretenden Wirkungen konfrontiert werden kann, zu welchem er nicht mehr damit rechnet und diesen auch nicht mehr wünscht. Zwar kann er diese Folge durch die Erklärung des Widerrufs verhindern (solange dieser vor der Annahmeerklärung des Verkäufers zugeht); jedoch erfordert dies eben ein Aktivwerden des Verbrauchers (vgl. hierzu Thode, ZNotP 2005, 162, 164 f.; zit. n. Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 891, Fn. 39), der damit das Risiko trägt, dass die Widerrufserklärung nicht zugeht, verspätet zugeht oder gar von ihm (etwa nach längerer Zeit) vergessen wird. Demgegenüber ist ein berechtigtes Interesse des Verkäufers, das Angebot noch „unendlich lange“ annehmen zu können, nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte geltend macht, die Fortgeltungsklausel und die durch sie ermöglichte Verzögerung der Annahmeerklärung, um den Abschluss der Finanzierung abzuwarten, sei im Interesse der Kläger, ist bereits nicht ersichtlich, warum hierzu eine unbefristete Fortgeltung des Angebots erforderlich ist. Im Übrigen hat die Beklagte das Zustandekommen der Finanzierung nach Aktenlage gerade nicht abgewartet; denn das Darlehensangebot der D.-Bank AG an die Kläger datiert erst vom 09.09.2008 (Anlagenkonvolut K4, Anl.bd. Kl. AS 125 f.).
35 
Der anderslautenden Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden im (nicht rechtskräftigen) Urteil vom 20.12.2011 (NotBZ 2012, 105 ff. - juris), welches eine formularmäßige unbefristete Fortgeltungsklausel für wirksam gehalten hat, vermag das Gericht nicht zu folgen. Dies gilt insbesondere für die dort vertretene Ansicht, ein gesetzliches Leitbild, das Modifikationen der Wirksamkeit und der Dauer eines Angebots entgegenstünde, bestehe nicht (a.a.O. - juris Rz. 25). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts besteht vielmehr ein gesetzliches Leitbild, nach dem ein Angebot nur bis zu dem Zeitpunkt wirksam (und nicht nur bindend) ist, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§§ 146, 147 Abs. 2 BGB).
36 
Auch das für die Zulässigkeit der unbefristeten Fortgeltung ins Feld geführte Widerrufsrecht im Verbraucherschutzrecht nach § 355 BGB stellt nach Auffassung des Gerichts kein Argument für die Zumutbarkeit bzw. Angemessenheit einer unbefristeten Fortgeltungsklausel dar (so aber OLG Dresden, a.a.O., unter Berufung auf Herrler/Suttmann, S. 894 unter I. 2. b. cc.). Denn Gegenstand dieses Widerrufsrecht ist ein bereits zustande gekommener, Pflichten und Rechte verleihender Vertrag, keine einseitig gebliebene Willenserklärung, die (noch) keine Rechtsvorteile verleiht.
37 
Schließlich verfängt auch das Argument, lange Schwebezustände, wie sie durch die unbefristete Fortgeltungsklausel erzeugt werden, seien dem Gesetz nicht fremd, wie § 177 Abs. 1 BGB zeige, und die Beendigung dieses Schwebezustands erfordere auch ein aktives Verhalten des anderen Teils nach § 177 Abs. 2 BGB (OLG Dresden, a.a.O. - juris Rz. 27 f.; Herrler/Suttmann, S. 893 unter I. 2. b. bb.), nach Auffassung des Gerichts nicht; denn diese Norm betrifft die schwebende Unwirksamkeit einer Willenserklärung und nicht, wie im Fall der Fortgeltungsklausel, die schwebende Wirksamkeit.
38 
cc) Die unangemessene Frist bzw. Länge der von der Klausel bestimmten Fortgeltung hat unter Berücksichtigung des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion ihre Unwirksamkeit im Ganzen zur Folge. Die Frage, ob die erst am 03.06.2008 erfolgte Annahmeerklärung seitens der Beklagten noch zum Zustandekommen des Grundstückskaufvertrags führen konnte, ist daher nach den dispositiven gesetzlichen Vorschriften zu beurteilen (§ 306 Abs. 2 BGB).
39 
b) Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Regelungen konnte die erst am 03.06.2008 erfolgte Annahmeerklärung seitens der Beklagten nicht mehr zum Zustandekommen des Grundstückskaufvertrags führen.
40 
Nach § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dies ist bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss eine Bonitätsprüfung vorausgeht, regelmäßig innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen der Fall (BGH, NJW 2010, 1854 ff. - juris). Selbst wenn man die Besonderheiten von Grundstückskaufverträgen der vorliegenden Art weiter in Rechnung stellt, bei denen die Sanierung der zu verkaufenden Wohnung noch nicht begonnen hatte und eine man sog. „Platzierungsfrist“ in Rechnung stellt (vgl. hierzu ausführlich OLG Nürnberg, MDR 2012, 630 f. - juris Rz. 38 ff.), liegt der spätestmögliche Annahmezeitpunkt i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB deutlich unter 10 Wochen (OLG Nürnberg, a.a.O. - juris Rz. 44; OLG Dresden, Urt. v. 26.06.2003, BauR 2005, 559 ff. - juris Rz. 27).
41 
Auf Grund der über 16 Wochen nach dem Angebot erklärten Annahme konnte mithin kein Vertrag mehr zustande kommen, weil das Angebot bereits (längst) erloschen war.
42 
2. Soweit die Annahmeerklärung der Beklagten vom 03.06.2008 ein neues Angebot zum Vertragsschluss darstellte (§ 150 Abs. 2 BGB), ist dieses von den Klägern nicht, auch nicht konkludent, angenommen worden (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 26.06.2003 - juris Rz. 28).
43 
3. Wegen der Unwirksamkeit des Kaufvertrags fehlt den zwischen den Parteien ausgetauschten Leistungen der rechtliche Grund i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, so dass die empfangenen Leistungen - unter Berücksichtigung der sog. Saldotheorie Zug um Zug (vgl. Palandt/Sprau, 72. Aufl. 2013, § 818 Rz. 50) - zurückzugewähren sind. Der gezahlte Kaufpreis ist damit, einschließlich der insoweit unwidersprochen geltend gemachten Zinsen (vgl. Palandt/Sprau, § 818 Rz. 11), Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums zurückzuerstatten und zwar, nachdem die Beklagte den Ersatz gezogener Nutzungen durch die Kläger (§ 818 Abs. 1 BGB) nicht geltend gemacht hat, in voller Höhe.
44 
4. Der zu 2. gestellte Feststellungsantrag der Kläger ist zulässig (vgl. zum nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Interesse auf Feststellung des Gläubigerverzugs BGH, NJW 2000, 2280 ff. - juris Rz. 10 m.w.N) und begründet. Die Beklagte befindet sich seit dem Zugang des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 22.03.2012 (Anlage K 3, Anl.bd. Kl. AS 31 f.), mit dem die Kläger ihr die Rückübereignung der verkauften Wohnung Zug um Zug gegen die Kaufpreisrückzahlung angeboten haben, im Gläubigerverzug i.S.d. §§ 293, 295 Satz 1 Alt. 2. BGB.
II.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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