Urteil vom Landgericht Kaiserslautern (1. Zivilkammer) - 1 S 232/02
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts R... vom 08. Oktober 2002 (2 C 663/02) abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 859,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1998 für die Zeit vom 14. Dezember bis zum 31. Dezember 2001 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB n. F. ab dem 01. Januar 2002 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz fallen dem Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 859,99 EUR.
Gründe
I.
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Von einer Darstellung der "tatsächlichen Feststellungen" wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen (vgl. hierzu auch Zöller, ZPO, 23. Auflage, § 540 Randziffer 7).
II.
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Das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg.
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Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht von dem Beklagten Bezahlung der streitgegenständlichen Kaufpreisforderung verlangen (§§ 433 Abs. 2, 398 BGB). Der von dem Beklagten erhobenen Einrede der Erfüllung (§§ 404, 362 BGB) muss der Erfolg versagt bleiben. Denn davon, dass der abgetretene Anspruch zum Zeitpunkt der Abtretung bereits durch Erfüllung erloschen gewesen wäre, kann nicht ausgegangen werden.
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Die Beweislast für eine Erfüllung des Kaufpreisanspruchs liegt bei dem Beklagten; weder erscheint die Annahme einer Umkehr der Beweislast gerechtfertigt noch auch nur die Annahme des Eingreifens einer Beweiserleichterung (Anschein) zugunsten des Beklagten. Zwar werden auch dahingehende Auffassungen vertreten (vgl. etwa LG Hannover und LG Aurich NJW-RR 1999, 1225), doch folgt die Kammer der gegenteiligen, soweit ersichtlich herrschenden Meinung (vgl. etwa LG Landshut, Urteil vom 25. April 2001 - 12 S 194/01, LG Limburg an der Lahn, Urteil vom 24. August 2001 - 3 S 78/01, LG Krefeld, Urteil vom 08. November 2002 - 1 S 32/02 und LG Lüneburg, Urteil vom 14. November 2002 - 1 S 54/02).
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Grundsätzlich muss derjenige, der sich auf Erfüllung (§ 362 BGB) beruft, diese ihm günstige Tatsache auch beweisen. Der Grund für diese Beweislastverteilung liegt darin, dass es sich bei der Erfüllung um eine rechtsvernichtende Tatsache handelt. Die Beweislastverteilung ist Ausdruck des Leistungsrisikos und entspricht beweisrechtlichen Erwägungen: derjenige, der eine von ihm zu erbringende Leistung erfüllt, ist regelmäßig in der Lage, sich über diesen Vorgang Beweise zu sichern. So hat der Schuldner gemäß § 368 BGB einen Anspruch gegenüber dem Gläubiger auf Erteilung einer Quittung. Zu vorstehenden Ausführungen sei verwiesen auf Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, § 362 Randziffern 1 und 3.
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Von diesem Grundsatz im vorliegenden Fall im Sinne einer Umkehr der Beweislast oder auch nur der Annahme des Eingreifens einer Beweiserleichterung (Anschein) zugunsten des Beklagten abzuweichen, ist nicht veranlasst.
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Denn es besteht ohne Weiteres die Möglichkeit, dass der Beklagte die Nachnahmesendung ohne Bezahlung erhalten hat. Auch wenn Nachnahmesendungen regelmäßig nur gegen Zahlung an den Empfänger ausgehändigt werden, gibt es doch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der das Nachnahmegut erhalten hat, auch den Nachnahmebetrag bezahlt hat. Vielmehr besteht allgemein und so auch im vorliegenden Fall (auf die Aussage des Zeugen F... vom 01. Oktober 2002 sei verwiesen) durchaus die Möglichkeit, dass eine Nachnahmesendung an den Empfänger ausgehändigt wird, ohne den Nachnahmebetrag entgegen zu nehmen. Denkbar sind dabei Versäumnisse des Absenders, der etwa keinen Nachnahmeaufkleber auf die Sendung aufgebracht hat. Möglich ist auch ein Versäumnis des Mitarbeiters der Zustellfirma, der einen Nachnahmeaufkleber übersehen hat und daher die Sendung ohne gleichzeitige Entgegennahme des Nachnahmebetrags an den Empfänger aushändigt (auf die Aussage des Zeugen F... sei erneut verwiesen). Auch ist denkbar, dass ein am Paket aufgebrachter Nachnahmeaufkleber während des Transports zum Empfänger verloren geht (so auch LG Landshut a.a.O., LG Limburg an der Lahn a.a.O., LG Krefeld a.a.O. und LG Lüneburg a.a.O.).
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Der Umstand, "dass die Verkäuferin - zu einem Zeitpunkt, als die Klageforderung von ihr noch nicht an die Klägerin abgetreten war - die exakte Kaufpreissumme an den Beklagten (zurück-) überwiesen hat", rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr kann dieser Umstand nur als Indiztatsache Berücksichtigung finden bei der Beantwortung der Frage, ob der Beklagte den ihm obliegenden Nachweis hat führen können.
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Dies ist indessen nicht der Fall.
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Allein der Umstand, dass der Beklagte "bei der mündlichen Verhandlung einen guten Eindruck gemacht" hat (Seite 4 unten des erstinstanzlichen Urteils) und dort "versichert und beteuert" hat (§ 141 ZPO), "dass er am 20.10.2001 den Nachnahmebetrag, nämlich 1.682,00 DM, an den Fahrer in bar ausgehändigt habe" (Seite 2 des Protokolls vom 01. Oktober 2002), reicht hierfür nicht aus.
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Eine Quittung über die Bezahlung des Nachnahmebetrags hat der Beklagte nicht vorlegen können.
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Der von ihm mittels des in erster Instanz vorgelegten Kontoauszugs im Wege des Urkundenbeweises geführte Nachweis, "dass die Verkäuferin - zu einem Zeitpunkt, als die Klageforderung von ihr noch nicht an die Klägerin abgetreten war - die exakte Kaufpreissumme an den Beklagten (zurück-) überwiesen hat" (Seite 4 des erstinstanzlichen Urteils), reicht für einen Nachweis der Erfüllung ebenfalls nicht aus. Ein Indizienbeweis ist nur dann überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus der Indiztatsache ernstlich nicht in Betracht kommen. So verhält es sich hier aber nicht. Der Umstand der Überweisung lässt nicht zwingend auf eine vorausgegangene Bezahlung des Nachnahmebetrags durch den Beklagten schließen. Vielmehr kann der Überweisung der Firma C... an den Beklagten ohne Weiteres ein Versehen zu Grunde gelegen haben, wie es dem Beklagten nach seinem eigenen Vorbringen in der Klageerwiderung ja auch mitgeteilt worden war.
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Der Aussage des Zeugen F... lässt sich eine Bestätigung der Behauptung des Beklagten nicht entnehmen. Soweit das Amtsgericht "erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen" hatte, mag dahinstehen, ob die diesbezüglich angestellten Überlegungen geeignet waren, solche Zweifel zu begründen. Denn auch berechtigte "Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen" könnten nicht ausreichen, um von einem Nachweis der Behauptung des Beklagten auszugehen.
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Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 284 ff. BGB. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass seit dem 01. Januar 2002 an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz vom 09. Juni 1998 (§ 288 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.) der Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs getreten ist (§§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB n. F. i. V. mit Artikel 229 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). Für die Zeit vor dem 01. Januar 2002 sind aber das Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz und die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden (Artikel 229 § 7 Abs. 2 EGBGB).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegt eine analoge Anwendung der §§ 708 Nr. 10. 713 ZPO zu Grunde (vgl. hierzu auch LG Landau NJW 2002, 973).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht erfüllt sind.
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