Urteil vom Landgericht Kaiserslautern (3. Zivilkammer) - 3 O 895/04

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Haftung für immateriellen und materiellen Zukunftsschaden wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.

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Am 21. Juli 2003 begab sich der Kläger von seinem Wohnhaus St.siedlung ... K., zu Fuß zum wenige Meter entfernten Haus der Familie A., St.siedlung ... Gegen 0.15 Uhr am 22. Juli 2003, verließ er das Haus der Zeugen A. und wollte auf dem Gehweg wieder zu seinem Anwesen zurückkehren. Er stürzte dabei über einen Schutthaufen (Aushub von Bauarbeiten bezüglich der Kanalabdeckung), der sich in der Nähe des Grundstücks der Familie A. auf dem Gehweg befand.

3

Bei dem Sturz zog sich der Kläger einen komplizierten Bruch des linken Ellenbogens zu. Die Fraktur wurde nach offener Reposition mit Minischrauben osteosynthetisch versorgt. Postoperativ erfolgte eine Ruhigstellung in einer Oberarm-Gipsschiene. Vom 23. Juli bis 29. Juli 2003 wurde der Kläger im Kreiskrankenhaus G. stationär behandelt.

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Die Firma B. GmbH,... , hatte am 21. Juli 2003 im Straßenkörper der Straße St.siedlung befindliche Kanaldeckel ausgewechselt und den Aushub u. a. auf dem Gehweg vor dem Grundstück St.siedlung ... gelagert.

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Den Auftrag für die Baumaßnahme erhielt sie vom Beklagten zu 1), der als Betriebsleiter der Verbandsgemeindewerke im Namen der Beklagten zu 2) handelte. Der Aushub sollte noch am 21. Juli 2003 von den Verbandsgemeindewerken abgeholt und entsorgt werden.

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Die Beklagten lehnten bereits vorgerichtlich eine Haftung ab.

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Der Kläger macht geltend:

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Er habe darauf vertrauen können, dass er einen ihm bekannten Bürgersteig gefahrlos begehen könne. Wegen der mangelhaften Ausleuchtung der Unfallstelle und der am Gehwegrand auf dem Grundstück der A. befindlichen Hecke habe er den Aushub nicht rechtzeitig erkennen können und sei darüber gestürzt.

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Die Beklagten seien verpflichtet gewesen, derartige Hindernisse durch eine Absperrung und Beleuchtung kenntlich zu machen. Auf Grund der Unfallverletzung seien Tätigkeiten mit der linken Hand für ihn nur unter Schmerzen möglich. Als Dauerschaden bestehe eine Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk. Auch im Hinblick darauf, dass sich die Beklagtenseite völlig passiv verhalten habe, sei ein Schmerzensgeldbetrag von 5.000,00 Euro angemessen. Da die weitere Entwicklung der Verletzungsfolgen noch nicht absehbar sei, sei ein Interesse an der Feststellung der Haftung für Zukunftsschaden gegeben.

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Der Kläger beantragt,

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1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2004 zu bezahlen und

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2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche immateriellen und materiellen Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Unfall vom 22.07.2003, gegen 0.15 Uhr, St.siedlung Höhe Hausnummer ..., ..., K..., entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

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Sie machen geltend:

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Eine Haftung des Beklagten zu 1) könne schon deshalb nicht eingreifen, da die Staatshaftung aus Art. 34 GG an die Stelle der Haftung des Beamten trete.

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Eine Haftung der Beklagten zu 2) komme nicht zum Tragen, da der Kläger eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe. Er könne sich in erster Linie an die Fa. B... GmbH halten, da diese den Schutt seitlich zur Abholung aufgeschüttet und gelagert habe, ohne für eine Absicherung zu sorgen.

18

Die Beklagte zu 2) habe sich hier im Rahmen schlicht-hoheitlicher Verwaltung zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben privater Mittel bedient. Das auf der Grundlage eines privatrechtlichen Werkvertrags tätig gewordene Unternehmen sei auch nicht als Werkzeug

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der Behörde anzusehen, da diese nicht in weitgehendem Maße Einfluss auf die Durchführung der Arbeiten ausgeübt habe. Es sei daher allenfalls eine privatrechtliche Haftung des Unternehmens, jedoch keine Haftung der Beklagten zu 2) auf Grund öffentlich-rechtlichen Handelns gegeben.

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Im Übrigen scheitere eine Haftung an einem überwiegenden Mitverschulden des Klägers. Der deutlich erkennbare Schutthaufen sei bereits auf dem Hinweg vorhanden gewesen, als der Kläger die Familie A. aufgesucht habe. Auch auf dem Nachhauseweg sei für den Kläger auf der ausreichend beleuchteten Straße das Hindernis ohne weiteres erkennbar gewesen.

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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vornahme einer Augenscheinseinnahme der Unfallstelle bei Dunkelheit zwischen 20.30 Uhr und 21.45 Uhr sowie durch Vernehmung der Zeugen Reinhard A., Marianne A., Corinna H. und Markus H. an Ort und Stelle. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07. April 2005 (Bl. 59-65 d. A.) verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

22

Die beigezogene Akte 6072 Js 16446/03 - Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hat die Kammer zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

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Dem Kläger steht auf Grund des Unfallereignisses vom 22. Juli 2003 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz seines immateriellen und materiellen Schadens zu.

I.

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Eine persönliche Haftung des Beklagten zu 1) aus § 83 9 Abs. 1 BGB scheidet schon im Hinblick auf die Haftungsverlagerungsnorm des Art. 34 GG aus.

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Die Verkehrssicherungspflicht für Straßen einschließlich der Gehwege ist in Rheinland-Pfalz dem hoheitlichen Aufgabenbereich zugeordnet. Die Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen obliegt den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt (§ 48 Abs. 2 Landesstraßengesetz).

27

Hat der Beklagte zu 1) als Amtsträger - wie vom Kläger behauptet - in Ausübung des öffentlichen Amtes seine Pflichten verletzt, so trifft die Verantwortlichkeit die Körperschaft, in deren Diensten der Amtsträger steht (Art. 34 GG). Insoweit entfällt die persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Dritten.

II.

28

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) gemäß §§ 83 9 Abs. 1, 253 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG ist ebenfalls nicht gegeben.

1.

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Zur Durchführung einzelner Unterhaltungsmaßnahmen an öffentlichen Straßen sowie von Kanalbauarbeiten im Bereich des Straßenkörpers, wozu auch das im Streitfalle Auswechseln von Kanalabdeckungen zählt, kann die damit befasste Körperschaft selbstständige Unternehmer beauftragen, für deren Fehlverhalten der Staat nur dann nach bürgerlichem Recht haftet, wenn sie bei der Ausführung der Arbeiten in dem Maße dem Einfluss und der Direktion des Trägers öffentlicher Verwaltung ausgesetzt sind, dass sie als "verlängerter Arm" der Behörde erscheinen (MüKo/Papier, BGB;, 4. Aufl., § 83 9 Randnrn. 1, 3, 7).

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Vorliegend gibt es indessen keine Anhaltspunkte: dafür, dass die Firma B. GmbH durch Weisungsbefugnisse der Beklagten zu 2) derart eingeengt gewesen ist, dass sie als bloßes Werkzeug der öffentlichen Verwaltung tätig wurde. Sie hat vielmehr im Auftrag der Beklagten zu 2) die Arbeiten eigenverantwortlich ausgeführt, sodass sie für eine Verletzung von Sorgfaltspflichten im Rahmen dieser Arbeiten nach privatem Deliktsrecht haftet. Die der Beklagten zu 2) obliegende Sicherungspflicht ist bezüglich der fraglichen Arbeiten - Auswechseln der Kanalabdeckungen - auf Auswahl- und Überwachungspflichten reduziert worden (vgl. OLG Hamm, VersR 2000, 643).

2.

31

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte zu 2) kann sich vorliegend allerdings auf Grund des Umstandes ergeben, dass die Beklagte zu 2) unstreitig für das Abfahren des Aushubs verantwortlich war. Insoweit wäre sie gehalten gewesen, als sie den Aushub, der bei den Kanalabdeckungsarbeiten entstanden ist, nicht sogleich abholte, für dessen Absicherung zu sorgen, soweit er ein Hindernis im öffentlichen Verkehrsraum darstellte. Dass der Aushub den Fußgängerverkehr auf dem Gehweg zwischen dem Anwesen St.siedlung Nr. ... und Nr. ... behindert hat, wird auch von der Beklagten zu 2) nicht in Frage gestellt. Die Verkehrssicherungspflicht gebietet dann eine Warnung vor dem Hindernis, wenn für einen aufmerksamen Fußgänger die Gefahrenlage völlig überraschend eintritt und nicht ohne Weiteres erkennbar ist (BGH NJW 1979, 2044; BGHZ 108, 273).

32

Der Sinn von Verkehrssicherungspflichten liegt nicht darin, den Verkehr vor allen denkbaren Gefahren zu warnen oder ihn jeder eigenen Sorgfalt zu entheben; sie dienen vielmehr lediglich dazu, den Verkehr vor solchen Gefahren zu schützen, die er bei Anwendung der zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht erkennen und auf die er sich daher nicht sachgerecht einstellen kann. In der neueren Rechtsprechung wird zunehmend der Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer wieder stärker betont (vgl. OLG Zweibrücken OLGR 2000, 189).

33

Letztlich kann dahinstehen, ob der Beklagten zu 2) eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zur Last fällt. Eine Haftung der Beklagten zu 2) scheitert in jedem Falle an dem erheblichen Mitverschulden (§ 254 BGB) des Klägers. Angesichts dessen wäre der Verantwortungsbeitrag der Beklagten so gering einzuschätzen, dass eine Haftung entfiele.

34

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der auf dem: Gehweg gelagerte Aushub auf Grund seines Umfanges und der vorhandenen Straßenbeleuchtung für den Kläger deutlich erkennbar war. Er hätte das Hindernis daher - wie etwa 2 Stunden zuvor auf dem Hinweg zum Anwesen St.siedlung ... - ohne Schwierigkeiten umgehen können.

35

Nach den Aussagen der Zeugen Reinhard und Marianne A. sowie Markus H. war das Aushubmaterial auf einer Länge von mehr als 1 m gelagert und nahm die Breite des Gehwegs ein. Die Höhe des Aushubhaufens betrug ca. 30-40 cm; nach den Bekundungen des Zeugen H. hat die Höhe sogar bis zu 50 cm beitragen. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen A. und H. wurde der Aushub tagsüber auf dem Gehweg angeschüttet.

36

Die Kammer hat keine Veranlassung, die Richtigkeit der Zeugenaussagen in Zweifel zu ziehen, zumal sie auch vom Kläger selbst nicht in Frage gestellt wird.

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Die bei Dunkelheit durchgeführte Augenscheinseinnahme durch das Gericht hat ergeben, dass sich die Unfallstelle im Bereich von zwei Straßenlampen befindet, wobei die eine weniger als 20 m entfernt aufgestellt ist. Die Straße und der Gehweg an der Unfallstelle liegen im Lichtschein der Straßenbeleuchtung. Auch zur Unfall zeit sind nach den Bekundungen der Zeugin Marianne A. beide in der Nähe befindlichen Lampen eingeschaltet gewesen. Danach bestehen keine Zweifel, dass der Kläger das Aushubmaterial beim Verlassen des Grundstücks der Zeugen A. bei aufmerksamer Gehweise nicht übersehen konnte.

38

Da es sich, wovon sich das Gericht vor Ort überzeugt hat, bei der Straße St.siedlung um eine abgelegene Wohnstraße mit äußerst geringem Verkehrsaufkommen handelt, hätte der Kläger den Aushub unter Benutzung der Fahrbahn unschwer umgeben können. Nach alledem kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2) nicht bejaht werden.

III.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 108 ZPO.

41

Beschluss

42

Der Streitwert wird auf 9.000,00 Euro (Klageantrag zu 1) 5.000,00 Euro; Klageantrag zu 2) 4.000,00 Euro) festgesetzt.

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