Urteil vom Landgericht Kaiserslautern (4. Strafkammer) - 6042 Js 217/13 - 4 KLs
Tenor
1. Die Angeklagten H. O. und N. O. werden jeweils wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Bedrohung, gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und versuchter gemeinschaftlicher Nötigung sowie wegen gemeinschaftlicher Bedrohung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, verurteilt.
Das Verfahren wird eingestellt hinsichtlich des Anklagevorwurfs zur Tat vom Sommer 2011 auf Zypern.
Im Übrigen werden die Angeklagten freigesprochen.
2. Die Angeklagten H. O. und N. O. tragen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin G. O., soweit sie verurteilt wurden. Soweit die Angeklagten freigesprochen wurden und das Verfahren eingestellt wurde, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
3. Angewendete Vorschriften: §§ 224 Abs. 1 Nr. 4, 239 Abs. 1, 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB
Gründe
I.
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Zur Person des Angeklagten H. O.:
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Der Angeklagte H. O. wurde am … 1963 im türkischen S. geboren. Als Angehöriger der kurdischen Minderheit war es ihm verwehrt, ein aufgenommenes Hochschulstudium abzuschließen. Infolge politischen Engagements musste er Anfang der 90er-Jahre nach Deutschland fliehen, wo er zumindest bis Januar 2013 einen Dönerimbiss betrieb, der seinem Wohnhaus in K. angegliedert war. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern, darunter die Zeugin G. O. Erst einige Jahre nach seiner eigenen Flucht folgte ihm seine Familie nach Deutschland.
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Der Angeklagte H. O. ist nicht vorbestraft. Nach vorläufiger Festnahme am 06.01.2013 befand er sich in dieser Sache vom 07.01.2013 bis zum 22.01.2013 in Untersuchungshaft in der JVA Frankenthal aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 07.01.2013 (Az.: 2a Gs 13/13).
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Zur Person des Angeklagten N. O.:
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Der Angeklagte N. O. wurde am … 1983 im türkischen H. geboren und wuchs dort auch auf. Im Juli 2002 reiste er erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebte dort bis zu seiner Abschiebung im Januar 2004. Bevor er im Oktober 2012 seinen Lebensmittelpunkt erneut nach Deutschland verlegte, ging er im türkischen Teil Zyperns einer Tätigkeit als Koch nach. Zumindest bis Januar 2013 arbeitete er in einem Dönerimbiss, der dem Wohnhaus der Familie O. in K. angegliedert war. Eine im Juli 2011 geschlossene Ehe mit seiner Cousine väterlicherseits, der Zeugin G. O., wurde im Oktober 2013 geschieden. Gegenwärtig ist er erneut verheiratet und Vater eines Kindes. Es besteht eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 30.11.2017.
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Der Angeklagte N. O. ist nicht vorbestraft. Nach vorläufiger Festnahme am 06.01.2013 befand er sich in dieser Sache vom 07.01.2013 bis zum 13.05.2013 in Untersuchungshaft in der JVA Rohrbach aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 07.01.2013 (Az.: 2a Gs 14/13).
II.
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Im Jahr 2008 vereinbarte der Angeklagte H. O. mit seinem Bruder, dem Vater des Angeklagten N. O., dass seine Tochter, die am … 1992 geborene Zeugin G. O., den N. O. heiraten soll. Dadurch sollte dem in der Türkei lebenden Angeklagten N. O. der Zuzug nach Deutschland ermöglicht werden. Die Zeugin G. O. war an dieser Absprache nicht beteiligt. Sie erfuhr von ihrer Verlobung nach der Rückkehr von einer Klassenfahrt.
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Als die Zeugin G. O. ihren Vater damit konfrontierte, ihren Cousin, zu dem sie in den vergangenen Jahren nur sporadisch in Kontakt stand, nicht heiraten zu wollen, beharrte dieser auf der Verlobung. Er begründete seine Entscheidung damit, seinem Bruder und dessen Sohn einen Gefallen erweisen zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Vater des Angeklagten N. O. dem Angeklagten H. O. bereits Geld geliehen, um die Eröffnung eines Dönerladens in K. zu unterstützen, der als Lebensgrundlage für den Angeklagten N. O. dienen sollte.
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Im Sommer 2010 fuhr die Zeugin G. O. mit ihrer Familie in die Südosttürkei nach S., wo sie im Haus der Familie des Angeklagten N. O. wohnte. Der Anlass dieser Reise - nämlich die religiöse Trauung durch einen Imam - wurde der Zeugin G. O. verheimlicht. Ihr gegenüber wurde bei Reiseantritt wahrheitswidrig vorgegeben, es handele sich um einen gewöhnlichen Ferienaufenthalt. Erst vor Ort erfuhr sie, dass ihre eigene Hochzeit geplant ist. Der Zeugin G. O., die unter dem strengen Regiment ihres Vaters mit gewaltsamen Übergriffen groß geworden ist, war es nicht möglich, zu fliehen oder fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Kontaktdaten auf ihrem Handyspeicher waren gelöscht worden und sie stand in der abgelegenen türkischen Region unter Beobachtung durch ihre Familienangehörigen und die Familienangehörigen des Angeklagten N. O., von denen einige Schusswaffen trugen. Auch weil sie sich an das Schicksal einer anderen jungen Frau erinnert fühlte, die in einem Nachbarort von S. von ihrer Familie weglief und aus diesem Grund getötet worden sein soll, sah sie für sich keine realistische Fluchtmöglichkeit. Im Laufe des Aufenthalts fand die religiöse Hochzeit durch einen Imam statt.
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Im Sommer 2011 eröffnete der Angeklagte H. O. seiner Tochter, der Zeugin G. O., dass diese erneut in die Türkei fliegen müsse, um den Angeklagten N. O. nun auch standesamtlich zu heiraten. Zu diesem Zweck übergab er ihr Flugtickets nach Antup und weiter in den türkischen Teil Zyperns, wo der Angeklagte N. O. zu dieser Zeit als Koch arbeitete. Der Angeklagte H. O. begleitete seine Tochter bis in den Transitbereich des Flughafens und ließ sie von dort aus alleine in die Türkei reisen. Ob sie die Reise auch tatsächlich unternimmt, wurde von ihrem Vater durch regelmäßige Anrufe auf ihrem Handy kontrolliert.
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Auf Zypern kam der Angeklagte N. O. an einem Abend mit einer Flasche Rotwein nach Hause und forderte die Zeugin G. O. auf, diese leer zu trinken. Als sie sich weigerte, zerrte sie der Angeklagte N. O. ins Schlafzimmer, verschloss die Tür von innen und legte den Schlüssel für die Zeugin G. O. unerreichbar auf einem Kleiderschrank ab. Daraufhin warf er die Zeugin G. O. zunächst auf den Boden, dann auf das Bett, wobei sie mit dem Kopf gegen den Bettrahmen stieß und Schmerzen erlitt. Während die Zeugin G. O. weinte und schrie, zog er sie aus und vollzog an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr.
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Nach einem einwöchigen Aufenthalt auf Zypern flogen der Angeklagte N. O. und die Zeugin G. O. nach Antup und von dort weiter nach Urfa, wo Vorbereitungen für die standesamtliche Trauung getroffen wurden. Die standesamtliche Trauung erfolgte am 26.07.2011 in H.
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Danach begab sich die Zeugin G. O. wieder nach Deutschland, von wo aus sie auf Geheiß ihrer Familie die Weichen für den Zuzug des Angeklagten N. O. stellte. Sie nahm am 06.12.2011 die deutsche Staatsbürgerschaft an und stellte im folgenden Jahr beim Ausländeramt der Stadtverwaltung K. die für den Zuzug erforderlichen Anträge. Der Angeklagte N. O. erhielt ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung und reiste im Oktober 2012 nach Deutschland ein. Er nahm im Elternhaus der Zeugin G. O. in K. seinen Wohnsitz und arbeitete im angegliederten Dönerimbiss der Familie.
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Am späten Vormittag des 06.01.2013 hörte die Zeugin G. O. in ihrem Elternhaus ein Telefonat zwischen ihrem Bruder M. O. und dessen Ehefrau, einer Schwester des Angeklagten N. O., mit, in welchem der Zeugin, die inzwischen mit einem türkischen Staatsangehörigen in der Türkei liiert war, vorgeworfen wurde, die Familienehre zu beschmutzen. Daraufhin begab sie sich in den Dönerimbiss der Familie, um ihren dort arbeitenden Ehemann, den Angeklagten N. O., dazu aufzufordern, bei seiner Schwester ein gutes Wort für sie einzulegen. Es entwickelte sich eine heftige und lautstarke Auseinandersetzung, zu der dann auch der Vater der G. O., der Angeklagte H. O., hinzukam.
- 15
Als die Zeugin G. O. auf die Aufforderung ihres Vaters hin nicht schwieg, wurde sie von ihrem Vater und ihrem Ehemann überwältigt und gewaltsam in den Toilettenraum des Dönerimbisses gezerrt und dort am Boden festgehalten. Da es dem Angeklagten H. O. nicht gelang, den Mund der Zeugin G. O. mit Klebeband zuzukleben, drückte ihr Ehemann, der Angeklagte N. O., ihr beide Hände fest auf den Mund, sodass sie in Atemnot und Todesangst geriet. Außerdem stellte sich der Angeklagte H. O. mit den Füßen auf den Bauch der Zeugin, was ihm jedoch nur kurz gelang, da die Zeugin sich zur Seite wegdrehte. Während der Auseinandersetzung drohten ihr beide Angeklagten, sie umzubringen, weil sie die Familienehre beschmutzen würde. Auch wenn sie bei der Polizei etwas über den Vorfall sagen würde, würden sie sie finden und umbringen. Erst als die Mutter der Zeugin G. O. hinzukam, ließen sie von ihr ab.
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In Begleitung ihrer Mutter begab sich die Zeugin G. O. in das Wohnhaus, wo sie unter dem Vorwand, ihr sei übel, ins Badezimmer rannte und sich dort einsperrte. Mit ihrem Handy verständigte sie die Polizei. Nachdem die Angeklagten H. und N. O. auf das Telefonat aufmerksam geworden waren, kündigten sie der Zeugin G. O. durch die verschlossene Badezimmertür an, sie umzubringen. Sodann traten die Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken die Tür auf und wiesen die Zeugin G. O. an, gegenüber der Polizei anzugeben, sie hätte einen Selbstmordversuch unternommen. Sollte sie dies nicht tun, werde sie von ihnen umgebracht. Die Zeugin G. O. begab sich daraufhin in ihr Zimmer, wo sie sich aufhielt bis kurz darauf die Polizei eintraf. Im Rahmen ihrer ersten polizeilichen Vernehmung vom selben Tag sagte sie gegen die Angeklagten aus.
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Im Rahmen der Auseinandersetzung im Dönerimbiss erlitt die Zeugin G. O. Schmerzen und eine kleine Kratzwunde über dem rechten Jochbogen am Übergang zum Augenwinkel.
- 18
Seit den Vorfällen vom 06.01.2013 befindet sich die Zeugin G. O. in einem Zeugenschutzprogramm. Sie ist an einem unbekannten Ort untergebracht und erhält monatlich circa 400 Euro zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts.
III.
- 19
Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
- 20
Die Feststellungen zur Person des Angeklagten H. O. beruhen auf seinen Ausführungen im Rahmen des letzten Wortes, auf der glaubhaften Aussage der Zeugin G. O. sowohl in der Hauptverhandlung als auch gegenüber dem Sachverständigen G., der hierüber als Zeuge berichtete, und auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszugs vom 23. Mai 2016.
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Die Feststellungen zur Person des Angeklagten N. O. beruhen auf der glaubhaften Aussage der Zeugin G. O., auf einer mit seiner Zustimmung abgegebenen Verteidigererklärung, auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Bescheids über den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes des Landesverwaltungsamts Saarland vom 11.06.2014 (Bl. 583 ff. d.A.) und auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszugs vom 23. Mai 2016
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Feststellungen zur Sache
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Die Angeklagten H. O. und N. O. haben sich nicht zur Sache eingelassen. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Angaben der Zeugin G. O. Ihre Aussage wurde seitens der Kammer unter Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen geprüft und für glaubhaft befunden. Sie wird bestätigt durch das weitere Ergebnis der Beweisaufnahme.
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Die Zeugin G. O. hat im Wesentlichen wie folgt ausgesagt: Sie begann ihren Bericht damit, ihre Eltern hätten ihr, nachdem sie im Alter von 16 Jahren von einer Klassenfahrt nach Hause gekommen sei, ihre eigene Verlobung mit ihrem Cousin, dem Angeklagten N. O., bekannt gegeben. Sie hätten ihr ebenfalls mitgeteilt, die Verlobung ginge auf eine Vereinbarung zwischen ihrem Vater, dem Angeklagten H. O., und dessen Bruder, dem Vater des Angeklagten N. O. zurück. Sie sei hierüber schockiert gewesen. Zum Angeklagten N. O. habe sie zwar in der Kindheit häufiger Kontakt gehabt, vor der Verlobung hätten sie sich aber drei Jahre lang nicht gesehen und nur gelegentlich telefoniert. Sie habe ihren Eltern mitgeteilt, nicht mit dem Angeklagten N. O. verlobt sein zu wollen. Ihr Vater habe aber hierauf bestanden. Er habe ihr gesagt, er wolle seinem Bruder damit etwas Gutes tun und dessen Sohn den Zuzug nach Deutschland ermöglichen. Damit dieser hier arbeiten könne, werde er einen Dönerladen eröffnen, wofür er von seinem Bruder auch bereits Geld erhalten habe.
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Im September 2010 sei ihr dann von ihrem Vater mitgeteilt worden, die Familie werde in die Türkei in den Urlaub fahren. Nach dreitägiger Anreise mit dem Auto hätten sie in S. im Haus der Familie des Angeklagten N. O. gewohnt. Dort habe sie erfahren, dass eine Hochzeit ansteht. Auf ihre Frage „Wer heiratet denn?“ habe ihre Mutter geantwortet „Na Du!“. Sie sei von ihrer Familie und den Verwandten beaufsichtigt worden. Auch sei ihr gesagt worden, sie werde umgebracht, falls sie sich der Heirat verschließen werde. Die Hochzeitszeremonie sei von einem Imam durchgeführt worden. Der Imam habe Fragen zum Islam gestellt. Dann seien sie und der Angeklagte N. O. plötzlich verheiratet gewesen. Sie habe in dem Moment nicht gewusst, was mit ihr geschehen ist. Am Abend habe eine Feier stattgefunden, an der viele Leute aus dem Ort teilgenommen hätten. Sie habe ihr Hochzeitskleid vor der Feier abgelegt, weil sie sich darin unwohl gefühlt habe. Nach der Feier sei ihr ein weißes Tuch in die Hand gedrückt worden. Sie sei aufgefordert worden, das Tuch während der Hochzeitsnacht unter das Bettlaken zu legen.
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In der Hochzeitsnacht, sei sie vom Angeklagten N. O. zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden. Er habe sie mit beiden Armen umschlungen und so fest gedrückt, dass sie Schmerzen empfunden hätte. Er habe sie zu Boden geschubst und seinen Körper mit den Worten „Du bist jetzt meine Frau, ich gebe dich niemandem her“ auf sie gelegt. Dann habe er ihren Rock ausgezogen, ihren Intimbereich berührt und den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen. Im Anschluss habe der Angeklagte N. O. das weiße Tuch um ihren Unterleib gewickelt. Damit habe sie sich auf das Bett setzen sollen. Anhand des Blutes sei festgestellt worden, dass sie noch Jungfrau war. Nach der Hochzeitsnacht habe sie für drei Tage das Haus nicht verlassen dürfen. In dieser Zeit sei ihr übel gewesen und sie habe sich schlecht gefühlt. Sie sei frustriert gewesen und habe Hass auf ihre Eltern empfunden. Nach einem insgesamt dreiwöchigen Aufenthalt in der Türkei seien sie zurück nach Deutschland gereist.
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Die Zeugin berichtete weiter, einige Zeit später sei ihr von ihren Eltern mitgeteilt worden, der Angeklagte N. O. müsse möglichst bald nach Deutschland kommen, denn seine Familie würde hierauf drängen. Ihr Vater habe diesem Wunsch entsprechen müssen, weil er der Familie Geld geschuldet habe. Sie habe dann am 06.12.2011 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Ihr sei aufgegeben worden, nun häufiger zu Hause zu bleiben und sich auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. Da sie hiermit unzufrieden gewesen sei, sei sie zu ihrem Freund, den sie über das Internet kennen gelernt habe, in die Türkei geflohen. Nach wenigen Tagen sei sie aber wieder nach Deutschland zurückgekehrt, um sich von der Universität abzumelden. Dann habe sie erneut ihre Koffer gepackt und sei wieder zu ihrem Freund in die Türkei gereist. Dort sei sie geblieben, bis ihre Mutter und ihr Bruder sie aufgespürt hätten. Durch eine Anfrage bei ihrer Facebookfreundin, der Zeugin S. Y., hätten sie ihren Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht. Nach ihrer Ankunft in der Türkei seien sie gemeinsam zur Polizei gegangen, wo ein Gespräch zwischen ihr und ihrer Mutter im Beisein einer Polizeibeamtin stattgefunden habe. Ihre Mutter habe ihr in dem Gespräch in Aussicht gestellt, sie könne frei leben, falls sie erreichen würde, dass ihr Ehemann nach Deutschland ziehen kann.
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Die Zeugin gab weiter an, sie habe nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst ihre Facebookfreundin S. Y. in Bochum besucht. Gemeinsam seien sie weiter nach K. gefahren und aufs Ausländeramt gegangen, um dem Angeklagten N. O. den Zuzug nach Deutschland zu ermöglichen. Dort habe sie aber erfahren müssen, dass hierfür noch weitere Unterlagen erforderlich waren. Zu Hause sei sie deswegen stark unter Druck gesetzt und zeitweise sogar in ihrem Zimmer eingeschlossen worden.
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Am Tag des Vorfalls im Dönerimbiss habe sie morgens einen telefonischen Streit zwischen ihrem Bruder, dem Zeugen M. O., und seiner Ehefrau, einer Schwester des Angeklagten N. O., mitbekommen. Während des Telefonats habe die Ehefrau gesagt, sie, die G. O., habe die Ehre der Familie durch ihr Verhalten beschmutzt. Ihr Bruder habe ihr, der G. O., ebenfalls Vorwürfe gemacht. Dies habe sie sehr belastet. Sie habe das Gefühl gehabt, für alles verantwortlich gemacht zu werden. Daher sei sie zu ihrem Ehemann, dem Angeklagten N. O., in den Dönerimbiss gegangen, wo dieser gearbeitet habe. Sie habe ihn bitten wollen, bei seiner Schwester ein gutes Wort für sie einzulegen. Sie habe an die Hintertür des Dönerladens geklopft. Da er nicht aufgemacht habe, habe sie gegen die Hintertür gehämmert. Dennoch habe er nicht geöffnet. Sie habe den Dönerimbiss daher durch die vordere Eingangstür betreten. Ihr Ehemann sei auf sie zugelaufen, habe sie geschubst und ihr vorgeworfen, zu viel Lärm zu veranstalten. Er habe sie als Hure tituliert. G. O. berichtete weiter, sie habe ihren Ehemann dazu aufgefordert, mit seiner Schwester zu sprechen und bei ihr ein gutes Wort für sie einzulegen. Daraufhin sei der Streit heftiger geworden und der Angeklagte N. O. habe rumgebrüllt.
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Dann habe ihr Vater, der Angeklagte H. O., den Dönerimbiss betreten und sie aufgefordert, still zu sein. Nachdem sie ihm die Situation zu erklären versucht habe, habe er den Dönerimbiss kurz verlassen und sei mit Klebeband wiedergekommen. G. O. gab an, sie habe zunächst nicht verstanden, was das sollte. Ihr Vater sei auf sie zugegangen und habe gesagt, sie würde nur Schande über die Familie bringen. Sie habe Angst gehabt, von ihm geschlagen zu werden. Daher habe sie eine Eisenstange, die auf der Theke des Dönerimbisses gelegen habe, ergriffen und diese drohend in Richtung des Vaters erhoben. Sie sei jedoch von ihrem Vater und ihrem Ehemann überwältigt worden. Sie sei von ihnen auf den Boden geworfen und in den Toilettenraum des Dönerimbisses gezogen worden. Dort sei sie von beiden am Boden festgehalten worden. Ihr Vater habe vergeblich versucht, ihr den Mund mit Klebeband zuzukleben. Daraufhin habe ihr Ehemann mit beiden Händen ihren Mund umgriffen und zugedrückt. Sie habe Atemnot bekommen und gedacht, sie müsse nun sterben. Sie habe nicht mehr schreien können. Zudem habe sich ihr Vater mit den Füßen auf ihren Bauch gestellt. Da sie sich weggedreht habe, sei er dabei gestürzt. Während sie auf dem Boden gelegen habe, hätten ihr Vater und ihr Ehemann zu ihr gesagt, es wäre besser, sie nun umzubringen, weil sie die Familienehre beschmutzen würde. Auch hätten beide gesagt, sie würden sie finden und umbringen, falls sie die Polizei informieren würde.
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Als ihre Mutter, die Zeugin G. O., zu ihnen in den Dönerimbiss gestoßen sei, hätten ihr Vater und ihr Ehemann von ihr abgelassen. Ihre Mutter habe ihr mit einem T-Shirt durch das Gesicht gewischt. Ihr Vater habe ihren Ehemann ins Wohnhaus geschickt, um ihr Handy zu finden, welches sie allerdings in ihrem Pullover versteckt habe. Sie sei von ihrer Mutter in das Wohnhaus geführt worden, weil sie vorgegeben habe, Übelkeit und Schmerzen zu haben. Dort sei sie auf die Toilette gerannt, habe sich eingeschlossen und mit ihrem Handy die Polizei alarmiert.
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G. O. gab weiter an, ihr Vater und ihr Ehemann seien nach dem Notruf an die verschlossene Toilettentür gekommen und hätten ihr zugerufen, sie würden sie töten noch bevor die Polizei eintrifft. Beide hätten dann mit Gewalt die Tür aufgebrochen. Ihr Bruder sei nun ebenfalls dabei gewesen und habe versucht, sie zu schlagen. Ihr Vater und ihr Ehemann hätten sie aufgefordert, sie solle bei der Polizei angeben, sie hätte einen Selbstmordversuch unternommen. Andernfalls würden sie sie umbringen. Von ihrem Ehemann sei sie dann auf ihr Zimmer gebracht worden. Dort habe sie sich bis zum Eintreffen der Polizei aufgehalten.
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Im Anschluss an ihren freien Bericht beantwortete die Zeugin G. O. Fragen.
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Auf die Frage, ob es auch eine standesamtliche Hochzeit gegeben habe, antwortete G. O., eine solche habe am 26.07.2011 in H. stattgefunden. Der Angeklagte N. O. habe zuvor in Urfa Hochzeitsfotos anfertigen lassen. Dies sei kompliziert gewesen, da an dem Tag fast alle Fotoshops geschlossen gewesen seien. Mit den Hochzeitsfotos seien sie zum Standesamt gefahren. Sie hätten eine Unterschrift geleistet und seien dann verheiratet gewesen. Dies sei etwa ein Jahr nach der Imam-Hochzeit gewesen.
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Auf die ergänzende Frage nach dem Ablauf der standesamtlichen Hochzeit schilderte G. O., ihr Vater habe die Reise in die Türkei organisiert. Als sie im Sommer 2011 mit Kopfhörern auf ihrem Bett gelegen habe, habe er ihr mitgeteilt, sie müsse abermals in die Türkei reisen, um dort ein zweites Mal zu heiraten. Zunächst habe sie das nicht ganz geglaubt, doch dann habe sie gemerkt, dass ihr Vater es ernst meint. Er habe sie mit Tickets für einen Flug nach Antup und einen Anschlussflug nach Zypern ausgestattet und sie in den Transitbereich des Flughafens gebracht. Während der Reise sei sie dann ständig telefonisch nach ihrem jeweiligen Aufenthaltsort befragt worden. Von Zypern aus sei sie später gemeinsam mit dem Angeklagten N. O. wieder über Antup nach Urfa gereist, wo sie die Hochzeitsbilder anfertigen ließen. Auf Vorhalt eines Ausschnitts aus ihrer richterlichen Vernehmung vom 15.10.2013 (Bl. 15 der Verschriftlichung) „Besucht habe ich ihn auf Zypern, weil mein Vater mich dazu gezwungen hat, für ihn rüberzugehen, nur dass die Heiratsurkunde entsteht, und durch die Heiratsurkunde kann er sich in Deutschland sehen lassen.“ gab sie an, nicht mehr zu wissen, was sie damals mit dem Begriff „Zwang“ gemeint habe.
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Nach Schwangerschaften befragt, antwortete G. O., sie habe vom Angeklagten N. O. ein Kind erwartet. Ihre Familie habe ihr untersagt, deswegen zum Frauenarzt zu gehen. Da sie zu der Zeit im Dönerladen gearbeitet habe, ihrer Familie im Haushalt behilflich gewesen sei und den Pflichten als Ehefrau habe nachkommen müssen, sei ihr Leben sehr anstrengend gewesen. Ihr Ehemann habe eines Tages herausgefunden, dass sie über das Internet einen anderen Mann kennen gelernt hatte. Hiermit habe er ihre Eltern konfrontiert. Diese hätten ihr daraufhin das Handy weggenommen und ihr die Benutzung des Internets untersagt. Dies habe sie derart belastet, dass es nachts zu einer Fehlgeburt gekommen sei. Sie habe Schmerzen im Unterleib gehabt, die sie nicht konkret habe einordnen können. Dann sei es zu starken Blutungen, Schwindel und Übelkeit gekommen. Sie habe ihren Eltern nichts davon erzählt. Da die Blutungen auch am nächsten Tag angedauert hätten, sei sie mit einer Nachbarin zur Frauenärztin gegangen. Dort sei eine Fehlgeburt festgestellt worden.
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Auf die Frage, ob es abgesehen von der Hochzeitsnacht sexuelle Übergriffe durch den Angeklagten N. O. gegeben habe, erklärte G. O., unmittelbar vor der standesamtlichen Hochzeit im Sommer 2011 sei es auf Zypern zum erzwungenen Geschlechtsverkehr gekommen. Der Angeklagte N. O. habe im türkischen Teil Zyperns als Koch gearbeitet. An einem Abend sei er mit einer Flasche Rotwein nach Hause gekommen und habe sie dazu aufgefordert, diese leer zu trinken. Sie habe sich jedoch geweigert. Dann habe er sie ins Schlafzimmer gezerrt, die Tür von innen abgeschlossen und den Zimmerschlüssel auf den Kleiderschrank gelegt, sodass sie ihn nicht habe erreichen können. Der Angeklagte N. O. habe sie auf den Boden geschubst und aufs Bett gezerrt. Dabei sei sie mit dem Kopf gegen den Bettrahmen gestoßen, was zu erheblichen Schmerzen geführt habe. Er habe sie ausgezogen, im Intimbereich angefasst und mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt. Währenddessen habe sie geschrien und geweint.
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Auf die Bitte, die Schilderung zum Vorfall auf Zypern zu konkretisieren, erklärte G. O., der Angeklagte N. O. habe die Tür hinter ihnen verschlossen und sie dann geschubst. Sie habe sich zunächst wehren wollen und ihn auch geschubst, er sei allerdings stärker gewesen. Anschließend habe er sie auf den Boden gestoßen und ihre Hände zusammen gehalten. Sie habe ihn zwar noch bespuckt, konnte ihn jedoch nicht von sich wegdrängen. Dann habe er sie auf das Bett gezerrt, wobei sie sich gestoßen habe.
- 39
Auf eine Frage nach dem Ablauf der Imam-Hochzeit schilderte G. O., sie und der Angeklagte N. O. hätten zusammen mit zwei männlichen Trauzeugen in einem Raum gesessen. Ihnen gegenüber habe sich ein Fenster befunden, durch welches sie von der Verwandtschaft beobachtet worden seien. Viele Männer hätten an dem Tag Schusswaffen getragen. Sie habe das Gefühl gehabt, sie werde umgebracht, wenn sie sich der Hochzeit nicht fügen würde. Sie sei im Umfeld der Hochzeit ständig beobachtet worden und hätte noch nicht einmal alleine zur Toilette gehen dürfen. Die Kontaktdaten auf ihrem Handyspeicher seien nach ihrer Ankunft in S. gelöscht worden. In der Region habe es keine Telefonzelle und nur wenige Autos gegeben. Die nächste Stadt sei circa eine Stunde weit entfernt gewesen.
- 40
Nach ihren persönlichen Plänen vor der Heirat mit dem Angeklagten N. O. befragt, gab G. O. an, sie habe auf eigenen Füßen stehen und nicht von einem Mann abhängig sein wollen. Dafür habe sie sich die Unterstützung ihrer Eltern erhofft. Vor ihrer Verlobung habe sie wenigstens noch einigermaßen frei leben können. Sie habe beispielsweise mit auf Klassenfahrten fahren dürfen. Da ihre Eltern besorgt gewesen seien, sie würde sich die deutsche Kultur aneignen, habe sie jedoch auch schon damals keine Geburtstagsfeiern besuchen dürfen. Über diese Einschränkungen hinaus habe sie regelmäßig Gewalt durch ihren Vater erfahren. Er habe ihr ins Gesicht geschlagen oder sie getreten, wenn sie seinen Anweisungen nicht Folge geleistet habe oder andere Ansichten als er vertreten habe.
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Auf eine Frage nach ihrer Reaktion auf die Verlobung antwortete die Zeugin G. O., der Gedanke, ihren eigenen Cousin zu heiraten, sei für sie unerträglich gewesen. Sie habe ihn als Verwandten und damit ähnlich wie einen Bruder wahrgenommen. Da ihre Eltern ebenfalls Cousin und Cousine seien und wegen ihrer Herkunft nichts anderes als Verwandtenehen kennen würden, könne sie deren Haltung aber ein wenig nachvollziehen. Ihre Mutter habe ihr damals in Aussicht gestellt, gegen die Hochzeit einzutreten, falls der Angeklagte N. O. und sie dieselbe Blutgruppe aufweisen würden. Sie sei wohl davon ausgegangen, dass dies automatisch zu einer Behinderung der gemeinsamen Kinder führen würde. Ihrem Vater, dem Angeklagten H. O., sei die Blutgruppe egal gewesen. Er habe erklärt, ihr Ehemann könne keine andere Person als der Angeklagte N. O. werden.
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Danach befragt, warum sie freiwillig wieder zurück nach Deutschland gekehrt sei, nachdem ihre Mutter und ihr Bruder sie in der Türkei aufgespürt hatten, antwortete sie, sie habe auch befürchtet, ihr Freund könne in erhebliche Schwierigkeiten geraten, wenn seine Familie, die ebenfalls sehr traditionell eingestellt gewesen sei, von ihrer Vorgeschichte erfahren hätte. Sie habe auf keinen Fall gewollt, dass es deshalb weiteren Ärger gibt. Sie habe sich gedacht „Dann soll N. O. halt nach Deutschland kommen. Dann ist alles vorbei.“ Sie sei jedoch enttäuscht worden. Denn entgegen der Zusicherungen durch ihre Familie und durch die Zeugin S. Y., wonach sie bloß einen Termin im Ausländeramt hätte wahrnehmen und eine Unterschrift hätte leisten müssen, sei alles viel komplizierter gewesen. Sie habe das Gefühl, die Zeugin S. Y. habe in diesem Punkt mit ihren Eltern bewusst zusammengearbeitet, um sie täuschen.
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Nach dem Grund für ihre Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm und ihre derzeitige Lebensgrundlage befragt, gab die Zeugin G. O. an, dies sei unmittelbar im Anschluss an den Vorfall im Januar 2013 mit den Polizeibeamten erörtert worden. Man habe befürchtet, der Angeklagte N. O., dessen Familie oder ihre eigene Familie würde sie töten. Sie sei deshalb zunächst in einem Frauenhaus untergebracht worden. Jetzt befände sie sich an einem geheimen Ort. Der Zeugenschutz stelle ihr monatlich 400 Euro zur Verfügung, welche ihr vom Arbeitsamt ausgezahlt würden.
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Danach befragt, welche Verletzungen sie bei dem Vorfall im Januar 2013 davon getragen habe, antwortete G. O., sie habe Schmerzen am Ohr und im Bauchbereich erlitten. Ein Ohrring sei verbogen gewesen. Sie habe auch einen Kratzer am Auge abbekommen. Des Weiteren gehe sie davon aus, dass sie an der Lippe geblutet habe, weil ihre Mutter mit einem T-Shirt durch ihr Gesicht gewischt habe.
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Im Anschluss an die Frage, ob sie auch dauerhafte Verletzungsfolgen aufweise, erlitt die Zeugin einen spontanen Weinkrampf. Sie gab an, gelegentlich unter plötzlichem Herzrasen zu leiden, und nachts von Alpträumen geplagt zu werden. Die Alpträume würden in Überhängen enden und sie sei orientierungslos, wenn sie aufwacht. Zur Beruhigung nehme sie Medikamente. Auf die Frage nach dem Beginn dieser Symptome schildert die Zeugin, dass sie erst nach dem Weggang von der Familie aufgetreten seien.
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Auf die Frage, warum sie sich bei der Imam-Hochzeit nicht an die Polizei gewendet habe, antwortete G. O., sie sei sich nicht sicher gewesen, ob die Polizei überhaupt gekommen wäre. Jedenfalls wäre sie noch vor dem Eintreffen der Polizei getötet worden. Aus dem Nachbarort sei ihr ein Vorfall bekannt geworden, bei dem eine andere Familie eine weggelaufene Frau von der Polizei aufspüren ließ und später tötete. Dies habe sie ständig vor Augen gehabt.
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Abermals zum Ablauf der Imam-Hochzeit befragt, gab G. O. an, sie sei am Morgen mit der Schwester des Angeklagten N. O. beim Frisör gewesen. Der Angeklagte N. O. habe sie dorthin gefahren und später auch wieder abgeholt. Bei ihrer Rückkehr im Dorf sei laute Musik gespielt worden und auf dem Anwesen ihres Onkels hätten sich viele Gäste versammelt, die zum Teil bewaffnet gewesen seien. Dann sei im Hof ein Schaf geschlachtet worden, dessen Blut man ihr auf die Stirn geschmiert habe. Sie habe sich im übertragenen Sinne in dem geschlachteten Schaf wiedererkannt und sei in Tränen ausgebrochen. Ihr Vater, der Angeklagte H. O., sei peinlich berührt gewesen. Er habe den anderen Gästen zugerufen, ihre Reaktion sei auf ihre große Tierliebe zurückzuführen. Während der Zeremonie habe sie mit dem Angeklagten N. O. auf einer Couch gesessen. Zwei weitere Männer, die als Trauzeugen fungiert hätten, seien ebenfalls im Raum gewesen. Sie habe ein Kopftuch tragen müssen. Der Imam habe mehrere Fragen zum Islam gestellt, die der Angeklagte N. O. beantworten konnte. G. O. gab an, sie selbst habe die Fragen nicht beantworten können, weshalb sie nur mit dem Kopf geschüttelt habe, wenn sie vom Imam angesprochen worden sei. Der Imam habe zu ihr gesagt: „Nichts über den Islam zu wissen, ist nicht schlimm. Nichts über den Islam wissen zu wollen ist aber sehr schlimm.“ Nach den Fragen habe er sie und den Angeklagten N. O. zu Mann und Frau erklärt. Sie habe dann auf ihr Zimmer gehen dürfen. Dort habe sie ihr Brautkleid ausgezogen, weil sie sich darin unwohl gefühlt habe. Ohne das Brautkleid sei sie anschließend auf die Hochzeitsfeier gegangen. Der Angeklagte N. O. habe sie nun vor allen Gästen angeschrien und sie aufgefordert, das Brautkleid wieder anzuziehen. Sein Bruder habe ihn aber wieder beruhigen können. Später sei ihr dann das weiße Tuch überreicht worden. Sie habe den Angeklagten N. O. darum gebeten, das Tuch unbenutzt zu lassen, weil sie sich geschämt habe. Er habe daraufhin jedoch nur gesagt: „Zweifelst du an deiner Jungfräulichkeit? Du weißt, was passiert, wenn du nicht mehr jungfräulich bist. Dann töten wir dich!“ Nach der Hochzeitsnacht habe sie das Haus drei Tage lang nicht verlassen dürfen.
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Auf ihren türkischen Freund angesprochen, gab G. O. an, sie habe „Ibrahim“ im Jahr 2009 über das Internet kennen gelernt. Sie habe sich von ihm zum ersten Mal in ihrem Leben verstanden gefühlt und sich in ihn verliebt. Hierzu führte sie weiter aus: „Es war die Sehnsucht nach Liebe. Ich hatte sie gefunden. Ich kannte das Gefühl vorher nicht.“ Nach der Imam-Hochzeit habe sie den Kontakt zu ihm abgebrochen, um ihn nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Da sie nach zwei Jahren zufällig von einem gemeinsamen Bekannten erfahren habe, dass Ibrahim unter dem Kontaktabbruch sehr gelitten habe, habe sie ihm wieder über das Internet geschrieben und ihm auch von der Zwangsheirat erzählt. Ibrahim habe ihr helfen wollen. Während der ersten Woche des Studiums sei zu ihm in die Türkei gereist. Weil sie befürchtet habe, im Falle dauerhaften Fernbleibens von der Universität zwangsexmatrikuliert zu werden und nie mehr ein Studium aufnehmen zu dürfen, sei sie nach kurzer Zeit nach Deutschland zurückgekehrt, um sich ordnungsgemäß von der Universität abzumelden. Dann sei sie abermals in die Türkei zu Ibrahim gereist, wobei sie kein Rückflugticket gekauft habe. Ihre Familie habe sie dann jedoch aufgespürt.
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Sachverständig beraten ist die Kammer der Überzeugung, dass die Aussage der Zeugin G. O. auf einem realen Erlebnishintergrund basiert.
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In ihren in sich stimmigen und vollumfänglich nachvollziehbaren Ausführungen, denen die Kammer nach eigener Prüfung folgt, kamen die Sachverständigen Prof. Dr. med. B. G. und Diplompsychologe H. S. zu dem Ergebnis, dass an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. O. keine Zweifel bestehen. Der Sachverständige G. explorierte die Zeugin im Jahr 2013 in einem zweitägigen Gespräch und ließ seine Beobachtungen aus der Hauptverhandlung in die Bewertung von Aussagequalität und Aussageverlässlichkeit einfließen. Die Aussagetüchtigkeit wurde durch den ebenfalls in der Hauptverhandlung anwesenden Sachverständigen S. begutachtet, der die Zeugin im Jahr 2013 unabhängig vom Sachverständigen G. über einen Zeitraum von zwei Tagen explorierte und testpsychologisch untersuchte.
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Inhaltlich führte der Sachverständige S. aus, die Aussagetüchtigkeit der Zeugin G. O. sei in leistungspsychologischer und persönlichkeitspsychologischer Hinsicht gegeben.
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Im leistungspsychologischen Bereich habe sich testpsychologisch feststellen lassen, dass die Intelligenz der G. O. im normativen Durchschnittsbereich liegt, ebenso wie ihre Konzentrationsfähigkeit und ihre verbale Merk- und Gedächtnisleistung. Es habe keine Anhaltspunkte für relevante Auffassungs-, Verarbeitungs- oder Erinnerungsmängel gegeben. In leistungspsychologischer Hinsicht seien daher keine Einschränkungen der Aussagetüchtigkeit anzunehmen.
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In persönlichkeitspsychologischer Hinsicht habe sich ebenfalls keine Einschränkung der Aussagetüchtigkeit feststellen lassen. G. O. sei im Gespräch freundlich-zugewandt, kooperativ und auskunftsbereit gewesen. Sie habe in ihren Schilderungen nicht demonstrativ gewirkt und die Vorkommnisse nicht unangemessen dramatisiert. Sie sei ruhig und unaufgeregt gewesen. Nur im Zusammenhang mit der Schilderung der Tatvorgänge habe sie einmal völlig unerwartet die Fassung verloren und mit den Tränen gekämpft. Phantastische Ausschmückungen und künstlich-unechte Affekte seien nicht zu beobachten gewesen. Testpsychologische Untersuchungen zur Persönlichkeitsstruktur hätten eine submissive psychische Tendenz aufgezeigt, sodass spontane reaktive Aggressivität oder Erregbarkeit als Verhaltenscharakteristiken ausgeschlossen werden könnten. Untersuchungen zur Evaluierung von Wahrnehmungs- und Denkstilen hätten realistische Wahrnehmungsabläufe und eine präzise Beobachtungsgabe ergeben. G. O. zeichne sich insgesamt durch eine ernsthafte, nicht spielerische Lebensgrundeinstellung aus und verfüge über eine intakte Realitätsprüfungskompetenz.
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Darüber hinaus seien in den testpsychologischen Verfahren aber auch extreme Werte zu sozialer Erwünschtheit sowie eine Neigung zur Selbstidealisierung aufgefallen. Diese Eigenschaften, welche verhaltensmäßig nicht zu beobachten gewesen wären, könnten die Aussagetüchtigkeit grundsätzlich relativieren. Im Falle der G. O. sei dies aber ausgeschlossen, weil sich Hinweise für das Bestehen einer deutlichen psychischen Traumatisierung finden ließen.
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So seien bei ihr im Rahmen der Exploration unterschwellige Ängste zu erkennen gewesen. Sie habe sich sehr schreckhaft verhalten, beispielsweise sei sie beim Zuschlagen eines Fensters inadäquat zusammengezuckt. In Kongruenz hiermit hätten sich auch testpsychologisch hohe Angstwerte (Prozentrang 99,9) gezeigt. Die Zeugin weise des Weiteren depressive Symptome wie Sorgenhaftigkeit, Selbstzweifel, allgemeines Unglücklichsein und eingeschränkte Lebenszufriedenheit auf. Übereinstimmend damit hätten die Persönlichkeitstests einen starken Leidensdruck aufgezeigt.
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Bei Einbeziehung dieser psychoemotionalen Begebenheiten sei zu schlussfolgern, dass die im Persönlichkeitstest gezeigte Neigung zu sozialer Erwünschtheit und Selbstidealisierung aus der gefühlten Notwendigkeit der Zeugin entstanden ist, sich angesichts der in der Familie erfahrenen Ablehnung möglichst fehlerlos und sozial unauffällig darzustellen. Das Verhalten bei der Durchführung des Persönlichkeitstests sei daher als Reaktion mit Selbstverteidigungscharakter zu bewerten und hätte keinen Einfluss auf ihre Aussagetüchtigkeit.
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Der Sachverständige G. führte aus, die Aussage der G. O. sei gemessen an Aussagequalität und Aussageverlässlichkeit unzweifelhaft glaubhaft. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen S. sehe er im Übrigen auch ihre Aussagetüchtigkeit als gegeben an.
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Inhaltlich ging der Sachverständige zunächst auf den biographischen Hintergrund und die Psychopathologie der G. O. ein. Im Alter von fünf Jahren sei sie aus der Türkei nach Deutschland gezogen und gemeinsam mit drei Geschwistern bei ihren Eltern aufgewachsen. Den Vater, der bereits vor der restlichen Familie nach Deutschland geflüchtet sei, habe sie zunächst als fremd erlebt. Er habe zu Gewaltausbrüchen geneigt, die sich gegen alle Familienmitglieder gerichtet hätten. Von ihren Eltern sei sie stets mit viel Misstrauen behandelt worden. Der Kontakt zu gleichaltrigen Kindern sei ihr teilweise verwehrt worden. Ihren späteren Ehemann, den Angeklagten N. O., habe sie ursprünglich als Bruder wahrgenommen. Er sei ihr aber unsympathisch gewesen, weil er ihr als Kind einmal die Haare abgeschnitten hätte.
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In psychopathologischer Hinsicht sei davon auszugehen, dass die Zeugin ursprünglich keine psychiatrischen Erkrankungen aufgewiesen habe. Im Rahmen der Exploration seien aber Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung erkennbar gewesen. So habe sich die Zeugin im Kontakt als sehr nervös und ängstlich erwiesen. Des Weiteren habe sie von intrusiven Alpträumen und Flashbacks berichtet. Unter intrusiven Alpträumen verstünde man Traumsequenzen, die sich nicht durch Aufwachen auflösen sondern in den Wachzustand übergehen. Flashbacks seien Erinnerungen, die wie Filme wahrgenommen werden und nicht bewusst beendet werden können. Die Auffälligkeiten seien innerhalb von sechs Monaten nach den Ereignissen vom 06.01.2013 erstmals aufgetreten, was als diagnostisches Kriterium für eine Posttraumatische Belastungsstörung gelte.
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Der Sachverständige G. wies darauf hin, dieser psychopathologische Befund müsse als Zeichen einer Reaktionsbildung auf ein tatsächlich stattgefundenes Geschehen außergewöhnlicher Bedrohung verstanden werden. Er wies weiter darauf hin, die Aussagetüchtigkeit werde hiervon aber nicht berührt.
- 61
Die Qualität und die Verlässlichkeit der Aussage der Zeugin G. O. beurteilte der Sachverständige G. anhand der Realkennzeichen nach Steller und Köhnken. Er führte aus, aufgrund des Vorliegens vieler hochwertiger Realkennzeichen sei kein anderer Schluss als die Glaubhaftigkeit der Aussage zuzulassen.
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Zur Prüfung der Aussagekonstanz habe er die Zeugin an getrennten Tagen exploriert und ihre Angaben mit dem Inhalt ihrer polizeilichen und gerichtlichen Vernehmungen abgeglichen. Während die Kernaussage weitestgehend unverändert geblieben sei, habe sich im zeitlichen Verlauf ein höherer Detaillierungsgrad im Randgeschehen gezeigt. Dies sei in dieser Weise bei einer glaubhaften Aussage zu erwarten. Auch der Umstand, dass die Zeugin G. O. die sexuellen Übergriffe durch den Angeklagten N. O. zum Teil erst spät erwähnt habe, sei psychologisch nachvollziehbar, weil es sich dabei um schambesetzte Themen handele. Scham sei ebenfalls der Grund dafür, dass die Schilderungen zu den sexuellen Übergriffen wenig, aber immer noch ausreichend Plastizität besäßen.
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In den Bekundungen der Zeugin seien logische Brüche nicht erkennbar gewesen. Dies entspräche der Beobachtung in der Hauptverhandlung. Die Zeugin habe die Geschehnisse vielmehr in einer logisch nachvollziehbaren, zeitlich wie örtlich und situativ trennscharfen Weise eingeordnet. Da es Brüche in der Chronologie gegeben habe, sei nicht der Eindruck einer vorgefertigten Geschichte entstanden.
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Der Sachverständige G. führte weiter aus, die Schilderungen der Zeugin G. O. verfügten über originelle Details und typische ethnische Spezifika. Hierzu zähle unter anderem der Deflorationsbeweis in der Hochzeitsnacht oder eine Art Teufelsaustreibung, die ihr Vater durch Ausstreuen von Salz an ihr vorgenommen habe. Auch gäbe es indirekt handlungsbezogene Schilderungen wie den Streit des Bruders mit dessen Ehefrau am Morgen des 06.01.2013. Im fehlgeschlagenen Anwendungsversuch von Klebeband durch den Vater läge zudem eine phänomengemäße Schilderung unverstandener Handlungselemente.
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G. O. habe für alle Ereignisse komplexe Interaktionsgeschehen geschildert. Besonders hervorzuheben sei die Dynamik im Rahmen der Angriffe in Dönerimbiss und Wohnhaus vom 06.01.2013 und die nachvollziehbare Darstellung der eskalierenden Gewalt seitens des Vaters und des damaligen Ehemannes. Auch habe sie Beschreibungen eigener psychischer Vorgänge in ihre Schilderung integriert. Hierzu zählten Angst, Ohnmachtsgefühle und das Gefühl von Unentrinnbarkeit während der religiösen Hochzeitszeremonie in der Türkei. Schließlich habe sie die Angeklagten zwar nicht explizit entlastet, sie habe aber in Teilen Verständnis für deren Verhalten aufgrund ihrer soziokulturellen Einbindung gezeigt.
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Der Sachverständige erörterte darüber hinaus, ob die Zeugin G. O. ihre Schilderungen eingesetzt haben könnte, um sich an den Angeklagten für früher erfahrenes Unrecht zu rächen. Diese Alternativhypothese sei aber bereits mit ihrem ängstlichen und submissiven Wesen nicht zu vereinbaren. Zudem habe sie neben ihrem Vater und ihrem damaligen Ehemann, die sie für ihre Unterdrückung verantwortlich mache, auch ihren Bruder beschuldigt. So habe sie angegeben, dieser habe bei der Auseinandersetzung im Badezimmer ebenfalls versucht, sie zu schlagen. Im Falle des Vorliegens eines Rachemotivs sei eine solche Ausweitung der Anschuldigungen eher nicht zu erwarten. Schließlich würde der Zeugin G. O. die Rache an ihren Familienmitgliedern nicht als dauerhafte Entlastung dienen, da sie in einen großen Familienverband eingebunden sei und daher eine Gegenreaktion zu erwarten hätte.
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Die Kammer schließt sich dem Ergebnis der Begutachtung nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung an. Die Schilderungen der Sachverständigen S. und G. waren in sich stimmig und vollumfänglich nachvollziehbar. Auf Fragen der Verfahrensbeteiligten gingen sie in großer Ausführlichkeit und ohne sich in Widersprüche zu setzen ein. Zudem ist die Kammer davon überzeugt, dass die Sachverständigen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und ihrer großen Professionalität methodisch beanstandungslos gearbeitet haben.
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Der Sachverständige G. war für die vorliegende Fragestellung auch aus fachlicher Sicht besonders geeignet, weil er in der Vergangenheit bereits zahlreiche aussagepsychologische Gutachten mit transkulturellem Bezug erstattet hat. An der Universität Gießen lehrt er als Leiter des Instituts für Psychiatrie und Psychotherapie unter anderem das Fach „Transkulturelle Psychiatrie“, wobei ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf transkulturellen Phänomenen in der aussagepsychologischen Begutachtung liegt. Auf diesem Gebiet betreut er ferner wissenschaftliche Arbeiten. Mit dem Sachverständigen S. hat er nach eigenem glaubhaften Bekunden schon mehrfach zusammengearbeitet. Dabei würden sie ihre Untersuchungen stets eigenständig und unabhängig voneinander durchführen, was die Qualität und Validität der Arbeit sichere. Im Rahmen der Zusammenarbeit könne es so durchaus zu divergierenden Erkenntnissen kommen, was bei früheren Kooperationen auch schon der Fall gewesen sei.
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Für die Richtigkeit der Aussage der Zeugin G. O. spricht weiter, dass diese in wesentlichen Punkten durch das Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme gestützt wird.
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Ihre Angaben zu den Auseinandersetzungen im Dönerimbiss und im Wohnhaus der Familie vom 06.01.2013 werden gestützt durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder von den Tatorten (Bl. 207 ff. d.A.) und die glaubhafte Aussage des Zeugen KHK W., der die Lichtbilder am 07.01.2013 als Kriminaltechniker anfertigte. Auf Vorhalt der Lichtbilder erklärte er, mit Ausnahme einer aufgebrochenen Badezimmertür, welche auf Bl. 212 f. d.A. zu sehen sei, habe er keine Auffälligkeiten im Wohnhaus feststellen können. Die aus den Türzargen herausgebrochenen Schließbleche und Schrauben hätten verstreut im Badezimmer herumgelegen. Auf den Lichtbildern Bl. 213 f. d.A. sei dies von ihm festgehalten worden. Der Türverschluss sei regelrecht in den Raum gesprengt worden, weshalb von einer erheblichen Gewalteinwirkung auszugehen sei. Auf der Salattheke des Dönerimbisses, welche auf den Lichtbildern Bl. 224 f. d.A. zu sehen sei, hätten ca. 50 cm lange metallische Winkeleisen gelegen. Diese dienten normalerweise als Halter für Salatschüsseln, könnten aber auch als Schlagwerkzeug verwendet werden.
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Die Kammer hat den Angaben des Zeugen KHK W. Glauben geschenkt. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der als Zeuge vernommene Polizeibeamte die Angeklagten zu Unrecht belasten sollte. Vielmehr war er ersichtlich darum bemüht, nur das zu schildern, an das er sich auch noch zu erinnern vermochte.
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Dass es im Rahmen der Auseinandersetzung im Dönerimbiss vom 06.01.2013 zu Verletzungen der G. O. kam, steht im Einklang mit dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Berichts über die Notfallbehandlung im N. Klinikum vom 06.01.2013 (Bl. 10 d.A.). Demzufolge berichtete die Zeugin G. O. über Schmerzen im Bereich des Brustkorbs, am rechten Unterkieferast sowie über der rechten Wange. Objektiv konnte eine kleine Kratzwunde über dem rechten Jochbogen am Übergang zum Augenwinkel über der rechten Wange festgestellt werden.
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Das Fehlen weiterer objektiver Verletzungszeichen sowohl bei der Notfallbehandlung im N. Klinikum als auch im Rahmen der Konsultation eines Gynäkologen am 08.01.2013, deren Ergebnis über die im allseitigen Einverständnis vorgenommene Verlesung eines Berichts der Zeugin KOK S. (Bl. 144 d.A.) in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, stellt die Richtigkeit der Aussage der G. O. nicht in Frage. Die Untersuchungsbefunde sind ohne weiteres mit dem von ihr geschilderten Tathergang vereinbar. So gab die Zeugin bei ihrer Vernehmung an, sie sei von den Angeklagten im Dönerimbiss überwältigt und auf den Boden geworfen worden. Sie sei dann in den Toilettenraum gezogen worden, wo der Angeklagte H. O. vergeblich versucht habe, ihren Mund mit Klebeband zuzukleben, und der Angeklagte N. O. ihren Mund mit beiden Händen umgriffen und zugedrückt habe. Des Weiteren habe der Angeklagte H. O. sich mit den Füßen auf ihren Bauch gestellt. Bei solchen Einwirkungen sind objektive Verletzungszeichen nicht zwingend zu erwarten. Dies gilt umso mehr, als dass sich die Tat zu einer Jahreszeit ereignete, in der bei lebensnaher Betrachtung eher wärmende und wetterfeste - mithin lange und dicke - Kleidung getragen wird, welche Schutz vor Verletzungen bieten kann.
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Der von G. O. geschilderte Hergang der Auseinandersetzung im Badezimmer des Wohnhauses wird in wesentlichen Punkten durch die Aussage ihres Bruders, des Zeugen M. O., gestützt. Dieser ließ im mündlichen Haftprüfungstermin vom 22.01.2013 von seinem Verteidiger eine Erklärung abgeben (Bl. 267 f. d.A.), mit deren Verlesung er nach qualifizierter Belehrung einverstanden war. Aufgrund der fehlenden Unmittelbarkeit und der damit einhergehenden eingeschränkten Möglichkeit zur Glaubhaftigkeitsbeurteilung kommt ihr jedoch nur ein geringer Beweiswert für die Überzeugungsbildung der Kammer zu. In Übereinstimmung mit den Schilderungen der Zeugin G. O. heißt es in der Erklärung in Bezug auf die Vorkommnisse vom 06.01.2013: „Ich hatte mit meiner Ehefrau telefoniert und habe mitbekommen, dass es Streit gab und sich später meine Schwester im Badezimmer eingesperrt hat.“ Des Weiteren räumt der Zeuge M. O. ein, an der Auseinandersetzung im Badezimmer beteiligt gewesen zu sein, was ebenfalls im Einklang mit den Ausführungen der G. O. steht: „Ich war wütend, weil es wieder Streit mit meiner Schwester gab. Ich habe versucht, die Badezimmertür zu öffnen. Es kann auch sein, dass ich gegen die Tür getreten habe, dies auch weil ich Angst hatte, dass sich meine Schwester etwas antun würde, da diese bereits öfter damit gedroht hatte. Die Tür wurde dann aufgetreten, aber das habe ich nicht mitbekommen, da ich wütend war. Ich sagte meiner Schwester „Mach die Tür auf, oder es kracht!“ - ich habe aber nie gesagt, mach die Tür auf oder ich bring dich um. Ich war aufgeregt, ich habe auch versucht an G. heranzukommen. Es kann sein, dass ich G. mit der flachen Hand getroffen habe, ich wurde von den anderen aber dann zurückgezogen. Wenn ich sie getroffen habe, dann nur einmal.“
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Soweit G. O. erklärte, sie sei aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit der zugewiesenen Rolle als Hausfrau und Mutter zwei Mal zu ihrem Freund in die Türkei geflohen, dort aber von ihrer Mutter und ihrem Bruder aufgespürt worden, steht dies im Einklang mit dem Inhalt eines verlesenen Rapporteintrags des Polizeipräsidiums Westpfalz vom 16.10.2012. Darin heißt es: „Der Vater und Bruder der türkischstämmigen 01 erschienen auf hiesiger Dienststelle und wollten die 20-jährige 01 vermisst melden. Laut Angaben des Vaters und des Bruders habe die 01 heute Morgen die elterliche Wohnung verlassen. Sie hätte eine Tasche mit persönlichen und wichtigen Gegenständen gepackt und mitgenommen. Die 01 ist mit einem Türken verheiratet, der in den nächsten Tagen nach Deutschland kommen wird. Dafür wurde der 01 von den Eltern eine Wohnung eingerichtet. Auch aus dieser Wohnung fehlen Kleidungsstücke und diverse Gegenstände. Des Weiteren hat die 01 von der Mutter vor etwa zwei Wochen 1500 Euro erhalten, die sie zum Kauf von Einrichtungsgegenständen hätte verwenden sollen, was jedoch nicht erfolgt ist. Durch Nachforschungen seitens des Bruders der 01 wurde auch festgestellt, dass sich die 01 zum Studium an der Uni K. eingeschrieben habe, allerdings an noch keiner Vorlesung teilgenommen hat bzw. auch keinen Kontakt zu ihren Professoren aufgenommen hat. Laut weiteren Beschreibungen des Bruders verhält sich die 01 sehr westlich orientiert, was der Familien offensichtlich nicht gefällt. Sie würde abends sehr spät heimkehren und hätte in der Vergangenheit schon sehr viele Männer, hauptsächlich über die Internetplattform Facebook kennen gelernt. Über ihr Handy wäre sie nun nicht mehr erreichbar. Die Familie wollte die 01 nun vermisst melden und von der Polizei eine Handyortung veranlassen. Dieses wurde nach Prüfung der Gesamtumstände von mir abgelehnt. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine Gefahr für Leib/Leben der 01 vor. Vermutlich hat die 11 ihren familiären Umkreis aus freien Stücken verlassen um ihre Lebensgestaltung selbst übernehmen zu können.“
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Die Schilderungen der G. O., sie habe im Anschluss an ihre Rückkehr aus der Türkei Vorbereitungen für den Zuzug des Angeklagten N. O. nach Deutschland getroffen und zu diesem Zweck einen Termin im Ausländeramt wahrgenommen, wird durch die Aussage des zuständigen Sachbearbeiters, des Zeugen H. W., bestätigt. Dieser gab an, seitens des Bundesverwaltungsamts sei im Jahr 2012 ein Visumantrag des Angeklagten N. O. im Ausländeramt der Stadtverwaltung K. eingegangen. Weil der Angeklagte N. O. schon einmal in Deutschland gelebt habe, habe er G. O. vorgeladen. Sie sei von ihm über die Bedeutung des Gesprächs aufgeklärt und zu ihrer Heirat befragt worden. Sie habe ihm mitgeteilt, den Angeklagten N. O. in der Türkei kennen gelernt und aus Liebe geheiratet zu haben. Als er ihr eröffnet habe, dass ein Verwandter eine Sicherheit leisten müsse, weil der Lebensunterhalt des Angeklagten N. O. nicht gesichert sei, sei G. O. in Tränen ausgebrochen. Sie habe ihm vorgeworfen, ihr nicht helfen zu wollen und das Verfahren unnötig zu verzögern. Am nächsten Tag habe ein Rechtsanwalt aus Frankfurt im Auftrag der Familie bei ihm angerufen. Diesem habe er die Rechtslage erläutert und mit dem Bruder der G. O. einen neuen Termin vereinbart. Der Bruder sei mit seinem Vater, dem Angeklagten H. O., erschienen und habe eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben. Daraufhin sei die Visumzustimmung im Oktober 2012 erteilt worden und der Angeklagte N. O. sei am 29.10.2012 nach Deutschland eingereist. Auf Vorhalt seiner Vernehmung vom 10.01.2013 (Bl. 205 d.A.) „Ich fragte G. konkret, ob sie überhaupt will, dass N. nach Deutschland kommt oder ob die Familie diese Heirat forciert hat. G. meinte: „Nein, das war Liebe auf den ersten Blick!“ Sie schwärmte regelrecht von ihm.“ erklärte er, er erinnere sich hieran gut. G. O. habe gesagt, der Angeklagte N. sei ihre große Liebe, und sie habe unbedingt gewollt, dass er zu ihr zieht. Auf Vorhalt eines weiteren Auszugs aus seiner polizeilichen Vernehmung vom 10.01.2013 „Anfänglich war sie freundlich und nett. Als ich ihrem Ansinnen nicht zustimmte, wurde sie zornig, wie ein kleines Kind, dem man seine Puppe wegnimmt.“ gab er an, dieses Beispiel sei ihm direkt nach dem Gespräch durch den Kopf gegangen.
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Die Aussage des Zeugen W. ist glaubhaft. Der Zeuge berichtete sachlich, nüchtern und aus guter Erinnerung. Er stand dem Verfahren neutral gegenüber und zeigte keine Bemühungen, die Angeklagten zu Unrecht zu belasten.
- 78
Die Schilderungen des Zeugen W. zum Verhalten der G. O. stehen im Übrigen nicht im Widerspruch zum weiteren Inhalt ihrer Aussage. Insbesondere lässt sich hieraus nicht ableiten, sie habe den Angeklagten N. O. tatsächlich aus Liebe geheiratet. Ihre so lautenden Angaben auf dem Ausländeramt sind nach Auffassung der Kammer vor dem Hintergrund zu verstehen, dass ihr seitens ihrer Mutter auf der Polizeistation in der Türkei versprochen wurde, frei leben zu können, falls sie ihrem Ehemann ermöglichen würde, nach Deutschland zu ziehen. Es ist daher lebensnah, dass sich G. O. bei ihrem Termin im Ausländeramt verstellte und bewusst falsche Angaben machte. Nur auf diese Weise konnte sie sicherstellen, dass dem Visumantrag für den Angeklagten N. O. zugestimmt wird.
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Weder für noch gegen die Richtigkeit der Angaben der G. O. streitet die Aussage des Zeugen PK A., der zeitweise mit den Ermittlungen befasst war. In seiner Vernehmung gab er an, bloß bruchstückhafte Erinnerungen an das Geschehen zu haben. Er wisse nur noch, dass es sich um Familienstreitigkeiten gehandelt habe. Auch auf Vorhalt eines Rapporteintrags vom 06.01.2013 (Bl. 3 d.A.) „Über Notruf meldet die G. O., dass sie im Haus der Eltern festgehalten werden würde. Außerdem sei sie von ihrem Vater (H. O.), ihrem Ehemann (N. O.) und ihrem Bruder (M. O.) mehrfach geschlagen und getreten worden. Dies u.a. in den Bauch, da sie von ihrem Freund schwanger sei. Mit ihrem Mann, der gleichzeitig ihr Cousin ist, sei sie gegen ihren Willen in der Türkei verheiratet worden. Während des Einsatzes vor Ort erlitt die Gü. O. (Mutter) einen Schwächeanfall und wurde durch den Rettungsdienst in WPK verbracht.“ gab er an, keine genauen Erinnerungen mehr an den Vorgang zu haben.
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Ebenfalls ohne Beweiswert für die Richtigkeit der Angaben der G. O. ist die Aussage des Zeugen KHK Hu. Dieser gab an, er habe die erste Vernehmung mit ihr durchgeführt. Nach fast vier Jahren habe er aber kaum mehr Erinnerung an den Inhalt. Er wisse nur noch, dass die Zeugin wohl gegen ihren Willen im Wohnhaus der Familie festgehalten worden sei und dass man sie gegen ihren Willen verheiratet habe. Die Vernehmung müsse ruhig und sachlich verlaufen sein, weil sie ihm sonst besser in Erinnerung geblieben wäre. Auch auf Vorhalt der Vernehmung vom 06.01.2013 (Bl. 6 d.A.) konnte der Zeuge keine näheren Angaben zur Sache machen.
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Keinen Anlass an der Richtigkeit der Aussage der G. O. zu zweifeln, geben die Wahrnehmungen des Zeugen KHK R., welcher sie am 07.01.2013 ergänzend vernommen hat. Der Zeuge R. gab an, zwar keine konkreten Erinnerungen an den Inhalt der Vernehmung mehr zu haben, dafür sei sein damaliger Eindruck aber umso lebendiger. Die Schilderungen der G. O. seien für ihn nicht greifbar gewesen. Er habe das Gefühl gehabt, sie verwickle sich in Widersprüche und sage die Unwahrheit. Auf Nachfrage, woran er dies festmache, führte er aus, es sei für ihn unverständlich gewesen, dass sie mit dem Angeklagten N. O. die Hochzeitsnacht verbrachte und das Brautkleid sowie Geschenke entgegennahm. Er habe den Eindruck gehabt, die Zeugin habe sich ursprünglich bereitwillig auf die Hochzeit eingelassen, ihre Entscheidung aber später bereut.
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Sachverständig beraten nimmt die Kammer an, dass die Einschätzung des Zeugen R. nicht geteilt werden kann, weil sie soziokulturelle Aspekte außer Betracht lässt. Es ist bereits nicht zu erkennen, dass G. O. die Hochzeitsnacht freiwillig mit dem Angeklagten N. O. verbrachte. Vielmehr schilderte sie, er habe sie vor dem Geschlechtsverkehr mit beiden Armen umschlungen und so fest gedrückt, dass sie Schmerzen empfunden hätte. Dann habe er sie zu Boden geschubst und seinen Körper auf sie gelegt. Sie hatte mithin keine andere Wahl als sich dem stärkeren Angeklagten zu ergeben, was umso mehr gilt, als dass sie sich in einer für sie fremden und bedrohlich wirkenden Umgebung befand. Auch hinsichtlich der Entgegennahme des Brautkleids und von Hochzeitsgeschenken war das Verhalten der G. O. alternativlos, weil dies den soziokulturellen Gepflogenheiten in der Osttürkei entspricht und sie anderenfalls erhebliche Konsequenzen zu erwarten gehabt hätte.
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Ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der G. O. ergeben sich aus der Aussage der Zeugen S. Y. Die Zeugin S. Y. bekundete, sie habe G. O. vor fünf bis sechs Jahren über einen gemeinsamen Internetfreund kennengelernt. Dieser habe ihr erzählt, sie sei zwangsverheiratet worden. Um mehr darüber zu erfahren, habe sie Kontakt zu ihr aufgenommen und über einen längeren Zeitraum mit ihr kommuniziert. G. O. habe in ihr eine erwachsene Ansprechpartnerin für ihre Probleme gesehen und ihre Seele bei ihr ausschütten können. Im Laufe der Gespräche sei ihr aber aufgefallen, dass viele Geschichten widersprüchlich gewesen wären. Sie habe ihr daher nicht alles geglaubt.
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Ende des Jahres 2012 seien ihr Bruder und ihr Ehemann in ihre Wohnung nach Bochum gekommen und hätten sie nach dem Aufenthaltsort der G. O. gefragt. Beide seien sehr verzweifelt gewesen und hätten ihr unter Tränen berichtet, G. O. sei von zu Hause weggelaufen. Daraufhin habe sie den Aufenthaltsort der G. O. ausfindig gemacht und ihn der Familie mitgeteilt. Nachdem G. O. aus der Türkei zurückgekehrt wäre, sei sie zunächst zu ihr nach Bochum gekommen. Gemeinsam seien sie dann nach Kaiserslautern zu ihrer Familie gefahren. S. Y. schilderte weiter, die Familie sei sehr freundlich gewesen und habe den Eindruck gemacht, sie hätte der G. O. verziehen. Seitens der Familie sei kein Druck auf G. O. ausgeübt worden. Sie sei durch die Familie auch nicht eingeschüchtert worden. Auf ihre ausdrückliche Nachfrage hin habe G. O. in K. bleiben wollen. Sie sei daraufhin wieder nach B. gefahren und der Kontakt sei abgebrochen.
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Auf Vorhalt ihrer polizeilichen Vernehmung vom 08.01.2013 (Bl. 139 f. d.A.) „An dem Sonntagabend wurde in der Familie besprochen, wie es weitergeht. Es wurde nach Lösungen gesucht. Es war ein positives Klima. Ich habe auch noch zu dem Vater der G. gesagt, dass wir hier nicht nach Schuldigen suchen, sondern hier eine Lösung finden müssen. Es war dann so, wie bereits ausgesagt, es sollte jeder so leben können wie er möchte. Die G. und ihr Ehemann waren zusammen weggegangen. Sie wollten sich aussprechen. Als beide zurückkamen, hatte ich auch ein positives Gefühl. Beide wollten sich scheiden lassen und wollten sich einvernehmlich trennen.“ erklärte die Zeugin Y., diese Angaben würden so stimmen. Sie erinnere sich gut an den Abend. Es habe ein sehr versöhnliches Klima in der Familie geherrscht.
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Auf Vorhalt eines weiteren Ausschnitts aus ihrer polizeilichen Vernehmung vom 08.01.2013 (Bl. 140 d.A.) „An diesem Abend kam auch noch die Tante und der Onkel zu Besuch. Die Tante sagte etwas auf Kurdisch zu G., was ich aber nicht verstanden habe, mir aber später übersetzt wurde. Sie sagte zu ihr, wie G. das alles ihrer Familie hat antun können. Daraufhin ist G. ausgerastet, ist aufgesprungen und hat den Stuhl umgeworfen. Sie hat mit der Tante rumgeschrien. Ich habe G. aufgefordert, sich normal zu verhalten und normal zu reden. Ich habe zu G. gesagt, sie solle sich beruhigen und hoch gehen. Mir ist aufgefallen, dass die G., immer wenn sie schreit und wütend ist, nach draußen geht und dort herumschreit, damit die Nachbarn alles mitbekommen. Ihre Mutter meinte, dass würde sie immer so tun und sie habe auch schon häufig gedroht, sie würde zur Polizei gehen. Ich habe gefragt, was die G. denn der Polizei sagen soll. Ich sagte zur Mutter, dass sich die G. auch wieder beruhigt, sie würde wieder reinkommen. G. schrie noch eine Weile im Garten herum: „Es reicht, sollen doch alle hören, was hier passiert!“ Die Mutter versuchte immer wieder durch das Küchenfenster ihre Tochter zu beruhigen. G.s Ehemann ist dann zu G.in den Garten. G. hat sich dann alleine in den Garten gesetzt.“ gab die Zeugin Y. an, auch dies sei korrekt. Die Zeugin G. O. habe sich sehr unhöflich verhalten. Sie hätte nicht ausrasten müssen, da sie ja schließlich alles verursacht hätte. Nach ihrer Reise in die Türkei hätte sie demütig und höflich gegenüber ihren Eltern sein müssen.
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Auf Vorhalt eines weiteren Ausschnitts aus ihrer polizeilichen Vernehmung vom 08.01.2013 (Bl. 140 d.A.) „An dem Abend hat die G.in meinem Beisein zu ihren Eltern gesagt, sie hatte eigentlich geschrien, dass es eigentlich ganz leicht sei, sie fertig zu machen. Ihr Vater meinte, was sie denn sagen wolle, sie hätten nichts zu befürchten. Daraufhin schrie G., dass sie nur sagen müsse, dass ihr Vater sie angefasst hätte, dies würde reichen. Sie hat ihren Vater eigentlich so richtig erniedrigt.“ bestätigte die Zeugin Y. diese Angaben ebenfalls. G. O. sei es immer nur darum gegangen, Aufmerksamkeit zu erregen. Sie habe sogar mit Selbstmord gedroht. Daher habe sie den Eltern auch vorgeschlagen, sie in die Psychiatrie einzuweisen.
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Die Aussage der Zeugin S. Y. ist nach Auffassung der Kammer nicht glaubhaft. Ihr mangelt es an logischer Konsistenz. So ist schon nicht nachvollziehbar, aus welchen Motiven sie den Angeklagten H. O. und seinen Sohn, den Zeugen M. O., bei der Suche nach G. O. unterstützte. Die Zeugin Y. gab an, über einen längeren Zeitraum mit G. O. in Kontakt gestanden zu haben und als Ansprechpartnerin für ihre Probleme fungiert zu haben. Auch habe sie Kenntnis von einer möglichen Zwangsverheiratung gehabt. Handlungspsychologisch wäre daher zu erwarten gewesen, dass sie dem Hilfeersuchen von Vater und Bruder mit besonderer Skepsis begegnet. Stattdessen half sie ihnen bereitwillig und teilte ihnen ohne Rücksprache mit der Zeugin G. O. deren Aufenthaltsort in der Türkei mit. Mit dieser Unstimmigkeit konfrontiert, erklärte die Zeugin Y.: „Ich hatte Hilfe angeboten, weil G. Mist gebaut hat und ich mir dachte, sie hat deshalb Angst nach Hause zu kommen. Als Mutter dachte ich, G. hat einen Fehler gemacht.“ Diese Erklärung erscheint angesichts ihres Vorwissens und der Tatsache, dass G. O. zum Zeitpunkt der Flucht bereits volljährig war und ein Studium aufgenommen hatte, wenig überzeugend. Ihre Schilderungen sind auch insoweit inkonsistent, als dass sie einerseits ein „sehr versöhnliches Klima“ innerhalb der Familie herausstellt, andererseits einen massiven Konflikt zulasten Zeugin G. O. beschreibt. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sie mit offenkundigem Nachdruck betonte, die G. O. sei von ihrer Familie nicht eingeschüchtert worden und es sei auch kein Druck auf sie ausgeübt worden. Im Gegensatz zu dieser vorteilhaften Beschreibung verwendete sie in Bezug auf G. O. ausschließlich negative Attribute und charakterisiert sie als respektlos, aufbrausend und suizidal. Abgesehen davon, dass die Beschreibung sehr undifferenziert ist, passt sie auch nicht zum persönlichkeitspsychologischen Profil der Zeugin G. O. Die Sachverständigen G. und S. legten in ihren in sich stimmigen und vollumfänglich nachvollziehbaren Ausführungen dar, G. O. weise submissive Tendenzen auf, verfüge über ängstliche Wesenszüge und neige zu sozialer Erwünschtheit. Spontane reaktive Aggressivität oder Erregbarkeit könnten als Verhaltenscharakteristikum ausgeschlossen werden. Hiermit ist das von der Zeugin S. Y. beschriebene Verhalten nicht in Einklang zu bringen. Schließlich warf die Zeugin Y. der G. O. vor, sich in Widersprüche verwickelt zu haben. Als sie dazu aufgefordert wurde, dies zu konkretisieren, war sie dazu nicht in der Lage. Auf die Frage, ob sie Beispiele für die Widersprüche nennen könne, reagierte sie ausweichend und berief sich darauf, aufgrund des langen Zeitablaufs keine Erinnerung mehr an die Gesprächsinhalte zu haben. An diesem Punkt offenbarte sich ein Bruch zu ihrer ansonsten recht ausführlichen Aussage. Auch dies trägt zu dem Gesamteindruck der Kammer bei, der Zeugin sei nicht zu glauben.
- 89
Keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin G. O. ergeben sich aus den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videos. Die Videos 1, 2, 3 und 6 zeigen die G. O. und den Angeklagten N. O. gemeinsam mit einigen anderen jüngeren Personen in einem halbwegs festlich dekorierten Raum. Während im Hintergrund Musik läuft, tanzen sie oder sitzen an einem Tisch und konsumieren Limonade bzw. Bier. Nach den überzeugenden Ausführungen des Dolmetschers E., der diesbezüglich als Sprachsachverständiger fungierte, äußere die Zeugin G. O. in den Videos, sie sei sehr aufgeregt und freue sich. Außerdem schildere sie, dass viel Alkohol getrunken werde. Im sechsten Video werde ein typisches türkisches Gesellschaftsspiel namens „Das Schwein ist weggelaufen“ gespielt. Die Videos 4 und 5 zeigen die G. O. zusammen mit einer anderen jungen Frau auf einem Balkon. G. O. trägt ein blaues Kleid und posiert für Fotoaufnahmen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen E. fordert sie die andere Frau auf, sie zu fotografieren. Außerdem sage sie, dass es sehr heiß sei.
- 90
Auf Vorhalt des ersten Videos bekundete G. O., es handele sich um eine Abschiedsfeier für einen Bruder des Angeklagten N. O., der nach Rumänien reisen sollte, um dort zu heiraten. Sie glaube, die Feier habe am Tag nach ihrer Imam-Hochzeit stattgefunden. Auf dem Video sage sie, sie sei glücklich. Sie habe sich an dem Tag tatsächlich sehr gefreut, weil ihre beiden Cousinen, die sie schon lange nicht mehr gesehen hätte, ebenfalls anwesend waren. Auf Vorhalt des zweiten Videos erklärte G. O., sie stelle die anwesenden Leute vor. In dem Video nenne sie den 29. Juli als Datum der Feier. Sie sage, sie sei sehr aufgeregt und glücklich. Auf Vorhalt des sechsten Videos gab sie an, sie habe den Raum mit den anderen jungen Frauen häufiger verlassen, um unbeobachtet von den Männern in der angrenzenden Küche Whiskey zu trinken. Die allgemeine Stimmung sei an dem Abend gut gewesen und es sei viel getrunken worden.
- 91
Die Kammer hat aus der Inaugenscheinnahme der Videos 1, 2, 3 und 6 keinen Eindruck von der Beziehung zwischen dem Angeklagten N. O. und der G. O. gewonnen, der den Schilderungen der Zeugin widerspräche. Vielmehr stellt sich die Interaktion der beiden als eher zurückhaltend und distanziert dar. Es erfolgt kein Austausch von Zärtlichkeiten und es sind keine sonstigen Gesten zu erkennen, die auf eine starke emotionale Bindung, wie sie bei lebensnaher Betrachtung im Anschluss an eine Liebeshochzeit zu erwarten wären, hindeuten. Die Videos 4 und 5 lassen nach Ansicht der Kammer keine Rückschlüsse zu. Es handelt sich um Momentaufnahmen, deren Kontext unklar ist. Selbst unter der Annahme, dass es sich hierbei um Aufnahmen der G. O. im Hochzeitskleid handelt, ändert sich an der Bewertung nichts. Denn auch eine junge Frau, die zu einer Imam-Ehe gezwungen wird, kann zunächst Freude an einem hübschen Hochzeitskleid empfinden und sich darin ablichten lassen wollen. Soweit die Zeugin in ihrer Vernehmung angegeben hat, sie habe das Hochzeitskleid am Abend abgelegt, weil sie sich darin nicht wohlgefühlt habe, ergibt sich kein Widerspruch. Es ist durchaus denkbar und lebensnah, dass sie ihre endgültige Einstellung zum Kleid erst unter dem Eindruck der Trauungszeremonie vor dem Imam gefasst hat.
- 92
Erkenntnisse weder für noch gegen die Richtigkeit der Angaben der Zeugin G. O. lieferte die Inaugenscheinnahme eines Photoalbums. Das Album beginnt mit einem Babyphoto und endet mit zwei Hochzeitsphotos sowie einer eingeklebten mutmaßlichen Kondomverpackung. Dazwischen befinden sich Bilder der Zeugin G. O. und handschriftlich niedergeschriebene Sprüche in türkischer Sprache wie „Du hast mein Leben lebenswert gemacht. Du hast meinem Leben einen Zweck gegeben. Du hast mir Hoffnung gebracht.“, oder „Du hast meinen Blick auf die Welt geändert. Wie gut hat es mir getan, dass du in mein Leben getreten bist.“ oder „Ich weiß nicht, wie ich es bisher ausgehalten habe ohne dich. Ich wundere mich, dass du mich immer mit Geduld ertragen hast. Dafür gibt es nur eine Antwort: Liebe. Du hast mich trotz allem geliebt, mir einen Zweck gegeben. Das habe ich zu spät erkannt. Es wird sich einiges ändern in der Zukunft.“ Nach den überzeugenden Ausführungen des Sprachsachverständigen E., denen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, handelt es sich hierbei nicht um in der Türkei gängige Poesiesprüche.
- 93
Auf Vorhalt des Photoalbums bekundete die Zeugin G. O., dieses sei für den Angeklagten N. O. bestimmt gewesen. Sie habe es ihm nach der standesamtlichen Hochzeit zukommen lassen, um Zweifel an ihrer Liebe zu ihm auszuräumen. Der Bruder des Angeklagten N. O. habe zuvor erfahren, dass sie Facebookfreundschaften mit anderen Männern führe. Daher habe sie Angst gehabt, getötet zu werden. Die Sprüche habe sie sich zum Teil ausgedacht, zum Teil dem Internet entnommen. Das Babybild habe sie bewusst ausgewählt, um den Eindruck zu erwecken, sie wolle demnächst Kinder mit dem Angeklagten N. O. haben. Bei Durchsicht des Albums bekundete die Zeugin G. O., es würden Bilder fehlen. Zudem seien die Hochzeitsbilder später hinzugefügt worden. Beim Anblick der eingeklebten mutmaßlichen Kondomverpackung reagierte sie angeekelt und bekundete, dies stamme nicht von ihr.
- 94
Die Kammer ist der Ansicht, dass dem Photoalbum kein wirklicher Beweiswert zukommt. Ausgehend von seinem objektiven Erscheinungsbild kann es Ausdruck sowohl echter als auch vorgetäuschter Liebe sein. Ferner setzte sich G. O. durch ihre Angaben im Rahmen des Vorhalts nicht in Widerspruch zu ihren vorangegangenen Schilderungen. Bereits zuvor berichtete sie davon, über Facebook einen anderen Mann kennen gelernt zu haben, was zu Unstimmigkeiten in der Familie geführt habe.
IV.
- 95
1. Aufgrund der Feststellungen zum Geschehen im Dönerimbiss vom 06.01.2013 haben sich die Angeklagten H. O. und N. O. jeweils wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Bedrohung, gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und versuchter gemeinschaftlicher Nötigung gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 4, 239 Abs. 1, 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.
- 96
2. Aufgrund der Feststellungen zum Geschehen im Badezimmer des Wohnhauses vom 06.01.2013 haben sich die Angeklagten H. O. und N. O. jeweils wegen gemeinschaftlicher Bedrohung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.
- 97
3. Diese Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit gemäß § 53 StGB.
- 98
4. Soweit den Angeklagten H. O. und N. O. in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 29.01.2013 (Bl. 339 ff. d.A.) ein Vergehen der gemeinschaftlichen Zwangsheirat zur Last gelegt wurde, waren sie aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
- 99
a) In Bezug auf die Hochzeit vor dem Imam im Sommer 2010 im türkischen S. scheitert eine Strafbarkeit nach §§ 237, 25 Abs. 2 StGB daran, dass diese Form der Verbindung nicht vom Schutzbereich der Norm erfasst wird.
- 100
Geschütztes Rechtsgut des § 237 StGB ist das Recht auf freie Eheschließung im Sinne des Artikels Art. 6 Abs. 1 GG (BT-Drs. 17/4401, S. 8; Bülte und Becker, ZIS 2012, 61).
- 101
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die religiöse Trauung zwischen Ausländern nicht vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ist, wenn deren Heimatstaat diese Trauung nicht als wirksame Eheschließung anerkennt (BVerwG, Urt. v. 22.02.2005, Az.: 1 C 17/03; OVG Lüneburg, Beschl. v. 01.02.2005, Az.: 2 ME 1326/04; OVG Saarlouis, Beschl. v. 18.01.2002, Az.: 1 W 8/01; OVG Koblenz, Urt. v. 05.07.1993, Az.: 13 A 10564/92).
- 102
Eine Imam-Ehe ist eine religiöse Trauung, die in der Türkei nicht als wirksame Eheschließung anerkannt wird (vgl. EGMR, Urt. v. 02.11.2010, Serife Y. v. Türkei (Nr. 3976/05) vgl. Yerlikaya und Cakir-Ceylan, ZIS 2010, 205, 210). Zum Zeitpunkt der Eheschließung waren sowohl die Zeugin G. O. als auch der Angeklagte N. O. türkische Staatsangehörige.
- 103
b) In Bezug auf die standesamtliche Trauung vom 26.07.2011 in H. scheitert eine Strafbarkeit nach §§ 237 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB daran, dass die Mitwirkung der Zeugin G. O. an der Eheschließung nicht durch die in der Norm aufgeführten spezifischen Nötigungsmittel kausal verursacht wurde (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 237, Rn. 10). Die Kammer konnte keine Feststellungen dahingehend treffen, dass die Zeugin G. O. durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der standesamtlichen Ehe genötigt wurde. Der Angeklagte H. O. händigte ihr bloß Flugtickets nach Antup und weiter nach Urfa aus und brachte sie in den Transitbereich des Flughafens. Von dort aus flog sie eigenständig und in Kenntnis der beabsichtigten Eheschließung in Türkei. Der Umstand, dass sie während der Reise telefonisch durch den Angeklagten H. O. kontrolliert wurde, ändert daran nichts.
- 104
Eine Strafbarkeit nach § 237 Abs. 2, 25 Abs. 2 StGB scheidet ebenfalls aus. Insbesondere liegt keine List vor, weil der Zeugin G. O. die wahre Absicht der Reise in die Türkei nicht verborgen blieb, sondern von ihrem Vater explizit hierüber in Kenntnis gesetzt wurde.
- 105
5. Soweit dem Angeklagten N. O. in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 29.01.2013 eine Vergewaltigung der Zeugin G. O. in der Zeit um Silvester 2010/2011 in der Nähe des türkischen Urfa zur Last gelegt wurde, war er aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Eine Einstellung des Verfahrens wegen der Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB schied aufgrund des Vorrangs des Freispruchs aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 260, Rn. 44).
- 106
Dem Tatvorwurf lag folgender Sachverhalt zugrunde:
- 107
„Über Silvester 2010/2011 wurde von den Familien ein Aufenthalt der Zeugin bei dem Angeklagten N. O. in der Nähe von Urfa arrangiert, wo die Zeugin zwei Wochen blieb. In dieser Zeit übte der Angeklagte N. O. in mindestens einem Fall gegen den Willen der Zeugin mit dieser den vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Er warf sie auf das Bett, zog sie aus und forderte sie dazu auf, nicht zu schreien, sonst würde er sie schlagen.
- 108
Der Tatvorwurf hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Weder im Rahmen ihres freien Berichts noch auf die konkreten Fragen der Kammer sowie der Staatsanwaltschaft schilderte die Zeugin das in der Anklageschrift bezeichnete Geschehen. Ein weiterer Übergriff habe zu einem anderen als dem angeklagten Zeitpunkt stattgefunden.
- 109
6. Soweit dem Angeklagten N. O. in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 29.01.2013 (Bl. 339 ff. d.A.) eine Vergewaltigung der Zeugin G. O. während des Aufenthalts auf Zypern im Sommer 2011 zur Last gelegt wurde, war das Verfahren wegen der Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Der Vorwurf der Vergewaltigung hat sich in der Beweisaufnahme zwar in tatsächlicher Hinsicht bestätigt. Die Tat fällt jedoch nicht unter die deutsche Gerichtsbarkeit nach §§ 3 ff. StGB.
- 110
Es handelt sich nicht um eine Inlandstat gemäß § 3 StGB, weil sich die Vergewaltigung im türkischen Teil Zyperns ereignete. Da der Angeklagten N. O. weder zur Tatzeit im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit war noch die deutsche Staatsangehörigkeit in der Zwischenzeit erworben hat, kann die Tat auch nicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB oder als Auslandstat mit besonderem Inlandsbezug nach § 5 Nr. 8 StGB verfolgt werden. Eine Verfolgbarkeit gemäß § 7 Abs. 1 StGB scheidet ebenfalls aus, weil die Zeugin G. O. erst nach der Tat die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt.
V.
- 111
Bei der Strafzumessung ist die Kammer gemäß den Grundsätzen der §§ 46 ff. StGB von der Schuld der Angeklagten ausgegangen und hat die Wirkung, die von der Strafe für ihr zukünftiges Leben in der Gesellschaft zu erwarten ist, berücksichtigt. Im Einzelnen hat sie sich insbesondere von folgenden Erwägungen leiten lassen:
- 112
1. Hinsichtlich des Geschehens im Dönerimbiss war für den Angeklagten H. O. der Strafrahmen dem § 224 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren vorsieht.
- 113
Eine Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten H. O. bei Begehung der Tat nicht vorlag.
- 114
Ferner kam die Annahme eines minder schweren Falles nicht in Betracht, da das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit nicht derart vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 26, 97; BGH NStZ-RR 2004, 80).
- 115
Innerhalb des Regelstrafrahmens war die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen. Hier berücksichtigte die Kammer zugunsten des Angeklagten H. O., dass durch die Tat keine größeren unmittelbaren körperlichen Verletzungen bei der Zeugin G. O. hervorgerufen wurden. Strafmildernd wurde ebenfalls gewertet, dass es sich bei dem Vorfall im Dönerimbiss um eine spontan zugespitzte Krise innerhalb eines dysfunktionalen Familienverbandes handelte. Diesem Umstand war jedoch nur ein geringes Gewicht beizumessen, da die Kammer davon überzeugt ist, dass der Angeklagte durch sein Eigenverständnis als autoritäres Familienoberhaupt selbst die maßgebliche Ursache für das zerrüttete Verhältnis zu seiner Tochter, der Zeugin G. O., gesetzt hat. Aus diesem Grund fließt auch nur geringfügig zu seinen Gunsten in die Strafzumessung ein, dass sich seine Tochter infolge der Tat von ihm abwendete und er diesen Verlust nun zu verkraften hat. Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 auch keine weitere Straftat begangen hat. Schließlich wirkten sich die lange Verfahrensdauer und die mit dem Verfahren verbundene emotionale Belastung, was auch Gegenstand seines letzten Wortes war, strafmildernd aus.
- 116
Demgegenüber ist die erlittene Untersuchungshaft bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe kein Strafmilderungsgrund, weil sie nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (BGH, Urt. v. 28.03.2013, Az.: 4 StR 467/12; BGH, Urt. v. 10.10.2013, Az.: 4 StR 258/13; BGH, Urt. v. 19.12.2013, Az.: 4 StR 302/13). Dass der Angeklagte durch den Vollzug der Untersuchungshaft besondere Nachteile oder ungewöhnliche Beschwernisse erlitten hat, die eine Berücksichtigung der Untersuchungshaft ausnahmsweise rechtfertigen würden, konnte nicht festgestellt werden.
- 117
Zu Lasten des Angeklagten H. O. wirkte sich aus, dass in der Tat eine Haltung zum Ausdruck kommt, die der Familienehre den Vorrang gegenüber der Integrität des einzelnen Familienmitglieds einräumt. Auch war zu seinen Lasten in die Strafzumessung einzubeziehen, dass er tateinheitlich zur gemeinschaftliche gefährlichen Körperverletzung eine gemeinschaftliche Bedrohung, eine gemeinschaftliche Freiheitsberaubung und eine versuchte gemeinschaftlicher Nötigung - mithin Straftaten gegen mehrere verschiedene Rechtsgüter - begangen hat. Schließlich wertete die Kammer die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. strafschärfend. Die Vorfälle vom 06.01.2013 haben zu einem dauerhaften Bruch mit ihrer gesamten Familie geführt und sie aus ihrem sozialen Umfeld gerissen. Sie ist nun den Einschränkungen des Zeugenschutzprogramms unterworfen und nicht mehr in der Lage, ein freies Leben zu führen.
- 118
Unter Abwägung der vorstehenden Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von
- 119
acht Monaten
- 120
als tat- und schuldangemessen erachtet.
- 121
Hinsichtlich des Geschehens im Badezimmer des Wohnhauses war für den Angeklagten H. O. der Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht, zu Grunde zu legen.
- 122
Eine Strafmilderung gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da die Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Tatumstände eine Milderung nicht anzeigt. In die Gesamtwürdigung waren neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich insbesondere die Nähe der Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie, einzubeziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.09.2010, Az.: 3 StR 261/10). Vorliegend berücksichtigte die Kammer, dass sich das Geschehen im Badezimmer des Wohnhauses nicht als bloße unmittelbare Fortsetzung des Konflikts im Dönerimbiss darstellte. Vielmehr war der ursprüngliche Konflikt durch die Intervention der Mutter bereits abgeschlossen und wurde dann mit derselben Intention - nämlich zwecks Einwirkung auf die Zeugin G. O. - erneut aufgegriffen. Dies impliziert eine nicht unerhebliche kriminelle Energie und lässt die inakzeptable Haltung des Angeklagten, der Familienehre den Vorrang gegenüber der Integrität des einzelnen Familienmitglieds einzuräumen, besonders hervortreten. Des Weiteren war in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, dass das Ziel der Einwirkung auf die Zeugin G. O. darin bestand, sie davon abzuhalten, staatliche Organe zu ihrem Schutz in Anspruch zu nehmen. Bereits der Versuch, dieses legitime Verhalten zu unterbinden, ist mit der freiheitlichen Rechtsordnung hochgradig unvereinbar und erscheint als besonders gefährlich. Dies gilt umso mehr, als dass das in Aussicht gestellte Übel die Tötung der Schutzsuchenden war. Schließlich bestand auch eine enge Nähe zur Tatvollendung. Denn angesichts von jahrelanger Gewalterfahrung und Unterdrückung war damit zu rechnen, dass die Zeugin G. O. der Drohung nicht standhält und den Aufforderungen der Angeklagten nachgibt.
- 123
Innerhalb des Regelstrafrahmens war die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen. Strafmildernd war zu berücksichtigen, dass die Tat im Versuchsstadium blieb. In Grenzen berücksichtigte die Kammer zugunsten des Angeklagten H. O., dass sich seine Tochter in der Folge endgültig von ihm lossagte und er nun ihren Verlust zu verkraften hat (s.o.). Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte H. O. bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 nicht wieder straffällig wurde. Schließlich wirkten sich die lange Verfahrensdauer und die mit dem Verfahren verbundene emotionale Belastung des Angeklagten strafmildernd aus.
- 124
Die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. wertete die Kammer strafschärfend (s.o.). Ebenfalls strafschärfend floss in die Strafzumessung ein, dass tateinheitlich zur versuchten Nötigung eine Bedrohung gemäß § 241 StGB verwirklicht wurde. § 241 StGB schützt mit dem Rechtsfrieden des Einzelnen im Sinne des individuellen Rechtssicherheitsvertrauens ein anderes Rechtsgut als § 240 StGB. Des Weiteren wirkte sich zu Lasten des Angeklagten aus, dass die Tat in besonderer Weise Ausdruck der Einstellung ist, der Ehre der Familie als solcher den Vorrang gegenüber den Interessen eines einzelnen Familienmitglieds einzuräumen.
- 125
Unter Abwägung vorstehender Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von
- 126
sechs Monaten
- 127
als tat- und schuldangemessen erachtet.
- 128
Aus den verhängten Einzelstrafen war unter Erhöhung der Einsatzstrafe von acht Monaten eine Gesamtstrafe zu bilden, die die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen durfte, §§ 53, 54 StGB.
- 129
Nach erneuter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte und unter Würdigung der Person des Angeklagten sowie der einzelnen Straftaten hält die Kammer eine
- 130
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten
- 131
für den Angeklagten H. O. für tat- und schuldangemessen.
- 132
Die Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich der Verurteilte H. O. auch ohne Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe die vorliegende Verurteilung zur hinreichenden Warnung gereichen lassen wird und zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird. Er ist fest in seiner Familie verankert und wurde zum ersten Mal wegen einer Straftat verurteilt. Ferner hat er im Anschluss an die Taten, die mittlerweile vier Jahre zurückliegen, straffrei gelebt. Die Wahrscheinlichkeit auch künftig straffreien Verhaltens ist daher größer als die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten. Nach einer Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten H. O. liegen auch besondere Umstände vor. Bereits angesichts dessen, dass ihn der Eindruck des Hauptverfahrens sowie das Wiedersehen mit seiner Tochter emotional stark aufgewühlt hat, er durch die Länge der Hauptverhandlung nicht nur geringfügig belastet wurde und er als nicht Vorbestrafter Untersuchungshaft erlitten hat, erscheint eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangemessen. Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe nicht, § 56 Abs. 3 StGB.
- 133
2. Hinsichtlich des Geschehens im Dönerimbiss am 06.01.2013 war für den Angeklagten N. O. der Strafrahmen ebenfalls dem § 224 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren vorsieht.
- 134
Eine Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten N. O. bei Begehung der Tat nicht vorlag.
- 135
Ferner kam die Annahme eines minder schweren Falles nicht in Betracht, da das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit nicht derart vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 26, 97; BGH NStZ-RR 2004, 80).
- 136
Zugunsten des Angeklagten N. O. berücksichtigte die Kammer im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne die geringen unmittelbaren körperlichen Verletzungen der Zeugin G. O. (s.o.). Weiter wurde strafmildernd gewertet, dass sich die Tat als spontaner Gewaltausbruch in einer konfliktbelasteten Ehe darstellt. Insofern hat die Kammer auch aufgegriffen, dass die Verheiratung mit der Zeugin G. O. und damit die Grundursache des Konflikts nicht von ihm persönlich initiiert wurde, sondern auf eine Vereinbarung zwischen seinem Vater und dem Angeklagten H. O. zurückgeht. Nur wenig zu seinen Gunsten floss in die Strafzumessung ein, dass sich seine Ehefrau infolge der Tat endgültig von ihm trennte, weil das Zusammenleben der beiden bereits im Vorfeld massiv gestört war. Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 auch keine weitere Straftat begangen hat. Schließlich wirkte sich die lange Verfahrensdauer strafmildernd aus.
- 137
Da der Angeklagte durch den Vollzug der Untersuchungshaft keine besonderen Nachteile oder ungewöhnliche Beschwernisse erlitten hat, konnte hieraus kein Strafmilderungsgrund abgeleitet werden (s.o.).
- 138
Zu Lasten des Angeklagten N. O. wirkte sich aus, dass durch die Tat eine Haltung zum Ausdruck kommt, die der Familienehre den Vorrang gegenüber der Integrität des einzelnen Familienmitglieds einräumt. Des Weiteren war zu seinen Lasten einzubeziehen, dass tateinheitlich Straftaten gegen mehrere verschiedene Rechtsgüter begangen wurden (s.o.). Schließlich wertete die Kammer die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. strafschärfend (s.o.).
- 139
Unter Abwägung der vorstehenden Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von
- 140
acht Monaten
- 141
als tat- und schuldangemessen erachtet.
- 142
Hinsichtlich des Geschehens im Badezimmer des Wohnhauses war für den Angeklagten N. O. der Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht, zu Grunde zu legen.
- 143
Eine Strafmilderung gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da die Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Tatumstände eine Milderung aus den gleichen Gründen wie im Falle des Angeklagten H. O. (s.o.) nicht anzeigt.
- 144
Innerhalb des Regelstrafrahmens war die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen. Strafmildernd war zu berücksichtigen, dass die Tat im Versuchsstadium blieb. In Grenzen berücksichtigte die Kammer zugunsten des Angeklagten N. O., dass sich seine Ehefrau infolge der Tat endgültig von ihm trennte (s.o.). Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte N. O. bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 nicht wieder straffällig wurde. Schließlich wirkte sich die lange Verfahrensdauer strafmildernd aus.
- 145
Die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. und die tateinheitlich verwirklichte Bedrohung wertete die Kammer strafschärfend (s.o.). Des Weiteren wirkte sich zu Lasten des Angeklagten aus, dass die Tat in besonderer Weise Ausdruck der Einstellung ist, der Ehre der Familie als solcher den Vorrang gegenüber den Interessen eines einzelnen Familienmitglieds einzuräumen.
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Unter Abwägung vorstehender Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von
- 147
sechs Monaten
- 148
als tat- und schuldangemessen erachtet.
- 149
Aus den verhängten Einzelstrafen war unter Erhöhung der Einsatzstrafe von acht Monaten eine Gesamtstrafe zu bilden, die die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen durfte, §§ 53, 54 StGB.
- 150
Nach erneuter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte und unter Würdigung der Person des Angeklagten sowie der einzelnen Straftaten hält die Kammer eine
- 151
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten
- 152
für den Angeklagten N. O. für tat- und schuldangemessen.
- 153
Die Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich der Verurteilte N. O. auch ohne Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe die vorliegende Verurteilung zur hinreichenden Warnung gereichen lassen wird und zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird. Er ist erneut verheiratet und nunmehr Vater eines Kindes, wurde zum ersten Mal wegen einer Straftat verurteilt und hat im Anschluss an die Taten, die mittlerweile vier Jahre zurückliegen, straffrei gelebt. Die Wahrscheinlichkeit auch künftig straffreien Verhaltens ist daher größer als die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten. Nach einer Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten N. O. liegen auch besondere Umstände vor. Bereits angesichts dessen, dass er durch die Länge der Hauptverhandlung nicht nur geringfügig belastet wurde und er als nicht Vorbestrafter Untersuchungshaft erlitten hat, erscheint eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangemessen. Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe nicht, § 56 Abs. 3 StGB.
VI.
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Den Angeklagten H. O. und N. O. war darüber hinaus wegen der Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und der hieraus resultierenden überlangen Verfahrensdauer eine Wiedergutmachung zu gewähren. Die Kammer hat in der Hauptverhandlung festgestellt, dass sich das Verfahren überlang hinzog, wobei die Gründe im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern stammt vom 29.01.2013 (Bl. 339 ff. d.A.), der Eröffnungsbeschluss der Kammer vom 05.03.2013 (Bl. 417 f. d.A.). Auf eine Terminsverfügung vom 08.03.2013 (Bl. 419 ff. d.A.) fand am 08.05.2013 der erste Hauptverhandlungstermin statt (Bl. 476 ff. d.A.). Am zweiten Hauptverhandlungstermin vom 13.05.2013 (Bl. 479 ff. d.A.) wurde die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens beschlossen. Das Verfahren wurde dafür ausgesetzt und die Haftbefehle wurden aufgehoben. Der Beschluss über die Anfertigung des Gutachtens erging am 05.06.2013 (Bl. 505 f. d.A.). Das Gutachten ging der Kammer am 19.12.2013 zu und wurde den Verfahrensbeteiligten anschließend zur Kenntnis gebracht (Bl. 545 d.A.). Seitens der Kammer erfolgte am 19.03.2014 ein Versuch zur Terminsfindung (Bl. 562 d.A.). Aufgrund des Eingangs mehrerer Haftsachen in Kapitaldelikten wurde den Verfahrensbeteiligten am 17.12.2014 mitgeteilt, dass eine Terminierung erst Anfang des Jahres 2015 möglich sein wird (Bl. 593 d.A.). Am 11.08.2015 wurden neue Hauptverhandlungstermine für die Zeit ab Februar 2016 verfügt (Bl. 605 ff. d.A.), die am 27.01.2016 aber aufgrund langfristiger Erkrankung der Berichterstatterin wieder aufgehoben wurden (Bl. 636 d.A.). Die Terminierung zur jetzigen Hauptverhandlung erfolgte am 20.05.2016 (Bl. 674 ff. d.A.).
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Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat die Kammer es daher für geboten erachtet,
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drei Monate
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der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt anzusehen.
VII.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 464 Abs. 1 und 2, 465 Abs. 1 S. 1, 467 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.
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