Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 5 S 234/03

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Ettlingen vom 8.10.2003 – 1 C 189/03 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist wegen des Kostenerstattungsanspruchs der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckbarkeit durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Streitwert des Berufungsverfahrens: 2.042,18 EUR.

Tatbestand

 
Die Klägerin, die ihren Sitz in Großostheim hat, verlangt von der in Waldbronn wohnenden Beklagten eine restliche Maklervergütung für die Vermittlung des Abschlusses eines Lebensversicherungsvertrages. Nach den vorgelegten Unterlagen hat die Beklagte mit der A. S. A., einer Lebensversicherungsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg, einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einer Beitragslaufzeit von 29 Jahren, beginnend ab 1.4.2000, und einer Beitragssumme von 63.994,44 DM – monatliche Versicherungsprämien: in den ersten 36 Monaten 61,45 DM, ab dem 37. Monat 108,02 DM – geschlossen (Anlagen K 4 u. K 5), ferner mit der Klägerin eine "Vermittlungsgebührenvereinbarung" (Anlage K 1), wonach für die Vermittlung der Versicherung als Vermittlungsgebühr zu zahlen waren: während der ersten 36 Monate je 138,55 DM, ab dem 37. Monat monatlich 1,98 DM. Hinsichtlich der Gebühr für die ersten drei Jahre war in Ziff. 4 der Vermittlungsgebührenvereinbarung bestimmt, dass sie mit der Annahme des Versicherungsantrags durch die Versicherung entsteht und dass sie von einer Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages unberührt bleiben.
Die Beklagte hat die monatlichen Beträge über je 200 DM (61,45 DM Versicherungsprämie + 138,55 DM Vermittlungsgebühr) für den Zeitraum April bis September 2000 bezahlt. Danach hat sie keine Zahlungen mehr geleistet.
Mit der Klage verlangt die Klägerin die noch ausstehenden Vermittlungsgebühren für die Monate Oktober 2000 bis März 2003. Unter Berücksichtigung einer Restschuldverminderung gemäß § 12 Abs. 2 VerbrKrG berechnet sie einen fälligen Betrag von 2.042,18 EUR. Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.042,18 EUR nebst 12 % Zinsen seit 1.6.2002 sowie 5 EUR vorgerichtliche Mahnauslagen zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat u. a. geltend gemacht, dass die Klägerin aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung nichts fordern könne, da bei den Vertragsverhandlungen zugesichert worden sei, dass keine Vermittlungsgebühren anfallen. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, die Regelung, dass die in den ersten drei Vertragsjahren anfallenden Vermittlungsgebühren auch bei vorzeitiger Kündigung der Lebensversicherung in jedem Fall zu zahlen sind, stehe im Widerspruch zur jederzeit möglichen Kündigung der Versicherung gemäß §§ 178, 165, 174 VVG und sei damit gemäß § 9 AGBG unwirksam.
Das Amtsgericht hat die Klage entsprechend dem Urteil des erkennenden Gerichts vom 3.7.2003 – 5 S 25/03 – (veröffentlicht in NJW-RR 2003, 1470 und in VersR 2004, 110), das während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangen ist, abgewiesen.
Mit der Berufung, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung, die statthaft ist und form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, hat in der Sache keinen Erfolg.
12 
Im Urteil NJW-RR 2003, 1470 = VersR 2004, 110, dem ein dem vorliegenden Fall entsprechender Sachverhalt zugrunde lag, hat die Kammer den zwischen Versicherungsvermittler und Versicherungsnehmer geschlossenen Vermittlervertrag wegen Verstoßes der Provisionsvereinbarung gegen das dem Versicherungsnehmer durch das Versicherungsvertragsgesetz gewährleistete Recht der jederzeitigen Kündigung der Lebensversicherung gemäß § 134 BGB als nichtig angesehen und die Klage auf Zahlung der während der ersten drei Jahre der Prämienlaufzeit anfallenden, auch bei vorzeitiger Kündigung der Lebensversicherung unverfallbaren Vermittlerprovision (eingeklagt war, wie hier, ein Restprovisionsbetrag) abgewiesen. Die Fälligkeit des ganz überwiegenden Teils der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Vermittlungsprovision in den ersten Jahren der Versicherung und die Unverfallbarkeit dieser Provision, auch wenn der Versicherungsnehmer die Versicherung vorzeitig kündigt oder in eine beitragsfreie Versicherung umwandelt, so hat die Kammer ausgeführt, bedeute im Ergebnis eine unzulässige Erschwerung der dem Versicherungsnehmer gemäß §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG zwingend eingeräumten Freiheit, die Versicherung jederzeit zum Ende der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen oder in eine beitragsfreie Versicherung umzuwandeln. Die Bestimmung des § 178 VVG, dass sich der Versicherer auf eine Vereinbarung, durch welche von den §§ 165, 174 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wird, nicht berufen kann, sei ein gesetzliches Verbot zum Schutz des Versicherungsnehmers, das nicht nur für den Versicherer, sondern auch für den Versicherungsvermittler gelte, soweit dieser durch die mit dem Versicherungsnehmer getroffene Vergütungsvereinbarung die dem Versicherungsnehmer hinsichtlich der Lebensversicherung eingeräumte Kündigungsfreiheit beeinträchtigt.
13 
An dieser Rechtsprechung hält die Kammer auch für den Streitfall, der in den wesentlichen Punkten gleich liegt (vorliegend waren von der bei voller Laufzeit anfallenden Gesamtprovision in Höhe von 4.761,36 DM (= 7,44 % der Beitragssumme) 4.143,60 DM in den drei ersten Jahren fällig), fest. Zu den Einwendungen, die die Klägerin gegen die frühere Entscheidung erhebt, ist auszuführen:
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1. Die Klägerin bestreitet, dass die §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG dem Versicherungsnehmer die Freiheit, die Versicherung jederzeit zu kündigen, zwingend einräumen, mit der Begründung, dass der Versicherungsnehmer nach ganz herrschender Auffassung (z. B. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 165 Rn. 2 und § 174 Rn. 2) die Rechte gemäß §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1 VVG abtreten könne und dass das Kündigungs- oder Umwandlungsrecht nach der Abtretung dem Zessionar zustehe. Eine solche Abtretung, so macht die Klägerin geltend, sei auch im Streitfall gegeben, und zwar eine Abtretung der Rechte des Versicherungsnehmers einschließlich Kündigungsbefugnis an die Klägerin gemäß § 4 der für die Vermittlungsgebührenvereinbarung geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
15 
Dass der Versicherungsnehmer das Kündigungsrecht gemäß § 165 Abs. 1 VVG abtreten und es dann vom Zessionar ausgeübt werden kann, ist in dem Sinne richtig, dass im Abtretungsfall auch der Zessionar das Recht hat, den Lebensversicherungsvertrag zu kündigen, um den durch die bisherigen Prämienzahlungen geschaffenen Kapitalwert der Versicherung (den Rückkaufswert gemäß § 176 VVG) für sich liquide zu machen. Unzutreffend ist, dass nach der Abtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nicht mehr besteht. Bei der allgemeinen zessionsrechtlichen Frage, inwieweit bei Abtretung einer aus einem Vertrags verhältnis entspringenden Forderung die sekundären Gläubigerrechte auf den Zessionar übergehen, ist zu berücksichtigen, dass der Zedent auch nach der Abtretung Vertragspartei des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses bleibt und dass er nach wie vor der Schuldner der sich aus dem Vertrag ergebenen Verpflichtungen ist, mit der Folge, dass er weiterhin zur Ausübung derjenigen Gestaltungsrechte berechtigt sein muss, die vorgesehen sind, diese Schuldnerverpflichtungen zu beenden, zu beschränken oder sonst zu modifizieren. Dies wird im versicherungsrechtlichen Schrifttum teilweise verkannt, etwa wenn für den Fall der Pfändung oder Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag die Auffassung vertreten wird, falls die im Kündigungsfall zu erwartende Rückvergütung gemäß § 176 VVG niedriger sei als die Forderung des Pfändungs- bzw. Pfandgläubigers, könne der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Gläubigers den Vertrag nicht kündigen (Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., Lebensversicherung (§§ 159 – 178 VVG), Anm. H 212 u. H 268; Prölss/Martin, VVG, § 165 Rn. 2). Durch die Abtretung, Verpfändung oder Pfändung der Lebensversicherungsansprüche werden die das vertragliche Grundverhältnis betreffenden Gestaltungsrechte genauso wenig berührt wie beispielsweise das entsprechende Recht des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, im Falle der Pfändung oder Abtretung seiner Lohn- oder Gehaltsforderungen (Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 829 Rn. 95). Im Kommentar von Bruck/Möller wird im Übrigen an anderer Stelle zutreffend darauf hingewiesen, und zwar für den Fall der Abtretung der Lebensversicherungsansprüche zur Sicherung eines von der Versicherung gewährten Darlehens, dass das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers gemäß § 165 VVG auf keinen Fall ausgeschlossen werden kann, auch nicht, wenn der Kündigungsausschluss der Absicherung eines Darlehensgebers dienen soll (Bruck/Möller, a.a.O. Anm. D 44).
16 
Abschließend und grundsätzlich ist zu dem Versuch der Klägerin, aus Kommentarstellen zur Abtretbarkeit der Kündigungs- und Umwandlungsrechte gemäß §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1 VVG Argumente gegen das dem Versicherungsnehmer zwingend eingeräumte Recht der jederzeitigen Kündbarkeit des Lebensversicherungsvertrages zu gewinnen, zu sagen: Inwieweit die vertraglichen Gestaltungsrechte bei einer Forderungsabtretung auf den Zessionar übergehen, ist eine im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Frage (abgesehen von einigen Teilregelungen z. B. in § 401 und § 1276 BGB); sie muss durch eine ergänzende Auslegung und Rechtsfortbildung beantwortet werden, und zwar für eine Vielzahl von Fallkonstellationen unter Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen Interessenbewertungen sehr differenzierend (vgl. Schwenzer, AcP 182, 214 ff.). Demgegenüber ergibt sich die gesetzlich zwingend festgelegte Freiheit der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages gemäß §§ 165, 174 VVG unmittelbar aus dem Gesetz (§ 178 VVG). Dies bedeutet: Es ist ausgeschlossen, aus teilweise vertretenen Auffassungen zum Problemkreis "Übergang der vertraglichen Gestaltungsrechte auf den Zessionar" Schlussfolgerungen zu ziehen hinsichtlich der Geltung oder Nichtgeltung der Kündigungsfreiheit gemäß §§ 165, 174, 178 VVG und der sich aus diesen Vorschriften ergebenden Einschränkungen der Vertragsfreiheit. Vielmehr gilt umgekehrt, dass die eindeutige gesetzliche Regelung der genannten Vorschriften, soweit die Kündigungsfreiheit berührt ist, die Richtschnur für die Lösung der Rechtsübergangsfragen sein muss.
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2. Im Urteil NJW-RR 2003, 1470 = VersR 2004, 110 geht die Kammer davon aus, dass der in der Vermittlungsgebührenvereinbarung festgelegte Anfall des überwiegenden Teils der Vermittlerprovision nicht zeitproportional entsprechend der Zahlung der Versicherungsprämien und unabhängig davon, wie lange die Prämienzahlungen laufen und welche Beitragssumme am Ende erreicht wird, eine vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende Vertragsregelung ist, die die Kündigungsfreiheit des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Lebensversicherung unzulässig beeinträchtigt. Dagegen wendet sich die Klägerin, die meint, die "Unverfallbarkeit" der Vermittlungsgebühr ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich aus dem von der Rechtsprechung aus § 652 BGB abgeleiteten Grundsatz, dass, wenn der vermittelte Hauptvertrag wirksam geschlossen ist, das weitere "Schicksal" des Maklervertrags, z. B. dessen vorzeitige Kündigung, die Makler-Courtage unberührt lässt (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 652 Rn. 39), dies im Unterschied zur Rechtslage beim Versicherungsvertreter (§ 92 Abs. 3 u. 4 und § 87a HGB). Dem ist entgegenzuhalten:
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Gesetzlicher Grundsatz bei der Maklerprovision ist, dass der Provisionsanspruch mit dem Abschluss des Hauptgeschäfts entsteht, es also auf die Ausführung des Hauptgeschäfts nicht ankommt und ebenso wenig darauf, ob die Leistungspflicht aus dem wirksam zustande gekommenen Hauptvertrag nachträglich durch Rücktritt, Kündigung, einverständlicher Aufhebung etc. beseitigt wird. Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung aber eine Ausnahme gemacht für den Fall, dass ein freies , an keine Voraussetzung geknüpftes Rücktrittsrecht eingeräumt ist. In einem solchen Fall entsteht die Provisionspflicht erst dann, wenn die Frist abgelaufen ist, ohne dass von dem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht wurde; denn eine echte vertragliche Bindung wird erst in dem Zeitpunkt begründet, in dem der Rücktrittsberechtigte das Rücktrittsrecht nicht mehr ausüben kann, und ein Fall dieser Art ist zu behandeln, wie wenn der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung (vgl. § 652 Abs. 1 Satz 2 BGB) geschlossen wäre (BGH, NJW 1974, 694; BGHZ 66, 270, 271; BGH, NJW 1997, 1581, 1582; BGH, NJW-RR 2000, 1302, 1303). Dies hat der Bundesgerichtshof für den Fall eines vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts ausgesprochen. Für den Fall eines freien, an keine Voraussetzungen geknüpften Rücktrittsrecht, das vom Gesetz eingeräumt ist, kann nichts anderes gelten. Und dieselben Grundsätze sind anzuwenden, wenn der Hauptvertrag, wie die Lebensversicherungen mit laufender Beitragszahlung, was die Rücktrittsmöglichkeit betrifft, in eine Mehrzahl von Leistungsabschnitten aufgeteilt ist dergestalt, dass der Versicherungsnehmer für jeden Abschnitt erneut das freie Recht hat, das Wirksamwerden des Vertrages für diesen und die folgenden Abschnitte zu beseitigen, was, da eine solche Vertragsstornierung ex nunc die rechtliche Bindung hinsichtlich der früheren Leistungsabschnitte nicht aufhebt, sondern das Vertragsverhältnis insoweit nur umwandelt, nicht als Rücktritt, sondern als Kündigung bezeichnet wird.
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3. Gegen die Annahme einer unzulässigen, gegen §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG verstoßenden Kündigungserschwerung die Klägerin noch eingewandt, dass eine Vertragsstrafe für den Fall der vorzeitigen Lebensversicherungskündigung zwischen den Parteien des Vermittlungsvertrages nicht vereinbart worden sei. Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, dass es, wie schon in der Entscheidung NJW-RR 2003, 1470 = VersR 2004, 110 dargelegt, auf eine Vertragsstrafe im engeren Sinne, d. h. die Vereinbarung eines mit der Kündigung verbundenen Nachteils in der Absicht , die Kündigung zu erschweren oder auszuschließen, nicht ankommt. Die vom Gesetz gewährleistete Kündigungsfreiheit ist schon dann in gesetzwidriger Weise beeinträchtigt ist, wenn mit der Kündigung objektiv ein erheblicher Nachteil verknüpft ist, der geeignet ist, den Kündigungsberechtigten von der Ausübung seines Rechts abzuhalten. Und ein solcher Nachteil ist es, wenn der Versicherungsnehmer vereinbarungsgemäß gleich zu Beginn der Laufzeit der Lebensversicherung Provisionen zahlen muss, die wirtschaftlich betrachtet, Gegenleistungen für spätere Versicherungsperioden sind, so dass die vorzeitige Lebensversicherungskündigung für den Versicherungsnehmer bedeutet, dass er für die späteren Zeitabschnitte Zahlungen ohne Gegenleistungen erbracht hat oder noch erbringen muss. Bei alledem kommt es allein auf die Situation des Kündigungsberechtigten an, d. h. darauf, wie die vertragliche Gestaltung sich auf seine Entscheidungsfreiheit bei der Ausübung des Kündigungsrechts auswirkt. Ob die vereinbarten weitergehenden Zahlungen, die das Kündigungsrecht beeinträchtigen, aus der Sicht des Vertragsgegners vielleicht gerechtfertigt wären (etwa als Vergütung für Leistungen, die im Hinblick auf erst spätere eventuelle Vertrags- und Leistungsrealisierungen schon jetzt zu erbringen sind), ist unerheblich. Insoweit schränkt das gesetzlich garantierte freie Kündigungsrecht die vertragliche Gestaltungsfreiheit ein und führt dazu, dass auch ein eventuell entgegenstehendes Interesse des Vertragsgegners an einer aufwandsgerechten Vergütung – ein Interesse, das im Maklerrecht mit seiner erfolgs bezogenen Ausgestaltung der Maklervergütung ohnehin grundsätzlich nicht geschützt ist – hintanstehen muss. Keine Rolle spielt ferner, ob der mit der Kündigung verbundene Nachteil sich durch Leistungen an den Vertragspartner desjenigen Vertrages ergibt, für den die Kündigungsfreiheit gilt (hier: auch nach der Kündigung weiterlaufende Prämienzahlungen an die Lebensversicherung ), oder ob es sich um Leistungen an einen Dritten handelt (hier: Weiterlauf der Provisionszahlungen an den Versicherungsvermittler ). Aus der Sicht des Versicherungsnehmers ist der kündigungsausschließende oder -erschwerende Effekt beide Male der gleiche.
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Im übrigen steht vorliegend auch die Erheblichkeit des mit der vorzeitigen Vertragskündigung verknüpften Nachteils "Provisionszahlung ohne Gegenleistung" im Sinne einer wesentlichen Beeinträchtigung der Kündigungsfreiheit außer Zweifel. Prüfungsmaßstab ist hier der allererste Abschnitt der Prämienlaufzeit; denn schon zu dieser Zeit muss das freie Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers gewährleistet und darf nicht durch eine insoweit behindernde Gestaltung der Provisionszahlungen beeinträchtigt sein. Nimmt man also eine Kündigung zum Ende des ersten Versicherungsjahres, so wäre nach der vorliegenden Vermittlungsgebührenvereinbarung eine unverfallbare Vermittlungsprovision, der nach der Kündigung keine weitere Realisierung der Lebensversicherung gegenübersteht, in Höhe von 4.143,60 DM (unverfallbare Provisionen der ersten drei Jahre) minus 4.761,36 DM (Gesamtprovision) mal 1/29 (bereits realisierter Anteil der Gesamtprämienlaufzeit), d. h. in Höhe von 4.143,60 DM minus 164,80 DM = 3.979,42 DM zu zahlen gewesen. Bei einer späteren Kündigung würde sich dieser Betrag der Provisionszahlung ohne Gegenleistung von Jahr zu Jahr um 164,80 DM vermindern. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass Verlustbeträge dieser Größenordnung geeignet sind, einen an sich kündigungswilligen Versicherungsnehmer (zumindest während einer gewissen Zeit) "bei der Stange zu halten".
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4. Gegen die von der Kammer angenommene Nichtigkeit der Vermittlungsvereinbarung gemäß § 134 BGB macht die Klägerin ansonsten noch geltend, dass § 178 VVG nicht die Nichtigkeit vereinbarter Kündigungsbeschränkungen anordne, sondern nur die Berufung des Versicherers auf sie ausschließe und dass bei einem solchen nur einseitigen Verbot keine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB eingreife. Auch in diesem Punkt kann der Klägerin nicht gefolgt werden.
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Inwieweit ein gegen eine Verbotsvorschrift verstoßendes Rechtsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig ist, lässt sich nicht generell feststellen, sondern ist für jede Norm nach deren Schutzzweck gesondert zu ermitteln, wobei gemäß § 134 BGB die rechtliche Vermutung gilt, dass der Gesetzesverstoß das Geschäft nichtig macht (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 134 Rn. 7). Schutzzweck der §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG ist, im Hinblick auf die in der Regel lange Laufzeit einer Lebensversicherung mit laufender Prämienzahlung und die während dieser Zeit sich möglicherweise ergebende Änderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers und seines Versicherungsbedarfs diesem ein jederzeit ein unabdingbares Kündigungsrecht zu gewährleisten (Bruck/Möller a.a.O. Anm. D 41). Dieser Schutzzweck erfordert, dass auch Geschäfte mit Dritten, die die Kündigungsfreiheit beeinträchtigen, gemäß § 134 BGB nichtig sind. Die eine mit einem Dritten für den Fall der Kündigung vereinbarte Vertragsstrafe oder sonstige nachteilige Folge kann das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nicht weniger behindern oder ausschließen, als wenn ein solcher Rechtsnachteil unmittelbar mit der Versicherung vereinbart wird. Und was speziell die Verträge mit dem Versicherungsvermittler betrifft, erscheint es umso weniger gerechtfertigt, diese von der sich aus dem Schutzzweck der §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG ergebenden Nichtigkeitsfolge auszunehmen, als zwischen Lebensversicherung und Vermittler häufig eine verhältnismäßig enge wirtschaftliche Verbindung besteht und die Versicherung, soweit der von ihr bestimmte Vertriebsweg Verträge unmittelbar zwischen Vermittler und Kunde vorsieht, die Bedingungen der Vermittlungsverträge in wesentlichen Punkten vorgibt oder jedenfalls mitgestaltet.
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5. Die Entscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 97 Abs. 1 und den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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6. Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Entscheidung der Kammer von anderen Gerichtsurteilen abweicht, ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

Gründe

 
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Die Berufung, die statthaft ist und form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, hat in der Sache keinen Erfolg.
12 
Im Urteil NJW-RR 2003, 1470 = VersR 2004, 110, dem ein dem vorliegenden Fall entsprechender Sachverhalt zugrunde lag, hat die Kammer den zwischen Versicherungsvermittler und Versicherungsnehmer geschlossenen Vermittlervertrag wegen Verstoßes der Provisionsvereinbarung gegen das dem Versicherungsnehmer durch das Versicherungsvertragsgesetz gewährleistete Recht der jederzeitigen Kündigung der Lebensversicherung gemäß § 134 BGB als nichtig angesehen und die Klage auf Zahlung der während der ersten drei Jahre der Prämienlaufzeit anfallenden, auch bei vorzeitiger Kündigung der Lebensversicherung unverfallbaren Vermittlerprovision (eingeklagt war, wie hier, ein Restprovisionsbetrag) abgewiesen. Die Fälligkeit des ganz überwiegenden Teils der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Vermittlungsprovision in den ersten Jahren der Versicherung und die Unverfallbarkeit dieser Provision, auch wenn der Versicherungsnehmer die Versicherung vorzeitig kündigt oder in eine beitragsfreie Versicherung umwandelt, so hat die Kammer ausgeführt, bedeute im Ergebnis eine unzulässige Erschwerung der dem Versicherungsnehmer gemäß §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG zwingend eingeräumten Freiheit, die Versicherung jederzeit zum Ende der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen oder in eine beitragsfreie Versicherung umzuwandeln. Die Bestimmung des § 178 VVG, dass sich der Versicherer auf eine Vereinbarung, durch welche von den §§ 165, 174 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wird, nicht berufen kann, sei ein gesetzliches Verbot zum Schutz des Versicherungsnehmers, das nicht nur für den Versicherer, sondern auch für den Versicherungsvermittler gelte, soweit dieser durch die mit dem Versicherungsnehmer getroffene Vergütungsvereinbarung die dem Versicherungsnehmer hinsichtlich der Lebensversicherung eingeräumte Kündigungsfreiheit beeinträchtigt.
13 
An dieser Rechtsprechung hält die Kammer auch für den Streitfall, der in den wesentlichen Punkten gleich liegt (vorliegend waren von der bei voller Laufzeit anfallenden Gesamtprovision in Höhe von 4.761,36 DM (= 7,44 % der Beitragssumme) 4.143,60 DM in den drei ersten Jahren fällig), fest. Zu den Einwendungen, die die Klägerin gegen die frühere Entscheidung erhebt, ist auszuführen:
14 
1. Die Klägerin bestreitet, dass die §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG dem Versicherungsnehmer die Freiheit, die Versicherung jederzeit zu kündigen, zwingend einräumen, mit der Begründung, dass der Versicherungsnehmer nach ganz herrschender Auffassung (z. B. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 165 Rn. 2 und § 174 Rn. 2) die Rechte gemäß §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1 VVG abtreten könne und dass das Kündigungs- oder Umwandlungsrecht nach der Abtretung dem Zessionar zustehe. Eine solche Abtretung, so macht die Klägerin geltend, sei auch im Streitfall gegeben, und zwar eine Abtretung der Rechte des Versicherungsnehmers einschließlich Kündigungsbefugnis an die Klägerin gemäß § 4 der für die Vermittlungsgebührenvereinbarung geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
15 
Dass der Versicherungsnehmer das Kündigungsrecht gemäß § 165 Abs. 1 VVG abtreten und es dann vom Zessionar ausgeübt werden kann, ist in dem Sinne richtig, dass im Abtretungsfall auch der Zessionar das Recht hat, den Lebensversicherungsvertrag zu kündigen, um den durch die bisherigen Prämienzahlungen geschaffenen Kapitalwert der Versicherung (den Rückkaufswert gemäß § 176 VVG) für sich liquide zu machen. Unzutreffend ist, dass nach der Abtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nicht mehr besteht. Bei der allgemeinen zessionsrechtlichen Frage, inwieweit bei Abtretung einer aus einem Vertrags verhältnis entspringenden Forderung die sekundären Gläubigerrechte auf den Zessionar übergehen, ist zu berücksichtigen, dass der Zedent auch nach der Abtretung Vertragspartei des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses bleibt und dass er nach wie vor der Schuldner der sich aus dem Vertrag ergebenen Verpflichtungen ist, mit der Folge, dass er weiterhin zur Ausübung derjenigen Gestaltungsrechte berechtigt sein muss, die vorgesehen sind, diese Schuldnerverpflichtungen zu beenden, zu beschränken oder sonst zu modifizieren. Dies wird im versicherungsrechtlichen Schrifttum teilweise verkannt, etwa wenn für den Fall der Pfändung oder Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag die Auffassung vertreten wird, falls die im Kündigungsfall zu erwartende Rückvergütung gemäß § 176 VVG niedriger sei als die Forderung des Pfändungs- bzw. Pfandgläubigers, könne der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Gläubigers den Vertrag nicht kündigen (Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., Lebensversicherung (§§ 159 – 178 VVG), Anm. H 212 u. H 268; Prölss/Martin, VVG, § 165 Rn. 2). Durch die Abtretung, Verpfändung oder Pfändung der Lebensversicherungsansprüche werden die das vertragliche Grundverhältnis betreffenden Gestaltungsrechte genauso wenig berührt wie beispielsweise das entsprechende Recht des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, im Falle der Pfändung oder Abtretung seiner Lohn- oder Gehaltsforderungen (Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 829 Rn. 95). Im Kommentar von Bruck/Möller wird im Übrigen an anderer Stelle zutreffend darauf hingewiesen, und zwar für den Fall der Abtretung der Lebensversicherungsansprüche zur Sicherung eines von der Versicherung gewährten Darlehens, dass das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers gemäß § 165 VVG auf keinen Fall ausgeschlossen werden kann, auch nicht, wenn der Kündigungsausschluss der Absicherung eines Darlehensgebers dienen soll (Bruck/Möller, a.a.O. Anm. D 44).
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Abschließend und grundsätzlich ist zu dem Versuch der Klägerin, aus Kommentarstellen zur Abtretbarkeit der Kündigungs- und Umwandlungsrechte gemäß §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1 VVG Argumente gegen das dem Versicherungsnehmer zwingend eingeräumte Recht der jederzeitigen Kündbarkeit des Lebensversicherungsvertrages zu gewinnen, zu sagen: Inwieweit die vertraglichen Gestaltungsrechte bei einer Forderungsabtretung auf den Zessionar übergehen, ist eine im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Frage (abgesehen von einigen Teilregelungen z. B. in § 401 und § 1276 BGB); sie muss durch eine ergänzende Auslegung und Rechtsfortbildung beantwortet werden, und zwar für eine Vielzahl von Fallkonstellationen unter Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen Interessenbewertungen sehr differenzierend (vgl. Schwenzer, AcP 182, 214 ff.). Demgegenüber ergibt sich die gesetzlich zwingend festgelegte Freiheit der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages gemäß §§ 165, 174 VVG unmittelbar aus dem Gesetz (§ 178 VVG). Dies bedeutet: Es ist ausgeschlossen, aus teilweise vertretenen Auffassungen zum Problemkreis "Übergang der vertraglichen Gestaltungsrechte auf den Zessionar" Schlussfolgerungen zu ziehen hinsichtlich der Geltung oder Nichtgeltung der Kündigungsfreiheit gemäß §§ 165, 174, 178 VVG und der sich aus diesen Vorschriften ergebenden Einschränkungen der Vertragsfreiheit. Vielmehr gilt umgekehrt, dass die eindeutige gesetzliche Regelung der genannten Vorschriften, soweit die Kündigungsfreiheit berührt ist, die Richtschnur für die Lösung der Rechtsübergangsfragen sein muss.
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2. Im Urteil NJW-RR 2003, 1470 = VersR 2004, 110 geht die Kammer davon aus, dass der in der Vermittlungsgebührenvereinbarung festgelegte Anfall des überwiegenden Teils der Vermittlerprovision nicht zeitproportional entsprechend der Zahlung der Versicherungsprämien und unabhängig davon, wie lange die Prämienzahlungen laufen und welche Beitragssumme am Ende erreicht wird, eine vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende Vertragsregelung ist, die die Kündigungsfreiheit des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Lebensversicherung unzulässig beeinträchtigt. Dagegen wendet sich die Klägerin, die meint, die "Unverfallbarkeit" der Vermittlungsgebühr ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich aus dem von der Rechtsprechung aus § 652 BGB abgeleiteten Grundsatz, dass, wenn der vermittelte Hauptvertrag wirksam geschlossen ist, das weitere "Schicksal" des Maklervertrags, z. B. dessen vorzeitige Kündigung, die Makler-Courtage unberührt lässt (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 652 Rn. 39), dies im Unterschied zur Rechtslage beim Versicherungsvertreter (§ 92 Abs. 3 u. 4 und § 87a HGB). Dem ist entgegenzuhalten:
18 
Gesetzlicher Grundsatz bei der Maklerprovision ist, dass der Provisionsanspruch mit dem Abschluss des Hauptgeschäfts entsteht, es also auf die Ausführung des Hauptgeschäfts nicht ankommt und ebenso wenig darauf, ob die Leistungspflicht aus dem wirksam zustande gekommenen Hauptvertrag nachträglich durch Rücktritt, Kündigung, einverständlicher Aufhebung etc. beseitigt wird. Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung aber eine Ausnahme gemacht für den Fall, dass ein freies , an keine Voraussetzung geknüpftes Rücktrittsrecht eingeräumt ist. In einem solchen Fall entsteht die Provisionspflicht erst dann, wenn die Frist abgelaufen ist, ohne dass von dem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht wurde; denn eine echte vertragliche Bindung wird erst in dem Zeitpunkt begründet, in dem der Rücktrittsberechtigte das Rücktrittsrecht nicht mehr ausüben kann, und ein Fall dieser Art ist zu behandeln, wie wenn der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung (vgl. § 652 Abs. 1 Satz 2 BGB) geschlossen wäre (BGH, NJW 1974, 694; BGHZ 66, 270, 271; BGH, NJW 1997, 1581, 1582; BGH, NJW-RR 2000, 1302, 1303). Dies hat der Bundesgerichtshof für den Fall eines vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts ausgesprochen. Für den Fall eines freien, an keine Voraussetzungen geknüpften Rücktrittsrecht, das vom Gesetz eingeräumt ist, kann nichts anderes gelten. Und dieselben Grundsätze sind anzuwenden, wenn der Hauptvertrag, wie die Lebensversicherungen mit laufender Beitragszahlung, was die Rücktrittsmöglichkeit betrifft, in eine Mehrzahl von Leistungsabschnitten aufgeteilt ist dergestalt, dass der Versicherungsnehmer für jeden Abschnitt erneut das freie Recht hat, das Wirksamwerden des Vertrages für diesen und die folgenden Abschnitte zu beseitigen, was, da eine solche Vertragsstornierung ex nunc die rechtliche Bindung hinsichtlich der früheren Leistungsabschnitte nicht aufhebt, sondern das Vertragsverhältnis insoweit nur umwandelt, nicht als Rücktritt, sondern als Kündigung bezeichnet wird.
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3. Gegen die Annahme einer unzulässigen, gegen §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG verstoßenden Kündigungserschwerung die Klägerin noch eingewandt, dass eine Vertragsstrafe für den Fall der vorzeitigen Lebensversicherungskündigung zwischen den Parteien des Vermittlungsvertrages nicht vereinbart worden sei. Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, dass es, wie schon in der Entscheidung NJW-RR 2003, 1470 = VersR 2004, 110 dargelegt, auf eine Vertragsstrafe im engeren Sinne, d. h. die Vereinbarung eines mit der Kündigung verbundenen Nachteils in der Absicht , die Kündigung zu erschweren oder auszuschließen, nicht ankommt. Die vom Gesetz gewährleistete Kündigungsfreiheit ist schon dann in gesetzwidriger Weise beeinträchtigt ist, wenn mit der Kündigung objektiv ein erheblicher Nachteil verknüpft ist, der geeignet ist, den Kündigungsberechtigten von der Ausübung seines Rechts abzuhalten. Und ein solcher Nachteil ist es, wenn der Versicherungsnehmer vereinbarungsgemäß gleich zu Beginn der Laufzeit der Lebensversicherung Provisionen zahlen muss, die wirtschaftlich betrachtet, Gegenleistungen für spätere Versicherungsperioden sind, so dass die vorzeitige Lebensversicherungskündigung für den Versicherungsnehmer bedeutet, dass er für die späteren Zeitabschnitte Zahlungen ohne Gegenleistungen erbracht hat oder noch erbringen muss. Bei alledem kommt es allein auf die Situation des Kündigungsberechtigten an, d. h. darauf, wie die vertragliche Gestaltung sich auf seine Entscheidungsfreiheit bei der Ausübung des Kündigungsrechts auswirkt. Ob die vereinbarten weitergehenden Zahlungen, die das Kündigungsrecht beeinträchtigen, aus der Sicht des Vertragsgegners vielleicht gerechtfertigt wären (etwa als Vergütung für Leistungen, die im Hinblick auf erst spätere eventuelle Vertrags- und Leistungsrealisierungen schon jetzt zu erbringen sind), ist unerheblich. Insoweit schränkt das gesetzlich garantierte freie Kündigungsrecht die vertragliche Gestaltungsfreiheit ein und führt dazu, dass auch ein eventuell entgegenstehendes Interesse des Vertragsgegners an einer aufwandsgerechten Vergütung – ein Interesse, das im Maklerrecht mit seiner erfolgs bezogenen Ausgestaltung der Maklervergütung ohnehin grundsätzlich nicht geschützt ist – hintanstehen muss. Keine Rolle spielt ferner, ob der mit der Kündigung verbundene Nachteil sich durch Leistungen an den Vertragspartner desjenigen Vertrages ergibt, für den die Kündigungsfreiheit gilt (hier: auch nach der Kündigung weiterlaufende Prämienzahlungen an die Lebensversicherung ), oder ob es sich um Leistungen an einen Dritten handelt (hier: Weiterlauf der Provisionszahlungen an den Versicherungsvermittler ). Aus der Sicht des Versicherungsnehmers ist der kündigungsausschließende oder -erschwerende Effekt beide Male der gleiche.
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Im übrigen steht vorliegend auch die Erheblichkeit des mit der vorzeitigen Vertragskündigung verknüpften Nachteils "Provisionszahlung ohne Gegenleistung" im Sinne einer wesentlichen Beeinträchtigung der Kündigungsfreiheit außer Zweifel. Prüfungsmaßstab ist hier der allererste Abschnitt der Prämienlaufzeit; denn schon zu dieser Zeit muss das freie Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers gewährleistet und darf nicht durch eine insoweit behindernde Gestaltung der Provisionszahlungen beeinträchtigt sein. Nimmt man also eine Kündigung zum Ende des ersten Versicherungsjahres, so wäre nach der vorliegenden Vermittlungsgebührenvereinbarung eine unverfallbare Vermittlungsprovision, der nach der Kündigung keine weitere Realisierung der Lebensversicherung gegenübersteht, in Höhe von 4.143,60 DM (unverfallbare Provisionen der ersten drei Jahre) minus 4.761,36 DM (Gesamtprovision) mal 1/29 (bereits realisierter Anteil der Gesamtprämienlaufzeit), d. h. in Höhe von 4.143,60 DM minus 164,80 DM = 3.979,42 DM zu zahlen gewesen. Bei einer späteren Kündigung würde sich dieser Betrag der Provisionszahlung ohne Gegenleistung von Jahr zu Jahr um 164,80 DM vermindern. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass Verlustbeträge dieser Größenordnung geeignet sind, einen an sich kündigungswilligen Versicherungsnehmer (zumindest während einer gewissen Zeit) "bei der Stange zu halten".
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4. Gegen die von der Kammer angenommene Nichtigkeit der Vermittlungsvereinbarung gemäß § 134 BGB macht die Klägerin ansonsten noch geltend, dass § 178 VVG nicht die Nichtigkeit vereinbarter Kündigungsbeschränkungen anordne, sondern nur die Berufung des Versicherers auf sie ausschließe und dass bei einem solchen nur einseitigen Verbot keine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB eingreife. Auch in diesem Punkt kann der Klägerin nicht gefolgt werden.
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Inwieweit ein gegen eine Verbotsvorschrift verstoßendes Rechtsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig ist, lässt sich nicht generell feststellen, sondern ist für jede Norm nach deren Schutzzweck gesondert zu ermitteln, wobei gemäß § 134 BGB die rechtliche Vermutung gilt, dass der Gesetzesverstoß das Geschäft nichtig macht (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 134 Rn. 7). Schutzzweck der §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG ist, im Hinblick auf die in der Regel lange Laufzeit einer Lebensversicherung mit laufender Prämienzahlung und die während dieser Zeit sich möglicherweise ergebende Änderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers und seines Versicherungsbedarfs diesem ein jederzeit ein unabdingbares Kündigungsrecht zu gewährleisten (Bruck/Möller a.a.O. Anm. D 41). Dieser Schutzzweck erfordert, dass auch Geschäfte mit Dritten, die die Kündigungsfreiheit beeinträchtigen, gemäß § 134 BGB nichtig sind. Die eine mit einem Dritten für den Fall der Kündigung vereinbarte Vertragsstrafe oder sonstige nachteilige Folge kann das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nicht weniger behindern oder ausschließen, als wenn ein solcher Rechtsnachteil unmittelbar mit der Versicherung vereinbart wird. Und was speziell die Verträge mit dem Versicherungsvermittler betrifft, erscheint es umso weniger gerechtfertigt, diese von der sich aus dem Schutzzweck der §§ 165 Abs. 1, 174 Abs. 1, 178 VVG ergebenden Nichtigkeitsfolge auszunehmen, als zwischen Lebensversicherung und Vermittler häufig eine verhältnismäßig enge wirtschaftliche Verbindung besteht und die Versicherung, soweit der von ihr bestimmte Vertriebsweg Verträge unmittelbar zwischen Vermittler und Kunde vorsieht, die Bedingungen der Vermittlungsverträge in wesentlichen Punkten vorgibt oder jedenfalls mitgestaltet.
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5. Die Entscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 97 Abs. 1 und den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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6. Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Entscheidung der Kammer von anderen Gerichtsurteilen abweicht, ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

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