Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 5 O 203/04

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag Nr. 24 976 226 2 betreffend V. S. mit folgenden Vertragsbestimmungen zustande gekommen ist:

a) Eintrittsalter: 10 Jahre

b) Beitragszahlungsdauer: 26 Jahre

c) Versicherte Leistung bei Erleben des 1.7.2050: lebenslange Rente von monatlich 442,90 DM = 226,45 EUR oder an Stelle der Rente eine einmalige Kapitalzahlung von 103.757,00 DM = 53.024,55 EUR. Versicherte Leistung bei Tod vor dem 1.7.2050: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der gezahlten Beträge. Dazu kommen jeweils noch die Leistungen aus der Gewinnbeteiligung.

d) Versicherte Leistung bei Tod innerhalb der Rentengarantiezeit vom 1.7.2050 bis 30.6.2060: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der noch ausstehenden garantierten Rentenzahlungen mit 4 % p. a. diskontiert.

e) Monatliche Beträge entsprechend der dem Urteil beigehefteten Kopie der Seite "Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung – Mädchen – anfänglicher monatlicher Betrag 70,00 DM" (beigeheftet als Seite 3 a); maßgebend ist die Spalte "Eintrittsalter 10 Jahre".

Soweit die Beitragszahlen ab dem 27. Versicherungsjahr mit einem negativen Vorzeichen versehen sind, hat die Beklagen die betreffenden Monatsbetrag an die Versicherte V. S. zu zahlen. Voraussetzung der Zahlungspflicht ist, dass die Versicherte den betreffenden Beitragsmonat erlebt. Die Zahlungen sind jeweils am Ersten des Monats fällig.

f) Ergänzend gelten die Bestimmungen der Versicherungspolice und der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Zukunftsrente mit Beitragszahlung in der im Juni 2000 geltenden Fassung.

2. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag Nr. 24 976 225 4 betreffend F. S. mit folgenden Vertragsbestimmungen zustande gekommen ist:

a) Eintrittsalter: 6 Jahre

b) Beitragszahlungsdauer: 27 Jahre

c) Versicherte Leistung bei Erleben des 1.7.2054: lebenslange Rente von monatlich 584,30 DM = 298,75 EUR oder an Stelle der Rente eine einmalige Kapitalzahlung von 122.405,00 DM = 62.584,68 EUR. Versicherte Leistung bei Tod vor dem 1.7.2054: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der gezahlten Beträge. Dazu kommen jeweils noch die Leistungen aus der Gewinnbeteiligung.

d) Versicherte Leistung bei Tod innerhalb der Rentengarantiezeit vom 1.7.2054 bis 30.6.2064: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der noch ausstehenden garantierten Rentenzahlungen mit 4 % p. a. diskontiert.

e) Monatliche Beträge entsprechend der dem Urteil beigehefteten Kopie der Seite "Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung – Jungen – anfänglicher monatlicher Betrag 70,00 DM" (beigeheftet als Seite 3 b); maßgebend ist die Spalte "Eintrittsalter 6 Jahre".

Soweit die Beitragszahlen ab dem 27. Versicherungsjahr mit einem negativen Vorzeichen versehen sind, hat die Beklagen die betreffenden Monatsbetrag an den Versicherten F. S. zu zahlen. Voraussetzung der Zahlungspflicht ist, dass der Versicherte den betreffenden Beitragsmonat erlebt. Die Zahlungen sind jeweils am Ersten des Monats fällig.

f) Ergänzend gelten die Bestimmungen der Versicherungspolice und der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Zukunftsrente mit Beitragszahlung in der im Juni 2000 geltenden Fassung.

3. Soweit unter Buchst. e der Ziffern 1 und 2 des Urteilstenors festgestellt wird, dass die Beklagte in Höhe der negativen Monatsbeiträge Zahlungen entsprechend den klägerischen Hilfsanträgen jeweils an den Versicherten, und nicht, wie in erster Linie beantragt, an die Klägerin zu zahlen hat und insofern nicht den Hauptanträgen stattgegeben worden ist, wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist wegen des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Die Klägerin hat im Jahre 2000 als Versicherungsnehmerin bei der V. Lebensversicherung AG für ihre Kinder V., geboren am 5.10.1990, und F., geboren am 28.3.1994, zwei Rentenversicherungsanträge abgeschlossen. Die zu leistenden Renten werden fällig, wenn die Kinder das sechzigste Lebensjahr vollendet haben.
In den von der Klägerin unterzeichneten Versicherungsanträgen vom 30.5.2000 waren die für das Versicherungsverhältnis wesentlichen Daten jeweils wie folgt angegeben:
für das Versicherungsverhältnis betreffend die Tochter V.:         
Technischer Versicherungsbeginn (= Beginn der Beitragszahlung): Juli 2000,
Monatsbetrag der versicherten Rente: 442,90 DM,
Aufschubdauer (Zeitraum bis zur Fälligkeit der Rente): 50 Jahre,
Beitragszahlungsdauer: 26 Jahre,
Rentengarantiezeit (Zeitraum ab der Vollendung des sechzigsten Lebensjahres, für den auf jeden Fall, auch bei Tod des Versicherten vor Ablauf der Garantiezeit, die Versicherungsleistung anfällt): 10 Jahre,
monatlicher Versicherungsbeitrag: 70 DM,
                 
für das Versicherungsverhältnis betreffend den Sohn F.:         
Technischer Versicherungsbeginn (= Beginn der Beitragszahlung): Juli 2000,
Monatsbetrag der versicherten Rente: 584,30 DM,
Aufschubdauer (Zeitraum bis zur Fälligkeit der Rente): 54 Jahre,
Beitragszahlungsdauer: 27 Jahre,
Rentengarantiezeit: 10 Jahre,
monatlicher Versicherungsbeitrag: 70 DM.
Unter der Überschrift "Nebenabreden" war in den Anträgen der Versicherungstyp "Kindergeldrente" angegeben. Hierbei handelt es sich um eine von der V. Lebensversicherung AG und der A. Lebensversicherungs-AG damals angebotene Rentenversicherung, die in einem dem Kunden vorgelegten Prospekt "Verkaufsunterlagen 2000 – Die Kindergeld-Rente der A." (Anlage B 6) näher beschrieben wurde. Die A. Lebensversicherungs-AG ist die Beklagte des vorliegenden Prozesses. Sie und die V. Lebensversicherung AG waren im Jahre 2000 wirtschaftlich verbundene Unternehmen; inzwischen ist das Unternehmen der V. Lebensversicherung AG durch Fusion auf die Beklagte übergegangen (die V. Lebensversicherung AG wird im Folgenden vereinfachend ebenfalls "Beklagte" bezeichnet).
Der Prospekt "Verkaufsunterlagen 2000 – Die Kindergeld-Rente der A.", der auch der Klägerin vorlag, enthielt u. a. Aufstellungen zur Höhe der Versicherungsleistungen und zu den im Laufe der Versicherungszeit anfallenden Beiträgen, und zwar je zwei Seiten für jeden in Betracht kommenden Beitragstyp (Monatsbeitrag zu Beginn des Versicherungsverhältnisses: 50 DM, 70 DM, 100 DM und 135 DM) und je nach dem Geschlecht des Versicherten: Tabelle Jungen, Tabelle Mädchen): die Aufstellung auf der ersten Seite überschrieben mit "Beitragstabelle", die Aufstellung auf der zweiten Seite überschrieben mit "Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung".
In der Aufstellung "Beitragstabelle" waren angegeben die je nach Geburtsjahr/Eintrittsalter des Versicherten unterschiedlichen Beiträge:
– monatliche versicherte Rente,
– "monatliche Gesamtrente", erläutert als Rente "gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen",
– garantierte Kapitalzahlung (Kapitalbetrag, der bei Eintritt des Versicherungsfalls anstelle der Rente gewählt werden kann),
10 
– "gesamte Kapitalzahlung", erläutert als Kapitalzahlung "gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen".
11 
In den Beitragstagbellen, die für die von der Klägerin gewählten Versicherungen maßgebend waren, waren für das Eintrittsalter der Kinder die Beträge angegeben:
12 
– Beitragstabelle Mädchen – Monatsbeitrag 70,00 DM:         
für das Eintrittsalter 10 Jahre (Eintrittsalter der Tochter V.): monatliche versicherte Rente: 442,90 DM,
monatliche Gesamtrente gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen: 862,60 DM,
garantierte Kapitalzahlung: 103.756,60 DM,
gesamte Kapitalzahlung gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen: 149.360,00 DM,
                 
– Beitragstabelle Jungen – Monatsbeitrag 70,00 DM:         
für das Eintrittsalter 6 Jahre (Eintrittsalter des Sohnes F.):         
monatliche versicherte Rente: 584,30 DM,
monatliche Gesamtrente gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen: 1.114,70 DM,
garantierte Kapitalzahlung: 103.756,60 DM,
gesamte Kapitalzahlung gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen: 149.360,00 DM.
13 
In der Aufstellung "Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung" waren angegeben ausgehend vom jeweils gewählten Anfangsmonatsbeitrag (50,00 DM, 70,00 DM, 100,00 DM, 135,00 DM) die für die Folgejahre bis zur Vollendung des sechzigsten Lebensjahres Jahr für Jahr geltenden Monatsbeträge, und zwar in 14 nebeneinander wiedergegebenen Beitragsspalten je nach dem Eintrittsalter des Versicherten (1 Jahr, 2 Jahre, 3 Jahre ... bis 14 Jahre). Nach diesen Beitragsverläufen blieb der Monatsbeitrag in den ersten beiden Jahren konstant, dann verringerte er sich jedes Jahr, bis im 26. bzw. 27. Versicherungsjahr ein gegen Null gehender Beitragswert erreicht war. Ab dem 27. bzw. 28. Jahr ergaben sich negative Beitragszahlen, die jedes Jahr bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres anstiegen.
14 
Die Versicherungsanträge waren von der Klägerin als Antragstellerin/Versicherungsnehmerin unterschrieben. Als Vertreter der Versicherung hatte Herr C. G. unterzeichnet.
15 
Der Ehemann der Klägerin war seit Anfang 2000 für die Beklagte als Versicherungsvertreter tätig. In der von ihm betriebenen Versicherungsagentur war die Klägerin als Büroangestellte beschäftigt. Herr G., der sich damals in der Ausbildung zum Versicherungskaufmann befand – er war für die Volksfürsorgeversicherung tätig gewesen und war dann zur Beklagten übergewechselt –, war zu der Zeit, als die Versicherungsanträge der Klägerin gestellt wurden, dem Ehemann der Klägerin für sechs Wochen als Praktikant zugewiesen worden (sog. Ausbildungsinspektorat).
16 
Wie zwischen den Parteien unstreitig, wurden die Antragsformulare von Herrn G. im Beisein und entsprechend den Angaben der Klägerin ausgefüllt. Ob beim Ausfüllen der Anträge auch der Ehemann der Klägerin dabei war, ist streitig.
17 
Einige Tage nach dem Ausfüllen und der Unterzeichnung wurden die Versicherungsanträge der Stuttgarter Niederlassung der Beklagten zur Bearbeitung zugeleitet. Sie gingen dort am 7.6.2000 ein. Mit Schreiben vom 9.6.2000 (Anlagen B 3 und B 4) teilte die Beklagte der Klägerin die Annahme der Versicherungsanträge mit und übersandte die Versicherungspolicen (Anlagen K 8 und K 9). Die monatlichen Versicherungsbeiträge (in den ersten beiden Jahren je 70 DM) wurden ab Juli 2000 von der Beklagten, die eine Einzugsermächtigung hatte, bei der Klägerin abgebucht.
18 
Anfang 2004 stellte die Klägerin fest, dass die zuletzt abgebuchten Beiträge nicht mehr, wie in den bei Vertragsschluss vorliegenden Aufstellungen "Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung" ausgewiesen, niedriger waren als im Vorjahr, sondern höher. Sie wandte sich deswegen an die Beklagte. Diese teilte mit, dass die im damaligen Prospekt angegebenen Beitragszahlen durch Verrechnung der künftig zu Gunsten des Versicherungsnehmers anfallenden Gewinnbeteiligungen mit dem Monatsbeitrag von 70 DM ermittelt worden seien; dabei seien die Gewinnbeteiligungen (die normalerweise während der Versicherungszeit entsprechend dem Anwachsen des Kapitals höher werden und bei einer Beitragsverrechnung zu immer niedrigeren, am Ende vielleicht sogar negativen Beiträgen führen) nach den Verhältnissen bei Vertragsschluss berechnet worden seien; die künftigen Gewinnbeteiligungen seien aber nicht garantiert, sondern würden entsprechend der Geschäftsentwicklung von Jahr zu Jahr neu festgesetzt. Weiter wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Beitragszahlungsdauer nicht, wie im Antragsformular der Klägerin eingetragen, 26 Jahre (bei der Tochter V.) und 27 Jahre (beim Sohn F.) sei, sondern 50 Jahre, bzw. 54 Jahre (jeweils die Zeitdauer vom Versicherungsbeginn bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres). Die Beklagte berief sich auf die entsprechenden Daten in den Versicherungspolicen; dort hieß es bei der Tochter V.: "Die Beitragszahlungsdauer endet am 30.6.2050", und beim Sohn F.: "Die Beitragszahlungsdauer endet am 30.6.2054". Außerdem wies sie darauf hin, dass in den ihr vorliegenden Versicherungsanträgen die ursprünglich eingetragenen Zahlen der Beitragszahlungsdauer (26 Jahre und 27 Jahre) handschriftlich korrigiert und durch die Beitragszahlungsdauer bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres (50 Jahre und 54 Jahre) ersetzt waren. In den Antragsexemplaren der Beklagten war außerdem unter der Überschrift "Nebenabreden" hinter dem Wort "Kindergeldrente" handschriftlich noch der Eintrag hinzugefügt "Gewinnverrechnung".
19 
Die Klägerin tritt dieser von der Beklagten zum Vertragsinhalt vertretenen Auffassung entgegen. Sie ist der Ansicht, dass die Versicherungsverträge entsprechend dem bei Vertragsschluss vorliegenden Prospekt "Verkaufsunterlagen 2000 – Die Kindergeld-Rente der A." und entsprechend den Einträgen in den Versicherungsanträgen, wie sie in ihrem Beisein vorgenommen worden seien, zustandegekommen seien. Dass die im Prospekt abgedruckten Zahlen der künftigen Beitragsentwicklung auf einer Verrechnung der künftigen Gewinnbeteiligungen mit den Beiträgen beruhen, habe sich nicht aus dem Prospekt ergeben und sei für sie auch sonst nicht ersichtlich gewesen. Die nachträglichen handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen in den der Beklagten vorliegenden Antragsexemplaren seien ohne ihr Wissen erfolgt.
20 
Die Klägerin hat Klage erhoben mit den zuletzt gestellten Anträgen,
21 
1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag Nr. 24 976 226 2 betreffend V. S. mit folgenden Vertragsbestimmungen zustande gekommen ist:
22 
– Eintrittsalter: 10 Jahre
23 
– Beitragszahlungsdauer: 26 Jahre
24 
– Versicherte Leistung bei Erleben des 1.7.2050: lebenslange Rente von monatlich 442,90 DM = 226,45 EUR oder an Stelle der Rente eine einmalige Kapitalzahlung von 103.757,00 DM = 53.024,55 EUR. Versicherte Leistung bei Tod vor dem 1.7.2050: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der gezahlten Beträge. Dazu kommen jeweils noch die Leistungen aus der Gewinnbeteiligung.
25 
– Versicherte Leistung bei Tod innerhalb der Rentengarantiezeit vom 1.7.2050 bis 30.6.2060: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der noch ausstehenden garantierten Rentenzahlungen mit 4 % p. a. diskontiert.
26 
– Monatliche Beträge entsprechend der dem Urteil beigehefteten Kopie der Seite "Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung – Mädchen – anfänglicher monatlicher Betrag 70,00 DM" (beigeheftet als Seite 3 a); maßgebend ist die Spalte "Eintrittsalter 10 Jahre".
27 
Soweit die Beitragszahlen ab dem 27. Versicherungsjahr mit einem negativen Vorzeichen versehen sind, hat die Beklagen die betreffenden Monatsbetrag an die Versicherte V. S. zu zahlen. Voraussetzung der Zahlungspflicht ist, dass die Versicherte den betreffenden Beitragsmonat erlebt. Die Zahlungen sind jeweils am Ersten des Monats fällig.
28 
– Ergänzend gelten die Bestimmungen der Versicherungspolice und der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Zukunftsrente mit Beitragszahlung in der im Juni 2000 geltenden Fassung.
29 
2. festzustellen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag Nr. 24 976 225 4 betreffend F. S. mit folgenden Vertragsbestimmungen zustande gekommen ist:
30 
– Eintrittsalter: 6 Jahre
31 
– Beitragszahlungsdauer: 27 Jahre
32 
– Versicherte Leistung bei Erleben des 1.7.2054: lebenslange Rente von monatlich 584,30 DM = 298,75 EUR oder an Stelle der Rente eine einmalige Kapitalzahlung von 122.405,00 DM = 62.584,68 EUR. Versicherte Leistung bei Tod vor dem 1.7.2054: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der gezahlten Beträge. Dazu kommen jeweils noch die Leistungen aus der Gewinnbeteiligung.
33 
– Versicherte Leistung bei Tod innerhalb der Rentengarantiezeit vom 1.7.2054 bis 30.6.2064: eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der Summe der noch ausstehenden garantierten Rentenzahlungen mit 4 % p. a. diskontiert.
34 
– Monatliche Beträge entsprechend der dem Urteil beigehefteten Kopie der Seite "Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung – Jungen – anfänglicher monatlicher Betrag 70,00 DM" (beigeheftet als Seite 3 b); maßgebend ist die Spalte "Eintrittsalter 6 Jahre".
35 
Soweit die Beitragszahlen ab dem 27. Versicherungsjahr mit einem negativen Vorzeichen versehen sind, hat die Beklagen die betreffenden Monatsbetrag an den Versicherten F. S. zu zahlen. Voraussetzung der Zahlungspflicht ist, dass der Versicherte den betreffenden Beitragsmonat erlebt. Die Zahlungen sind jeweils am Ersten des Monats fällig.
36 
– Ergänzend gelten die Bestimmungen der Versicherungspolice und der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Zukunftsrente mit Beitragszahlung in der im Juni 2000 geltenden Fassung.
37 
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält an ihrem vorprozessual vertretenen Standpunkt fest, dass die im Prospekt "Verkaufsunterlagen 2000 – Die Kindergeld-Rente der A." mitgeteilten Zahlen der Beitragsentwicklung nicht verbindlich seien, vielmehr Versicherungen abgeschlossen worden seien, bei denen die dem Versicherten zustehenden, von Jahr zu Jahr neu festzusetzenden Gewinnbeteiligungen mit den laufenden Beiträgen verrechnet werden, und weiterhin, dass hinsichtlich der Beitragszahlungsdauer die Festlegungen in den Versicherungspolicen gelten. Zu den Angaben in den Versicherungsanträgen behauptet die Beklagte, dass die nachträglichen Korrekturen und Ergänzungen, wie sie sich aus den bei ihr befindlichen Antragsexemplaren ergeben, mit Zustimmung der Klägerin erfolgt seien. In jedem Fall, so meint sie, seien nachträgliche von Herrn G. oder vom Ehemann der Klägerin oder mit Kenntnis dieser Beteiligten vorgenommene Korrekturen der Klägerin zuzurechnen; die Änderungen und Ergänzungen seien im Agenturbüro des Ehemanns der Klägerin vorgenommen worden, und auch Herr G. als in der Ausbildung befindlicher Mitarbeiter sei damals (auch provisionsmäßig) diesem Büro zugeordnet gewesen.
38 
Das Gericht hat den Ehemann der Klägerin und Herrn G. als Zeugen vernommen.
39 
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Verhandlungsprotokoll vom 29.9.2005 und auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
40 
Die Parteien haben sich, nachdem nach der mündlichen Verhandlung vom 29.9.2005 noch weitere Schriftsätze eingereicht worden waren, mit einer Entscheidung ohne nochmalige mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt. Als Schlusstermin für die Einreichung von Schriftsätzen ist der 22.12.2005 bestimmt worden.

Entscheidungsgründe

 
41 
Die Klage ist (abgesehen von der Frage, an wen bei den Beiträgen mit negativen Vorzeichen die Zahlungen der Beklagten zu leisten sind) begründet. Die Änderung der Klaganträge während des Prozesses war sachdienlich und damit gemäß § 263 ZPO zulässig.
42 
Entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin bestimmt sich der Inhalt der streitgegenständlichen Rentenversicherungsverträge nach den ursprünglichen Eintragungen in den Versicherungsanträgen, die die Klägerin und der Vertreter G. am 31.5.2000 unterzeichnet haben (ohne Berücksichtigung der nachträglichen Änderungen und Hinzufügungen, die die Antragsexemplare der Beklagten ausweisen), sowie nach dem Inhalt der Seiten 6/7 und 14/15 des bei der Antragsunterzeichnung vorliegenden Prospekts "Verkaufsunterlagen 2000 - Die Kindergeld-Rente der A." (Anlage B 6):
43 
- Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung - Jungen - anfänglicher monatlicher Beitrag 70,00 DM,
44 
- Beitragstabellen Jungen 2000 - Monatsbeitrag 70,00 DM,
45 
- Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung - Mädchen - anfänglicher monatlicher Beitrag 70,00 DM,
46 
- Beitragstabellen Mädchen 2000 - Monatsbeitrag 70,00 DM.
47 
Dies bedeutet: Die Beitragszahlungsdauer ist, wie in den Versicherungsanträgen ursprünglich eingetragen und entsprechend den auf den Seiten 6 und 14 des Prospekts dargestellten Beitragsverläufen 26 Jahre (V. S.) und 27 Jahre (F. S.). Und auch die Höhe der Beiträge ist durch die genannten Aufstellungen auf den Seiten 6 und 14 des Prospekts ein für allemal festgelegt, ohne dass es auf die Geschäftsentwicklung bei der Beklagten während der Versicherungszeit und die sich entsprechend dieser Entwicklung ergebende Höhe der Gewinnbeteiligungen, die den Versicherten zustehen, ankommt. Die Festlegung durch die Zahlen der Beitragsaufstellungen auf Seiten 6 und 14 des Prospekts gilt auch für die ab dem 27. bzw. 28. Versicherungsjahr ausgewiesenen negativen Beitragszahlen, wobei das negative Vorzeichen bedeutet, dass ab den genannten Versicherungsjahren nicht mehr Beiträge vom Versicherungsnehmer an die Versicherung zu zahlen sind, sondern umgekehrt der Versicherer die mit den negativen Vorzeichen versehenen Beträge zu zahlen hat. Insoweit sind die Zahlungen, da die Beiträge mit negativem Vorzeichen ihren Ursprung im Gewinnbeteiligungsgedanken haben, an den jeweils Versicherten , und nicht an die Klägerin als Versicherungsnehmerin , zu leisten.
48 
1. Der Klägerin lag bei der Stellung der Versicherungsanträge vom 31.5.2000 unstreitig der als Anlage B 6 vorgelegte Prospekt "Verkaufsunterlagen 2000 - Die Kindergeld-Rente der A." vor. Im Einzelnen erläutert wurden ihr, wie sie vorträgt und wie die Zeugen G. und J. S. glaubhaft bestätigt haben, die Versicherungsleistungen anhand der genannten Seiten 6/7 und 14/15 ("Beitragstabellen pp."/"Beitragsverläufe pp."). Mit dem Inhalt der Beitragstabellen auf den Seiten 6 und 14 stimmt überein, dass die Beitragszahlungsdauer in den von Herrn G. ausgefüllten Antragsformularen mit 26 bzw. 27 Jahren angegeben ist. Ab dem jeweils folgenden (27. bzw. 28.) Versicherungsjahr sind in den Tabellen negative Beitragszahlen ausgewiesen, was bedeutet, dass der Versicherungsnehmer in diesen Jahren keine Beiträge mehr zu zahlen hat. Die genannten Prospektseiten lassen nicht erkennen, dass die dort abgedruckten von Jahr zu Jahr niedriger werdenden Beitragszahlen auf einer Verrechnung (des an sich gleich bleibenden) Versicherungsbeitrags mit den jährlich anfallenden, immer wieder neu sich ergebenden Gewinnbeteiligungen, beruhte. Das Wort "Gewinnbeteiligungsverrechnung" taucht auf diesen Prospektseiten nicht auf. Lediglich bei den Versicherungs leistungen auf den Seiten 7 und 15 des Prospekts war jeweils neben dem garantierten Renten- bzw. Kapitalbetrag ein zweiter, höherer, als "Gesamtrente" bzw. "gesamte Kapitalzahlung" bezeichneter Betrag angegeben mit der Erläuterung "gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilssätzen". Entsprechend diesem Inhalt der genannten Prospektseiten haben auch die Zeugen G. und S. bekundet, sie hätten die im Prospekt angegebenen Beitragszahlen so verstanden, dass diese fest vorgegeben waren und nicht auf einer Verrechnung mit jeweils neu sich ergebenden Gewinnanteilen beruhten. Auch hinsichtlich der aus den Tabellen ablesbaren Beitragszahlungsdauer von 26 bzw. 27 Jahren gingen die Zeugen davon aus, dass diese nicht unter irgend einem, mit der künftigen Geschäftsentwicklung zusammenhängenden Vorbehalt stand. Letzteres stimmt damit überein, dass die Rentenversicherung von der Beklagten als "Kindergeld-Rente" angeboten wurde, wobei das Werbeargument war, dass die Beiträge aus dem an die Eltern gezahlten Kindergeld aufgebracht werden sollten. Nach der im Jahre 2000 geltenden Regelung wurde Kindergeld grundsätzlich (eine entsprechende Ausbildungsdauer vorausgesetzt) nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz). Daraus ergab sich eine entsprechend beschränkte Beitragszahlungsdauer, dies zwar nicht bei einem höheren Renteneintrittsalter, wohl aber, wenn der Rentenversicherungsvertrag gleich zu Beginn, d. h. im ersten Lebensjahr des Kindes geschlossen wurde.
49 
Vertragsinhalt ist im übrigen auch geworden, dass sich einerseits die Beitragsbeträge von Jahr zu Jahr vermindern und die Beiträge ab dem 27. bzw. 28. Versicherungsjahr "negativ" sind, d. h. der Versicherer die mit den negativen Vorzeichen versehenen Beträge laufend auszuzahlen hat, und dass andererseits zu den Versicherungsleistungen, die bei Erreichen des Rentenalters bzw. im Todesfall anfallen, noch die Gewinnbeteiligungen hinzukommen. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, die sinkenden Beiträge und die "negativen" Beiträge würden aus den Gewinnbeteiligungen finanziert, weswegen die Gewinnbeteiligungen bei den Versicherungsleistungen nicht ein weiteres Mal anfallen könnten, greift nicht durch. Dass die sinkenden und die "negativen" Beiträge aus den Gewinnbeteiligungen aufgebracht werden sollten, war aus den Seiten 6/7 und 14/15 des Prospekts, von denen die Beteiligten bei der Stellung der Versicherungsanträge ausgegangen sind, nicht ersichtlich. Auf den Seiten 6 und 14 waren die sinkenden und "negativen" Beiträge angegeben ohne Erläuterung, dass die Zahlen auf einer Verrechnung mit Gewinnbeteiligungen beruhen, und auf den folgenden Seiten 7 und 15 waren die Gesamtversicherungsleistungen "gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen" ausgewiesen. Beide Vertragsbeschreibungen standen ohne irgend eine Verweisung oder beschränkende Klarstellung neben einander und konnten von einem, der sich im Lebensversicherungsgeschäft und in der Versicherungsmathematik nicht näher auskennt, nur kumulativ verstanden werden.
50 
2. Der genannte Erklärungsinhalt der von der Klägerin gestellten Versicherungsanträge, der sich aus den Seiten 6 und 14 des Prospekts Anlage B 6, aus den entsprechenden Erläuterungen des Vertreters G. und aus den ursprünglichen Eintragungen in den Antragsformularen ergibt, dass nämlich die Beitragszahlen auf den Prospektseiten 6 und 14 keinen späteren Änderungen unterlagen und insbesondere nicht auf einer Verrechnung des jeweiligen Versicherungsbeitrags mit den später anfallenden Gewinnbeteiligungen beruhte, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich auf anderen Seiten des Prospekts Erläuterungen befinden, die auf das System Beitrags-/Gewinnbeteiligungsverrechnung, das die Beklagte offenbar zugrunde gelegt hat, hinweisen, und zwar
51 
- auf den Seiten 20-23 ("Beispielrechnung") unter den dort abgedruckten Beitragszahlen der Hinweis:
52 
"Gewinnsystem: bis einschließlich des 27. Versicherungsjahres: Verrechnung
         ab dem 28. Versicherungsjahr: Tarifbonus
         während des Rentenbezugs: wachsende Gewinnrente",
53 
- auf den Seiten 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43 ("Die Kindergeld-Rente für:) die Sternchen-Erläuterung zur Rubrik "anfänglicher Monatsbeitrag":
54 
"Dieser Beitrag ermäßigt sich jährlich durch die Gewinnbeteiligung.",
55 
- auf den Seiten 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44 ("Hinweise zum Versorgungsbeitrag") die Ausführungen zum Stichwort "Gewinnbeteiligung":
56 
"Die in der Berechnung berücksichtigten Gewinnanteile können nicht garantiert werden. Sie gelten nur dann, wenn die derzeit festgesetzten Überschußanteile während der gesamten Versicherungsdauer unverändert bleiben.
57 
Hinweis zur Vereinbarung "Verrechnung mit den Beiträgen vor Beginn der Rentenzahlung":
58 
§ 19 Ziffer 2 e der Versicherungsbedingungen wird ersetzt durch:
59 
"Die zugeteilten Gewinnanteile werden mit den Beiträgen entsprechend deren Zahlungsweise verrechnet. Sind keine Beiträge mehr zu zahlen, finanzieren wir mit den zugeteilten Gewinnanteilen eine beitragsfreie Anwartschaft auf eine zusätzliche Leistung. Bei Beendigung des Versicherungsvertrages oder zum vereinbarten Beginn der Rentenzahlung kann ein Schlußgewinnanteil fällig werden, der von den jährlichen Gewinnanteilen in den einzelnen Jahren der Aufschubdauer, der maßgebenden Größe für die jährliche Gewinnbeteiligung sowie von dem für die Schlußgewinnbeteiligung festgesetzten Zins abhängt."
60 
- und auf der vorletzten Prospektseite ("Die Vorteile") der Hinweis unten:
61 
"bitte beachten Sie:
62 
Im Antrag L 104 unter "besondere Vereinbarungen"
63 
Gewinnverwendung "Verrechnung" angegeben".
64 
Diese auf den nachfolgenden Prospektseiten verstreuten (für einen Nichtfachmann großenteils nicht ohne weiteres verständlichen) Hinweise sind nicht Inhalt der Willenserklärung der Klägerin geworden, die bei ihren Anträgen von den mit dem Vertreter G. besprochenen vorderen Prospektseiten und von den damit korrespondierenden handschriftlichen Einträgen in den Antragsformularen ausgegangen ist. Wird dem Kunden der Vertragsinhalt anhand bestimmter Teile der vorliegenden schriftlichen Unterlagen erläutert, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er auch die weiteren Teile der Unterlagen gelesen und in seinen Vertragswillen aufgenommen hat. Gewollt und erklärt ist nur das, was tatsächlich besprochen und zur Kenntnis genommen worden ist; dies jedenfalls, wenn auch der andere Vertragsteil bzw. dessen Vertreter, wie vorliegend, von einer solchen nur beschränkten Kenntnisnahme ausgegangen ist und selbst mündliche Erläuterungen gegeben hat, mit denen die sonstigen Hinweise und Klauseln in den schriftlichen Unterlagen nicht vereinbar sind. Die Beklagte muss sich an dem schwerwiegenden Versäumnis festhalten lassen, dass die Beitragstabellen auf den ersten Seiten des Prospekts nicht einen eindeutigen, sofort ins Auge springenden Hinweis enthielten, dass es sich nur um Beispielsrechnungen handelte, dass die Zahlen das Ergebnis einer Beitrags-/Gewinnanteilsverrechnung waren und dass sie, auf Berechnungen nach den gegenwärtigen Gewinnausschüttungsverhältnissen beruhend, unverbindlich sein sollten. Eine derart fehlerhafte, beim Kunden eindeutig zu Missverständnissen führende Darstellung kann nicht durch "Klarstellungen" an anderen Stellen, die der Kunde möglicherweise (oder sogar wahrscheinlich) nicht ebenfalls zur Kenntnis nimmt, korrigiert werden.
65 
3. Mit der Übergabe der am 31.5.2005 ausgefüllten und unterzeichneten Versicherungsanträge (und zwar der für die Beklagte bestimmten Exemplare der Anträge) an den Vertreter G. war die Abgabe der Willenserklärung der Klägerin gegenüber der Beklagten perfekt. Der Versicherungsvertreter gilt als zur Entgegennahme der an die Versicherung gerichteten Vertragserklärungen bevollmächtigt (§ 43 Nr. 1 VVG). Ob die Anträge nachträglich, noch bevor sie von der Versicherungsagentur an die Beklagte übersandt wurden, abgeändert worden sind, ist rechtlich unerheblich. Anders wäre es nur, wenn die nachträglichen Änderungen mit Zustimmung der Klägerin erfolgt wären. Hierzu hat aber die Beweisaufnahme nichts für die Klägerin Nachteiliges ergeben. Wann, von wem und unter welchen Umständen die nachträglichen Korrekturen in den für die Beklagte bestimmten Antragsexemplaren (Anlagen B 1 und B 2) vorgenommen worden sind, konnte durch die Vernehmung der Zeugen G. und J. S. nicht abschließend geklärt werden. Wahrscheinlich ist, dass Herr G. die Änderungen vorgenommen hat. Er hat jedenfalls - dies hat er eingeräumt (Protokoll vom 29.9.2005 S. 3) - das Wort "Gewinnverrechnung" unter der Überschrift "Nebenabreden" eingefügt. An Einzelheiten, wann und aus welchem Anlass die Änderungen vorgenommen worden sind, konnte sich der Zeuge, wie er angegeben hat, nicht mehr erinnern. Insbesondere konnte er auch, was im vorliegenden Zusammenhang wesentlich ist, keine Aussage in der Richtung machen, dass die Klägerin an den Korrekturen und Ergänzungen irgendwie mitgewirkt hat. In dieselbe Richtung geht die Zeugenaussage des Ehemannes der Klägerin. Der Ehemann hat angegeben, dass er selbst die Korrekturen und Ergänzungen nicht vorgenommen habe und dass er sie, bevor die Anträge an die Beklagte geschickt wurden, auch nicht bemerkt habe, was für die Klägerin als Ehefrau - so ist die Zeugenaussage sinngemäß zu ergänzen - ebenfalls gelten muss.
66 
4. Unterstellt man, dass die Änderungen von Herrn G. oder vom Ehemann der Klägerin oder mit dessen Kenntnis vorgenommen wurden, jedoch ohne Kenntnis und Zustimmung der Klägerin, so lässt sich eine Zuordnung der nachträglichen Korrekturen zum Verantwortungsbereich der Versicherungsnehmerseite auch nicht darauf stützten, dass vorliegend die antragsstellende Klägerin für die Versicherungsagentur als Büroangestellte tätig war und die Unterlagen und Schriftstücke der Agentur mitbearbeitet und betreut hat. Die Klägerin hat die Versicherungsanträge im eigenen Namen und außerhalb des Arbeitsverhältnisses in Wahrnehmung ihrer privaten Interessen gestellt. Sie war insoweit nicht Mitarbeiterin der Versicherungsagentur. Die Agentur - Herr G. oder ihr Ehemann (soweit Herr G. mit Zustimmung oder als Vertreter des Ehemanns gehandelt hatte) - stand ihr als Vertreter der Gegenpartei, der Versicherung, gegenüber. Bei dieser Konstellation gibt es keinen rechtlichen Grund, einseitige Handlungen oder Erklärungen der Agenturrepräsentanten dem Erklärungsbereich der Klägerin, und nicht entsprechend den allgemeinen Rechtsgeschäfts- und vertragsrechtlichen Grundsätzen dem Verantwortungsbereich der Versicherung, zuzurechnen. Auch dass der Inhaber und Leiter der Agentur gleichzeitig der Ehemann der Klägerin war, ändert daran nichts.
67 
5. Einen von den ursprünglichen Versicherungsanträgen abweichenden Erklärungs- und Vertragsinhalt muss sich die Klägerin auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des offensichtlichen Missbrauchs der Vertretungsmacht zurechnen lassen, der eingreift, wenn der Vertreter bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelt und dies für die andere Vertragspartei evident ist (Palandt, BGB, 64. Aufl., § 164 Rn. 14). Vorliegend spricht nichts dafür, dass die Agenturrepräsentanten - Herr G. und eventuell der Ehemann der Klägerin - bei den Verhandlungen mit der Klägerin davon ausgingen, sie würden Verträge offerieren, die von der Versicherung mit diesem Inhalt auf keinen Fall gewollt waren und die (objektiv) gegen die dem Vermittler obliegende Interessenwahrungspflicht verstießen. Noch weniger kann angenommen werden, dass die Klägerin die Fehlerhaftigkeit der angebotenen Vertragsinhalte erkannt hat oder ohne weiteres erkennen musste. Die Klägerin hatte damals noch keine versicherungskaufmännische Ausbildung durchlaufen und hatte sicher nicht die versicherungsmathematischen Grundkenntnisse, die erforderlich waren, um hier eventuell gegebene Unstimmigkeiten zu erkennen.
68 
6. Entsprechend dem Inhalt der klägerischen Versicherungs anträge sind später auch die endgültigen Verträge zustandegekommen. Dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 9.6.2000 (Anlagen B 3 und B 4) übersandten Versicherungsscheine (Anlagen K 8 und K 9) zur Beitragszahlungsdauer und zur Beitragshöhe andere Festlegungen enthielten, hat nicht zu einem abweichenden Vertragsinhalt geführt. Nachträgliche Abweichungen des Versicherungsscheins sind gemäß § 5 VVG nur dann rechtlich erheblich, wenn die Versicherung auf die Abweichungen durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein hingewiesen hat. Derartige Hinweise auf Abweichungen sind von der Beklagten nicht gegeben worden. Dass lediglich ein abweichender Vertragstext mitgeteilt worden ist, genügt nicht.
69 
7. Die Kostenentscheidung und die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO und auf § 709 ZPO. Soweit die Klägerin die Klaganträge während des Prozesses geändert hat und soweit hinsichtlich der Frage, an wenn die Zahlungen der Beklagten bei den Monatsbeiträgen mit negativem Vorzeichen zu leisten sind, nicht dem klägerischen Hauptantrag, sondern dem Hilfsantrag stattgegeben worden ist, haben sich kostenrechtlich wesentliche Streitgegenstandsänderungen (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht ergeben.

Gründe

 
41 
Die Klage ist (abgesehen von der Frage, an wen bei den Beiträgen mit negativen Vorzeichen die Zahlungen der Beklagten zu leisten sind) begründet. Die Änderung der Klaganträge während des Prozesses war sachdienlich und damit gemäß § 263 ZPO zulässig.
42 
Entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin bestimmt sich der Inhalt der streitgegenständlichen Rentenversicherungsverträge nach den ursprünglichen Eintragungen in den Versicherungsanträgen, die die Klägerin und der Vertreter G. am 31.5.2000 unterzeichnet haben (ohne Berücksichtigung der nachträglichen Änderungen und Hinzufügungen, die die Antragsexemplare der Beklagten ausweisen), sowie nach dem Inhalt der Seiten 6/7 und 14/15 des bei der Antragsunterzeichnung vorliegenden Prospekts "Verkaufsunterlagen 2000 - Die Kindergeld-Rente der A." (Anlage B 6):
43 
- Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung - Jungen - anfänglicher monatlicher Beitrag 70,00 DM,
44 
- Beitragstabellen Jungen 2000 - Monatsbeitrag 70,00 DM,
45 
- Beitragsverläufe zur Kindergeld-Rentenversicherung - Mädchen - anfänglicher monatlicher Beitrag 70,00 DM,
46 
- Beitragstabellen Mädchen 2000 - Monatsbeitrag 70,00 DM.
47 
Dies bedeutet: Die Beitragszahlungsdauer ist, wie in den Versicherungsanträgen ursprünglich eingetragen und entsprechend den auf den Seiten 6 und 14 des Prospekts dargestellten Beitragsverläufen 26 Jahre (V. S.) und 27 Jahre (F. S.). Und auch die Höhe der Beiträge ist durch die genannten Aufstellungen auf den Seiten 6 und 14 des Prospekts ein für allemal festgelegt, ohne dass es auf die Geschäftsentwicklung bei der Beklagten während der Versicherungszeit und die sich entsprechend dieser Entwicklung ergebende Höhe der Gewinnbeteiligungen, die den Versicherten zustehen, ankommt. Die Festlegung durch die Zahlen der Beitragsaufstellungen auf Seiten 6 und 14 des Prospekts gilt auch für die ab dem 27. bzw. 28. Versicherungsjahr ausgewiesenen negativen Beitragszahlen, wobei das negative Vorzeichen bedeutet, dass ab den genannten Versicherungsjahren nicht mehr Beiträge vom Versicherungsnehmer an die Versicherung zu zahlen sind, sondern umgekehrt der Versicherer die mit den negativen Vorzeichen versehenen Beträge zu zahlen hat. Insoweit sind die Zahlungen, da die Beiträge mit negativem Vorzeichen ihren Ursprung im Gewinnbeteiligungsgedanken haben, an den jeweils Versicherten , und nicht an die Klägerin als Versicherungsnehmerin , zu leisten.
48 
1. Der Klägerin lag bei der Stellung der Versicherungsanträge vom 31.5.2000 unstreitig der als Anlage B 6 vorgelegte Prospekt "Verkaufsunterlagen 2000 - Die Kindergeld-Rente der A." vor. Im Einzelnen erläutert wurden ihr, wie sie vorträgt und wie die Zeugen G. und J. S. glaubhaft bestätigt haben, die Versicherungsleistungen anhand der genannten Seiten 6/7 und 14/15 ("Beitragstabellen pp."/"Beitragsverläufe pp."). Mit dem Inhalt der Beitragstabellen auf den Seiten 6 und 14 stimmt überein, dass die Beitragszahlungsdauer in den von Herrn G. ausgefüllten Antragsformularen mit 26 bzw. 27 Jahren angegeben ist. Ab dem jeweils folgenden (27. bzw. 28.) Versicherungsjahr sind in den Tabellen negative Beitragszahlen ausgewiesen, was bedeutet, dass der Versicherungsnehmer in diesen Jahren keine Beiträge mehr zu zahlen hat. Die genannten Prospektseiten lassen nicht erkennen, dass die dort abgedruckten von Jahr zu Jahr niedriger werdenden Beitragszahlen auf einer Verrechnung (des an sich gleich bleibenden) Versicherungsbeitrags mit den jährlich anfallenden, immer wieder neu sich ergebenden Gewinnbeteiligungen, beruhte. Das Wort "Gewinnbeteiligungsverrechnung" taucht auf diesen Prospektseiten nicht auf. Lediglich bei den Versicherungs leistungen auf den Seiten 7 und 15 des Prospekts war jeweils neben dem garantierten Renten- bzw. Kapitalbetrag ein zweiter, höherer, als "Gesamtrente" bzw. "gesamte Kapitalzahlung" bezeichneter Betrag angegeben mit der Erläuterung "gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilssätzen". Entsprechend diesem Inhalt der genannten Prospektseiten haben auch die Zeugen G. und S. bekundet, sie hätten die im Prospekt angegebenen Beitragszahlen so verstanden, dass diese fest vorgegeben waren und nicht auf einer Verrechnung mit jeweils neu sich ergebenden Gewinnanteilen beruhten. Auch hinsichtlich der aus den Tabellen ablesbaren Beitragszahlungsdauer von 26 bzw. 27 Jahren gingen die Zeugen davon aus, dass diese nicht unter irgend einem, mit der künftigen Geschäftsentwicklung zusammenhängenden Vorbehalt stand. Letzteres stimmt damit überein, dass die Rentenversicherung von der Beklagten als "Kindergeld-Rente" angeboten wurde, wobei das Werbeargument war, dass die Beiträge aus dem an die Eltern gezahlten Kindergeld aufgebracht werden sollten. Nach der im Jahre 2000 geltenden Regelung wurde Kindergeld grundsätzlich (eine entsprechende Ausbildungsdauer vorausgesetzt) nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz). Daraus ergab sich eine entsprechend beschränkte Beitragszahlungsdauer, dies zwar nicht bei einem höheren Renteneintrittsalter, wohl aber, wenn der Rentenversicherungsvertrag gleich zu Beginn, d. h. im ersten Lebensjahr des Kindes geschlossen wurde.
49 
Vertragsinhalt ist im übrigen auch geworden, dass sich einerseits die Beitragsbeträge von Jahr zu Jahr vermindern und die Beiträge ab dem 27. bzw. 28. Versicherungsjahr "negativ" sind, d. h. der Versicherer die mit den negativen Vorzeichen versehenen Beträge laufend auszuzahlen hat, und dass andererseits zu den Versicherungsleistungen, die bei Erreichen des Rentenalters bzw. im Todesfall anfallen, noch die Gewinnbeteiligungen hinzukommen. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, die sinkenden Beiträge und die "negativen" Beiträge würden aus den Gewinnbeteiligungen finanziert, weswegen die Gewinnbeteiligungen bei den Versicherungsleistungen nicht ein weiteres Mal anfallen könnten, greift nicht durch. Dass die sinkenden und die "negativen" Beiträge aus den Gewinnbeteiligungen aufgebracht werden sollten, war aus den Seiten 6/7 und 14/15 des Prospekts, von denen die Beteiligten bei der Stellung der Versicherungsanträge ausgegangen sind, nicht ersichtlich. Auf den Seiten 6 und 14 waren die sinkenden und "negativen" Beiträge angegeben ohne Erläuterung, dass die Zahlen auf einer Verrechnung mit Gewinnbeteiligungen beruhen, und auf den folgenden Seiten 7 und 15 waren die Gesamtversicherungsleistungen "gemäß den zur Zeit erklärten Gewinnanteilsätzen" ausgewiesen. Beide Vertragsbeschreibungen standen ohne irgend eine Verweisung oder beschränkende Klarstellung neben einander und konnten von einem, der sich im Lebensversicherungsgeschäft und in der Versicherungsmathematik nicht näher auskennt, nur kumulativ verstanden werden.
50 
2. Der genannte Erklärungsinhalt der von der Klägerin gestellten Versicherungsanträge, der sich aus den Seiten 6 und 14 des Prospekts Anlage B 6, aus den entsprechenden Erläuterungen des Vertreters G. und aus den ursprünglichen Eintragungen in den Antragsformularen ergibt, dass nämlich die Beitragszahlen auf den Prospektseiten 6 und 14 keinen späteren Änderungen unterlagen und insbesondere nicht auf einer Verrechnung des jeweiligen Versicherungsbeitrags mit den später anfallenden Gewinnbeteiligungen beruhte, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich auf anderen Seiten des Prospekts Erläuterungen befinden, die auf das System Beitrags-/Gewinnbeteiligungsverrechnung, das die Beklagte offenbar zugrunde gelegt hat, hinweisen, und zwar
51 
- auf den Seiten 20-23 ("Beispielrechnung") unter den dort abgedruckten Beitragszahlen der Hinweis:
52 
"Gewinnsystem: bis einschließlich des 27. Versicherungsjahres: Verrechnung
         ab dem 28. Versicherungsjahr: Tarifbonus
         während des Rentenbezugs: wachsende Gewinnrente",
53 
- auf den Seiten 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43 ("Die Kindergeld-Rente für:) die Sternchen-Erläuterung zur Rubrik "anfänglicher Monatsbeitrag":
54 
"Dieser Beitrag ermäßigt sich jährlich durch die Gewinnbeteiligung.",
55 
- auf den Seiten 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44 ("Hinweise zum Versorgungsbeitrag") die Ausführungen zum Stichwort "Gewinnbeteiligung":
56 
"Die in der Berechnung berücksichtigten Gewinnanteile können nicht garantiert werden. Sie gelten nur dann, wenn die derzeit festgesetzten Überschußanteile während der gesamten Versicherungsdauer unverändert bleiben.
57 
Hinweis zur Vereinbarung "Verrechnung mit den Beiträgen vor Beginn der Rentenzahlung":
58 
§ 19 Ziffer 2 e der Versicherungsbedingungen wird ersetzt durch:
59 
"Die zugeteilten Gewinnanteile werden mit den Beiträgen entsprechend deren Zahlungsweise verrechnet. Sind keine Beiträge mehr zu zahlen, finanzieren wir mit den zugeteilten Gewinnanteilen eine beitragsfreie Anwartschaft auf eine zusätzliche Leistung. Bei Beendigung des Versicherungsvertrages oder zum vereinbarten Beginn der Rentenzahlung kann ein Schlußgewinnanteil fällig werden, der von den jährlichen Gewinnanteilen in den einzelnen Jahren der Aufschubdauer, der maßgebenden Größe für die jährliche Gewinnbeteiligung sowie von dem für die Schlußgewinnbeteiligung festgesetzten Zins abhängt."
60 
- und auf der vorletzten Prospektseite ("Die Vorteile") der Hinweis unten:
61 
"bitte beachten Sie:
62 
Im Antrag L 104 unter "besondere Vereinbarungen"
63 
Gewinnverwendung "Verrechnung" angegeben".
64 
Diese auf den nachfolgenden Prospektseiten verstreuten (für einen Nichtfachmann großenteils nicht ohne weiteres verständlichen) Hinweise sind nicht Inhalt der Willenserklärung der Klägerin geworden, die bei ihren Anträgen von den mit dem Vertreter G. besprochenen vorderen Prospektseiten und von den damit korrespondierenden handschriftlichen Einträgen in den Antragsformularen ausgegangen ist. Wird dem Kunden der Vertragsinhalt anhand bestimmter Teile der vorliegenden schriftlichen Unterlagen erläutert, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er auch die weiteren Teile der Unterlagen gelesen und in seinen Vertragswillen aufgenommen hat. Gewollt und erklärt ist nur das, was tatsächlich besprochen und zur Kenntnis genommen worden ist; dies jedenfalls, wenn auch der andere Vertragsteil bzw. dessen Vertreter, wie vorliegend, von einer solchen nur beschränkten Kenntnisnahme ausgegangen ist und selbst mündliche Erläuterungen gegeben hat, mit denen die sonstigen Hinweise und Klauseln in den schriftlichen Unterlagen nicht vereinbar sind. Die Beklagte muss sich an dem schwerwiegenden Versäumnis festhalten lassen, dass die Beitragstabellen auf den ersten Seiten des Prospekts nicht einen eindeutigen, sofort ins Auge springenden Hinweis enthielten, dass es sich nur um Beispielsrechnungen handelte, dass die Zahlen das Ergebnis einer Beitrags-/Gewinnanteilsverrechnung waren und dass sie, auf Berechnungen nach den gegenwärtigen Gewinnausschüttungsverhältnissen beruhend, unverbindlich sein sollten. Eine derart fehlerhafte, beim Kunden eindeutig zu Missverständnissen führende Darstellung kann nicht durch "Klarstellungen" an anderen Stellen, die der Kunde möglicherweise (oder sogar wahrscheinlich) nicht ebenfalls zur Kenntnis nimmt, korrigiert werden.
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3. Mit der Übergabe der am 31.5.2005 ausgefüllten und unterzeichneten Versicherungsanträge (und zwar der für die Beklagte bestimmten Exemplare der Anträge) an den Vertreter G. war die Abgabe der Willenserklärung der Klägerin gegenüber der Beklagten perfekt. Der Versicherungsvertreter gilt als zur Entgegennahme der an die Versicherung gerichteten Vertragserklärungen bevollmächtigt (§ 43 Nr. 1 VVG). Ob die Anträge nachträglich, noch bevor sie von der Versicherungsagentur an die Beklagte übersandt wurden, abgeändert worden sind, ist rechtlich unerheblich. Anders wäre es nur, wenn die nachträglichen Änderungen mit Zustimmung der Klägerin erfolgt wären. Hierzu hat aber die Beweisaufnahme nichts für die Klägerin Nachteiliges ergeben. Wann, von wem und unter welchen Umständen die nachträglichen Korrekturen in den für die Beklagte bestimmten Antragsexemplaren (Anlagen B 1 und B 2) vorgenommen worden sind, konnte durch die Vernehmung der Zeugen G. und J. S. nicht abschließend geklärt werden. Wahrscheinlich ist, dass Herr G. die Änderungen vorgenommen hat. Er hat jedenfalls - dies hat er eingeräumt (Protokoll vom 29.9.2005 S. 3) - das Wort "Gewinnverrechnung" unter der Überschrift "Nebenabreden" eingefügt. An Einzelheiten, wann und aus welchem Anlass die Änderungen vorgenommen worden sind, konnte sich der Zeuge, wie er angegeben hat, nicht mehr erinnern. Insbesondere konnte er auch, was im vorliegenden Zusammenhang wesentlich ist, keine Aussage in der Richtung machen, dass die Klägerin an den Korrekturen und Ergänzungen irgendwie mitgewirkt hat. In dieselbe Richtung geht die Zeugenaussage des Ehemannes der Klägerin. Der Ehemann hat angegeben, dass er selbst die Korrekturen und Ergänzungen nicht vorgenommen habe und dass er sie, bevor die Anträge an die Beklagte geschickt wurden, auch nicht bemerkt habe, was für die Klägerin als Ehefrau - so ist die Zeugenaussage sinngemäß zu ergänzen - ebenfalls gelten muss.
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4. Unterstellt man, dass die Änderungen von Herrn G. oder vom Ehemann der Klägerin oder mit dessen Kenntnis vorgenommen wurden, jedoch ohne Kenntnis und Zustimmung der Klägerin, so lässt sich eine Zuordnung der nachträglichen Korrekturen zum Verantwortungsbereich der Versicherungsnehmerseite auch nicht darauf stützten, dass vorliegend die antragsstellende Klägerin für die Versicherungsagentur als Büroangestellte tätig war und die Unterlagen und Schriftstücke der Agentur mitbearbeitet und betreut hat. Die Klägerin hat die Versicherungsanträge im eigenen Namen und außerhalb des Arbeitsverhältnisses in Wahrnehmung ihrer privaten Interessen gestellt. Sie war insoweit nicht Mitarbeiterin der Versicherungsagentur. Die Agentur - Herr G. oder ihr Ehemann (soweit Herr G. mit Zustimmung oder als Vertreter des Ehemanns gehandelt hatte) - stand ihr als Vertreter der Gegenpartei, der Versicherung, gegenüber. Bei dieser Konstellation gibt es keinen rechtlichen Grund, einseitige Handlungen oder Erklärungen der Agenturrepräsentanten dem Erklärungsbereich der Klägerin, und nicht entsprechend den allgemeinen Rechtsgeschäfts- und vertragsrechtlichen Grundsätzen dem Verantwortungsbereich der Versicherung, zuzurechnen. Auch dass der Inhaber und Leiter der Agentur gleichzeitig der Ehemann der Klägerin war, ändert daran nichts.
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5. Einen von den ursprünglichen Versicherungsanträgen abweichenden Erklärungs- und Vertragsinhalt muss sich die Klägerin auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des offensichtlichen Missbrauchs der Vertretungsmacht zurechnen lassen, der eingreift, wenn der Vertreter bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelt und dies für die andere Vertragspartei evident ist (Palandt, BGB, 64. Aufl., § 164 Rn. 14). Vorliegend spricht nichts dafür, dass die Agenturrepräsentanten - Herr G. und eventuell der Ehemann der Klägerin - bei den Verhandlungen mit der Klägerin davon ausgingen, sie würden Verträge offerieren, die von der Versicherung mit diesem Inhalt auf keinen Fall gewollt waren und die (objektiv) gegen die dem Vermittler obliegende Interessenwahrungspflicht verstießen. Noch weniger kann angenommen werden, dass die Klägerin die Fehlerhaftigkeit der angebotenen Vertragsinhalte erkannt hat oder ohne weiteres erkennen musste. Die Klägerin hatte damals noch keine versicherungskaufmännische Ausbildung durchlaufen und hatte sicher nicht die versicherungsmathematischen Grundkenntnisse, die erforderlich waren, um hier eventuell gegebene Unstimmigkeiten zu erkennen.
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6. Entsprechend dem Inhalt der klägerischen Versicherungs anträge sind später auch die endgültigen Verträge zustandegekommen. Dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 9.6.2000 (Anlagen B 3 und B 4) übersandten Versicherungsscheine (Anlagen K 8 und K 9) zur Beitragszahlungsdauer und zur Beitragshöhe andere Festlegungen enthielten, hat nicht zu einem abweichenden Vertragsinhalt geführt. Nachträgliche Abweichungen des Versicherungsscheins sind gemäß § 5 VVG nur dann rechtlich erheblich, wenn die Versicherung auf die Abweichungen durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein hingewiesen hat. Derartige Hinweise auf Abweichungen sind von der Beklagten nicht gegeben worden. Dass lediglich ein abweichender Vertragstext mitgeteilt worden ist, genügt nicht.
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7. Die Kostenentscheidung und die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO und auf § 709 ZPO. Soweit die Klägerin die Klaganträge während des Prozesses geändert hat und soweit hinsichtlich der Frage, an wenn die Zahlungen der Beklagten bei den Monatsbeiträgen mit negativem Vorzeichen zu leisten sind, nicht dem klägerischen Hauptantrag, sondern dem Hilfsantrag stattgegeben worden ist, haben sich kostenrechtlich wesentliche Streitgegenstandsänderungen (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht ergeben.

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