1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten S. E. wird der Beschluss
des Amtsgerichts Karlsruhe vom 11.01.2006 (31 Gs 3141/05) in der
Fassung des Beschlusses des Amtsgerichts Karlsruhe vom 08.02.2006
(31 Gs 192/06)
2. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 09.01.2006
auf richterliche Bestätigung der Beschlagnahme des in der Wohnung
bzw. den Geschäftsräumen des Beschuldigten S. E. am 06.12.2005
gesicherten Bargeldes in Höhe von 211.755,00 Euro wird
3. Das in der Wohnung bzw. in den Geschäftsräumen des
Beschuldigten S. E. sichergestellte Bargeld in Höhe von insgesamt
211.755,00 Euro (Beschlagnahmeverzeichnis ...) wird
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem
Beschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der
Staatskasse zur Last.
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| Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensverlaufs wird auf die Beschlüsse des Amtsgerichts Karlsruhe vom 11.01.2006 - 31 Gs 3141/05 (AS. 479) - und 08.02.2006 - 31 Gs 192/06 (AS. 625) -, die Beschwerdeschriften des Verteidigers des Beschuldigten vom 30.01.2006 (AS. 575 ff) und 17.02.2006 (AS. 635 ff) sowie die Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 06.02.2006 (AS. 591 ff) verwiesen. |
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| In dem im Tenor genannten Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 11.01.2006, den das Amtsgericht durch Beschluss vom 08.02.2006 im Hinblick auf die Höhe des beschlagnahmten Bargeldbetrages korrigierte, wird die bei der richterlich angeordneten Durchsuchung in der Wohnung des Beschwerdeführers S. E. und in den Geschäftsräumen der Fa. A. Trading GmbH am 06.12.2005 polizeilich angeordnete Beschlagnahme der Bargeldsumme von insgesamt 211.755,00 Euro bestätigt, nachdem der Beschuldigte durch Schreiben seines Verteidigers vom 19.12.2005 gem. § 111 e Abs. 2 Satz 3 StPO gerichtliche Entscheidung beantragt hatte. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten. |
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| Die zulässige Beschwerde des Beschuldigten gegen die Beschlagnahme des in der Wohnung bzw. den Geschäftsräumen des Beschuldigten sichergestellten Bargeldes in Höhe von 211.755,00 Euro hat in der Sache Erfolg. |
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| 1. Eine Beschlagnahme des aufgefundenen Bargeldes gem. §§ 111 b Abs. 1, 111 c Abs. 1 StPO kommt nicht in Betracht, da nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand keine Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für einen Verfall des Geldes gem. § 73 StGB vorliegen. |
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| Voraussetzung für einen Verfall gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB wäre, dass der Beschuldigte das aufgefundene Bargeld aus einer rechtswidrigen Tat als Täter oder Teilnehmer erlangt hat. Der Verdacht einer solchen rechtswidrigen Tat, insbesondere einer Beihilfehandlung zu einer oder mehreren Computerbetrugstaten gem. § 263 a Abs. 1 StGB, ist vorliegend nicht ersichtlich. Nach den bisherigen Ermittlungen ist kein hinreichend konkreter Anfangsverdacht hinsichtlich der für eine solche Straftat erforderlichen objektiven Tatbestandsvoraussetzungen gegeben. So gibt es keine Ermittlungsansätze bezüglich der in Frage stehenden Haupttaten, nämlich Computerbetrugshandlungen von möglichen (früheren) Abnehmern der so genannten „Piratenkarten“, die von dem Beschuldigten bereits beliefert worden sind. Die in der Strafanzeige des Rechtsanwalts Dr. S. aus München enthaltenen vagen Informationen und die auf der vom Anzeigeerstatter beigefügten CD - ROM enthaltenen Dokumente und Filmsequenzen, die belegen sollen, der Beschuldigte E. sei Mitglied einer Bande, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von so genannten „Piratenkarten“ zur unbefugten Entschlüsselung von PayTV-Programmen beschäftige, reichen der Kammer als konkrete Verdachtsmomente für Beihilfehandlungen des Beschuldigten zu Straftaten gem. § 263 a Abs. 1 StGB nicht aus. |
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| Auch die Auffindesituation des im Tenor genannten, am 06.12.2005 in der Wohnung bzw. in den Geschäftsräumen des Beschuldigten aufgefundenen Bargeldes kann einen Anfangsverdacht hinsichtlich der im Raume stehenden Beihilfehandlungen (aus denen der Beschuldigte das Bargeld erlangt haben könnte) nicht ausreichend begründen. Der Beschuldigte konnte zumindest plausibel erläutern, dass Geldbeträge in ähnlicher Höhe durch Barverkäufe im Rahmen des ordentlichen Geschäftsbetriebes geflossen sind. Dabei ist offensichtlich auch eine ordnungsgemäße Verbuchung dieser Beträge vorgenommen worden, wie sich aus dem Schreiben des Steuerberaters des Beschuldigten, J. B., vom 09.12.2005 ergibt. Es liegt für die Kammer nicht auf der Hand, dass aufgrund der Auffindesituation des Bargeldes in der unaufgeräumten Wohnung des Angeklagten, der offensichtlich - wie auf den Lichtbildern in As 549 bis 555 zu sehen ist - in nicht besonders ordentlichen Verhältnissen lebt und arbeitet, es sich zwingend um aus strafbaren Handlungen erlangte Werte handeln muss (im Durchsuchungsvermerk der KOKin F. vom 06.12.2005 ist ausgeführt: „Die Wohnung machte einen verkramten Eindruck“). Nicht gerechtfertigt ist - jedenfalls beim derzeitigen Ermittlungsstand -der von den Ermittlungsbehörden gezogene Schluss, es seien tatsächlich als illegale Umgehungsvorrichtungen genutzte Smartcards in großen Mengen an Endverbraucher verkauft worden. In diesem Zusammenhang bringen die Ermittlungen auch nicht die Erkenntnisse über das Betreiben von dubiosen Internetseiten sowie das Auffinden von Kartenrohlingen und technischen Mitteln, die geeignet sind, Umgehungsvorrichtungen herzustellen, entscheidend weiter. |
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| Von den Ermittlungsbehörden sind weder Testkäufe getätigt worden, noch wurde den vom Beschuldigten behaupteten Geschäften im Zusammenhang mit der Erlangung des aufgefundenen Bargeldes nachgegangen. |
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| Die Voraussetzungen für einen Verfall von Wertersatz gem. § 73a StGB, dessen vorläufige Sicherung ohnehin nicht durch eine Beschlagnahmeanordnung sondern durch die - hier nicht erfolgte - Anordnung eines dinglichen Arrestes zu geschehen hätte, oder für eine Einziehung des Bargeldes als Tatmittel gem. § 74 StGB für die geplante Begehung künftiger Straftaten liegen aus den gleichen Gründen nicht vor. |
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| 2. Nach den bisherigen Ermittlungen, insbesondere der Einlassung des Beschuldigten E. und der Rechnung vom 08.04.2005 (AS 313), besteht der Verdacht, der Beschuldigte E. habe 9.000 sog. „Opos“-Karten bereits an eine bisher nicht weiter identifizierte Person namens M., Marokko verkauft, diese am 08.04.2005 übergeben und als Kaufpreis 144.000,00 EUR Bargeld erhalten. |
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| Jedoch erfüllt das Verkaufen der „Opos“-Karten aus rechtlichen Gründen weder den Tatbestand des § 263 a Abs. 3 StGB noch den der § 4 i.V.m. § 3 des Gesetzes über den Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (ZKDSG). |
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| Tatobjekte des § 263 a Abs. 3 StGB sind Computerprogramme, die als tatvorbereitende Programme gerade im Hinblick auf eine spezielle Tatmodalität einer Tat nach § 263 a Abs. 1 StGB geschrieben sind, z. B. Ausspähprogramme oder Crackingprogramme zum Eindringen in fremde Programme oder Entschlüsselungsprogramme mit spezieller Funktion. |
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| Tatobjekte der §§ 3, 4 ZKDSG sind Umgehungsvorrichtungen, die dazu bestimmt oder entsprechend angepasst sind, die unerlaubte Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes zu ermöglichen. |
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| Ermittlungsansätze dafür, dass die am 08.04.2005 verkauften „Opos“-Karten diese Voraussetzungen erfüllen, liegen nicht vor. Nach Sachlage handelt es sich bei den verkauften Karten vielmehr um Blankokarten: |
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| Das Zugangskontrollsystem zu dem Dienst der PayTV Sender basiert auf der sog. SmartCard-Technologie. Die SmartCard ist eine Plastikkarte mit aufgebrachtem Chip. Dieser Chip ist eine eigenständige Rechnereinheit bestehend aus Speicher, Prozessor und einer Kommunikationsschnittstelle, über die der Chip nach Einstecken in den digitalen Empfänger mit diesem kommunizieren kann. |
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| Die individuelle Smartcard des PayTV-Kunden ist Bestandteil des Kundenvertrages und ermöglicht dem Kunden die Entschlüsselung der durch den Vertrag abgedeckten Fernsehprogramme. |
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| Die sog. „Opos“-Karten sind SmartCards, die in Verbindung mit einem digitalen Empfänger die Entschlüsselung und den Empfang von Fernsehprogrammen ermöglichen, ohne dass eine rechtliche und wirtschaftliche Kundenbeziehung des PayTV-Anbieters zum Benutzer der SmartCard besteht. Die „Opos“-Karten sind als Blanko-SmartCards jedoch zunächst für sich genommen nicht geeignet, geschützte Programme zu entschlüsseln und zu empfangen. Erst mit einem Gerät zum Beschreiben der „Opos“-Karten mittels einer speziellen Software, wird die „Opos“-Karte zum Entschlüsseln und Empfang verschlüsselter Programme tauglich. Die erforderliche Software wird über das Internet oder per Email verteilt. Die „Opos“-Katen sind somit Datenträger, die erst durch im Internet herunterladbare kryptografische Schlüssel mittels eines Programmiergerätes mit entsprechender Software und eines Personalcomputers manipuliert werden können, so dass ihr Einschub in den Decoder den Empfang bezahlpflichtiger Fernsehangebote ermöglicht. |
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| Auf dem Chip der „Opos“-Karte ist ein Computerprogramm vorhanden, nämlich die die Funktionen einer originalen SmartCard nachahmenden Bootloader-Funktion. Dieses beschränkt sich jedoch ganz allgemein auf die Basisfunktionen der Karte selbst. Die Karte ist damit vergleichbar mit einem Rechner, auf den noch keinerlei Anwendungssoftware aufgespielt ist. Die Karte ist lediglich eine Plattform für verschiedene aufspielbare Programme. |
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| Solche Blankokarten sind jedenfalls nicht Tatobjekte des § 263 a Abs. 3 StGB oder der §§ 3, 4 ZKDSG. Anhaltspunkte und Ermittlungsansätze dafür, dass die konkreten verkauften und auf der Rechnung als „Opos“-Karten bezeichneten Karten über Blankokarten hinausgehende Funktionen aufwiesen, liegen nicht vor. |
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| Die Tatsache, dass die Firma des Beschuldigten „Opos“-Karten zusammen mit Geräten, die dem Empfang von Rundfunkprogrammen dienen, anbietet und dass sie Software und Geräte, die einer legalen Anwendung dienen könnten (Zugangskontrollsysteme jeder Art) gerade nicht anbietet, ändert nichts daran, dass es sich bei ihnen nicht um geeignete Tatobjekte der genannten Strafnormen handelt. |
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| 3. Nach den bisherigen Ermittlungen besteht bezüglich der aufgefundenen Gegenstände ein Anfangsverdacht auf Straftaten des Beschuldigten E. gem. § 263 a Abs. 3 StGB und § 4 i.V.m. § 3 ZKDSG. Die bei der Durchsuchung in der Wohnung bzw. den Geschäftsräumen des Beschuldigten E. am 06.12.2005 sichergestellten Gegenstände und technischen Mittel begründen zwar immerhin beim gegenwärtigen Ermittlungsstand die Vermutung, dass der Beschuldigte tatsächlich strafbare Vorbereitungshandlungen im Zusammenhang mit der unerlaubten Entschlüsselung von PayTV-Programmen begangen hat. Denn die Software, die erforderlich ist, um den kryptografischen Schlüssel auf die Blankokarten zu überschreiben, so dass mit ihr Programme entschlüsselt werden können, fallen unter § 263 a Abs. 3 StGB und §§ 3, 4 ZKDSG. |
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| Dieser Tatverdacht führt jedoch nicht zu der Wahrscheinlichkeit einer späteren Entscheidung gem. § 73 oder 73a StGB, da sich der Verfall oder der Verfall von Wertersatz auf bereits erlangte Vermögenswerte beziehen muss. Hier gilt wie unter II. 1. die Annahme der Kammer, dass es nach den bisher durchgeführten Ermittlungen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass das aufgefundene Bargeld aus dem Absatz von Umgehungsvorrichtungen, technischen Mitteln hierzu oder entsprechender Software stammt. |
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| 4. Eine Beschlagnahme des Bargeldes aufgrund der §§ 111b,c StPO ist auch nicht wegen einer möglichen späteren Entscheidung über den erweiterten Verfall gem. § 73d StPO zulässig, da für die Anwendung des § 73d StGB über eine Strafbarkeit gem. § 263a Abs. 3 StGB (oder weitere in Betracht kommende Tatbestände) weder eine Verweisungsnorm zur Verfügung steht, noch im derzeitigen Verfahrensstadium die Prognose gemacht werden kann, dass sich eine „ganz hohe Wahrscheinlichkeit“ der Herkunft des Bargeldes aus rechtswidrigen Taten ergeben wird (Tröndle/Fischer, StGB, 53 Aufl., § 73d, Rdn. 3). |
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| 5. Die Beschlagnahme des Bargeldes kommt schließlich auch nicht gem. §§ 94, 98 StPO als Beweismittel, welches für die Untersuchung von Bedeutung sein kann, in Betracht. Allein die Tatsache, dass die Auffindesituation des Geldes in Wohnung- und Geschäftsräumen des Beschuldigten als ungewöhnlich zu bezeichnen ist, kann eine Bedeutung des Bargeldes als Beweismittel für das vorliegende Verfahren nicht begründen. Die Lichtbilder von dem Bargeld bzw. dem jeweiligen Auffindeort sowie die Erkenntnisse, die durch die bei der Durchsuchung unmittelbar anwesenden Polizeibeamten gewonnen worden sind, reichen aus, um diese Tatsachen in eine Hauptverhandlung einführen zu können. Darüber hinausgehende besondere Erkenntnismöglichkeiten, die mit dem direkten Augenschein des Bargeldes gewonnen werden könnten, sind nicht ersichtlich. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. |
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