1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 02.06.2006- AZ.: 2 C 30/06 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die Zeit vom 01.09.1998 bis zum 31.08.2005 bereits bezahlte Betriebsrente in Höhe von EUR 4.419,40 zurückzufordern.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
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| Die zulässige Berufung der Klägerin ist in vollem Umfang begründet. Das Urteil des Amtsgerichts ist wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern. Wegen des Parteivorbringens in erster Instanz und der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). |
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| Lediglich zur Ergänzung sei hinsichtlich des Sachverhalts noch folgendes angemerkt: |
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| Die Klägerin erhält wegen eines am 04.02.1998 (I/93, I/105) eingetretenen Versicherungsfalls seit dem 01.03.1998 aufgrund des BfA-Bescheides vom 19.12.2003 (I/91) eine gesetzliche Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von zunächst EUR 434,34/brutto (I/95). |
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| Aufgrund des BfA-Bescheides vom 20.01.2004 (I/103) erhält die Klägerin seit dem 01.09.1998 eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von zunächst EUR 662,96/brutto (I/107), welche zunächst bis zum 31.08.2004 befristet war. |
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| Am 13.02.2004 ging bei der Beklagten ein aus zwei Teilen bestehender, nämlich teils vom Versicherten selbst und teils von dessen Arbeitgeber auszufüllender Rentenantrag ein (I/261-279). Dieser Rentenantrag enthielt bei Eingang bei der Beklagten als Anlage lediglich den Bescheid des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers über die Berufsunfähigkeitsrente (I/261). Der Arbeitgeber der Klägerin, welcher mit der Weiterleitung des Rentenantrags an die Beklagte befasst war, räumte in einem Schreiben vom 31.01.2006 (I/265) ein, dass von dort aus nicht mehr beurteilt werden könne, ob die Klägerin tatsächlich beide gesetzlichen Rentenbescheide eingereicht habe und ob seitens des Arbeitgebers lediglich der erste Rentenbescheid weitergeleitet worden sei. |
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| Im besagten Rentenantrag sind auf Seite 2 (I/281) sowohl hinsichtlich der Frage, ob eine „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung“ gezahlt werde, als auch bei der Frage, ob eine „Rente wegen voller Erwerbsminderung“ gezahlt werde, jeweils Kreuze angebracht. Auch die Frage, ob „der Rentenbescheid mit sämtlichen Anlagen“ beiliege, ist mit einem Kreuz bejaht, wobei das Formular keine Möglichkeit vorsieht, an dieser Stelle auch den Plural zu verwenden. |
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| Aufgrund der Mitteilung vom 11.06.2004 (I/157) gewährte die Beklagte für die Zeit ab 01.04.1998 eine Zusatzrente in Höhe von zunächst EUR 135,67/brutto (I/261, 181). Bei der Berechnung dieser Zusatzrente legte die Beklagte lediglich die gesetzliche Rente wegen Berufsunfähigkeit zugrunde (I/179, 185). |
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| Aufgrund des Bescheids vom 27.07.2004 (I/261) wurde die gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den ursprünglichen Befristungszeitpunkt hinaus anerkannt. Diesen verlängernden gesetzlichen Rentenbescheid erhielt die Beklagte am 25.11.2004. Am 23.12.2004 übermittelte die Klägerin der Beklagten das Deckblatt des ursprünglichen gesetzlichen Rentenbescheids vom 20.01.2004 über die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente (I/261). |
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| Mit der angegriffenen Mitteilung vom 25.07.2005 (I/15) berechnete die Beklagte die Zusatzrente der Klägerin ab dem 01.09.1998 auf der Basis der Erwerbsunfähigkeitsrente neu und kam zu einem monatlichen Rentenbetrag in Höhe von zunächst EUR 84,40/brutto (I/39). Hinsichtlich des Zeitraums vom 01.09.1998 bis zum 31.08.2005 errechnete die Beklagte einen Überzahlungsbetrag in Höhe von EUR 4.419,40 und forderte die Klägerin zur Rückzahlung dieses Betrages auf (I/15). |
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| Die Klägerin wendet sich mit der erhobenen negativen Feststellungsklage zu Recht gegen das Zurückzahlungsverlangen der Beklagten. |
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| Mit Wirkung für die Vergangenheit hätte die Beklagte ihre ursprüngliche Rentenmitteilung schon nicht zurücknehmen dürfen (sub 1.), jedenfalls besteht insoweit kein Rückerstattungsanspruch (sub 2.; vgl. zur dogmatischen Unterscheidung zwischen Rücknahme und Rückerstattung: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 11, Rdn. 36). |
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| 1. Die Abänderung der ursprünglichen Rentenmitteilung für den Zeitraum vom 01.09.1998 bis zum 31.08.2005 ist nicht rechtens. |
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| a) Die Beklagte ist zwar grundsätzlich berechtigt, fehlerhafte Berechnungen unabhängig von den Voraussetzungen des § 40 VBLS n.F. jederzeit zu korrigieren (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, § 61 Anm. 4; LG Karlsruhe, Urt. v. 21.07.2006, Az. 6 O 2/06; kritisch: BGH, Urt.v. 22.05.1985, IVa ZR 153/83, BGHZ 94, 334-355, sub II.3). Dass ein solches Korrekturrecht besteht, ist auch in §§ 70 Abs. 1-3 VBLS a. F. / 53 VBLS n.F. vorausgesetzt, denn die dort geregelte Rückforderung überzahlter Renten setzt die vorherige Korrektur der Rentenmitteilungen voraus. Anerkannt ist, dass §§ 70 Abs. 1-3 VBLS a. F. / 53 VBLS n.F. auch auf andere als die dort ausdrücklich geregelten Überzahlungstatbestände anwendbar ist (s. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Stand: 01.08.2002, Kap. B, § 70 Bl. 339e; LG Karlsruhe, Urt. v. 14.06.2005; Az. 6 O 186/04). Die Mitteilungen der Beklagten sind auch keine Verwaltungsakte und erwachsen demgemäß auch nicht in Bestandskraft (vgl. Kammerurteil vom 05.11.2004, Az. 6 O 980/03; Urt. v. 980/03; Urteil vom 16.05.2006, Az. 6 O 234/05). |
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| Das Gericht hat jedoch im Rahmen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung der bereits zitierten BGH-Entscheidung in Anlehnung an die Grundsätze des § 48 VwVfG eine Gesamtabwägung aller zu berücksichtigenden Umstände vorzunehmen. |
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| Der BGH hat in einer Entscheidung vom 22.05.1985 (IVa ZR 153/83, BGHZ 94, 334-355, sub II.3.c; vgl. dazu: Gilbert/Hesse, Kap. B § 61, Blatt B 290a) zum Zusatzversorgungsrecht der Postangestellten ausgeführt, dass insbesondere das Alter des Begünstigten und die Erfahrungstatsache, dass älteren Menschen eine Umstellung auf veränderte Verhältnisse besonders schwer falle, zu berücksichtigen seien. Ferner sei bedeutsam, wie lange die zurückzunehmenden Leistungen schon erbracht worden seien und ob deren Entzug einschneidende Änderungen der Lebensführung mit sich brächten. |
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| Das Vertrauen des Versicherten, eine bereits gewährte Rente behalten zu dürfen, ist in der Regel schutzwürdig, wenn er die gewährten Leistungen bereits verbraucht hat (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Bei der Gewährung von geringfügigen Leistungen wie im vorliegenden Fall kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das Geld für eine Verbesserung der Lebensführung ausgegeben wurde und mithin ein Verbrauch vorliegt (vgl. OVG Münster, NWVBL 1988, 147; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 48, Rdn. 147). |
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| In anderen Fällen hat die Beklagte den Anforderungen des Vertrauensschutzprinzips schon von sich aus Genüge getan, indem sie von der Rückforderung für die Vergangenheit Abstand genommen hat (s. LG Karlsruhe, Urt. v. 21.07.2006, Az. 6 O 2/06). Dass die Beklagte im konkreten Fall anders entschieden hat, erscheint nicht nachvollziehbar. |
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| b) Denn die Gründe, die zu einer fehlerhaften Ausgangsmitteilung geführt haben, liegen jedenfalls nicht bei der Versicherten, sondern möglicherweise bei deren Arbeitgeber und - sicher feststehend - bei der Beklagten selbst. |
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| Es kann insoweit dahinstehen, ob sich die Klägerin etwaiges Verschulden ihres Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Antragstellung zurechnen lassen müsste. Denn bei genauer Lektüre des klägerischen Rentenantrags hätte der Beklagten auffallen müssen, dass die Klägerin zutreffend angegeben hat, dass sie zwei verschiedene Renten in Anspruch nimmt. Dass die von der Beklagten verwendeten Formulare dabei nicht den Fall berücksichtigen, dass noch eine Berufsunfähigkeitsrente bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente nach altem Sozialversicherungsrecht gewährt wird, ist ein Versäumnis allein der Beklagten. |
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| Der Beklagten hätte es offengestanden, bei der Klägerin nachzufragen, warum dort vom Bezug zweier Renten ausgegangen wird und warum der Bescheid über eine Berufsunfähigkeitsrente beigelegt wurde, wo doch im Rentenantrag von einer Erwerbsminderungsrente die Rede ist. Angesichts des langen Zeitraums, der zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung (04.02.1998) und dem Datum des auch der Beklagten vorliegenden Rentenbescheids (19.12.2003) liegt, und des vorläufigen Charakters einer Berufsunfähigkeitsrente lag die Möglichkeit der Veränderung beim Sozialrentenbezug auch durchaus nahe. |
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| Bei offensichtlichen Widersprüchlichkeiten und Unvollständigkeiten der vom Versicherten bzw. dessen Arbeitgeber übermittelten Daten ist die Beklagte zur Rückfrage verpflichtet (Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 26.09.2003, Az. 6 S 2/03). |
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| c) Das Gericht hat nicht übersehen, dass es auch dann, wenn die Überzahlung auf einem Fehler der Zusatzversorgungskasse beruht, im Interesse der Gesamtheit der Versorgungsberechtigten und Arbeitgeber erforderlich sein kann, dass auch solche Überzahlungen an die Versorgungskasse zurückfließen (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.1998, Az. IV ZR 214/96, VersR. 1998, 477-478). |
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| Bei der anzustellenden Gesamtabwägung ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte bewusste Kenntnis über die Ursachen der Fehlberechnung bereits im Dezember 2004 hatte und dennoch noch bis einschließlich August 2005 weiter zahlte (I/265). Die Beklagte hätte für die anzustellenden Korrekturen sich kein halbes Jahr Zeit lassen dürfen und hätte nicht durch den langen Zeitablauf den Eindruck aufkommen lassen dürfen, dass eine Korrektur gar nicht vorgenommen werde. Der Arbeitgeber der Klägerin bezeichnete dieses Verhalten der Beklagten als „unverständlich“ (I/265). |
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| 2. Aber selbst wenn die ursprüngliche Rentenmitteilung mit Wirkung auch für die Vergangenheit hätte abgeändert werden dürfen, lägen die Voraussetzungen für einen Rückforderungsanspruch der Beklagten gemäß § 70 Abs. 1 bis 3 VBLS a. F./§ 53 VBLS n. F. nicht vor. |
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| Das Gericht hat zwar insoweit nicht verkannt, dass diese vertraglichen Rückzahlungsanspruchsgrundlagen die gesetzliche Regelung der §§ 812 ff. BGB ausschließen und damit vom Grundkonzept her in besonderem Maße versichererfreundlich sind. Allerdings ist mit der Kommentierung bei Gilbert/Hesse (a.a.O., Blatt B 339 e bis B 339 e 1 ) davon auszugehen, dass insoweit auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Anwendung findet und dass insoweit insbesondere das eigene Verhalten der Beklagten Beachtung finden muss. Es wurde aber bereits oben ausgeführt, dass ein Verschulden der Beklagten zu der Überzahlung führte und dass auch nach Bekanntwerden der Überzahlung für lange Zeit alles darauf hindeutete, dass die Beklagte zumindest für die Vergangenheit die Überzahlungsbeträge nicht zurückverlangen werde. |
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| Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 ZPO. |
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| Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf der Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. |
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| Die Revision ist nicht zuzulassen, die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. |
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