1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.279,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.07.2006 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Karlsruhe entstandenen Mehrkosten. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 25 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 75 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils für ihn zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger darf die Vollstreckung die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil für die Beklagten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils für sie zu vollstreckenden Betrages leisten.
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| Der Kläger macht mit der Klage Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten aus einem Verkehrsunfall am 13.06.3006 auf der M. Straße in … geltend. |
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| Er war zum Unfallzeitpunkt Halter und Eigentümer des Krad Honda SC 57, amtliches Kennzeichen … . Der Beklagte Ziff. 1 war zur Unfallzeit Fahrer und Halter des PKW Opel Manta, amtliches Kennzeichen … , der bei der Beklagten Ziff. 2 haftpflichtversichert war. |
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| Der Kläger befuhr mit seinem Krad die M. Straße ostwärts und wollte nach links in die E. Straße abbiegen. Die Lichtzeichenanlage auf der M. Straße im Bereich der Querung der dortigen Straßenbahnlinie zeigte Rotlicht, weshalb sich in beiden Fahrtrichtungen auf der M. Straße eine stehende Fahrzeugkolonne gebildet hatte. Die Verkehrsteilnehmer in Fahrtrichtung des Klägers hatten im Bereich der Einmündung der S. Straße in die M. Straße eine breite Lücke zum Ausfahren von aus der S. Straße kommenden Verkehrsteilnehmern gelassen. Der Beklagte Ziff. 1 wollte mit dem von ihm geführten PKW von der S. Straße kommend in die M. Straße nach links einfahren. Der unmittelbar vor der Einmündung der S. Straße auf der M. Straße in der Fahrzeugkolonne stehende Zeuge E. gab ihm ein Handzeichen, dass er einfahren könne. Im Zuge des Einfahrvorgangs kam es zur Kollision mit dem Krad des Klägers, der auf der M. Straße links an der wartenden Kolonne vorbeifuhr. Die nördliche Fahrbahn der M. Straße war zum Zeitpunkt der Kollision vollständig frei. |
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| Der Kläger wurde bei dem Unfall verletzt. Sein Fahrzeugschaden beläuft sich auf netto 5.131,19 EUR. Für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens entstanden ihm Kosten in Höhe von 553,90 EUR brutto. Ferner entstanden ihm pauschale Auslagen in Höhe von 20,00 EUR. Der Kläger macht mit der Klage Ersatz seines materiellen Schadens in Höhe von danach insgesamt 5.705,99 EUR geltend. Die Beklagte Ziff. 2 hat vorgerichtlich die Ansprüche des Klägers mit Schreiben vom 15.07.2006 (K 1, AHK 1) zurückgewiesen. |
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| er sei mit ca. 30 km/h an der Fahrzeugkolonne vorbeigefahren. Der Beklagte Ziff. 1 habe sich nicht in die M. Straße hineingetastet, sondern den von ihm geführten PKW in seine - des Klägers - Fahrspur hineingezogen und sich bereits zu 1/3 auf der linken Fahrspur der M. Straße zum Zeitpunkt der Kollision befunden. Die M. Straße sei im Bereich der Unfallstelle in Fahrtrichtung des Klägers der Breite der Fahrspur nach de facto zweispurig. Der Beklagte Ziff. 1 habe sich sorgfaltswidrig nicht durch die Lücke hindurchgetastet, um Sicht nach links zu erlangen. Auch er - der Kläger - habe dementsprechend vorkollisionär keine Sicht auf das vom Beklagten Ziff. 1 geführte Fahrzeug gehabt. |
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| die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 5.705,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten ab dem 15.07.2006 zu bezahlen. |
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| Die Beklagten beantragen, |
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| der Beklagte Ziff. 1 sei äußerst langsam nach links schauend aus der S. Straße herausgefahren. Er habe sich langsam durch die Lücke der stehenden Fahrzeuge hindurchgetastet und mit seinem Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden, als der Kläger mit deutlich für die Verkehrsverhältnisse zu hoher Geschwindigkeit von über 50 km/h gegen die linke vordere Seite des KFZ des Beklagten Ziff. 1 gestoßen sei. |
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| Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 21.03.2007 (AS 121-151) Bezug genommen. |
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| Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche EinvB.hme der Zeugen E., S., K., A. und B. X. sowie Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Y.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.03.2007 (AS 121-151) verwiesen. Die Akten des Amtsgerichts Karlsruhe - Az. 450 Js 34526/06 - lagen vor und waren zu Beweiszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung. |
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| Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. |
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| Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i. V. m. 8 Abs. 1 StVO, 1 Abs. 1, 3 PflVG, 249, 426 BGB einen Anspruch auf Ersatz von ¾ des geltend gemachten Schadens, mithin in Höhe von 4.279,49 EUR. |
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| 1. Der Unfall ist allerdings für keine der Parteien durch höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG verursacht, so dass die Ersatzpflicht der einen oder anderen Seite nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte Ziff. 1 den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtpflichtverletzung gemäß § 8 Abs. 1 StVO verursacht, während der Kläger seinerseits zu der Kollision durch einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO beigetragen hat. Die Ersatzpflicht ist demgemäß auch nicht gemäß §§ 17 Abs. 2 StVG, 1, 3 Nr. 1 PflVG ausgeschlossen. |
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| 2. Danach hängt gemäß §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 1, 3 PflVG die Verpflichtung zum Schadensersatz wie auch der Umfang der Ersatzpflicht von den Umständen, insbesondere davon ab, wie weit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Halter und Fahrer der beteiligten Fahrzeuge und der Berücksichtigung der von beiden Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nach §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden. |
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| Danach ist es gerechtfertigt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger 3 / 4 seines unfallbedingten Schadens ersetzen. |
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| a) Zu Lasten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte Ziff. 1 den Unfall schuldhaft verursachte, indem er die Vorfahrt des Klägers gemäß § 8 StVO verletzt hat. |
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| aa) Die Beklagten haben den Anschein schuldhafter Vorfahrtverletzung gegen sich, der nur durch bewiesene Tatsachen entkräftet werden kann. Der Beklagte Ziff. 1 ist so weit in die Vorfahrtsstraße hinein gefahren, dass es zum Zusammenstoß mit dem bevorrechtigten Fahrzeug des Klägers gekommen ist. Die Beklagten erbringen nicht den ihnen obliegenden Beweis, dass der Beklagte Ziff. 1 sich lediglich mit der erforderlichen Vorsicht zur Sichtgewinnung „vorgetastet“ bzw. den herannahenden für ihn sichtbaren Kläger hinreichend beachtet hat und dieser mit seinem Krad infolge einer Spätreaktion mit dem bereits länger stehenden PKW des Beklagten Ziff. 1 kollidierte. |
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| bb) Vielmehr ist der Beklagte Ziff. 1 nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Y. weit über die Sichtlinie vorgefahren, mithin nicht nur soweit, wie es zur Sichtgewinnung erforderlich gewesen wäre. Dass dies zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu welchem der herannahende Kläger für ihn noch nicht sichtbar war, steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte sich auf der M. Straße vor der einmündenden S. Straße ein Verkehrsstau gebildet und die stehenden Fahrzeuge eine Lücke für den aus der S. Straße kommenden Beklagten Ziff. 1 gelassen. Die Lücke wies eine Größe im Bereich der Breite der einmündenden S. Straße auf. Der Beklagte Ziff. 1 ist langsam und vorsichtig durch diese Lücke hindurch auf die M. Straße eingefahren, wobei er - zumindest zunächst - beim Durchfahren der Lücke wiederholt angehalten hat. Dies steht insbesondere aufgrund der glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugen zur Überzeugung des Gerichtes fest, § 286 ZPO. Der Zeuge E. hat glaubhaft und nachvollziehbar bekundet, der Opel sei langsam vorgefahren und es habe geknallt. Für seine Begriffe habe sich der Opel vorgetastet, auch wenn er nicht mehr wisse, ob das Fahrzeug wiederholt bis zum Stillstand abgebremst worden sei. Die Zeugin S. hat überzeugend bekundet, der Opel sei mit Schrittgeschwindigkeit herausgefahren, sozusagen stoßweise nach vorne. Der Beklagte Ziff. 1 habe zwischendurch immer wieder angehalten, wie oft und genau wisse sie jedoch nicht mehr. Auch nach der überzeugenden Aussage des Zeugen K. ist der Beklagte Ziff. 1 sehr langsam herausgefahren zu dem Zeitpunkt als der Opel bei dem Zeugen links von dem vor ihm befindlichen Fahrzeugen sichtbar wurde. Diese Aussagen stimmen mit den glaubhaften Aussagen der Eheleute X. überein, die gleichfalls bekundet haben, der Opel sei sehr langsam vorgefahren. Die Zeugin X. hatte im Hinblick auf die von ihr wahrgenommene geringe Geschwindigkeit des Opels zu ihrem Mann noch gesagt: „Hoffentlich schafft er es noch.“ |
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| cc) Allerdings ist die Beweisaufnahme nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts davon zu begründen, dass der Beklagte Ziff. 1 auch noch unmittelbar während des Ausfahrvorgangs aus der für ihn gelassenen Lücke bis zur Sichtgewinnung in Fahrtrichtung des Klägers sich schrittweise vorgetastet bzw. nach Sichtgewinnung den herannahenden Kläger ausreichend beachtet hat. Der Wartepflichtige ist grundsätzlich berechtigt, sich bei Sichtbehinderung durch die freigewordene Lücke mit äußerster Vorsicht soweit vorzutasten, bis er Sicht gewinnt. Unter einem langsamen Vortasten versteht man jedoch, dass ein Fahrer mit seinem Wagen bereits nur wenige Zentimeter langsam vorrollt und dann wieder anhält und dieses Fahrmanöver über einen längeren Zeitraum mehrmals wiederholt. Nur bei einer solchen Fahrweise kann der Fahrer eines herannahenden Wagens das vortastende Fahrzeug frühzeitig erkennen und sich auf dieses einstellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.1980, Az. 1 U 67/80, zit. n. Juris). Eine derartige Fahrweise des Beklagten Ziff. 1 steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest. Nach der Aussage des Zeugen E. ist der Opel langsam vorgefahren und es hat geknallt. Zwar hat sich der Opel nach Auffassung des Zeugen vorgetastet, ob er zwischendurch jedoch immer wieder zum Stillstand abgebremst wurde, wusste er nicht anzugeben. Auch die Zeugin S., wusste nicht mehr, wie oft und wo genau der Beklagte Ziff. 1 zwischendurch immer wieder angehalten hat. Der Zeuge K. konnte keine Angaben dazu machen, ob der Opel zwischendurch immer wieder bis zum Stillstand abgebremst wurde. Aus den Aussagen der Eheleute X. ergibt sich ebenfalls nicht, ob der Beklagte Ziff. 1 bei der entscheidenden Ausfahrt aus der Lücke zur Sichtgewinnung immer wieder gestoppt hat. Es spricht vielmehr im Hinblick auf die eigenen informatorischen Angaben des Beklagten Ziff. 1 viel dafür, dass er dem von seiner Fahrtrichtung aus gesehen links aus aufkommenden Kläger keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet hat. Nach seinen eigenen Angaben hat er sich ausschließlich auf rechts konzentriert, da er hundertprozentig davon ausging, dass von links kein Fahrzeug kommen könne. Dabei handelte es sich ersichtlich um eine grobe Fehleinschätzung, denn der Kläger konnte mit dem von ihm geführten Kraftrad ohne weiteres mit ausreichendem Seitenabstand an der wartenden Fahrzeugkolonne vorbeifahren. Dementsprechend hat der Beklagte Ziff. 1 das Motorrad auch erstmals zum Zeitpunkt der Kollision bemerkt. Danach ist er zwar zunächst sehr langsam durch die für ihn gelassene Lücke hindurch gefahren; dass er sich allerdings auch noch bei Ausfahrt aus derselben bis zur Sichtgewinnung schrittweise vorgetastet und dabei den für ihn sichtbar herannahenden Kläger beachtet hat, steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest. Dies geht zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten. |
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| b) Die Beklagten erbringen jedoch den ihnen obliegenden Beweis, dass der Kläger den Unfall schuldhaft durch einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO mit verursacht hat. |
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| aa) Wer bei dichtem Verkehr an einer aus mehreren Fahrzeugen bestehenden Kolonne vorbeifährt, welche - sei es auch nur vorübergehend - zum Stehen kommt, muss sich, auch wenn ihm die Vorfahrt zusteht, auf Querverkehr aus für ihn erkennbaren Verkehrslücken an Kreuzungen und Einmündungen einstellen. Zu diesem Zweck muss er beim Vorbeifahren seine Geschwindigkeit so einrichten, dass er unter Berücksichtigung des von ihm zu der stehenden Kolonne eingehaltenen Sicherheitsabstandes sein Fahrzeug rechtzeitig anhalten kann, wenn aus der Lücke herauskommende Verkehrsteilnehmer in seine Fahrspur geraten. Die Sorgfaltspflicht des Bevorrechtigten beschränkt sich in einer derartigen Verkehrslage nicht ausschließlich darauf, dem Wartepflichtigen durch ausreichenden Sicherheitsabstand zu den stehenden Fahrzeugen das „Hineintasten“ über die Kolonne hinaus in die Vorfahrtstraße zu ermöglichen. Dass der Wartepflichtige grundsätzlich berechtigt ist, bei Sichtbehinderung mit äußerster Vorsicht soweit in die Vorfahrtstraße hineinzufahren, bis er Sicht gewinnt, ist anerkannt. Bei einer typischen „Lückensituation“ geht es jedoch darüber hinaus darum, dass der Bevorrechtigte sein Fahrverhalten einer erkennbaren unklaren Verkehrslage, in der erfahrungsgemäß mit dem plötzlichen Auftauchen von Hindernissen zu rechnen ist, anzupassen hat. Der Kraftfahrer muss bei der „Lückensituation“ im Rahmen von § 1 Abs. 2 StVO auch ein unvorsichtiges Verhalten wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer in Rechnung stellen. Selbst ein geräumiger Sicherheitsabstand des Vorbeifahrenden von der Kolonne wird regelmäßig für sich allein nicht als ausreichende Sicherheitsmaßnahme angesehen werden können. Wenn der Berechtigte trotz erkennbarer Lücke mit unverminderter Geschwindigkeit an der stehenden Kolonne vorbeifährt, trifft ihn vielmehr bei einem Zusammenstoß mit einem aus der Lücke hervorkommenden wartepflichtigen Fahrzeug im Allgemeinen auch dann ein Mitverschulden, wenn er einen geräumigen Sicherheitsabstand zu der überholten Kolonne eingehalten hat. Dieser Grundsatz stellt eine Ausprägung der sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebenden allgemeinen Pflichten der Verkehrsteilnehmer in besonderen Situationen dar und berücksichtigt die zur Lösung der sich aus dem modernen Massenverkehr in Großstädten ergebenden Verkehrsprobleme geschaffene Regelung des § 11 Abs. 1 StVO. Die besondere Sorgfaltspflicht beim Vorbeifahren an einer ins Stocken geratenen Kolonne im dichten Verkehr ist ein Gebot der Rücksichtnahme auf zwingende Verkehrsbedürfnisse derjenigen Kraftfahrer, welche die bevorrechtigte Fahrtrichtung kreuzen wollen; ihnen muss Gelegenheit gegeben werden, mit der gebotenen Vorsicht Lücken in der Kolonne auszunützen. Weil es zudem immer wieder vorkommt, dass sich die durch die Lücke fahrenden Kraftfahrzeugführer - wie hier - auf Winkzeichen der vor der Straßeneinmündung haltenden Fahrer verlassen und es deshalb an der gebotenen Sorgfalt gegenüber dem Verkehr auf den übrigen Spuren fehlen lassen, liegt in derartigen Situationen die Gefahr von Vorfahrtsverletzungen besonders nahe. Dem muss der Vorfahrtsberechtigte in dieser besonderen Situation bis zu einem gewissen Grade Rechnung tragen, ohne dass damit ein „Freibrief für verkehrswidriges Verhalten“ des Wartepflichtigen geschaffen wird (BGH, VersR 1969, 756; KG Berlin, VersR 1977, 157, 158; KG Berlin, Urteil vom 25.05.1992, Az. 12 U 3481/91, zit. n. juris; LG Neubrandenburg, ZfSch 1999, 234, 235, LG Darmstadt, Schaden-Praxis 1999, 41, 42; LG Koblenz, RuS 1988, 294). |
|
| bb) Diesen Grundsätzen hat der Kläger nicht hinreichend Rechnung getragen. |
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| Zwar erbringen die Beklagten nicht den ihnen obliegenden Nachweis, dass er die Fahrzeugkolonne mit einem nicht hinreichenden Seitenabstand überholt hat, der es dem Beklagten Ziff. 1 unmöglich gemacht hätte, sich bis zur Sichtgewinnung vorzutasten. Vielmehr ist nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Y. davon auszugehen, dass der Kläger zu den rechts wartenden Fahrzeugen einen seitlichen Abstand im Bereich von ca. 1 bis max. 1,5 m eingehalten hat. Dies ist angesichts der Breite der Fahrspur von 5,7 m, auf welcher die wartenden Fahrzeuge sich befanden und an denen der Kläger links vorbeifuhr, auch ohne weiteres nachvollziehbar und ausreichend. |
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| Auch erbringen die Beklagten nicht den Beweis, dass der Kläger die grundsätzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich der Unfallörtlichkeit von 50 km/h überschritten hat. Sie haben eine höhere unfallursächliche Annäherungsgeschwindigkeit als die vom Sachverständigen ermittelte Kollisionsgeschwindigkeit von zumindest 35 km/h nicht nachgewiesen. Dabei sind die Ausführungen des Sachverständigen zugrunde zulegen, in denen er von einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Auftauchen der Front des PKW Opel des Beklagten Ziff. 1 und der Kollision mit dem Motorrad des Klägers ausgegangen ist. Die beweispflichtigen Beklagten erbringen nicht den Nachweis, dass der Beklagte Ziff. 1 mit dem vom ihm geführten PKW über mehrere Sekunden nach Sichtgewinnung in dieser Position verharrt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus keiner der Aussagen der vernommenen Zeugen. Vielmehr hat der Zeuge K. glaubhaft und vollziehbar auf Nachfrage des Beklagtenvertreters ausgesagt, dass für ihn der Vorfall sozusagen in einem passierte. Auch nach der Aussage des Zeugen X. kam der Kläger mit seinem Motorrad, als der Beklagte Ziff. 1 mit seinem Opel langsam vorfuhr. |
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| Der Kläger hat dennoch gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO schuldhaft verstoßen. Für ihn war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die Lücke in der Fahrzeugkolonne angesichts ihrer Breite, die sich nach den glaubhaft und nachvollziehbaren Aussagen der vernommenen Zeugen über die Breite der S. Straße erstreckte, bereits in der weiteren Annäherung an die Unfallörtlichkeit erkennbar. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen wäre ihm bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von jedenfalls 22 km/h es möglich gewesen, vor Erreichen der Kollisionsstelle das Motorrad problemlos zum Stehen zu bringen. Er musste angesichts der für ihn erkennbaren Lücke damit rechnen, dass aus der S. Straße ausfahrende Fahrzeuge auch unvorsichtig in seine Fahrlinie einfahren würden und seiner Geschwindigkeit diesem Umstand anpassen. |
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| c) Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile überwiegen diejenigen des Beklagten Ziff. 1, die sich die Beklagte Ziff. 2 zurechnen lassen muss, deutlich diejenigen des Klägers. Der Beklagte Ziff. 1 hat schuldhaft die Vorfahrt des Klägers verletzt. Ausgehend von der o.g. Rechtsprechung zu den sog. typischen „Lückenfällen“ hält das Gericht vorliegend eine Haftungsverteilung von ¼ zu ¾ zu Lasten der Beklagten unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände für gerechtfertigt. |
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| 3. Der geltend gemachte gemäß § 249 BGB ersatzfähige Schaden des Klägers beläuft sich der Höhe nach unstreitig auf 5.705,99 EUR. Davon kann der Kläger ¾ ersetzt verlangen, mithin einen Betrag in Höhe von 4.279,49 EUR. |
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| 4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 711 ZPO. |
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| Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2 GKG n. F. auf 5.705,99 EUR festgesetzt. |
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| Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. |
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| Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i. V. m. 8 Abs. 1 StVO, 1 Abs. 1, 3 PflVG, 249, 426 BGB einen Anspruch auf Ersatz von ¾ des geltend gemachten Schadens, mithin in Höhe von 4.279,49 EUR. |
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| 1. Der Unfall ist allerdings für keine der Parteien durch höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG verursacht, so dass die Ersatzpflicht der einen oder anderen Seite nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte Ziff. 1 den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtpflichtverletzung gemäß § 8 Abs. 1 StVO verursacht, während der Kläger seinerseits zu der Kollision durch einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO beigetragen hat. Die Ersatzpflicht ist demgemäß auch nicht gemäß §§ 17 Abs. 2 StVG, 1, 3 Nr. 1 PflVG ausgeschlossen. |
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| 2. Danach hängt gemäß §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 1, 3 PflVG die Verpflichtung zum Schadensersatz wie auch der Umfang der Ersatzpflicht von den Umständen, insbesondere davon ab, wie weit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Halter und Fahrer der beteiligten Fahrzeuge und der Berücksichtigung der von beiden Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nach §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden. |
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| Danach ist es gerechtfertigt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger 3 / 4 seines unfallbedingten Schadens ersetzen. |
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| a) Zu Lasten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte Ziff. 1 den Unfall schuldhaft verursachte, indem er die Vorfahrt des Klägers gemäß § 8 StVO verletzt hat. |
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| aa) Die Beklagten haben den Anschein schuldhafter Vorfahrtverletzung gegen sich, der nur durch bewiesene Tatsachen entkräftet werden kann. Der Beklagte Ziff. 1 ist so weit in die Vorfahrtsstraße hinein gefahren, dass es zum Zusammenstoß mit dem bevorrechtigten Fahrzeug des Klägers gekommen ist. Die Beklagten erbringen nicht den ihnen obliegenden Beweis, dass der Beklagte Ziff. 1 sich lediglich mit der erforderlichen Vorsicht zur Sichtgewinnung „vorgetastet“ bzw. den herannahenden für ihn sichtbaren Kläger hinreichend beachtet hat und dieser mit seinem Krad infolge einer Spätreaktion mit dem bereits länger stehenden PKW des Beklagten Ziff. 1 kollidierte. |
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| bb) Vielmehr ist der Beklagte Ziff. 1 nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Y. weit über die Sichtlinie vorgefahren, mithin nicht nur soweit, wie es zur Sichtgewinnung erforderlich gewesen wäre. Dass dies zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu welchem der herannahende Kläger für ihn noch nicht sichtbar war, steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte sich auf der M. Straße vor der einmündenden S. Straße ein Verkehrsstau gebildet und die stehenden Fahrzeuge eine Lücke für den aus der S. Straße kommenden Beklagten Ziff. 1 gelassen. Die Lücke wies eine Größe im Bereich der Breite der einmündenden S. Straße auf. Der Beklagte Ziff. 1 ist langsam und vorsichtig durch diese Lücke hindurch auf die M. Straße eingefahren, wobei er - zumindest zunächst - beim Durchfahren der Lücke wiederholt angehalten hat. Dies steht insbesondere aufgrund der glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugen zur Überzeugung des Gerichtes fest, § 286 ZPO. Der Zeuge E. hat glaubhaft und nachvollziehbar bekundet, der Opel sei langsam vorgefahren und es habe geknallt. Für seine Begriffe habe sich der Opel vorgetastet, auch wenn er nicht mehr wisse, ob das Fahrzeug wiederholt bis zum Stillstand abgebremst worden sei. Die Zeugin S. hat überzeugend bekundet, der Opel sei mit Schrittgeschwindigkeit herausgefahren, sozusagen stoßweise nach vorne. Der Beklagte Ziff. 1 habe zwischendurch immer wieder angehalten, wie oft und genau wisse sie jedoch nicht mehr. Auch nach der überzeugenden Aussage des Zeugen K. ist der Beklagte Ziff. 1 sehr langsam herausgefahren zu dem Zeitpunkt als der Opel bei dem Zeugen links von dem vor ihm befindlichen Fahrzeugen sichtbar wurde. Diese Aussagen stimmen mit den glaubhaften Aussagen der Eheleute X. überein, die gleichfalls bekundet haben, der Opel sei sehr langsam vorgefahren. Die Zeugin X. hatte im Hinblick auf die von ihr wahrgenommene geringe Geschwindigkeit des Opels zu ihrem Mann noch gesagt: „Hoffentlich schafft er es noch.“ |
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| cc) Allerdings ist die Beweisaufnahme nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts davon zu begründen, dass der Beklagte Ziff. 1 auch noch unmittelbar während des Ausfahrvorgangs aus der für ihn gelassenen Lücke bis zur Sichtgewinnung in Fahrtrichtung des Klägers sich schrittweise vorgetastet bzw. nach Sichtgewinnung den herannahenden Kläger ausreichend beachtet hat. Der Wartepflichtige ist grundsätzlich berechtigt, sich bei Sichtbehinderung durch die freigewordene Lücke mit äußerster Vorsicht soweit vorzutasten, bis er Sicht gewinnt. Unter einem langsamen Vortasten versteht man jedoch, dass ein Fahrer mit seinem Wagen bereits nur wenige Zentimeter langsam vorrollt und dann wieder anhält und dieses Fahrmanöver über einen längeren Zeitraum mehrmals wiederholt. Nur bei einer solchen Fahrweise kann der Fahrer eines herannahenden Wagens das vortastende Fahrzeug frühzeitig erkennen und sich auf dieses einstellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.1980, Az. 1 U 67/80, zit. n. Juris). Eine derartige Fahrweise des Beklagten Ziff. 1 steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest. Nach der Aussage des Zeugen E. ist der Opel langsam vorgefahren und es hat geknallt. Zwar hat sich der Opel nach Auffassung des Zeugen vorgetastet, ob er zwischendurch jedoch immer wieder zum Stillstand abgebremst wurde, wusste er nicht anzugeben. Auch die Zeugin S., wusste nicht mehr, wie oft und wo genau der Beklagte Ziff. 1 zwischendurch immer wieder angehalten hat. Der Zeuge K. konnte keine Angaben dazu machen, ob der Opel zwischendurch immer wieder bis zum Stillstand abgebremst wurde. Aus den Aussagen der Eheleute X. ergibt sich ebenfalls nicht, ob der Beklagte Ziff. 1 bei der entscheidenden Ausfahrt aus der Lücke zur Sichtgewinnung immer wieder gestoppt hat. Es spricht vielmehr im Hinblick auf die eigenen informatorischen Angaben des Beklagten Ziff. 1 viel dafür, dass er dem von seiner Fahrtrichtung aus gesehen links aus aufkommenden Kläger keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet hat. Nach seinen eigenen Angaben hat er sich ausschließlich auf rechts konzentriert, da er hundertprozentig davon ausging, dass von links kein Fahrzeug kommen könne. Dabei handelte es sich ersichtlich um eine grobe Fehleinschätzung, denn der Kläger konnte mit dem von ihm geführten Kraftrad ohne weiteres mit ausreichendem Seitenabstand an der wartenden Fahrzeugkolonne vorbeifahren. Dementsprechend hat der Beklagte Ziff. 1 das Motorrad auch erstmals zum Zeitpunkt der Kollision bemerkt. Danach ist er zwar zunächst sehr langsam durch die für ihn gelassene Lücke hindurch gefahren; dass er sich allerdings auch noch bei Ausfahrt aus derselben bis zur Sichtgewinnung schrittweise vorgetastet und dabei den für ihn sichtbar herannahenden Kläger beachtet hat, steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest. Dies geht zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten. |
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| b) Die Beklagten erbringen jedoch den ihnen obliegenden Beweis, dass der Kläger den Unfall schuldhaft durch einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO mit verursacht hat. |
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| aa) Wer bei dichtem Verkehr an einer aus mehreren Fahrzeugen bestehenden Kolonne vorbeifährt, welche - sei es auch nur vorübergehend - zum Stehen kommt, muss sich, auch wenn ihm die Vorfahrt zusteht, auf Querverkehr aus für ihn erkennbaren Verkehrslücken an Kreuzungen und Einmündungen einstellen. Zu diesem Zweck muss er beim Vorbeifahren seine Geschwindigkeit so einrichten, dass er unter Berücksichtigung des von ihm zu der stehenden Kolonne eingehaltenen Sicherheitsabstandes sein Fahrzeug rechtzeitig anhalten kann, wenn aus der Lücke herauskommende Verkehrsteilnehmer in seine Fahrspur geraten. Die Sorgfaltspflicht des Bevorrechtigten beschränkt sich in einer derartigen Verkehrslage nicht ausschließlich darauf, dem Wartepflichtigen durch ausreichenden Sicherheitsabstand zu den stehenden Fahrzeugen das „Hineintasten“ über die Kolonne hinaus in die Vorfahrtstraße zu ermöglichen. Dass der Wartepflichtige grundsätzlich berechtigt ist, bei Sichtbehinderung mit äußerster Vorsicht soweit in die Vorfahrtstraße hineinzufahren, bis er Sicht gewinnt, ist anerkannt. Bei einer typischen „Lückensituation“ geht es jedoch darüber hinaus darum, dass der Bevorrechtigte sein Fahrverhalten einer erkennbaren unklaren Verkehrslage, in der erfahrungsgemäß mit dem plötzlichen Auftauchen von Hindernissen zu rechnen ist, anzupassen hat. Der Kraftfahrer muss bei der „Lückensituation“ im Rahmen von § 1 Abs. 2 StVO auch ein unvorsichtiges Verhalten wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer in Rechnung stellen. Selbst ein geräumiger Sicherheitsabstand des Vorbeifahrenden von der Kolonne wird regelmäßig für sich allein nicht als ausreichende Sicherheitsmaßnahme angesehen werden können. Wenn der Berechtigte trotz erkennbarer Lücke mit unverminderter Geschwindigkeit an der stehenden Kolonne vorbeifährt, trifft ihn vielmehr bei einem Zusammenstoß mit einem aus der Lücke hervorkommenden wartepflichtigen Fahrzeug im Allgemeinen auch dann ein Mitverschulden, wenn er einen geräumigen Sicherheitsabstand zu der überholten Kolonne eingehalten hat. Dieser Grundsatz stellt eine Ausprägung der sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebenden allgemeinen Pflichten der Verkehrsteilnehmer in besonderen Situationen dar und berücksichtigt die zur Lösung der sich aus dem modernen Massenverkehr in Großstädten ergebenden Verkehrsprobleme geschaffene Regelung des § 11 Abs. 1 StVO. Die besondere Sorgfaltspflicht beim Vorbeifahren an einer ins Stocken geratenen Kolonne im dichten Verkehr ist ein Gebot der Rücksichtnahme auf zwingende Verkehrsbedürfnisse derjenigen Kraftfahrer, welche die bevorrechtigte Fahrtrichtung kreuzen wollen; ihnen muss Gelegenheit gegeben werden, mit der gebotenen Vorsicht Lücken in der Kolonne auszunützen. Weil es zudem immer wieder vorkommt, dass sich die durch die Lücke fahrenden Kraftfahrzeugführer - wie hier - auf Winkzeichen der vor der Straßeneinmündung haltenden Fahrer verlassen und es deshalb an der gebotenen Sorgfalt gegenüber dem Verkehr auf den übrigen Spuren fehlen lassen, liegt in derartigen Situationen die Gefahr von Vorfahrtsverletzungen besonders nahe. Dem muss der Vorfahrtsberechtigte in dieser besonderen Situation bis zu einem gewissen Grade Rechnung tragen, ohne dass damit ein „Freibrief für verkehrswidriges Verhalten“ des Wartepflichtigen geschaffen wird (BGH, VersR 1969, 756; KG Berlin, VersR 1977, 157, 158; KG Berlin, Urteil vom 25.05.1992, Az. 12 U 3481/91, zit. n. juris; LG Neubrandenburg, ZfSch 1999, 234, 235, LG Darmstadt, Schaden-Praxis 1999, 41, 42; LG Koblenz, RuS 1988, 294). |
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| bb) Diesen Grundsätzen hat der Kläger nicht hinreichend Rechnung getragen. |
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| Zwar erbringen die Beklagten nicht den ihnen obliegenden Nachweis, dass er die Fahrzeugkolonne mit einem nicht hinreichenden Seitenabstand überholt hat, der es dem Beklagten Ziff. 1 unmöglich gemacht hätte, sich bis zur Sichtgewinnung vorzutasten. Vielmehr ist nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Y. davon auszugehen, dass der Kläger zu den rechts wartenden Fahrzeugen einen seitlichen Abstand im Bereich von ca. 1 bis max. 1,5 m eingehalten hat. Dies ist angesichts der Breite der Fahrspur von 5,7 m, auf welcher die wartenden Fahrzeuge sich befanden und an denen der Kläger links vorbeifuhr, auch ohne weiteres nachvollziehbar und ausreichend. |
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| Auch erbringen die Beklagten nicht den Beweis, dass der Kläger die grundsätzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich der Unfallörtlichkeit von 50 km/h überschritten hat. Sie haben eine höhere unfallursächliche Annäherungsgeschwindigkeit als die vom Sachverständigen ermittelte Kollisionsgeschwindigkeit von zumindest 35 km/h nicht nachgewiesen. Dabei sind die Ausführungen des Sachverständigen zugrunde zulegen, in denen er von einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Auftauchen der Front des PKW Opel des Beklagten Ziff. 1 und der Kollision mit dem Motorrad des Klägers ausgegangen ist. Die beweispflichtigen Beklagten erbringen nicht den Nachweis, dass der Beklagte Ziff. 1 mit dem vom ihm geführten PKW über mehrere Sekunden nach Sichtgewinnung in dieser Position verharrt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus keiner der Aussagen der vernommenen Zeugen. Vielmehr hat der Zeuge K. glaubhaft und vollziehbar auf Nachfrage des Beklagtenvertreters ausgesagt, dass für ihn der Vorfall sozusagen in einem passierte. Auch nach der Aussage des Zeugen X. kam der Kläger mit seinem Motorrad, als der Beklagte Ziff. 1 mit seinem Opel langsam vorfuhr. |
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| Der Kläger hat dennoch gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO schuldhaft verstoßen. Für ihn war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die Lücke in der Fahrzeugkolonne angesichts ihrer Breite, die sich nach den glaubhaft und nachvollziehbaren Aussagen der vernommenen Zeugen über die Breite der S. Straße erstreckte, bereits in der weiteren Annäherung an die Unfallörtlichkeit erkennbar. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen wäre ihm bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von jedenfalls 22 km/h es möglich gewesen, vor Erreichen der Kollisionsstelle das Motorrad problemlos zum Stehen zu bringen. Er musste angesichts der für ihn erkennbaren Lücke damit rechnen, dass aus der S. Straße ausfahrende Fahrzeuge auch unvorsichtig in seine Fahrlinie einfahren würden und seiner Geschwindigkeit diesem Umstand anpassen. |
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| c) Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile überwiegen diejenigen des Beklagten Ziff. 1, die sich die Beklagte Ziff. 2 zurechnen lassen muss, deutlich diejenigen des Klägers. Der Beklagte Ziff. 1 hat schuldhaft die Vorfahrt des Klägers verletzt. Ausgehend von der o.g. Rechtsprechung zu den sog. typischen „Lückenfällen“ hält das Gericht vorliegend eine Haftungsverteilung von ¼ zu ¾ zu Lasten der Beklagten unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände für gerechtfertigt. |
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| 3. Der geltend gemachte gemäß § 249 BGB ersatzfähige Schaden des Klägers beläuft sich der Höhe nach unstreitig auf 5.705,99 EUR. Davon kann der Kläger ¾ ersetzt verlangen, mithin einen Betrag in Höhe von 4.279,49 EUR. |
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| 4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 711 ZPO. |
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| Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2 GKG n. F. auf 5.705,99 EUR festgesetzt. |
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