Beschluss vom Landgericht Karlsruhe - 2 O 96/01

Tenor

1. Die Befangenheitsgesuche des Beklagten Ziffer 1 vom 05.11.2007 und 22.11.2007 (AS 2965 ff.) gegen die Richter am Landgericht Dr. X und Y sowie Richterin am Landgericht Dr. Z. werden zurückgewiesen.

2. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Der Beklagte Ziff. 1 hat im Rahmen eines Verfahrens über eine Ergänzung eines am 15.09.2006 ergangenen Urteils die Richter am Landgericht Dr. X und Y sowie Richterin am Landgericht Dr. Z im Jahre 2007 wiederholt wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt
Mit Schriftsatz vom 05.11.2007 (AS 2879-2883), bei Gericht eingegangen am 05.11.2007, auf der Geschäftsstelle der Zivilkammer 2 am 06.11.2007 um 07.55 Uhr, hat er erneut ein Ablehnungsgesuch angebracht. Zur Begründung führt er aus, er habe mit Schriftsatz vom 04.10.2007 dem Land … im Hinblick auf die Tätigkeit der drei Richter den Streit verkündet. Im Hinblick auf die von ihm vorgetragenen Mängel des von den abgelehnten Richtern am 15.09.2006 erlassenen Urteils ergäben sich Regressmöglichkeiten seinerseits gegen das Land … gemäß § 839 BGB. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die abgelehnten Richter dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen würden. Das Verhalten der drei Richter/in sei offensichtlich willkürlich im Hinblick auf die von ihm vorgetragenen erheblichen fachlichen Defizite des von ihnen erlassenen Urteils.
Am 06.11.2007 hat Richter am LG Dr. X als Vorsitzender gemäß Sitzungsniederschrift (AS 2859) ein von den drei abgelehnten Richtern/in unterschriebenes Ergänzungsurteil (AS 2861-2871) verkündet. Termin zur Verkündung einer Entscheidung war mit gerichtlicher Verfügung vom 24.10.2007 (AS 2843) auf den 06.11.2007, 08.45 Uhr bestimmt worden. Ferner befindet sich ein auf den 06.11.2007 datierter, von den drei abgelehnten Richtern/in unterschriebener Beschluss in den Akten (2873-2877), mit dem weitere Anträge des Beklagten Ziff. 1 zurückgewiesen wurden. Gemäß Erledigungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 07.11.2007 (AS 2859) wurde an diesem Tag die Zustellung der Urteilsausfertigung sowie formlose Übersendung beglaubigter Abschriften des Beschlusses vom 06.11.2007 an die Prozessbevollmächtigten veranlasst. Gemäß Vermerk vom 07.11.2007 (AS 2897) hat Richter am LG Dr. X von dem Schriftsatz des Beklagten vom 05.11.2007 erst nach Verkündung des Urteils Kenntnis genommen.
Mit einem weiteren Schriftsatz vom 22.11.2007 (AS 2965-2973), bei Gericht eingegangen am 23.11.2007, hat der Beklagte Ziff. 1 die o.g. Richter/in ein weiteres Mal wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung führt er aus, die drei Richter/in hätten mit dem Erlass des Beschlusses vom 06.11.2007 und dem am gleichen Tag ergangenen Ergänzungsurteil gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO verstoßen. Die abgelehnten Richter haben zum Ablehnungsgesuch vom 22.11.2007 dienstliche Stellungnahmen abgegeben (AS 2989, 2991, 2995).
II.
1) Das zulässige Ablehnungsgesuch vom 05.11.2007 ist unbegründet.
a) Die Kammer kann über das Gesuch auch ohne Einholung einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter gemäß § 44 Abs. 3 ZPO entscheiden, da es auf aktenkundige Gründe gestützt ist und diese Gründe zur Ablehnung offensichtlich nicht geeignet sind (OLG Köln 2000, 474, 475; BayObLG, Beschluss vom 01.02.1994, Az. 2 ZBR 145/93, zitiert nach Juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 44 Rn. 4).
b) Aus dem Gesuch ergeben sich nicht schlüssig Gründe, die bei objektiver Betrachtungsweise vom Standpunkt einer vernünftigen Partei die Befürchtung wecken könnten, die abgelehnten Richter stünden der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.
aa) Durch Anträge auf Einleitung von Disziplinarmaßnahmen gegen die abgelehnten Richter sowie Streitverkündungen und Regressdrohungen kann eine Partei - wie hier der Beklagte Ziff. 1 - einen ihr unbequemen Richter nicht ausschalten (Zöller/Vollkommer, a.a.O.; § 42 Rn. 29 m.w.N.). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die von ihm vorgenommene Streitverkündung gegenüber dem Dienstherrn im Berufungsverfahren vor dem OLG Karlsruhe überhaupt zulässig war (vgl. verneinend bei Streitverkündung gegenüber den gerichtlichen Sachverständigen: BGH NJW 2006, 3214, 3215). Das Ablehnungsverfahren soll den Prozessparteien nicht den Weg eröffnen, durch Ausnutzung ihres Ablehnungsrechtes die Besetzung des Gerichts so lange zu tangieren, bis ein Spruchkörper geschaffen ist, der die Rechtsauffassung der das Gesuch stellenden Partei teilt. Es bietet also nicht die Möglichkeit, sich eines Richters mit abweichender Rechtsauffassung zu entledigen (OLG Rostock, Beschluss vom 04.08.2006, Az. 3 U 62/06, zitiert nach juris).
bb) Soweit der Beklagte Ziff. 1 erneut die angeblichen erheblichen fachlichen Defizite des Urteils vom 15.09.2006 als Ablehnungsgrund heranführt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Beschluss vom 18.06.2007, S. 7 unter ee) (AS 2769) Bezug genommen. Im Übrigen vermag das wiederholte Vorbringen von - wie hier - bereits verbeschiedenen Ablehnungsgründe einem Gesuch nicht zum Erfolg zu verhelfen (vergl. KG, FamRZ 1986, 1022 ff.).
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2) Auch das zulässige Ablehnungsgesuch vom 22.11.2007 hat der Sache nach keinen Erfolg.
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a) Das Ablehnungsgesuch ist zulässig. Insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
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aa) Allerdings entfällt regelmäßig das Rechtsschutzinteresse, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache unter Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO ergangen ist und eine Berufung in der Hauptsache statthaft ist, da in deren Rahmen auf entsprechende Rüge auch über die Ablehnung zu entscheiden ist (BGH, NJW-RR 2007, 411, 412).
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Ziel einer Richterablehnung ist es, den abgelehnten Richter an der (weiteren) Mitwirkung in dem Verfahren zu hindern. Dieses Ziel kann nicht mehr erreicht werden, wenn eine Instanz abschließende Entscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ergangen ist. Ist jedoch ein solches Ablehnungsgesuch begründet, ist es erforderlich, ein dennoch ergangenes Urteil im Hinblick auf den verfassungsrechtlich begründeten Anspruch der Prozessparteien auf ein neutrales, unbefangenes Gericht aufzuheben oder abzuändern. Dies kann bei einem landgerichtlichen Urteil grundsätzlich nur im Berufungsrechtszug geschehen. Die Prozessökonomie erfordert, die Prüfung, ob ein Ablehnungsgrund gegeben ist, im Berufungsrechtszug vorzunehmen. § 512 ZPO widerspricht dem nicht. Nach dieser Vorschrift kann das Berufungsgericht Zwischenentscheidungen nicht überprüfen, die, wie die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs, selbstständig anfechtbar sind. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Vielmehr ist die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs wegen der instanzabschließenden Entscheidung der abgelehnten Richters mangels Rechtsschutzbedürfnis gerade nicht mehr selbstständig anfechtbar (BGH, a.a.O.).
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bb) Danach entfiele zwar das Rechtsschutzbedürfnis des Beklagten Ziff. 1, soweit er gegen das Ergänzungsurteil mit der Berufung vorgehen kann. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Berufung gegeben sind (vergl. dazu: Zöller/Vollkommer, ZPO, 27.Aufl., § 321 RN. 11). Denn vorliegend ist zu berücksichtigen, dass eine instanzabschließende Entscheidung hinsichtlich des Antrags des Beklagten Ziff. 1 vom 12.03.2007 auf Erlass der Gerichtskosten gem. § 21 GKG noch nicht vorliegt. Eine weitere Befassung der abgelehnten Richter mit der Sache ist nicht ausgeschlossen (vergl. auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 46 RN. 18b). Dem Beklagten Ziff. 1 steht vielmehr gegen Tenor Ziff.1 des Beschlusses vom 06.11.2007 (AS 2873-2877) gemäß § 66 Abs. 2 GKG die von ihm mit Schriftsatz vom 22.11.2007 (AS 2965 ff.) eingelegte Beschwerde zu (Hartmann, KostG, § 21 GKG RN. 65; vergl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 1151). Gemäß § 66 Abs. 3 GKG hat das Gericht, das den angefochtenen Beschluss erlassen hat, zunächst darüber zu entscheiden, ob es der Beschwerde abhilft.
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b) Das Gesuch ist jedoch unbegründet.
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aa) Wegen Besorgnis der Befangenheit kann ein Richter nur abgelehnt werden, wenn ein Grund glaubhaft gemacht wird, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Dies ist aus der Sicht der ablehnenden Partei zu beurteilen. Rein subjektive und vernünftiger Überlegung entbehrende Vorstellungen können dabei aber nicht berücksichtigt werden. Vielmehr müssen konkrete und objektive Umstände vorliegen, die auch vom Standpunkt einer ruhig und vernünftig denkenden Partei aus befürchten lassen, dass der Richter ihr nicht unvoreingenommen gegenüberstehe und nicht unparteiisch entscheiden werde. Ein solcher Grund ist vorliegend nicht gegeben. Allerdings können Unsachlichkeit und unangemessenes Verhalten des Richters, die eine negative Einstellung gegenüber einer Partei erkennen lassen, die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 42 Rn. 22).
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bb) Die abgelehnten Richter haben vorliegend objektiv gegen § 47 ZPO verstoßen, denn sie haben das Ergänzungsurteil erlassen und den Beschluss vom 06.11.2007 gefasst, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Ablehnungsgesuch des Beklagten Ziff. 1 bereits bei Gericht eingegangen war. Ein solcher Verstoß kann geeignet sein, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 RN. 24 m.w.N.; OLG Köln, NJW-RR 2000, 591, 592; OLG Hamburg, NJW 1992, 1462, 1463; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1997, 1350). Das Handlungsverbot des § 47 ZPO beginnt mit der Anbringung des Ablehnungsantrags. Auf die Kenntniserlangung des abgelehnten Richters kommt es für seine Geltung nicht an (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 47 RN. 2; OLG Frankfurt, NJW 1998, 1238, 1239). Eine andere Frage ist jedoch, ob dieser Verstoß geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Dies ist vorliegend zu verneinen. Jedenfalls ein als einmaliger Verstoß zu wertender Vorgang, denn Urteilsverkündung und Beschlussfassung erfolgten ersichtlich in engem zeitlichen Zusammenhang - rechtfertigt für sich allein nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Etwas anderes kann freilich gelten, wenn gehäuft gegen die Vorschrift des § 47 ZPO verstoßen wird oder weitere Handlungen des abgelehnten Richters hinzutreten, die aus der Sicht einer nicht überempfindlichen Prozesspartei zu der Befürchtung Anlass geben, der Richter könne sich von unsachlichen Erwägungen leiten lassen. Es kommt jeweils auf die Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist allein, ob nach Lage des Falles Gründe vorliegen, die den Rückschluss auf Voreingenommenheit oder Parteilichkeit des Gerichts zu begründen geeignet sind (vergl. OLGR Celle 2006, 603, 604; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.10.1999, Az. 1 W 7/99, zit. nach juris; OLGR Köln 1999, 401, 402; OLGR Köln 2004, 427 ff.). Dafür ist nichts Hinreichendes ersichtlich. Wie sich aus den dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter ergibt, an deren Richtigkeit kein Anlass besteht zu zweifeln, war ihnen das Ablehnungsgesuch vor der Urteilsverkündung nicht bekannt. Zwar wurde der nicht verkündete Beschluss vom 06.11.2007 erst mit seiner von der Geschäftstelle am 07.11.2007 verfügten Bekanntgabe an die Parteien existent (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 329 RN. 6; 10). Der Fall ist jedoch dennoch nicht mit denjenigen vergleichbar, dass der abgelehnte Richter in Kenntnis des Ablehnungsgesuchs massiv gegen die Wartepflicht verstößt, indem er eine Sitzung fortführt oder beharrlich andere Maßnahmen trifft, bei denen es sich nicht um Eilmaßnahmen handelt (vergl. etwa OLG Köln, NJW-RR 1996, 420, sowie OLG Hamburg, NJW 1992, 1463). Die abgelehnten Richter haben in keiner Weise den Eindruck entstehen lassen, dass ihnen das Ablehnungsgesuch egal sei und sie ein laufendes Ablehnungsverfahren nicht zu berücksichtigen bräuchten.
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cc) Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob der Beklagte Ziff. 1 das Gesuch vom 05.11.2007 nicht rechtsmissbräuchlich in Verschleppungsabsicht gestellt hat und dieses deshalb nicht geeignet war, die Wartepflicht des § 47 ZPO auszulösen (vergl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 47 RN. 2; BSG, Beschluss vom 12.03.2002, Az. B 11 AL 5/02 S, zit. nach juris).

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