Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 1 S 88/11

Tenor

1.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 17.05.2011, Az.: 4 C 277/10, wird zurückgewiesen.

2.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.

Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO)
I.
Der Kläger ist Halter eines Wohnwagen. Diesen Wohnwagen wollte er am 15.01.2010 gemeinsam mit dem Zeugen ... aus dem Winterquartier abholen. Dazu wurde der Wohnwagen an das nicht bei der Beklagten versicherte Fahrzeug des Zeugen ... angehängt. Während der Fahrt auf der K.-straße von Karlsruhe in Richtung Bruchsal löste sich die komplette Anhängerkupplung vom Fahrzeug. Als der Zeuge ... sein Fahrzeug zum Stehen brachte, rollte der Wohnwagen auf und wurde erheblich beschädigt. Zum Unfallzeitpunkt war der Wohnwagen bei der Beklagten vollkaskoversichert. Der Kläger verlangt von der Beklagten aus dieser Versicherung Ersatz der ihm bei dem Unfall entstandenen Schäden. Die Beklagte hat die Regulierung des Schadens im Hinblick auf die Regelung in A. 2. 3. 2. der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AKB abgelehnt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt.
II.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen hat, weil es hier zu einem Schaden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen gekommen ist und damit kein Unfall im Sinne der AKB vorliegt. Die Berufung des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Zu Unrecht meint der Kläger, die Regelung unter A. 2. 3. 2. AKB setze voraus, dass das Zugfahrzeug bei der Beklagten vollkaskoversichert sei, denn Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, Schäden an vollkaskoversicherten Zugfahrzeugen von der Regulierung auszunehmen, nicht jedoch Schäden bei Schleppvorgängen eines vollkaskoversicherten Anhängers. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Regelung einschränkend in diesem Sinne zu verstehen sein könnte. Allgemeine Versicherungsbedingen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGH NJW-RR 1996, 857 f.). Aus dieser maßgeblichen Sicht ist die Regelung unter A. 2. 3. 2. der AKB aber ohne weiteres dahin zu verstehen, dass auch ein Schaden an einem vollkaskoversicherten Anhänger nicht als Unfallschaden reguliert wird, wenn er dadurch entsteht, dass Zugfahrzeug und Anhänger eines Gespann zusammenstoßen. Anders kann die inhaltlich eindeutige Regelung, dass Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen nicht als Unfallschäden versichert sind, nicht verstanden werden.
Die Regelung unter A. 2. 3. 2. der AKB kann auch nicht so aufgefasst werden, dass nur ein Schaden zwischen einem ziehenden Kraftfahrzeug und einem gezogenen Kraftfahrzeug, also ein Schaden bei einem Abschleppvorgang, nicht mitversichert sein soll (so aber LG Essen, NJW-RR 2006, 1688 f.). Wie bereits das Landgericht Stuttgart zutreffend entschieden hat (Urteil vom 26.05.2010, 5 S 283/09) findet eine derartige Auslegung weder ausreichende Stütze im Wortlaut der Vorschrift, noch führt der Vergleich mit anderen Vorschriften der AKB zu einem solchen Auslegungsergebnis. Zwar wird in verschiedenen Regelungen der AKB neben dem Begriff "Fahrzeug" auch der Begriff "Anhänger" verwendet (z. B. A. 1. 1. 5; A. 1. 5. 4. AKB). Gleichermaßen wird jedoch neben dem Begriff "Fahrzeug" auch der Begriff "Kraftfahrzeug" genutzt (z. B. A. 1. 1. 5.; A. 1. 5. 4; A. 1. 5. 5. AKB). Dies lässt auf einen unterschiedlichen Inhaltsgehalt der beiden letztgenannten Begriffe schließen und macht deutlich, dass der Begriff "Fahrzeug" auch hier als Oberbegriff zu verstehen ist, der Anhänger mit umfasst. Würde man den Begriff "Fahrzeug" ausschließlich im Sinne von "Kraftfahrzeug" verstehen, wäre im Übrigen ein Anhänger ohnehin von der Kaskoversicherung gar nicht erfasst, weil es unter A. 2. 1. 1. AKB heißt, dass das "Fahrzeug" gegen Beschädigung, Zerstörung, Totalschaden oder Verlust in Folge eines Ereignisses nach den folgenden Regelungen versichert sei. Dass dies mit der Regelung in den Versicherungsbedingungen nicht gemeint sein kann, liegt auf der Hand und in diesem Sinne versteht auch der Kläger die Versicherungsbedingungen nicht.
Ein Unfallschaden im Sinne der Versicherungsbedingungen liegt auch nicht deshalb vor, weil sich der Wohnwagen des Klägers vom Zugfahrzeug gelöst hatte und auf das abbremsende Zugfahrzeug aufgefahren ist. Die Regelung unter A. 2. 3. 2. AKB stellt auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bereits von ihrem Wortlaut her eindeutig klar, dass gegenseitige Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug als nicht versicherter Betriebsschaden anzusehen sind, wenn für die Beschädigung keine weiteren Einwirkungen von außen ursächlich wurden (OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 175 ff.). So liegt der Fall hier. Die spezifischen Risiken des Schleppvorgangs haben sich hier gerade dadurch verwirklicht, dass der durch das Zugfahrzeug in Bewegung gesetzte Wohnwagen nach dem Abriss der Anhängerkupplung unkontrolliert auf das Zugfahrzeug aufgefahren ist. Alle Ursachen für den Unfall – Bewegung des Wohnwagens durch das Zugfahrzeug, Abreißen der Schleppkupplung des Zugfahrzeugs, Abbremsen des Zugfahrzeugs und unkontrollierte Weiterbewegung des Wohnwagens, Aufprall des Wohnwagens auf das Zugfahrzeug – stehen ausschließlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Schleppvorgang. Eine weitere Einwirkung von außen ist für den Unfall nicht ursächlich geworden. Richtig ist zwar, dass ohne Weiteres ein versichertes Ereignis vorgelegen hätte, wenn der Wohnwagen nicht mit dem Zugfahrzeug sondern mit einem sonstigen Gegenstand, zum Beispiel einem Baum, kollidiert wäre. Daraus lässt sich aber für den vorliegenden Fall nichts herleiten, weil es sich dabei um einen anderen Sachverhalt handelt, der nicht unter die Regelung in Nr. 2. 3. 2. AKB fällt.
Auch das Argument des Klägers, für einen Versicherungsnehmer, der seinen Wohnwagen Vollkasko versichere, käme es gerade darauf an, dass auch Unfallschäden, die aus dem spezifischen Risiko des Gezogenwerdens resultieren, mitversichert seien und eine Fahrzeugvollversicherung für einen Anhänger würde nur wenig Sinn machen, wenn der vorliegende Fall von der Versicherung nicht erfasst werde, greift nicht durch. Ausgeschlossen sind durch die AKB lediglich Schäden zwischen Zugfahrzeug und Anhänger. Die sonstigen spezifischen Risiken des Schleppvorgangs werden von der Versicherung ebenso erfasst wie Schäden durch Diebstahl oder sonstige Verkehrsunfälle, bei denen dritte Fahrzeuge beteiligt sind.
Aus den Regelungen für den Bereich der Haftpflichtversicherung kann der Kläger für seine Auffassung nichts herleiten. Die dort genannten Vorschriften gelten ausschließlich für Schäden, die der Versicherungsnehmer mit seinem Fahrzeug anderen zufügt und lassen sich schon deshalb auf die unter A. 2. AKB enthaltenen Regelungen für die Kaskoversicherung nicht übertragen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen, weil er mit seinem Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hat (§ 97 ZPO). Die Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil es sich um ein Berufungsurteil in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit handelt und weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO).
10 
Gründe für eine Zulassung der Revision liege nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Entscheidung des LG Essen (NJW-RR 2006, 1688) ist vereinzelt geblieben und würde zudem bei konsequenter Anwendung ebenfalls dazu führen, dass die Klage als unbegründet abzuweisen wäre, weil ein Anhänger dann nicht als Kraftfahrzeug anzusehen und nicht unter den Schutz der Vollkaskoversicherung fallen würde. Ansonsten handelt es sich hier um einen besonderen Einzelfall, der keiner höchstrichterlichen Klärung bedarf

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