Beschluss vom Landgericht Karlsruhe - 11 T 83/12

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 09.09.2011 - 6 XVI 96/2008 B 8 - wird zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 3.000,00 festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 begehren die Anerkennung einer in Uganda ergangenen Adoptionsentscheidung nach dem Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG).
Der Beteiligte zu 1 ist deutscher Staatsbürger, die Beteiligte zu 2, seine Ehefrau, ugandische Staatsangehörige. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind seit August 2003 miteinander verheiratet und leben in Deutschland. Am 21.08.2006 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 beim High Court of Uganda in … die Adoption des am 05.01.1991 in … Uganda geborenen … eines Neffen der Beteiligten zu 2, auszusprechen. Beide Eltern des Kindes sind Mitte der 1990er Jahre verstorben. Der Junge, der seit der 4. Klasse der Grundschule im Internat in Uganda lebt, wurde zunächst von seinen Großeltern versorgt, danach für einige Monate von einer weiteren Schwester der Beteiligten zu 2 aufgenommen und lebt außerhalb der Schulzeiten jetzt bei dem ugandischen Rechtsanwalt, der die Beteiligten zu 1 und 2 im Adoptionsverfahren vertreten hat. Der Anzunehmende besucht gegenwärtig ein Fachgymnasium mit der Fachrichtung Wirtschaft, wo er im September 2012 den Schulabschluss machen soll. Die Beteiligte zu 2 ist seit dem 13.01.2006 Vormund des mittlerweile 21jährigen. Das Amt für Sozialfürsorge und Bewährung von … hat in seinem Bericht vom 18.08.2006 die Adoption befürwortet. Der High Court of Uganda hat die Beteiligten zu 1 und 2 und das anzunehmende Kind persönlich angehört und mit Entscheidung vom 05.09.2006 verfügt, dass die Beteiligten zu 1 und 2 als Adoptiveltern des … berufen werden. Bereits im Jahre 2006 hatte der Beteiligte zu 1 in Deutschland die beiden leiblichen Kinder der Beteiligten zu 2 adoptiert. Der in diesem Zusammenhang im Inland erstellte Sozialbericht lag dem ugandischen Gericht bei seiner Entscheidung nicht vor.
Mit Antrag vom 26.05.2008 haben die Beteiligten zu 1 und 2 beim Amtsgericht Karlsruhe die Anerkennung der Adoptionsentscheidung beantragt. Die Beteiligte zu 3 ist dem Antrag entgegengetreten, da eine Kindeswohlprüfung vor der Entscheidung durch das ugandische Gericht nicht oder nur unzureichend erfolgt sei; wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Stellungnahmen vom 25.01.2009 und vom 22.06.2011 verwiesen.
Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten zu 1 und 2 am 05.04.2011 den Antrag mit Beschluss vom 09.09.2011 abgelehnt, da die Adoption nicht dem Kindeswohl diene. Gegen diese ihren Verfahrensbevollmächtigten am 14.09.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 28.09.2011 beim Amtsgericht eingelegte sofortige Beschwerde, die entgegen der Ankündigung nicht begründet wurde. Nachdem die Beteiligten zu 1 und 2 auf Nachfrage am 06.03.2012 - lediglich - mitgeteilt haben, dass die Beschwerde aufrechterhalten bleibe, hat das Amtsgericht das Rechtsmittel mit Akten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Da der Antrag auf Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung vor dem maßgeblichen Stichtag des 1. September 2009 gestellt wurde, ist sowohl in verfahrensrechtlicher wie auch in materiell-rechtlicher Hinsicht gemäß Art. 111 Abs. 1 und 2 FGG-RG noch das bis zum 31.08.2009 geltende Recht anzuwenden.
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 AdWirkG in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung i.V.m. 22 Abs. 1 FGG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, in der Sache hat das unbegründet gebliebene Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG a.F. stellt das Vormundschaftsgericht auf Antrag fest, ob die Annahme als Kind im Sinne des § 1 AdWirkG a.F. anzuerkennen oder wirksam und ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist. Da Uganda kein Vertragsstaat des Haager Adoptionsübereinkommens vom 29.03.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption ist, richtet sich die Anerkennung der ugandischen Adoptionsentscheidung allein nach § 16 a FGG. Danach ist eine ausländische Adoptionsentscheidung anzuerkennen, wenn nicht einer der Versagungsgründe nach dieser Vorschrift vorliegt. Nach dem hier allein in Betracht kommenden Versagungsgrund gemäß Nr. 4 des Gesetzes ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Zu Recht hat das Amtsgericht entschieden, dass danach eine Anerkennungsfähigkeit nicht gegeben ist, da sowohl die unzureichende Prüfung des Kindeswohls als auch des Adoptionsbedürfnisses einen Verstoß gegen den ordre public darstellen und der Anerkennung entgegenstehen. Das Amtsgericht hat ausgeführt:
Eine fachliche Begutachtung der Adoptionseignung der Annehmenden, wie sie die nach dem deutschen ordre public erforderliche Kindeswohlprüfung voraussetzt, hat nicht stattgefunden. Eine solche fachliche Begutachtung kann regelmäßig nur durch eine Fachstelle am Lebensmittei-punkt der Bewerber geleistet werden und beschränkt sich nicht nur auf äußerliche Aspekte wie finanzielle Sicherheit, Unbestraftheit und Gesundheit. Sie umfasst-auch die Erziehungsfähigkeit, Integrationswilligkeit und -fähigkeit sowie die Fördermöglichkeit des Kindes. Eine derartige Begutachtung beider Annehmender ist im Zusammenhang mit der Adoption von … nicht erfolgt. Der im Zusammenhang mit der Stiefkindadoption erstellte Bericht lag dem Gericht in Uganda bei dem Ausspruch der Adoption von … nicht vor. Das hat der Annehmende zu 1) bei der gerichtlichen Anhörung angegeben.
Eine Bewertung der Verhältnisse am Lebensmittelpunkt der Annehmenden erscheint dem Gericht im vorliegenden Fall umso wichtiger, weil ein inzwischen 15 Jahre altes schulpflichtiges Kind in den Familienverbund in Deutschland zu integrieren wäre. Eine entsprechende Eignungsprüfung ist auch bei einer Verwandtenadoption nicht entbehrlich. Zu den insoweit bestehenden Bedenken haben die Annehmenden vom Gericht mehrfach rechtliches Gehör erhalten. Das Gericht hat auch auf die einschlägige Rechtsprechung (FamRBint 2011, 10, 11) hingewiesen.
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Das Gericht teilt zudem die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe, dass eine Nachholung der Kindeswohlprüfung im Anerkennungsverfahren nicht möglich ist, da es nicht Sinn des Anerkennungsverfahrens ist, das Adoptionsverfahren zu ersetzen (OLG Karlsruhe, StAZ 2011, 210, 211). Aus den Entscheidungsgründen des Beschlusses vom 05.09.2006 geht hervor, dass das ugandische Gericht die Lebensverhältnisse der Annehmenden im Ausland nicht in dem oben angesprochenen Umfang geprüft hat.
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Auch die Frage des Adoptionsbedürfnisses ins Ausland ist nicht hinreichend beantwortet. Der im September 2006 fast 16 Jahre alte Anzunehmende besucht seit der 4. Grundschulklasse durchgehend Internate in Uganda. Er hat in drei verschiedenen Internaten die Grundschule, die Realschule und das Gymnasium besucht. Bei seinen Verwandten {Großeltern, Tante) hat er sich nur während der schulfreien Zeit aufgehalten. Auch haben die Annehmenden den schulischen Werdegang des Anzunehmenden von Deutschland aus finanziell unterstützt. Das Gericht nimmt Bezug auf die Ausführungen des Bundesamts in der Stellungnahme vom 25.01.2009, Blatt 7). Vor diesem Hintergrund ist die Frage des Adoptionsbedürfnisses ins Ausland abschlägig zu beantworten.
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Diese Ausführungen, gegen die die Beschwerde nichts erinnert hat, teilt die Kammer und macht sie durch Bezugnahme zum Gegenstand ihrer Entscheidung. Sie liegen auf einer Linie mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, nach der eine dem deutschen Rechtsverständnis genügende Kindeswohlprüfung im Rahmen einer Adoption nach dem Willen des Gesetzgebers voraussetzt, dass eine umfassende Berücksichtigung und fachliche Begutachtung der Lebensverhältnisse des Kindes und der Adoptionsbewerber vorgenommen wurde (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.12.2011 - 1 UF 262/11 -; Beschluss vom 19.01.2012 - 2 W 93/11 -; OLG Düsseldorf. FamRZ 2011, 1522; OLG Karlsruhe StAZ 2011, 210). Diese umfasst die gesundheitlichen, familiären, beruflichen und finanziellen Umstände ebenso wie die Erziehungseignung, die Vorerfahrungen mit Kindern und die Fähigkeit und Bereitschaft, das Kind bei seiner Integration zu begleiten und zu fördern (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.12.2011 - 1 UF 262/11 -). Eine an diesem Maßstab als ausreichend zu betrachtende Kindeswohlprüfung hat jedoch nicht stattgefunden. Insbesondere hätte das ugandische Gericht seiner Entscheidung einen Elterneignungsbericht einer deutschen Fachsteile zugrundelegen müssen. Der vorgelegte Bericht des Amtes für Sozialfürsorge der Stadt … konnte dazu naturgemäß keine Aussagen enthalten und schon deshalb den fundierten Sozialbericht einer deutschen Fachstelle nicht ersetzen.
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Die Kammer teilt insbesondere auch die Ansicht des Amtsgerichts, dass die erstmalige Durchführung einer vollständigen Kindeswohlprüfung nicht Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens entspricht, das eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Entscheidungen ermöglichen soll. Maßgebend ist, ob die Entscheidung zurzeit der Anerkennung mit den unverzichtbaren verfahrensrechtlichen und materiellen Bestimmungen des deutschen Rechts vereinbar ist und nicht die Frage, ob das zur Anerkennung berufene Gericht die Vereinbarkeit mit den unverzichtbaren verfahrensrechtlichen und materiellen Bestimmungen des deutschen Rechts durch eigene, gesetzlich nicht vorgesehene Prüfungen und Ermittlungen erstmals herstellt (OLG Karlsruhe und OLG Düsseldorf, jeweils a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.12.2011 - 1 UF 262/11 -). Durch die Reduzierung des Anerkenntnisverfahrens auf seine eigentliche Funktion wird auch nicht in unzulässiger Weise in die Grundrechte des Kindes oder der Annehmenden eingegriffen, denn es steht ihnen frei, eine Wiederholungsadoption anzustrengen, wobei alle tatsächlichen Entwicklungen nach der ausländischen Adoptionsentscheidung Berücksichtigung finden können (OLG Karlsruhe, a.a.O.).
III.
14 
Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst (§ 13 a Abs. 1 FGG). Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

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