Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 6 S 10/12

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 10.8.2012 - 2 C 178/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
A.
(§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO):
Der vormals im öffentlichen Dienst beschäftigte Kläger begehrt mit seiner Klage nach Umstellung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst von einem Gesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem auf der Grundlage der ergangenen Rechtsprechung und der hierzu vorgenommenen 17. Satzungsänderung die Neuberechnung seiner Betriebsrente.
Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Die Anwartschaften der übrigen, ca. 1,7 Mio. rentenfernen Versicherten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG. Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem rentennahen oder einem rentenfernen Jahrgang erhalten Beschäftigte, die am 1. Januar 2002 mindestens 20 Jahre pflichtversichert waren, als Startgutschrift für jedes volle Kalenderjahr der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 mindestens 1,84 Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschäftigung gemindert durch Multiplikation mit dem am 31. Dezember 2001 maßgebenden Gesamtbeschäftigungsquotienten (§ 37 Abs. 3 VBLS).
Mit dem 5. Änderungstarifvertrag vom 30. Mai 2011 und dem 6. Änderungstarifvertrag vom 24. November 2011 haben sich die Tarifvertragsparteien auf Neuregelungen zur Zusatzversorgung verständigt, die mit der 17. Satzungsänderung in die VBL-Satzung übertragen wurden. Getroffen wurden Neuregelungen zur Berechnung der Startgutschriften für rentenferne und beitragsfrei Versicherte, Regelungen zur Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten als Umlage-/Beitragsmonate sowie Regelungen zur Einbeziehung von eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern in die Hinterbliebenenversorgung.
Die 17. Änderung der VBLS wurde am 30. November 2011 vom Verwaltungsrat beschlossen, vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 6. Januar 2012 genehmigt und am 25. Januar 2012 im Bundesanzeiger Nr. 14 veröffentlicht.
Die hier maßgeblichen Satzungsregelungen lauten auszugsweise wie folgt, wobei die Änderungen zu §§ 78 Abs. 4 und 79 Abs. 1 a VBLS im Wesentlichen mit § 1 Ziffer 4 und 5 des Änderungstarifvertrages Nr. 5 vom 30. Mai 2011 zum Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung – ATV) vom 1. März 2002 und § 51 VBLS in der hier maßgeblichen Fassung § 22 ATV entsprechen:
§ 40 Neuberechnung
10 
(1) Die Betriebsrente ist neu zu berechnen, wenn bei einer/einem Betriebsrentenberechtigten ein neuer Versicherungsfall eintritt und seit dem Beginn der Betriebsrente aufgrund des früheren Versicherungsfalls zusätzliche Versorgungspunkte zu berücksichtigen sind.
11 
……………..
12 
§ 51 Versicherungsnachweise
13 
(1) Pflichtversicherte … erhalten jeweils nach Ablauf des Kalenderjahrs bzw. bei Beendigung der Pflichtversicherung einen Nachweis über ihre bisher insgesamt erworbene Anwartschaft auf Betriebsrente wegen Alters nach § 35.
14 
……….
15 
§ 78 Grundsätze zur Anwartschaftsübertragung (Änderung in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Januar 2001)
16 
…………
17 
(4) Ergibt sich nach § 79 Abs. 1a ein Zuschlag zur Anwartschaft, bildet die Summe aus der Startgutschrift nach § 79 Abs. 1 und dem Zuschlag die neue Startgutschrift; die VBL teilt den Versicherten den Zuschlag und die sich daraus ergebende neue Startgutschrift im Rahmen des Versicherungsnachweises nach § 51 mit. Ergibt sich nach § 79 Abs. 1 a kein Zuschlag, verbleibt es bei der bisherigen Startgutschrift; sofern in diesen Fällen eine Beanstandung nach Absatz 3 vorliegt, teilt die VBL den Versicherten im Rahmen des Versicherungsnachweises nach § 51 mit, dass es bei der bisherigen Startgutschrift verbleibt. Einer gesonderten Mitteilung an die Versicherten bedarf es nicht.
18 
§ 79 Anwartschaften für am 31. Dezember 2001 schon und am 1. Januar 2002 noch Pflichtversicherte (Änderung in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Januar 2001)
19 
……
20 
(1a) Bei Beschäftigten, deren Anwartschaft nach Absatz 1 (rentenferne Jahrgänge) berechnet wurde, wird auch ermittelt, welche Anwartschaft sich bei einer Berechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG unter Berücksichtigung folgender Maßgaben ergeben würde:
21 
1. Anstelle des Vomhundertsatzes nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG wird ein Unverfallbarkeitsfaktor entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG errechnet. Dieser wird ermittelt aus dem Verhältnis der Pflichtversicherungszeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 zu der Zeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Der sich danach ergebende Vomhundertsatz wird auf zwei Stellen nach dem Komma gemeinüblich gerundet und um 7,5 Prozentpunkte vermindert.
22 
2. Ist der nach Nummer 1 Satz 3 ermittelte Vomhundertsatz höher als der bisherige Vomhundertsatz nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG, wird für die Voll-Leistung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ein individueller Brutto- und Nettoversorgungssatz nach § 41 Abs. 2 und 2b d.S.a.F. ermittelt. Als gesamtversorgungsfähige Zeit werden dabei berücksichtigt
23 
a) die bis zum 31. Dezember 2001 erreichten Pflichtversicherungsmonate zuzüglich der Monate vom 1. Januar 2002 bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, und
24 
b) die Monate ab Vollendung des 17. Lebensjahres bis zum 31. Dezember 2001 abzüglich der Pflichtversicherungsmonate bis zum 31. Dezember 2001 zur Hälfte.
25 
Für Beschäftigte, für die der Umlagesatz des Abrechnungsverbandes Ost der VBL maßgebend war und die nur Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung nach dem 31. Dezember 1996 haben, gilt Satz 2 Buchst. b mit der Maßgabe, dass für die Zeit vor dem 1. Januar 1997 höchstens 75 Monate zur Hälfte berücksichtigt werden.
26 
Bei Anwendung des § 41 Abs. 2 Satz 5 d,S,a.F. gilt als Eintritt des Versicherungsfalls der Erste des Kalendermonats nach Vollendung des 65. Lebensjahres; als gesamtversorgungsfähige Zeit im Sinne des § 42 Abs. 1 d.S.a.F. sind die Zeiten nach Satz 2 Buchst. a zu berücksichtigen.
27 
Ist die unter Berücksichtigung der Maßgaben nach den Nummern 1 und 2 berechnete Anwartschaft höher als die Anwartschaft nach Absatz 1, wird der Unterschiedsbetrag zwischen diesen beiden Anwartschaften ermittelt und als Zuschlag zur Anwartschaft nach Absatz 1 berücksichtigt. Der Zuschlag vermindert sich um den Betrag, der bereits nach Absatz 3a als zusätzliche Startgutschrift ermittelt wurde.
28 
Die Beklagte hat mit einer sog. Startgutschriften-Mitteilung vom 19. März 2003 die Rentenanwartschaft des Klägers zum 31.12.2001 auf EUR 775,12 errechnet und ihm dementsprechend eine Startgutschrift von 193,78 Punkten erteilt (I 27). Die Mitteilung über die Startgutschrift beruht auf der Neufassung der Satzung der Beklagten zum 01. Januar 2001 und wurde auf der Grundlage der Regelungen für sog. rentenferne Jahrgänge errechnet.
29 
Diese Startgutschrift hatte der Kläger bereits in einem Verfahren vor dem erkennenden Gericht (6 O 1/09) beanstandet.
30 
Seit dem 01. September 2007 erhält der Kläger von der Beklagten eine Betriebsrente in Höhe von 813,60 brutto, die wegen vorzeitiger Inanspruchnahme auf EUR 725,73 vermindert und wegen Versorgungsausgleichs auf EUR 592,33 gekürzt wurde (I 27).
31 
Mit verschiedenen Schreiben aus dem Jahr 2012 forderte der Kläger die Beklagte zur Neuberechnung der Betriebsrente auf der Grundlage des 5. Änderungsvertrages zum Alterstarifvertrag vom 30. Mai 2011 auf. Eine Anspruch auf Neuberechnung ergebe sich nach Umsetzung der von den Tarifparteien ausgehandelten Einigung aus der 17. Satzungsänderung der VBLS. Ein weiteres Zuwarten sei dem Kläger unzumutbar.
32 
Mit der am 7. Mai 2012 zum Amtsgericht Karlsruhe erhobenen Klage begehrte der Kläger von der Beklagten,
33 
eine Neuberechnung der an die Klagepartei gezahlten Betriebsrente nach Vorgaben des 5. Änderungstarifvertrages zum Tarifvertrag Altersversorgung vorzunehmen und der Klagepartei zuzuleiten.
34 
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
35 
Die Beklagte hat geltend gemacht, dem Kläger stehe kein genereller Anspruch auf Neuberechnung der Betriebsrente zu; eine solche Neuberechnung könne nur erfolgen, wenn sich zugunsten des Klägers auf der Grundlage des 5. Änderungstarifvertrages zum ATV ein Zuschlag zur Startgutschrift nach § 79 Abs. 1a VBLS ergebe.
36 
Das Amtsgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 31. Juli 2012, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen nicht in Widerspruch stehen, die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein solcher Anspruch auf Neuberechnung ergebe sich weder aus dem Tarifvertrag, noch aus der geänderten Satzung.
37 
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser seinen Antrag ursprünglich in vollem Umfang weiterverfolgte.
38 
Die Beklagte übersandte dem Kläger am 19. November 2012 eine Überprüfungsrechnung zur Betriebsrente vom 12. November 2012.
39 
Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
40 
Die Beklagte tritt der Erledigung entgegen und beantragt,
41 
die Berufung zurückzuweisen.
42 
Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
43 
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2012 verwiesen.
B.
44 
(§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO):
45 
Die Berufung des Klägers ist zulässig aber nicht begründet.
I.
46 
Der Erledigterklärung des Klägers hat sich die Beklagte widersetzt. Auf die somit einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Klägers ist gleichwohl die Berufung zurückzuweisen, da die Klage in der Hauptsache unbegründet ist und das Amtsgericht Karlsruhe sie deshalb zu Recht abgewiesen hat (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, Kommentar, 29. Auflage, Rn 37 zu § 91 a; Musielak/Wolst, ZPO, Kommentar, 6. Auflage, Rn 13 zu § 91a).
47 
Der Kläger hatte gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren am 21. Dezember 2012 keinen Anspruch darauf, eine Neuberechnung der an ihn seit dem 01. Juli 2007 gezahlten Betriebsrente nach Vorgaben des 5. Änderungstarifvertrages zum Tarifvertrag Altersversorgung vorzunehmen und ihm zuzuleiten.
48 
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 40 Abs. 1 VBLS, da ein neuer Versicherungsfall ersichtlich nicht eingetreten ist.
49 
2. Ein Anspruch auf Neuberechnung folgt auch nicht aus § 78 Abs. 4 Satz 1 VBLS.
50 
Voraussetzung ist, dass sich bei einer Ermittlung in dem Verfahren nach § 79 Abs. 1a VBLS ein Zuschlag zur Anwartschaft ergeben haben muss. Dass sich aus der dem Kläger am 19. November 2012 übersandten Überprüfungsrechnung vom 12. November 2012 ein solcher Zuschlag ergibt, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Der Kläger hat diese Überprüfungsrechnung dem Gericht nicht vorgelegt. Die Formulierung „Überprüfungsrechnung“ legt nahe, dass die Beklagte, die sich sonst für die Berechnung der Betriebsrente der „Mitteilung“ bedient ( vgl. auch in § 78 Abs. 4 Satz 1 a.E. VBLS), dass zugunsten des Klägers ein Zuschlag gerade nicht ermittelt wurde.
51 
3. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 78 Abs. 4 Satz 2 berufen.
52 
Bis zum Ende des Jahres 2012 bestand für ihn als Betriebsrentner auf eine Neuberechnung und gesonderte Mitteilung über einen nicht erhaltenen Zuschlag nach § 79 Abs. 1a VBLS (noch) kein Anspruch. Dass neben den Versicherten vor dem in den §§ 78 Abs. 4, 51 VBLS grundsätzlich geregelten Zeitpunkt auch den Betriebsrentnern ein Anspruch auf Neuberechnung bzw. Mitteilung über das Ergebnis des Verfahrens nach § 79 Abs. 1a VBLS nicht zustehen soll, ist hinzunehmen.
53 
a) Ergibt sich nach § 79 Abs. 1 a kein Zuschlag, so teilt die Beklagte, sofern in diesen Fällen eine Beanstandung gegen die Startgutschrift vorliegt, den Versicherten mit, dass es bei der bisherigen Startgutschrift verbleibt (§ 78 Abs. 4 Satz 2 VBLS). Da im vorliegenden Fall der Kläger bereits im Jahr 2009 die Startgutschrift vor dem erkennenden Gericht angegriffen hatte, liegt es nahe, dass die Überprüfungsrechnung vom 12. November 2012 der Regelung des § 78 Abs. 4 Satz 2 VBLS Rechnung trägt.
54 
b) Diese Information über den Nichtzuschlag soll - ebenso wie bei einem Zuschlag nach § 78 Abs. 4 Satz 1 VBLS - erst im Rahmen der Versicherungsnachweise nach § 51 VBLS erfolgen, mithin nach Ablauf des Kalenderjahrs bzw. bei Beendigung der Pflichtversicherung. § 78 Abs. 4 Satz 3 VBLS regelt insoweit sogar ausdrücklich, dass es einer gesonderten Mitteilung an die Versicherten nicht bedarf.
55 
Das Kalenderjahr nach der 17. Satzungsänderung, mit der die §§ 78 Abs. 4, 79 Abs. 1 a VBLS in die Satzung eingefügt wurden, endet erst am 31. Dezember 2012, mithin 10 Tage nach der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer. Die Pflichtversicherung endet mit dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen nach § 26 VBLS entfallen, spätestens jedoch mit dem Zeitpunkt, der auf der Abmeldung als Versicherungsende angegeben ist (§ 27 Abs. 2 VBLS).
56 
Im vorliegenden Fall ist der Kläger jedoch Betriebsrentner. Als Betriebsrentner erhält er keine Versicherungsnachweise nach § 51 VBLS. Insoweit fehlt es für ihn an einer eindeutigen Regelung in § 78 Abs. 4 VBLS.
57 
Ersichtlich wurde für Rentenberechtigte, die keinen Versicherungsnachweis erhalten, keine Vereinbarung der Tarifvertragsparteien getroffen, wie und wann die Betroffenen über die Überprüfung der Startgutschrift informiert werden sollen.
58 
c) Durch die Satzung ist - wie oben ausgeführt - den Versicherten der Anspruch auf Zuteilung von Zuschlägen nach § 79 Abs.1a VBLS eingeräumt. Soweit die Beklagte diesen Vorgaben nicht nachgekommen sein sollte, bleibt es den Versicherten grundsätzlich unbenommen, die gerichtliche Feststellung zu begehren, dass die ihnen erteilten Versicherungsnachweise (§ 51 Abs. 1 VBLS) in Bezug auf die (nicht) ausgewiesenen Zuschläge unverbindlich oder unwirksam sind (vgl. insoweit zu den Bonuspunkten nach § 68 VBLS: BGHZ 185, 83-96 und BVerfG VersR 2000, 214, 215 und VersR 2006, 489 Tz. 61, 66, 70).
59 
Fehlen den Versicherten die für die Überprüfung des satzungsgemäßen Vorgehens der Beklagten erforderlichen Informationen, ist diese insoweit zur Auskunft verpflichtet. Der Auskunftsanspruch ist aus der Regelung des § 78 Abs. 4 VBLS bzw. § 51 Abs. 2 VBLS abzuleiten (vgl. zur Anwendung des § 51 Abs. 2 VBLS auf die Auskunft wegen Bonuspunkten: BGHZ 185, 83-96). Jedenfalls besteht eine solche Verpflichtung im Hinblick auf einen effektiven Rechtsschutz nach § 242 BGB.
60 
d) Die Auslegung des § 78 Abs. 4 VBLS ergibt, dass sog. rentenferne Betriebsrentner grundsätzlich jederzeit von der Beklagten Auskunft und Neuberechnung über den ihm möglicherweise zustehenden Zuschlag nach § 79 Abs. 1a VBLS verlangen können.
61 
aa) Die Satzungsbestimmungen der Beklagten finden als Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) auf die Gruppenversicherungsverträge Anwendung, die von den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern mit der Beklagten als Versicherer zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer, abgeschlossen werden (st. Rspr.; vgl. BGHZ 142, 103, 106 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - IV ZR 55/05 - VersR 2006, 1248 Tz. 8). Für die Auslegung der Satzungsbestimmungen kommt es auf das Verständnis und Interesse des durchschnittlichen Versicherten an (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 - IV ZR 104/06 - VersR 2009, 201 Tz. 13; vom 14. Februar 2007 - IV ZR 267/04 - VersR 2007, 676 Tz. 10; vom 14. Juni 2006 aaO m.w.N.).
62 
bb) Nach diesem Maßstab ist vom Wortlaut der Satzung auszugehen. Der Versicherte wird dabei zunächst die Regelung des § 78 Abs. 4 VBLS und den in ihr enthaltenen Verweis auf § 51 VBLS in den Blick nehmen. Aus der Bezugnahme auf § 51 Abs. 1 VBLS ergibt sich insoweit auch für den Versicherten, dass eine Neuberechnung auf der Grundlage von § 79 Abs. 1a VBLS erstmals mit den Versicherungsnachweisen zum Ende eines Kalenderjahres mitgeteilt wird. Die Regelung des § 78 Abs. 4 Satz 3 VBLS, wonach es einer gesonderten Mitteilung an die Versicherten nicht bedarf, steht ersichtlich im Zusammenhang mit der Bezugnahme auf die Versicherungsnachweise des § 78 Abs. 4 Satz 1 und 2 VBLS und begründet nicht die Annahme, nur Empfänger von Versicherungsnachweisen könnten einen Anspruch auf Information über eine Ermittlung nach § 79 Abs. 1a VBLS haben. Dass er keinen Anspruch auf Neuberechnung oder Auskunft haben soll, ist fernliegend. Erhält der Versicherte als Betriebsrentner keine Versicherungsnachweise mehr, so könnte für ihn allein die Neuberechnungsregelung des § 40 VBLS maßgeblich sein. Voraussetzung für eine dort geregelte Neuberechnung ist jedoch, dass beim Versicherten auch ein neuer Versicherungsfall eingetreten sein muss. Bei einem Betriebsrentner, der als vormals sog. rentenferner Jahrgang eine Startgutschrift erhalten hat, ist jedoch in der Regel - wie auch hier - kein neuer Versicherungsfall nach Maßgabe der Satzungsbestimmungen eingetreten. Als Betriebsrentner ohne Versicherungsnachweise und Neuberechnungen könnte er deshalb grundsätzlich davon ausgehen, dass er jederzeit eine Neuberechnung über einen Zuschlag nach § 79 Abs. 1a VBLS verlangen und durchsetzen kann. Andererseits ergibt die Bezugnahme auf § 51 VBLS und die dortige Bestimmung, wonach solche Versicherungsnachweise erst nach Ablauf des Kalenderjahres versandt werden, einen Anhaltspunkt auch für den Betriebsrentner, dass zwischen Ermittlung und Benachrichtigung hierüber ein Zeitraum von bis zu einem Jahr liegen kann. Ein Pflichtversicherter, für den als rentenferner Jahrgang der Zuschlag nach § 79 Abs. 1a VBLS am Anfang eines Kalenderjahres ermittelt wurde, erhält ausweislich § 78 Abs. 4 Satz 3 VBLS gerade keine gesonderte Mitteilung; vielmehr hat er das Kalenderjahr und den Versicherungsnachweis abzuwarten. Ihm entsteht daraus kein finanzieller Nachteil. Ein Betriebsrentner müsste demgegenüber im Falle eines Zuschlags nach § 79 Abs. 1a VBLS bei der Annahme einer vergleichbarer Pflicht zum Zuwarten mit der Leistung gegebenenfalls erhebliche finanzielle Nachteile in Kauf nehmen. Dies wird umso deutlicher, wenn ein sog. rentenferner Betriebsrentner bereits mehrere Jahre vor der Einfügung des auf den Zeitpunkt 1. Januar 2001 rückwirkend in Kraft getretenen § 79 Abs. 1a VBLS in Rente gegangen ist und die ihm von der Beklagten zu erbringende Leistung über die Jahre aufgelaufen ist. Deshalb verbleibt es für den verständigen Versicherungsnehmer und unter Berücksichtigung seines Interesses dabei, dass er als sog. rentenferner Betriebsrentner grundsätzlich jederzeit von der Beklagten Auskunft und Neuberechnung über den ihm möglicherweise zustehenden Zuschlag nach § 79 Abs. 1a VBLS verlangen können soll. Ein anderes Verständnis ist auch mit dem aus den Grundrechten abgeleiteten Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar.
63 
e) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch für das Jahr, in dem die 17. Satzungsänderung in das Regelwerk der Beklagten eingefügt wurde, mithin für das Jahr 2012. Zumindest bis zum Ende des Jahres 2012 lag - unabhängig von der in § 78 Abs. 4 VBLS geregelten Verweisung auf § 51 VBLS - keine unangemessene Benachteiligung der Versicherten vor, soweit die Beklagte eine Auskunft oder Neuberechnung möglicher Zuschläge nach § 79 Abs. 1a VBLS nicht vorgenommen hat. Eine solche unangemessene Benachteiligung ergibt sich nicht bereits daraus, dass seit der umfassenden Umstellung der Satzung vom Gesamtversorgungssystem in das neu geschaffene Betriebsrentensystem mittlerweile mehr als 10 Jahre vergangen sind und der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06 - BGHZ 174,127 ff) zur Unverbindlichkeit der Startgutschriften rentenferner Jahrgänge entschieden hat (gebilligt durch das Bundesverfassungsgericht durch seinen Nichtannahme-Beschluss vom 29. März 2010 (BvR 1373/08)).
64 
aa) Eine entsprechende gerichtliche Entscheidung ist nicht bereits durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) geboten. Zwar verbietet der aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten abzuleitende Justizgewährungsanspruch bei der gerichtlichen Kontrolle privatrechtlicher Regelungen, dass die gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzt wird. Andererseits sind die Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, die sich aus der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ergeben. Die insoweit kollidierenden Grundrechte müssen im Sinne praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden (vgl. BGHZ 174, 127).
65 
Der Staat hat sich im Betätigungsfeld der Tarifvertragsparteien grundsätzlich einer Einflussnahme zu enthalten (vgl. BVerfGE 38, 281, 305 f.). Er überlässt die erforderlichen Regelungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen, die sie autonom durch Vereinbarungen treffen (vgl. BVerfGE 44, 322, 340 f.). Solange den Tarifvertragsparteien mehrere Möglichkeiten für eine verfassungskonforme Neugestaltung des Übergangsrechts offen stehen, lassen sich gerichtliche Vorgaben für die Neuregelung mit der Tarifautonomie daher grundsätzlich nicht vereinbaren. Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts, nach der im Falle unwirksamer Tarifregelungen eine gerichtliche Lückenschließung nur in engen Grenzen zulässig ist (vgl. BGHZ 174, 127, 176 f.; BAGE 36, 218, 224 f.). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Schließung von Lücken infolge unwirksamer Tarifregelungen hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gebilligt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. August 1999 - 1 BvR 1246/95 -, NZA 1999, S. 1152, 1154; Beschluss des Ersten Senats vom 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 -, VersR 2009, S. 1607, 1613 und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08, in FamRZ 2010, 797). Der Bundesgerichtshof ging im Jahr 2007 wegen der Ankündigung der Tarifvertragsparteien, im Falle der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Berechnungsvorschriften für die Startgutschriften neue Verhandlungen aufzunehmen, davon aus, dass mit einer Neuregelung innerhalb absehbarer Zeit zu rechnen sei. Vor diesem Hintergrund waren erhebliche Nachteile für die Versicherten nicht zu befürchten. Hinreichender Rechtsschutz der Versicherten ist dadurch gewährleistet, dass sie eine Neuregelung, sobald sie hierdurch betroffen sind, wiederum einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen können. Mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG war es Sache der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes, alsbald eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen (vgl. für den Zeitpunkt 2010: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08, in FamRZ 2010, 797; und für den Zeitpunkt 2011: OLG Karlsruhe, Urt. vom 07. April 2011, 12 U 156/10, Seiten 10/11). Eine solche Regelung haben die Tarifvertragsparteien nunmehr mit dem Änderungstarifvertrages Nr. 5 vom 30. Mai 2011 zum Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung – ATV) vom 1. März 2002 getroffen.
66 
bb) Die Verzögerungen bei der Berechnung der rentenfernen Jahrgänge nach den neuen Satzungsregelungen der §§ 78 Abs. 4, 79 Abs. 1a VBLS sind bis zum Ende des Jahres 2012 hinnehmbar; sie beruhen auf nachvollziehbaren, sachlichen Gründen.
67 
Die Beklagte hat ausweislich ihres Geschäftsberichtes 2011 ca. 5.400 Beteiligte (Bund und Länder, rund 1.700 kommunale Arbeitgeber, ca. 80 Träger der Sozialversicherung, etwa 3.600 sonstige Arbeitgeber). Damit ist sie in Deutschland die größte von 30 bestehenden Zusatzversorgungseinrichtungen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Sie hat ca. 1,84 Mio. Pflichtversicherte und ca. 2,45 Mio. beitragsfrei versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ca. 1,2 Mio. Rentnerinnen und Rentner sind bei ihr Leistungsempfänger. Jährlich werden rund 4,6 Mrd. Euro an Leistungen ausgeschüttet. Daraus ergibt sich bereits, dass unabhängig von der Anzahl der tatsächlich vorzunehmenden Nachberechnungen für sog. rentenferne Jahrgänge, d.h. solche Pflichtversicherte, die nach dem 01. Januar 1947 geboren wurden (§§ 79 Abs. 2 VBLS), die VBL auch im Rahmen ihrer laufenden Geschäfte und unter dem Eindruck von 17 zum Teil umfassenden und unterschiedlich rückwirkenden Satzungsänderungen (vgl. Chronologie zur Änderung der VBLS im Anhang der Satzung) seit der Umstellung im Jahr 2001 erheblichen Aufwand für die Bewältigung dieser Aufgaben betreiben muss.
68 
Zu beachten ist weiterhin, dass die Neuregelungen der §§ 78 Abs. 4, 79 Abs. 1a VBLS rückwirkend zum 01. Januar 2001 in Kraft getreten sind, weshalb umfassend alle rentenfernen Jahrgänge, unabhängig davon, ob sie mittlerweile Betriebsrentner geworden sind, in die neuen Ermittlungen mit einzubeziehen sind.
69 
Dabei ist die Beklagte nicht gehalten, innerhalb dieser großen Anzahl rentenferner Jahrgänge im Jahr 2012 eine bestimmte Gruppe zu bevorzugen. Sachliche Gründe, z.B. besonders lebensältere Betriebsrentner, alle Betriebsrentner, Schwerbehinderte oder andere Gruppen vorrangig zu überprüfen, sind nicht zwingend. Ein Interesse, innerhalb eines zumutbaren, d.h. angemessenen Zeitraums nach der Satzungsänderung eine Auskunft bzw. Neuberechnung zu erhalten, haben alle von der rechtswidrigen Satzungsumstellung für sog. rentenferne Jahrgänge Betroffenen im Jahr 2012 im gleichen Maße.
70 
Dementsprechend war auch das EDV-System der Beklagten auf die neuen Satzungsbestimmungen umzustellen. Auch wenn die EDV-Umstellung bereits seit dem Änderungstarifvertrag Nr. 5 vom 30. Mai 2011 in die Planungen der Beklagten aufgenommen werden konnte, so bestand vor dem 25. Januar 2012, d.h. dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Satzungsänderung im Bundesanzeiger, das neue EDV-Programm auch zu implementieren. Mithin konnte mit der Abarbeitung der oben aufgezeigten Neuberechnungen frühestens Ende Januar 2012 begonnen werden.
71 
Dass die Nachweise deshalb insgesamt erst nach und nach bis Ende 2012 versandt werden, begegnet dann keinen durchgreifenden Bedenken.
72 
Ob die Beklagte ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen darüber hinaus berechtigt sein könnte, auch nach dem 31. Dezember 2012 eine im Jahr 2012 erhobene Forderung auf Auskunft und Neuberechnung erstmals zu bescheiden, braucht hier nicht entschieden zu werden. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger am 19. November 2012 eine Überprüfungsrechnung vom 12. November 2012 zur Betriebsrente und damit innerhalb des angemessenen Zeitraums übersandt.
II.
73 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10,713 ZPO.
74 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

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