Beschluss vom Landgericht Karlsruhe - 9 T 281/12

Tenor

Die Beschwerde vom 06.11.2012 gegen den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 20.09.2012 wird verworfen.

Gründe

 
I.
Die Parteien des zugrundeliegenden Rechtsstreits haben in mündlicher Verhandlung am 20.09.2012 einen Vergleich geschlossen, der binnen der Widerrufsfrist bis 27.09.2012 nicht widerrufen wurde. Das Amtsgericht hat im Termin den Streitwert auf 19.427,69 Euro, den Vergleichsmehrwert auf 23.007,72 Euro festgesetzt. Der Mehrwert sollte sich aus der Abgeltung der Betriebskostenrückforderung und der Einigung über eine Räumung ergeben.
Mit Schriftsatz vom 06.11.2012 haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger, die hiesigen Beschwerdeführer, beantragt, den Vergleichsmehrwert auf 25.786,62 Euro festzusetzen. Denn zusätzlich sei die Miete für sechs Monate, die Kautionsrückzahlung und die Umzugskostenbeihilfe einzubeziehen. Dem Antrag ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht entgegengetreten.
Auf Hinweis des Amtsgerichts haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Auffassung vertreten, die Beschwerdefrist betrage nach § 68 GKG sechs Monate. Es liege auch keine Festsetzung nach § 33 RVG vor, da kein entsprechender Antrag gestellt worden sei.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, weil es sich nur um eine Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG handeln könne, die indessen verfristet sei. Im Übrigen bemesse sich der Streitwert nicht danach, worauf, sondern worüber sich die Parteien geeinigt hätten.
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer gegenüber dem Beschwerdegericht mit Schriftsatz vom 23.04.2013 weiter vorgebracht, der Streitwert des Antrags auf Feststellung der Minderungsberechtigung sei mit dem 42-fachen Minderungsbetrag zu bemessen, mithin in Höhe von 25.221,42 Euro. Daraus ergebe sich ein Streitwert von 38.884,21 Euro. Hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts verbleibe es bei den Ausführungen in der Beschwerdebegründung.
II.
Die Beschwerde ist in jeder denkbaren Auslegung unzulässig und daher zu verwerfen.
Ob die Festsetzung des Vergleichsmehrwerts in der Sache zu korrigieren wäre, bedarf daher keiner Erörterung. Es kommt auch nicht darauf an, dass die Beschwerde, soweit sie eine Berücksichtigung der Feststellung zur Minderungsberechtigung mit dem 42-fachen Minderungsbetrag erstrebt, nach der jüngsten Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20.09.2013 - 10 W 18/13 -, der sich die Kammer anschließt, begründet wäre.
1. Der Schriftsatz vom 06.11.2013 bedarf zunächst der Auslegung dahin, dass der in ihm enthaltene Antrag aus eigenem Recht der Prozessbevollmächtigten der Kläger gestellt wurde.
Der Rechtsanwalt kann regelmäßig nur die Heraufsetzung des Gebührenstreitwertes begehren. Er handelt insoweit nicht im Interesse seiner Partei, sondern im eigenen Interesse. Er ist darum selbst Partei des Streitwert-Festsetzungsverfahrens. Bleibt unklar, ob die Beschwerde vom Mandanten selbst (grundsätzlich nur zulässig zur Herabsetzung des Streitwertes) oder vom Rechtsanwalt in eigenem Recht (grundsätzlich nur zulässig zur Heraufsetzung des Streitwertes) erhoben worden ist, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Partei das prozessual „Vernünftige” anstrebt, also denjenigen Rechtsbehelf gewählt hat, der der Interessenlage der Partei nach objektiven Maßstäben entspricht (BGH, NJW-RR 1995, 1183). Dies gilt auch, wenn mangels Erfüllung der jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen letztlich keiner der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe Erfolg verspricht (OLG Dresden, NJW-RR 2001, 792). „Vernünftig“ in diesem Sinne ist hier allein eine Beschwerdeeinlegung aus eigenem Recht der Prozessbevollmächtigten (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 1303; Mayer/Kroiß/Kießling, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, § 32 Rn. 91; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, § 32 RVG, Rn. 14 m.w.N.).
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Des Weiteren verbietet sich eine Auslegung, wonach mit Schriftsatz vom 06.11.2012 ein erstmaliger Antrag auf Festsetzung gestellt worden sei. Der Vergleichsmehrwert wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgesetzt. Dieser Beschluss setzt einen Antrag voraus (§ 33 Abs. 1 RVG). Es ist - im Einklang mit den üblichen Gepflogenheiten - davon auszugehen, dass ein solcher Antrag nach Vergleichsschluss gestellt und lediglich nicht protokolliert wurde, weil er dem sodann verkündeten Gerichtsbeschluss inhaltlich entsprach. Wäre demgegenüber im Verhandlungstermin der Vergleichsmehrwert noch nicht festgesetzt worden, wäre das Beschwerdegericht insoweit zu einer Entscheidung nicht befugt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 30.10.2012 – L 5 R 800/12 B –, juris, Rn. 12).
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Damit verbleibt es dabei, dass der Schriftsatz vom 06.11.2013 entgegen seinem Wortlaut als Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten anzusehen ist.
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2. Bei der Beschwerde gemäß Schriftsatz vom 06.11.2012 handelt es sich um eine solche gemäß § 33 Abs. 3 RVG, wie das Amtsgericht zutreffend dargelegt hat.
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Die Beschwerdeführer erstreben eine Anhebung des Werts, der für den Vergleichsmehrwert festgesetzt wurde. Dieser Wert ist ausschließlich für die Anwaltsgebühren relevant. Damit ist die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 RVG erfüllt, wonach sich die Gebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert - der hier auf 19.427,69 Euro festgesetzt wurde - richten. Vielmehr gibt es für die Mitwirkung der Anwälte an dem Vergleichsschluss einen besonderen Gebührentatbestand (Nr. 1000 VV RVG), der sich aus dem für die Gerichtsgebühren festgesetzten Wert errechnen kann (dann Anwendungsfall des § 32 RVG), aber nicht muss. Letzteres ist hier der Fall, weil ein Mehrwert festgesetzt wurde. In diesem Fall ist die Anwendbarkeit des § 33 RVG anerkannt (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.02.2013 – 3 Nc 48/11 –, juris; Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.08.2013 – 1 Ta 120/13 –, juris).
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3. Die Beschwerde wahrt nicht die Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG, die hier mit der Verkündung des Streitwertbeschlusses in der mündlichen Verhandlung begann (vgl. Hartmann, a.a.O., § 33 RVG, Rn. 23). Sie ist mithin unzulässig.
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4. Im Ergebnis nichts anderes gilt, soweit die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 23.04.2013 die Heraufsetzung des Streitwerts begehren, soweit er auf dem Antrag auf Feststellung der Minderungsberechtigung beruht.
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Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen Anwendungsfall des § 33 RVG, sondern des § 32 GKG, da insoweit vom Amtsgericht der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden war. Die Maßgeblichkeit dieses Werts für die Anwaltsgebühren ergibt sich aus § 32 Abs. 1 RVG.
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Gegen diese Festsetzung des Streitwerts hat der Anwalt aus eigenem Recht (dazu oben, 1.) die Beschwerdemöglichkeit gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG. Er ist dabei aber an die Beschwerdefrist gemäß §§ 63 Abs. 3 Satz 2, 68 Abs. 1 Satz 3 GKG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG gebunden (Mayer/Kroiß/Kießling, a.a.O., Rn. 105; Hartmann, a.a.O., § 32 RVG, Rn. 19). Die Beschwerde muss also innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt werden. Das Verfahren hat sich hier durch den Vergleichsschluss nach Ablauf der Widerrufsfrist, also am 27.09.2012 erledigt. Der am 23.04.2013 beim Landgericht eingegangene Schriftsatz vom selben Tage wahrt die Sechsmonatsfrist nicht.
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5. Dem Beschwerdegericht ist es auch verwehrt, von Amts wegen den Streitwert insofern zu erhöhen, als die aktuelle Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zum Streitwert bei Feststellung der Minderungsberechtigung noch keinen Eingang gefunden hat. Zwar gibt § 63 Abs. 3 GKG dem Rechtsmittelgericht, solange die Sache bei ihm schwebt, das Recht zu Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung. Dies ist jedoch ebenfalls nur sechs Monate nach Erledigung des Hauptsacheverfahrens möglich, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG (vgl. Hartmann, a.a.O., § 63 GKG, Rn. 54 m.w.N.). Diese Frist war schon zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes, mit dem erstmals die Festsetzung der Gerichtsgebühren angegriffen wurde, abgelaufen.
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6. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch das Amtsgericht auf eine etwaige Gegenvorstellung daran gehindert wäre, seinen eigenen Beschluss insoweit zu korrigieren, da die Sechsmonatsfrist entsprechend anzuwenden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12.02.1986 – IVa ZR 138/83 –, juris).

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