1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 7. Februar 2013 – 56 C 2706/12 WEG – abgeändert und wie folgt gefasst:
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| Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungserbbaurechtsgemeinschaft … in … Freiburg. Die Gemeinschaft besteht aus 13 Mitgliedern, die ihre Postanschrift überwiegend in Südbaden haben, ein Mitglied wohnt in Düsseldorf. Der Kläger ficht mit seiner Klage die unter den Tagesordnungspunkten 4 bis 18 gefassten Beschlüsse der Erbbauberechtigtenversammlung vom 21. August 2012 an. In der Teilungserklärung vom 20. Juli 1966 ist unter § 14 Nummer 3 bestimmt, dass für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung der Erbbauberechtigtenversammlung die Absendung der Einladung an die zuletzt mitgeteilte Anschrift genügt (Akten erster Instanz Seite 75). In § 14 Nummer 2 ist geregelt, dass der Verwalter wenigstens einmal im Jahr im Laufe des ersten Kalendervierteljahres die Versammlung einzuberufen hat. |
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| Die Verwalterin lud mit Schreiben vom 6. August 2012 zur Erbbauberechtigtenversammlung am 21. August 2012 ein. In Baden-Württemberg waren im gesamten August 2012 Sommerferien der Schulen. |
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| Der Kläger macht Einladungsmängel geltend. Er habe die Einladung erst am 8. August 2012 erhalten; damit sei die Zwei-Wochen-Frist nicht eingehalten worden. Er sei zu diesem Zeitpunkt in Spanien gewesen, eine Nachbarin habe sich um die Post gekümmert. Er habe nicht mehr einrichten können, zur Versammlung zu erscheinen. Außerdem habe die Versammlung nicht in den Sommerferien stattfinden dürfen. Allenfalls dringliche außerordentliche Sitzungen seien zulässig. Nach der Teilungserklärung sei die Versammlung im ersten Quartal durchzuführen. |
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| Wegen der unzulässigen Einberufung der Versammlung in der Ferienzeit sei die Verwalterin nicht zu entlasten und nicht wieder zu bestellen gewesen (Tagesordnungspunkte 5 und 9). Die Wiederbestellung der Verwalterin entspreche auch noch aus anderen Gründen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung: Sie führe keine Beschlusssammlung, stelle falsche Behauptungen über Baumaßnahmen von ihm auf und ignoriere seine Anträge zur Tagesordnung. |
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| Die Beklagten erwidern, dass die Einladungen gemäß § 14 Nummer 3 der Teilungserklärung am 6. August 2012 und damit rechtzeitig abgesandt worden seien. Sie selbst hätten die Einladung rechtzeitig am 7. August 2012 erhalten. Der Kläger habe auch nicht sogleich nach Erhalt, sondern erst am 20. August 2012 eine Verlegung der Versammlung beantragt. Ein möglicher Ladungsmangel habe sich auch nicht auf die Beschlussfassung ausgewirkt. |
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| Das Amtsgericht hat im angegriffenen Urteil die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, dass die Einladung erst am 8. August 2012 bei ihm eingegangen sei. Eine Versammlung in der Ferienzeit sei zulässig; immerhin seien die Mitglieder auch zahlreich erschienen. Die materiellen Mängel der Beschlüsse seien mit den formellen verknüpft gewesen, deshalb müsse auf sie nicht weiter eingegangen werden. |
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| Mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seine Anfechtungsklage in vollem Umfang weiter. Zu Begründung wiederholt er im Wesentlichen den Vortrag aus erster Instanz und macht geltend, dass das Amtsgericht den Sachverhalt rechtlich falsch beurteilt habe. Seine Lebensgefährtin habe ein schulpflichtiges Kind, deshalb und wegen Bauferien sei er auf die Ferienzeit als Urlaubszeit angewiesen. Die Jahresabrechnung sei aus materiellen Gründen nichtig. |
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| Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Versammlungen könnten auch zur Ferienzeit abgehalten werden; andernfalls würden bei den verschobenen Ferienzeiten in den verschiedenen Bundesländern nur wenige Wochen für Versammlungen zur Verfügung stehen. |
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| Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Anfechtungsklage ist in vollem Umfang stattzugeben. |
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| 1. Die Beschlüsse sind allerdings nicht schon deshalb für ungültig zu erklären, weil der Kläger die Einladung nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen gemäß § 24 Absatz 4 WEG erhalten hat. Denn § 14 Nummer 3 der Teilungserklärung vom 20. Juli 1966 enthält eine zulässige Vereinbarung gemäß § 10 Absatz 2 Satz 2 WEG über eine Zugangsfiktion, wonach für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung die Absendung der Einladung genügt (LG Hamburg, Beschluss vom 1. Februar 2011 – 318 T 5/11 – ZWE 2012, 55; Bärmann/Merle WEG 12. Auflage 2013 § 24 Rn. 35; Staudinger/Bub BGB 13. Bearbeitung 2005 § 24 WEG Rn. 17a; Palandt/Bassenge BGB 72. Auflage 2013 § 24 WEG Rn. 5). Unstreitig wurde hier die Einladung am 6. August 2012 versandt, so dass die Zwei-Wochen-Frist gewahrt wurde. Auf den tatsächlichen Zugang beim Kläger kommt es nicht an. |
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| 2. Die Versammlung wurde jedoch zur Unzeit einberufen. Es ist nicht erkennbar, dass sich dieser Fehler mit Sicherheit nicht auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat. |
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| a. Allerdings enthält das Wohnungseigentumsrecht keine ausdrückliche Regelung darüber, zu welchem Zeitpunkt eine Versammlung der Wohnungseigentümer bzw. Wohnungserbbauberechtigten (vgl. § 30 Absatz 3 Satz 2 WEG) stattfinden soll. Die Frage ist deshalb nach den Regeln des § 21 WEG über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu beantworten. Dabei können die Mitglieder durch Vereinbarung Vorgaben zum Versammlungszeitpunkt machen. Denn § 24 WEG ist grundsätzlich abdingbar. Daher kann die Gemeinschaft durch Vereinbarung bestimmte Zeiträume für die Versammlung vorschreiben (Staudinger/Bub BGB 13. Bearbeitung 2005 § 24 WEG Rn. 11). Dies ist vorliegend in § 14 Nummer 2 der Teilungserklärung geschehen; darin ist vorgeschrieben, dass die Versammlung im Laufe des ersten Kalendervierteljahres einzuberufen ist. Der Kläger hat sich in der Anfechtungsbegründung auf diese Regelung bezogen, ohne dass das Amtsgericht in seiner Urteilsbegründung darauf eingegangen ist. Zwar sind die auf einer Versammlung, die nicht innerhalb des vereinbarten Zeitraums stattfinden, gefassten Beschlüsse nicht zwingend für ungültig zu erklären. Wenn aber die Gemeinschaft vereinbart hat, dass die Versammlung im ersten Quartal stattfinden muss, dann muss die Verwalterin bei der Terminierung außerhalb dieses Zeitrahmens auf die Belange der Mitglieder in gesteigertem Maß Rücksicht nehmen. Nach der Gemeinschaftsordnung müssen sich die Mitglieder nämlich nur im ersten Quartal für eine Versammlung zur Verfügung halten. Verlässt die Verwaltung den vorgeschriebenen Zeitrahmen, muss sie durch die Wahl des Zeitpunkts und die Gestaltung der Einberufung dafür Sorge tragen, dass die Mitglieder von ihrem Teilnahmerecht auch Gebrauch machen können. Denn bei der Bestimmung des Versammlungszeitpunkts hat die Verwaltung grundsätzlich zu beachten, dass das Teilnahmerecht an der Versammlung Kernelement der Mitgliedschaft ist. Sie darf daher die Teilnahme nicht durch die Art und Weise der Terminsbestimmung vereiteln (Jennißen/Elzer WEG 3. Auflage 2012 § 24 Rn. 79 a; Gottschalg NZM 2009, 529). Dies gilt umso mehr, wenn – wie vorliegend der Fall – die Gemeinschaft aus einer überschaubaren Personenzahl besteht und daher eine solche Rücksichtnahme ohne größeren Aufwand möglich ist. Insbesondere muss die Verwaltung die Mitglieder ausreichend weit vor dem Versammlungstermin über die Versammlung unterrichten, damit sich die Mitglieder darauf einstellen können. Hier hat die Verwalterin jedoch in denkbar kurzer Frist, die gerade die Mindestvorgabe des § 24 Absatz 4 WEG einhielt, zu einer Versammlung eingeladen. Mit einer solch kurzfristigen Anberaumung außerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums mussten die Mitglieder gemäß § 14 Absatz 2 der Teilungserklärung nicht rechnen. |
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| b. Zudem durfte die Verwalterin die Versammlung nicht so kurzfristig innerhalb der Sommerschulferien ansetzen. Ob eine Versammlung in den Schulferien stattfinden kann, wird unterschiedlich beantwortet. So halten einige Stimmen eine Anberaumung in den Schulferien nur in dringlichen Fällen (Jennißen/Elzer WEG 3. Auflage 2012 § 24 Rn. 79 a) oder bei einem triftigen Grund (Gottschalg NZM 2009, 529) für zulässig, während andere Stimmen meinen, auch die Schulferien stünden generell (so offenbar Staudinger/Bub BGB 13. Bearbeitung 2005 § 24 WEG Rn. 49) oder aber zumindest insoweit zur Verfügung, als die konkrete Zusammensetzung der Gemeinschaft nicht ausnahmsweise dagegen spricht (Reichel-Scherer in: jurisPK-BGB, 6. Auflage 2012, § 24 WEG Rn. 37) bzw. als nicht auf Mitglieder mit schulpflichtigen Kindern Rücksicht genommen werden muss (Bärmann/Merle WEG 12. Auflage 2013 § 24 Rn. 54; so wohl auch LG München I, Urteil vom 28. Juni 2012 – 36 S 17241/11 WEG – ZWE 2012, 819). Ausgehend von dem Grundgedanken, dass der Versammlungszeitpunkt nicht das Teilnahmerecht der Mitglieder vereiteln darf, kann die Anberaumung einer Versammlung in der Ferienzeit, die auch für Mitglieder ohne schulpflichtige Kinder aus vielen Gründen (z. B. Lehrerberuf des Mitglieds oder seines Partners, Kinder im Kindergarten, verpflichtender Urlaub wegen Betriebsschließung, schulpflichtige und zu betreuende Enkelkinder etc.) typische Reisezeit ist, zumindest nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn sie mit ausreichendem Vorlauf angekündigt worden ist. Nur dann ist sichergestellt, dass die Mitglieder ihre Teilnahme an der Versammlung einrichten können. Die Mindestvorgabe des § 24 Absatz 2 WEG von zwei Wochen reicht dafür nicht aus, weil durch sie innerhalb der typischen Reisezeit nicht sichergestellt wird, dass die Mitglieder rechtzeitig von der Versammlung erfahren, zumal wenn auch die Versendung der Einladung selbst in diese Zeit fällt. Die Verwaltung nimmt dann billigend in Kauf, dass einige Mitglieder nach der Urlaubsrückkehr die Einladung erst zur Kenntnis nehmen können, wenn die Versammlung schon abgehalten worden ist. Welcher Zeitraum gerade noch ausreichend wäre, muss die Kammer nicht bestimmen. Zwei Wochen genügen keinesfalls. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Verwaltung auf andere Weise sichergestellt hat, dass die Mitglieder an einer kurzfristig innerhalb einer typischen Reisezeit angesetzten Versammlung teilnehmen können, oder wenn es sich um eine Angelegenheit von besonderer Dringlichkeit handelt. Beides ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall. |
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| Die Rechtsausführungen der Beklagten im nachgereichten Schriftsatz vom 22. Oktober 2013 überzeugen die Kammer nicht. Die Kammer entscheidet nicht über die generelle Zulässigkeit von Versammlungen innerhalb von Schulferien. Die Anfechtung ist erfolgreich, weil die Verwaltung im konkreten Fall nicht ausreichend Sorge getragen hat, dass jeder Wohnungserbbauberechtigte an der außerhalb des vereinbarten Quartals, aber innerhalb der Schulferien angesetzten Versammlung teilnehmen kann. |
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| c. Allerdings sind bei einem Verstoß gegen das Gebot der Anberaumung zur vereinbarten bzw. zur zumutbaren und verkehrsüblichen Zeit die auf der zur Unzeit stattfindenden Versammlung gefassten Beschlüsse nicht in jedem Fall anfechtbar, sondern nur, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Fehler auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat (LG Berlin, Urteil vom 5. Februar 2013 – 85 S 31/12 – ZMR 2013, 457; Palandt/Bassenge BGB 72. Auflage 2013 § 24 WEG Rn. 10; Reichel-Scherer in: jurisPK-BGB 6. Auflage 2012 § 23 Rn. 181). Die Kausalität wird widerleglich vermutet; sie fehlt nur, wenn feststeht, dass der betreffende Beschluss bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre, wobei die materielle Feststellungslast bei den Mitgliedern liegt, die den Beschluss gefasst haben, also bei den Beklagten (LG München I, Urteil vom 28. Juni 2012 – 36 S 17241/11 – ZMR 2012, 819). Diese Kausalitätsvermutung kann nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass der Beschluss mit Sicherheit – nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit – auch ohne den Verstoß inhaltsgleich gefasst worden wäre (Jennißen/Elzer WEG 3. Auflage 2012 § 23 Rn. 96). Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Versammlung zur Unzeit das Teilnahmerecht einzelner Wohnungseigentümer verletzt hat und dies einen schweren Eingriff in den Kernbereich der mitgliedschaftlichen Rechte darstellt. Es darf nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Versammlung auch in Anwesenheit des Klägers ebenso entschieden hätte. Das Abstimmungsverhalten kann auch durch die vorhergehende Diskussion beeinflusst werden. An die Widerlegung der Kausalitätsvermutung sind folglich hohe Anforderungen zu stellen (Urteil der Kammer vom 21. Februar 2012 – 11 S 46/11 – ZWE 2013, 36). Eine solche Ausnahmesituation, in der mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Versammlung auch bei Anwesenheit des Klägers ebenso abgestimmt hätte, ist weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich. |
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| Entgegen der Ansicht der Beklagten in ihrem nachgereichten Schriftsatz vom 22. Oktober 2013 scheidet die Ursächlichkeit des formellen Fehlers bei der Beschlussfassung nicht schon deshalb aus, weil der Kläger die Beschlüsse sachlich nicht angegriffen hat. Erstens hat der Kläger bereits in der Anfechtungsbegründung einige sachliche Fehler einiger Beschlüsse gerügt, und zweitens entspricht es keinesfalls der herrschenden Meinung, dass die Kausalität formeller Mängel eine Rüge auch materieller Fehler voraussetze. Vielmehr kann ein völliges Ausbleiben der Rüge materieller Fehler in der Zusammenschau mit anderen Aspekten lediglich ein Indiz dafür sein, dass ein formeller Fehler sich nicht ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2002 – V ZB 24/01 –, BGHZ 150, 109; LG Köln, Urteil vom 8. Dezember 2011 – 29 S 121/11 – ZMR 2012, 727). |
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| 3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 91 ZPO. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil die Kammer die Revision gegen das Urteil nicht zulässt und die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gesetzlich ausgeschlossen ist (§ 62 Absatz 2 WEG). |
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| 4. Die Revision ist – auch auf ausdrücklichen Antrag der Beklagten – nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Frage, deren Auftreten in einer unbestimmten Anzahl von Fällen zu erwarten wäre, ist nicht klärungsbedürftig; der vorliegende Rechtsstreit ist vielmehr geprägt von Besonderheiten des Einzelfalls (Vereinbarung über Versammlungszeitpunkt, äußerst kurze Zeitspanne zwischen Einladung und Versammlung), die die Kammer mittels einer fallbezogenen Anwendung des allgemein anerkannten Grundsatzes, dass die Art und Weise der Einberufung der Eigentümer- bzw. Erbbauberechtigtenversammlung nicht das Teilnahmerecht der Mitglieder vereiteln darf, bewertet. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts über solche Einzelfallumstände ist auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich. Über die generelle Zulässigkeit von Versammlungen während der Schulferien musste die Kammer nicht entscheiden. |
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