Beschluss vom Landgericht Karlsruhe - 11 T 324/13

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 4 wird der Beschluss des Amtsgerichts Betreuungsgericht - Ettlingen vom 2. Juli 2013 - XVII 284/10 - aufgehoben.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Für die derzeit 91-jährige Betroffene hat das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 2. Februar 2011 zunächst den Beteiligten Ziffer 4, ihren Bruder, als Betreuer für die Aufgabenbereiche Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vertretung gegenüber Behörden, Ämtern, Krankenkassen, Versicherungen und Sozialleistungsträgern bestellt und ihm eine Postvollmacht ausgestellt. Die Betroffene leidet an Herzinsuffizienz, einem depressiven Syndrom und an ausgeprägter Altersschwerhörigkeit. Sie verfügt über ein Vermögen von etwa 100.000,00 EUR in Form von Kontenguthaben und Depotbestand sowie über eine Eigentumswohnung in Ettlingen mit einem Wert von etwa 150.000,00 EUR.
Mit Schreiben vom 26. Mai 2011 (AS 107) und vom 28. Mai 2012 (AS 147) regte der Beteiligte Ziffer 4 die Aufhebung der Betreuung an. Mit der ihm obliegenden Rechnungslegung zeigte er sich wiederholt überfordert (Vermerk vom 30. Mai 2012, AS 161, und Vermerk vom 10. September 2012, AS 181).
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 hat das Betreuungsgericht nach Anhörung der Betroffenen den Beteiligten Ziffer 4 als Betreuer entlassen und den Beteiligten Ziffer 2 als Berufsbetreuer bestellt. Der Aufgabenkreis der Betreuung blieb unverändert. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten Ziffer 4 hat die Kammer mit Beschluss vom 30. Januar 2013 - 11 T 21/13 - zurückgewiesen. Auf den Beschluss und die darin getroffenen Feststellungen wird Bezug genommen.
Am 15. Februar 2013 teilte ein Mitarbeiter der mit, dass der Beteiligte Ziffer 4 beinahe täglich versuche, mit Hilfe einer notariellen Generalvollmacht der Betroffenen vom 31. Januar 2011 (AS 151 ff.) Geld vom Konto der Betroffenen abzuheben. Das Betreuungsgericht teilte auf Rückfrage des Mitarbeiters mit, dass die Betroffene nach einem zu Beginn eingeholten ärztlichen Gutachten zum Zeitpunkt der Unterzeichnung geschäftsunfähig gewesen und gerade deshalb die Betreuung eingerichtet worden sei (Vermerk vom 15. Februar 2013, AS 301). Ebenfalls am 15. Februar 2013 teilte der Beteiligte Ziffer 2 mit, dass nach seinen Erkenntnissen der Beteiligte Ziffer 4 ca. 17.000,00 EUR der Betroffenen veruntreut habe; er beobachte, dass der Beteiligte Ziffer 4 große Energie darauf verwende, an das Geldvermögen der Betroffenen in Höhe von etwa 90.000,00 EUR zu gelangen (Vermerk, AS 303, und Schreiben vom 15. Februar 2013, AS 311, und Strafanzeige vom 18. Februar 2013, AS 327). Der Beteiligte Ziffer 4 zahlte die beanstandeten Gelder zurück (Vermerk vom 27. Februar 2013, AS 343). Mit Hilfe der notariellen Generalvollmacht, die unter Befreiung von § 181 BGB erteilt wurde, erwirkte der Beteiligte Ziffer 4 am 11. Februar 2013 einen notariellen Übergabevertrag betreffend die Eigentumswohnung der Betroffenen in der ..(AS 363). Zu einer Eintragung im Grundbuch kam es wegen des Einspruchs des Beteiligten Ziffer 2 nicht (AS 567).
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Mai 2013 (AS 621) verweigerte der Beteiligte Ziffer 4 die von ihm verlangte Schlussrechnung mit dem Argument, die Betreuung hätte mit Blick auf seine Generalvollmacht niemals eingerichtet werden dürfen. Die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen sei niemals gutachterlich untersucht worden. Der Bericht des Hausarztes gebe dazu nichts her. Beigefügt war ein undatierter Bericht des Pflegedienstes (AS 633). Mit Blick darauf beantragte er mit Anwaltsschriftsatz vom 9. September 2013 (AS 801) die Aufhebung der Betreuung. Die Entscheidung der Kammer vom 30. Januar 2013 - 11 T 21/13 - sei offenkundig falsch (AS 815).
Mit Schreiben vom 12. Juni 2013 (AS 641) und vom 21. Juni 2013 (AS 689) beantragte der Beteiligte Ziffer 2 mit Blick auf einen fällig werdenden Sparbrief in Höhe von 40.000,00 EUR und die Rückzahlung der beanstandeten Gelder durch den Beteiligten Ziffer 4 die Genehmigung der Auflösung eines Kontos und eines Depots und die Anlage eines frei werdenden Betrags von insgesamt 95.000,00 EUR als Rentenversicherung entsprechend einem beiliegenden Angebot der.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 2. Juli 2013 (AS 715) hat das Betreuungsgericht die beantragte Genehmigung zur Geldanlage erteilt. Die Rentenversicherung sei mündelsicher und werfe eine höhere Rendite ab, als durch Festgeldanlagen zu erzielen sei.
Dagegen legte der Beteiligte Ziffer 4 mit Anwaltsschriftsatz vom 12. Juli 2013, vorab per Telefax eingegangen am selben Tag, in eigenem Namen und im Interesse der Betroffenen Beschwerde ein (AS 727 ff.). Der Beteiligte Ziffer 2 sei rechtswidrig als Betreuer bestellt. Bei der Rentenversicherung handele es sich um eine andere Anlage im Sinne von § 1811 BGB, weshalb eine Wirtschaftlichkeitsprüfung erforderlich gewesen wäre. Eine Rentenversicherung sei angesichts des fortgeschrittenen Alters der Betroffenen in keinem Fall wirtschaftlich, da ca. 4.000,00 bis 5.000,00 EUR für Vertragsabschlussgebühren und Verwaltungskosten abgezogen würden. Eine Sofortrente mit Kapitalstock sei für die Betroffene nur wirtschaftlich, wenn sie 105 Jahre alt würde.
Der Beteiligte Ziffer 2 nahm dazu mit Schreiben vom 26. Juli 2013 (AS 751) Stellung und verteidigte seine Entscheidung als wirtschaftlich sinnvoll, insbesondere mit Blick auf den über der üblichen Verzinsung liegenden Ertrag. Er fügte eine Erläuterung des Produktes durch die Volksbank bei.
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Mit Beschluss vom 23. Oktober 2013 (AS 1035) hat das Betreuungsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt. Die Beschwerde sei nicht zulässig, da der Beschwerdeführer nicht Verfahrensbeteiligter sei und auch nicht zugelassen werden müsse. Sie sei auch unbegründet, da die genehmigte Anlage wirtschaftlich rentabel sei und sich laut der Modellrechnung der Versicherung bereits nach drei Jahren amortisiere.
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Der Beteiligte Ziffer 4 nahm dazu mit Anwaltsschriftsatz vom 22. November 2013 (AS 1069) Stellung. Er sei bereits wegen der wirksamen Vollmacht am Verfahren zu beteiligen und beschwerdeberechtigt. Die genehmigte Geldanlage ergebe keinen Sinn, weil sich die Betroffene bereits in einem hohen Alter befinde. Mit Schreiben vom 30. November 2013 nahm der Beteiligte Ziffer 4 persönlich Stellung.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Betreuungsgericht die Geldanlage in Form einer Rentenversicherung genehmigt.
13 
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Beteiligte Ziffer 4 beschwerdebefugt. Die Befugnis ergibt sich aus § 303 Absatz 2 Nummer 1 FamFG. Der Beteiligte Ziffer 4 ist der Bruder der Betroffenen. Er hat seine Beschwerde ausdrücklich nicht nur in eigenem Namen, sondern auch im Interesse der Betroffenen erhoben. Und er war auch am Verfahren beteiligt. Gemäß § 274 Absatz 1 Nummer 3 FamFG ist er aufgrund der Vollmacht vom 31. Januar 2011, auf die sich der Beteiligte Ziffer 4 im Laufe des Verfahrens immer wieder berufen hat, zu beteiligen. Zwar steht die Wirksamkeit der Vollmacht in Zweifel, weil die Betroffene bei der Unterzeichnung nicht geschäftsfähig gewesen sein soll. Dies bestreitet der Beteiligte Ziffer 4 jedoch nachdrücklich. Ihm ist darin zuzustimmen, dass eine fachärztliche Begutachtung dieser Frage im Verfahren - soweit ersichtlich - noch nicht durchgeführt wurde. Ein vorsorglicher Widerruf der Vollmacht wegen Ungeeignetheit des Beteiligten Ziffer 4 zur Ausübung seiner Vollmacht zum Wohle der Betroffenen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 671/12 - NJW 2013, 3373) ist bisher nicht erfolgt. Solange eine Überprüfung der Wirksamkeit der notariellen Vollmacht noch nicht abgeschlossen und kein Widerruf erfolgt ist, gilt der Bevollmächtigte als Verfahrensbeteiligter (Keidel/Budde FamFG 18. Auflage 2014 § 274 Rn. 4; Prütting/Helms/Fröschle, FamFG 3. Auflage 2014 § 274 Rn. 23).
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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Dabei kann offenbleiben, ob sich die beantragte Genehmigung der Geldanlage in einer Rentenversicherung nach den §§ 1807 Absatz 1 Nummer 5, 1810 oder nach § 1811 BGB richtet. Denn auch bei einer mündelsicheren Geldanlage gemäß § 1807 BGB gilt gemäß § 1806 BGB in Verbindung mit § 1908i Absatz 1 Satz 1 BGB der Grundsatz, dass der Betreuer mit dem Geldvermögen der Betroffenen wirtschaftlich umgehen muss (vgl. Palandt/Götz BGB 73. Auflage 2014 § 1806 Rn. 1) und das Geld nur insoweit anlegen darf, als es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten ist. Die Betroffene ist derzeit 91 Jahre alt und verfügt über ein liquides Vermögen von knapp 100.000,00 EUR. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird dieses Vermögen ausreichen, um ihren Lebensabend zu bestreiten. Besonderer Anstrengungen zur möglichst ertragreichen Anlage des Geldes bedarf es daher nicht. Auf der anderen Seite ist es nicht ausgeschlossen, dass die Betroffene in naher Zukunft aus gesundheitlichen Gründen einen erhöhten Bedarf hat, um gesundheitliche Hilfsmittel, Heimkosten, Operationen oder ähnliches bezahlen zu können. 5.000,00 EUR Puffer, die der Beteiligte Ziffer 2 dafür vorsehen will, sind unnötig knapp bemessen. Es erscheint schon deshalb fehlerhaft, den ganz überwiegenden Teil des Geldvermögens der Betroffenen in einer Rentenversicherung zu binden, die sie zwar jederzeit, aber nur unter wirtschaftlichen Verlusten kündigen kann.
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Außerdem erscheinen die Abschlussgebühren und Verwaltungskosten in Höhe von 3.800,00 EUR und 1.710,00 EUR zuzüglich Verwaltungskosten von jährlich 97,37 EUR unwirtschaftlich hoch angesichts des fortgeschrittenen Lebensalters der Betroffenen. Zwar meint die anbietende Volksbank, dass diese Vertragskosten nach drei Jahren Lebenszeit durch den erhöhten Ertrag der Rentenversicherung ausgeglichen seien; eine Vergleichsrechnung mit dem Ertrag einer Verzinsung auf einem Sparbuch oder Tagesgeldkonto erfolgte jedoch nicht. Berücksichtigt man aber den alternativen Ertrag, so müsste die Betroffene nochmals länger leben, damit die Rentenversicherung eine solche konservative Geldanlage übertreffen kann. Eine kurze Recherche im Internet ergibt, dass die Betroffene statistisch betrachtet noch 3,8 Jahre zu leben hat. Legt man dies zugrunde, kann die Rentenversicherung eine Tagesgeld- oder Sparbuchanlage, wenn überhaupt, nur knapp schlagen. Und der aus Sicht des Versicherungsnehmers eigentliche Sinn einer Rentenversicherung mit Kapitalstock, für ein besonders langes Leben vorzusorgen, kommt bei der Betroffenen nicht in Betracht.
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Folglich ist die Wirtschaftlichkeit der Anlage fraglich, einen echten Bedarf an einer ertragreichen, aber mit dem Risiko der Unwirtschaftlichkeit behafteten Geldanlage gibt es nicht und schließlich ist die Rentenversicherung zu unflexibel in der konkreten Lebenssituation der Betroffenen. Die Genehmigung ist aus diesen Gründen nicht zu erteilen.
III.
17 
Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 25 Absatz 2 GNotKG, § 81 FamFG). Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 36 Absatz 1 GNotKG und ergibt sich aus einer Schätzung der wirtschaftlichen Bedeutung der Anlage für die Betroffene.
18 
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern hier die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 70 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 FamFG).

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