Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 9 S 30/14

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.12.2013 - 6 C 332/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Berufungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung der von ihr in der ... angemieteten Wohnung in Anspruch. Die Klägerin hat das Mietverhältnis am 19.07.2013 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.04.2014, nach Klageerhebung erneut mit Schriftsatz vom 03.09.2013 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.06.2014, gekündigt. Als Kündigungsgrund macht die Klägerin zum einen geltend, dass die Beklagte am 16.03.2013 ihrer Nachbarin eine Ohrfeige versetzt hatte, zum anderen, dass die Beklagte der Klägerin insgesamt 1.017,40 EUR schuldet. Grund für diese Forderung ist, dass die Beklagte durch ihr Verhalten eine begründete Mietminderung ihrer Nachbarin ... verursacht hat und deshalb erfolgreich von der Klägerin in Regress genommen wurde. Die Forderung setzt sich zusammen aus 374,20 EUR als Ersatz für den Mietausfall, im Übrigen aus den Kosten für den Ursprungs- und den Rückgriffsprozess. Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 27.12.2013 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Zahlungsrückstände nicht unmittelbar aus dem Mietverhältnis stammten, allenfalls in Höhe von 374,20 EUR berücksichtigungsfähig seien und somit nicht die Schwelle einer Monatsmiete erreichten. Auch die Ohrfeige vom 16.03.2013 rechtfertige weder eine fristlose, noch eine ordentliche Kündigung, da bei einer Interessensabwägung eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 08.01.2014 zugestellt wurde, richtet sich die am 04.02.2014 eingegangene Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Sie macht geltend, Gewalttätigkeiten eines Mieters gegenüber einem anderen Mieter rechtfertigten grundsätzlich eine fristlose, jedenfalls aber eine ordentliche Kündigung. Die ordentliche Kündigung setze auch eine Abmahnung nicht voraus. Jedenfalls sei die Kündigung in Zusammenschau der Pflichtverletzungen der Beklagten gerechtfertigt. Zudem stelle es eine weitere Pflichtverletzung durch die Beklagte dar, dass diese den Vorfall vom 16.03.2013 weiterhin abstreite. Mit der Berufungsbegründung vom 21.03.2014 hat die Klägerin erneut eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung erklärt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 27.12.2013 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe, Az. 6 C 332/13 sowie Aufhebung selbigen Urteils im Kostenpunkt die Beklagte zu verurteilen, die im Hause ..., im Erdgeschoss rechts gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, Flur, Balkon, Dachbodenanteil und Kellerraum, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben;
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die im Hause ..., im Erdgeschoss rechts gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, Flur, Balkon, Dachbodenanteil und Kellerraum am 30.04.2014 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben;
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die im Hause ..., im Erdgeschoss rechts gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, Flur, Balkon, Dachbodenanteil und Kellerraum am 30.06.2014 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
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und beruft sich auf das Urteil vom 27.12.2013 und den erstinstanzlichen Vortrag, den sie in zweiter Instanz vertieft.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die zweitinstanzlichen Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen unwirksam waren.
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1. Das Berufungsgericht hat bei der Entscheidung die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen zugrundezulegen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Zahlungsansprüche sind - unstreitig - rechtskräftig tituliert und die Beklagte hat diese Ansprüche - ebenfalls unstreitig - nicht beglichen. Zu dem Vorfall am 16.03.2013 hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt (Seite 5f. des Urteils): Das Verhältnis zwischen der Zeugin ... und der Beklagten sei schon länger zerrüttet gewesen. Am 18.03. habe die Zeugin ... das Treppenhaus gereinigt, die Fußmatte der Beklagten aber nicht wie die der übrigen Mitbewohner ausgeschüttelt und auf die Treppe gelegt. Hierüber habe sich die hinzugetretene Beklagte geärgert und es habe sich ein Streit entwickelt, in dessen Verlauf die Beklagte der Zeugin ... eine Ohrfeige versetzt habe. Die Ohrfeige sei schmerzhaft gewesen, bei der Strafanzeige durch die Zeugin ... eine Stunde später seien aber keine äußerlichen Verletzungsfolgen mehr erkennbar gewesen. Zu diesen Feststellungen ist das Amtsgericht aufgrund einer umfassenden Beweiserhebung und unter fehlerfreier Beweiswürdigung gelangt. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen sind auch unter Berücksichtigung beider Parteivorbringen im Berufungsverfahren nicht begründet und eine erneute Feststellung nicht geboten.
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2. Die Klägerin konnte das Mietverhältnis nicht durch eine fristlose Kündigung beenden, da weder die Tätlichkeit vom 16.03.2013 (a) noch die Nichtzahlung der offenen Forderung (b) noch das Abstreiten des Vorfalls vom 16.03.2013 (c) für sich genommen hinreichende Gründe für eine fristlose Kündigung sind. Auch in der Zusammenschau ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt (d).
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a) Die Tätlichkeit vom 16.03.2013 rechtfertigte keine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung (§ 543 Abs. 3 BGB). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Tätlichkeiten eines Mieters gegen einen anderen grundsätzlich nicht zu tolerieren sind und regelmäßig eine fristlose Kündigung, im Regelfall auch ohne Abmahnung rechtfertigen (LG Karlsruhe, Urt. v. 31.07.2013, 9 S 57/13; Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 543, Rn. 191). Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos. Vielmehr ist auch bei Tätlichkeiten nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Interessenabwägung vorzunehmen, in die sämtliche Umstände des Einzelfalls einzustellen ist. Zu beachten ist insbesondere, wie sich aus § 543 Abs. 1 Satz 2 und § 569 Abs. 2 BGB ergibt, die Schwere des Fehlverhaltens einschließlich des Anlasses und des Verschuldens, sowie die Nachhaltigkeit des Fehlverhaltens. Nicht jede kleine Rangelei - insbesondere wenn Anlass und Hergang ungeklärt sind - rechtfertigt eine fristlose Kündigung, ebenso wenig kann der Vermieter bei wechselseitigen Beleidigungen von Mieterin im selben Haus kündigen (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XII, 36, 38 m.Nachw.). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist eine fristlose Kündigung im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ohne Abmahnung zulässig. Zwar ist die Ohrfeige nach den maßgeblichen Feststellungen als nicht gerechtfertigte Körperverletzung i.S.v. § 223 Abs. 1 StGB zu werten. Diese hat aber lediglich ein geringes Gewicht. Zwischen der Beklagten und der Zeugin ... bestand schon seit längerem ein persönliches Zerwürfnis. Zu dem Vorfall am 16.03.2013 hat die Zeugin ... mit beigetragen, indem sie die Fußmatte der Beklagten nicht ausgeschüttelt und sich dann auf ein Streitgespräch mit ihr eingelassen hat. Die Ohrfeige war nur vorübergehend schmerzhaft und äußere Folgen schon eine Stunde nach dem Vorfall nicht mehr zu erkennen. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit der Störung (§ 569 Abs. 2 BGB) ist auch zu berücksichtigen, dass es in den vier Monaten zwischen dem Vorfall am 16.03.2013 und der Kündigung am 19.07.2013 zu keinen weiteren Vorfällen gekommen ist.
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b) Auch die unterbliebenen Zahlungen auf die titulierten offenen Forderungen der Klägerin rechtfertigt keine fristlose Kündigung. Eine Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 3 BGB scheidet aus, da nicht der Rückstand mit der Mietzahlung selbst infrage steht. Eine Vertragsverletzung, die gemäß § 543 Abs. 1 BGB zur Kündigung berechtigt, kann zwar auch darin liegen, dass der Mieter andere Zahlungspflichten, die ihren Grund im Mietverhältnis haben, nicht erfüllt. Dabei ist aber größere Zurückhaltung als bei Mietrückständen geboten; im Übrigen sind der Grund und die Höhe der Zahlungsforderung entscheidend. Für die erforderliche Höhe der Forderung kann in Anlehnung an die Wertung des § 569 BGB auf die doppelte Monatsmiete (§ 569 Abs. 2 Buchst. a BGB zur Kautionsleistung; hierzu Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 543, Rn. 184), zumindest aber auf die einfache Monatsmiete (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB, hierzu Blank, a.a.O., Rn. 185) abgestellt werden. Die Weigerung zur Zahlung von Prozesskosten aus einer vorangegangenen Mietstreitigkeit ist zwar als Pflichtverletzung i.S.d. § 543 Abs. 1 BGB zu bewerten, kann aber nicht zur Begründung der außerordentlichen Kündigung herangezogen werden, da sonst die gesetzliche Wertentscheidung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterlaufen würde (vgl. BGH, NJW 2010, 3020 - juris, Rn. 21f.; Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 543, Rn. 186). Somit ist lediglich der von der Beklagten geltend gemachte Mietausfall in Höhe von 374,20 EUR berücksichtigungsfähig - ein Betrag unterhalb der einfachen Monatsmiete -, überwies ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um einen unmittelbaren Mietausfall handelt, sondern um einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Nebenpflichten aus dem Mietverhältnis, die zur Mietminderung bei anderen Mietern geführt haben. Der Zahlungsverzug durch die Beklagte wiegt bei dieser Sachlage nicht schwer genug, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
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c) Dass die Beklagte den Vorfall vom 16.03.2013 abstreitet, stellt - zumindest während des darüber anhängigen vorliegenden Rechtsstreits noch - keinen Kündigungsgrund dar. Der genaue Ablauf des Vorfalls ist zwischen den Parteien noch nicht rechtskräftig festgestellt und das Bestreiten der Klägerin im anhängigen Rechtsstreit ein prozessual erlaubtes Verhalten.
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d) Auch in Zusammenschau reichen der Vorfall vom 16.03.2013 und der Zahlungsverzug nicht aus, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Bei der nach § 543 Abs. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung ist insoweit zwar erschwerend zu berücksichtigen, dass beide von der Klägerin geltend gemachte Kündigungsgründe ihre Ursache in Nebenpflichtverletzungen der Beklagten haben, und dass beide Pflichtverletzungen gegen die Nachbarin ... gerichtet waren. Andererseits hat die Klägerin die erste dieser Pflichtverletzungen nicht zum Anlass genommen, die Beklagte abzumahnen oder sonstige mietrechtliche Konsequenzen gezogen, sondern hat sich auf die Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen beschränkt. Somit war die Beklagte nicht in einer der Abmahnung vergleichbaren Weise vorgewarnt, als es am 16.03.2013 erneut zu einem Vorfall zwischen ihr und der Nachbarin ... kam. Die Klägerin stützt die Kündigung auch nicht unmittelbar auf die erste Nebenpflichtverletzung, sondern auf die Nichtzahlung der daraus folgenden Zahlungsansprüche. Somit werden im Ergebnis nicht zwei gleichartige, sondern zwei in ihrer Rechtsnatur verschiedene Pflichtverletzungen geltend gemacht. Das zusätzliche Gewicht bei einer Zusammenschau ist daher gering und führt nicht dazu, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Vermieterin nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB unzumutbar wäre.
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3. Auch für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB reichen die von der Klägerin geltend gemachten Gründe nicht hin.
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a) Dabei ist hinsichtlich des Vorfalls vom 16.03.2013 davon auszugehen, dass zwischen den Tatbeständen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB und der §§ 569 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB ein Stufenverhältnis besteht. Eine ordentliche Kündigung ist nicht nur dann möglich, wenn Gründe vorliegen, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigen, sondern auch bei schuldhaften Vertragsverletzungen geringeren Gewichts (Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 573, Rn. 13, 39). Schwelle für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist lediglich die Erheblichkeit der Pflichtverletzung. Dabei ist im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine vorherige Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich; die Abmahnung kann aber bewirken, dass eine zuvor unerhebliche Pflichtverletzung bei Wiederholung oder Fortsetzung nach der Abmahnung die Erheblichkeitsschwelle überschreitet (BGH, NJW 2008, 508; a.A. Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 573 Rz. 13). Entsprechend den Erwägungen zur fristlosen Kündigung ist somit davon auszugehen, dass Tätlichkeiten eines Mieters gegenüber einem anderen Mieter grundsätzlich - erst Recht - die Erheblichkeitsschwelle überschreiten und eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Gleichwohl bleibt auch hier im Einzelfall zu prüfen, ob die Pflichtverletzung ausnahmsweise unerheblich ist. Dass die Tätlichkeit strafbar ist, steht der Unerheblichkeit nicht ausnahmslos entgegen, denn auch strafbares Verhalten kann im Einzelfall ein geringes Gewicht haben.
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So liegt der vorliegende Fall, in dem auch die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint hat. Wegen der maßgeblichen Erwägungen kann auf die Ausführungen zur fristlosen Kündigung verwiesen werden. Der zuletzt mit Schriftsatz vom 15.05.2014 wiederholte Vortrag der Klägerin, dass eine Kündigung jedenfalls dann berechtigt gewesen wäre, wenn die Klägerin einen schweren Ring getragen und das Auge der Nachbarin ... verletzt hätte, ändert an dieser Einschätzung ebenso wenig wie der Vergleich mit Fällen, in denen es „lediglich“ zum Versuch gekommen ist. Hypothetische Vergleichsfälle haben außer Betracht zu bleiben; die Beklagte hat - glücklicherweise - weder einen schweren Ring getragen noch ihre Nachbarin am Auge getroffen. Die Schwere einer Pflichtverletzung lässt sich nicht deren formaler rechtlicher Kategorisierung in vorsätzliche oder fahrlässige, versuchte oder vollendete Taten bemessen, sondern richtet sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach dem Handlungs- und dem Erfolgsunwert und den weiteren Tatumständen einschließlich der Veranlassung der Tat. Daher können gefährliche Versuchshandlungen ohne weiteres erheblich schwerer wiegen als vorsätzliche und vollendete, aber leichte Verletzungen. Fälle aus der Rechtsprechung, in denen wegen einer in der Schwere vergleichbaren Tätlichkeit eine Kündigung für gerechtfertigt erachtet wurde, hat die Klägerin nicht angeführt und waren auch vom Gericht nicht zu finden.
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Damit wird auch kein Präjudiz dafür geschaffen, dass Mieter „eine Gewalttätigkeit frei haben“. Es bleibt dabei, dass - auch erstmalige - Tätlichkeiten die Erheblichkeitsschwelle des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB regelmäßig überschreiten und dass auch bei erstmaligen Tätlichkeiten die Fortsetzung des Mietverhältnisses dem Vermieter regelmäßig nicht zuzumuten ist (§ 543 Abs. 1 BGB). Es bleibt aber auch dabei, dass es Ausnahmefälle gibt, in denen es sich nach den Gesamtumständen um unerhebliche Pflichtverletzungen handelt.
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b) Auch die Nichtzahlung der titulierten offenen Forderungen rechtfertigt keine ordentliche Kündigung. Dabei sind auch im Rahmen der ordentlichen Kündigung die Prozesskosten zumindest dann nicht berücksichtigungsfähig, wenn - wie hier - der Mieter auf die Unterstützung der Sozialleistungsbehörden angewiesen ist. Die Nichtzahlung ist dann zwar eine Pflichtverletzung, überschreitet aber selbst bei höheren Forderungsbeträgen aus normativen Gründen nicht die Erheblichkeitsschwelle, da auch insofern die Wertung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 BGB zu berücksichtigen ist (BGH NJW 2010, 3020 - juris Rz. 14-24). Das gilt erst Recht, wenn in dem Vorprozess nicht das Bestehen des Mietverhältnisses und ein Räumungsanspruch, sondern Schadensersatzansprüche wegen Nebenpflichtverletzungen in Frage standen. Als relevante Pflichtverletzung bleibt somit lediglich die Nichtzahlung auf die Hauptforderung von 374,20 EUR. Bei der Gewichtung der in der Nichtzahlung liegenden Pflichtverletzung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Forderung liegt unterhalb des Betrages der Monatsmiete, die - in Anlehnung an § 569 Abs. 2 Buchst. a BGB und § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB - auch bei der Bewertung einer ordentlichen Kündigung herangezogen werden kann. Zu berücksichtigen ist auch hier die finanzielle Situation der Mieterin und der Umstand, dass der Rückstand nicht die Miete, sondern einen zwar aus dem Mietverhältnis entstandenen, aber zusätzlichen Schadensersatzanspruch betrifft. Die Nichtzahlung mag in einen Kündigungsgrund erwachsen, wenn die Beklagte sich dauerhaft weigern sollte, die Forderung wenigstens teilweise und ggf. in kleinen Raten zu begleichen. Derzeit ist die Erheblichkeitsschwelle aber noch nicht erreicht.
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c) Auch in der Zusammenschau rechtfertigen der Vorfall vom 16.03.2013 und der Zahlungsrückstand keine ordentliche Kündigung. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Es handelt sich letztendlich um zwei verschiedenartige Pflichtverletzungen und insbesondere der Zahlungsrückstand hat - noch - ein sehr geringes Gewicht.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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