Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 5 S 107/13

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts ... vom 04.10.2013, Az. 1 C 314/12 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die beigetretene Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst; im Übrigen trägt der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Waldkirch ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.100,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO)
Die Berufung hat keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).
I.
Die Berufung ist statthaft (§ 511 Abs. 1 ZPO). Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Der Beklagte ist auch durch das Urteil des Amtsgerichts ... beschwert, da mehrere Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung für ungültig erklärt worden sind.
II.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die angefochtenen Beschlüsse der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft ... vom 12.11.2012 wurden seitens des Amtsgerichts ... zu Recht für ungültig erklärt.
1. Das Amtsgericht ... hat in seinem Urteil vom 04.10.2013 zu Recht den Beschluss der Eigentümerversammlung zu Tagesordnungspunkt 1 (Beschlussfassung über die Bestellung von Frau ... als Verwalterin für fünf Jahre) für ungültig erklärt.
Bei der Wahl der Frau ..., der Ehefrau des Herrn ..., zur Verwalterin durch die Stimmenmehrheit des ... handelt es sich um einen Fall der "Majorisierung durch rechtsmissbräuchliche Stimmausübung". Als Majorisierung wird dabei der Fall bezeichnet, dass ein Wohnungseigentümer (sog. Mehrheitseigentümer) sein Stimmenübergewicht dazu missbraucht, einen ihm genehmen Beschluss herbeizuführen (BGH ZfIR 2002, 907, 913). Dabei ist eine Majorisierung nach überwiegender Ansicht erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn weitere Umstände hinzutreten, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gemeinschaft und damit gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung darstellen, wie etwa bei der Verschaffung unangemessener Vorteile oder der Bestellung eines persönlich ungeeigneten oder fachlich unfähigen Verwalters (BGH, Beschluss vom 19.09.2002 - V ZB 30/02). Insgesamt gilt für die Verwalterwahl, dass eine besonders kritische Prüfung der Stimmrechtsausübung des Mehrheitseigentümers geboten ist, weil das Funktionieren der Gemeinschaft von der fachlichen und persönlichen Qualifikation des Verwalters und seiner wirksamen Kontrolle durch die Miteigentümer entscheidend abhängt (AG Wedding, Urteil vom 17.01.2008 - 22a C 259/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.07.1995 - 3 Wx 210/95).
Bei Anwendung dieser Grundsätze war die Bestellung der Frau ... zur Verwalterin als rechtsmissbräuchlich zu bewerten. In diesem Zusammenhang hat das Amtsgericht ... zu Recht Bezug zu einem älteren Urteil vom 06.09.2012, Amtsgericht ...- Az.: 1 C 58/12 WEG -, hergestellt. Dort hatte das Amtsgericht ... den Herrn ... als den damaligen Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft ... dazu verurteilt, die Zustimmung zur Eröffnung eines WEG-Kontos zu erteilen, wobei Verfügungen über dieses Konto nur gemeinschaftlich unter den Wohnungseigentümern der Wohnungseigentümergemeinschaft ... möglich sind. Die "eigenmächtige Auflösung der bis September 2011 geführten Rücklagenkonten" widersprach nach Ansicht des Amtsgerichts ... ordnungsgemäßer Verwaltung und war zu revidieren. Im hierzu Grunde liegenden Verfahren oblag die Bewertung des Verhaltens des ... in der Vergangenheit der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen ist das Berufungsgericht nämlich nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen gebunden, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen und deswegen eine erneute Feststellung gebieten. Dabei liegen Zweifel schon dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich im Fall der erneuten Beweiserhebung die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen herausstellt (Zoller/Heßler, ZPO, 30. Auflage 2014, § 529 Rn.3). Auch eine fehlerhafte Beweiswürdigung kann dazu führen, dass konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellung bestehen (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage 2014, § 529 Rn.2d ff.).
Danach ist die Beurteilung des Amtsgerichts ... habe durch sein Verhalten in der Vergangenheit gezeigt, dass er kraft seiner Stimmenmehrheit entschlossen ist, die Geschicke der Wohnungseigentümergemeinschaft allein nach seinem Gutdünken zu bestimmen, nicht zu beanstanden. Es lag tatsächlich hinsichtlich der Auflösung der Rücklagenkonten ein offensichtlicher Verstoß des Herrn ... gegen die bestehende Rechtslage vor. Indem nunmehr die Ehefrau des Herrn ... Frau ... als Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft eingesetzt wurde, bestand durchaus die Gefahr, dass Herr ... die Geschicke der Wohnungseigentümergemeinschaft weiter einseitig mitgestaltet.
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Auf Grund dieser starken persönlichen "Verflechtung" zwischen ... und ... ist die Wahl der Frau ... zur Verwalterin als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Auf Grund der rechtsmissbräuchlichen Stimmausübung des Beklagten war seine Stimmabgabe bei der Beschlussfassung nicht zu berücksichtigen. Mangels der erforderlichen Mehrheit war der unter Tagesordnungspunkt 1 gefasste Beschluss auf die Anfechtung der Klägerin hin aufzuheben.
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2. Auf die Frage der fachlichen Geeignetheit der Frau ... für die konkrete Verwaltertätigkeit kam es deswegen nicht mehr entscheidend an.
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3. Die weiteren angefochtenen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.11.2012 zu den Tagesordnungspunkten 2, 4 und 6 waren auf Grund des engen sachlich-rechtlichen Zusammenhangs zu dem Beschluss über die Verwalterbestellung ebenfalls für unwirksam zu erklären.
13 
Die Beschlussfassung über eine Verwaltervergütung von 20,00 EUR pro Einheit und Monat (Tagesordnungspunkt 2) hängt eng mit der Person des Verwalters zusammen. Wenn bereits der Beschluss über die Verwalterbestellung als unwirksam anzusehen ist, ist dies nach Ansicht des Gerichts auch der Beschluss über die Verwaltervergütung. Andernfalls wäre in Bezug auf einen möglichen neuen Verwalter bereits über dessen Vergütung von Seiten der Wohnungseigentümergemeinschaft mitentschieden.
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Ebenfalls wurde der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 4, der die Einrichtung eines Kontos der Wohnungseigentümergemeinschaft betrifft, seitens des Amtsgerichts zu Recht für ungültig erklärt. Hierbei wurde bereits ein konkretes Konto Nr. 17062514 bei der ... eG benannt, über das ausschließlich der Verwalter verfügungsbefugt sein soll. Auch dieser Beschluss ist wegen des inneren Zusammenhangs zu dem Beschluss über die Verwalterbestellung ungültig.
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Gleiches gilt in Bezug auf den Beschluss, dass nur die Verwalterin oder deren Beauftragte einen Schlüssel zum Heizraum erhält (Tagesordnungspunkt 6). Zu beachten ist hier bereits, dass im Rahmen dieser Beschlussfassung ganz konkret auf die Person der neuen Verwalterin, Frau ... Bezug genommen worden ist.
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Konsequenterweise war der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 7 (Beschlussfassung über die Einzahlung von Beträgen in Höhe von 8.617,03 EUR durch Herrn ... und 2.617,03 EUR durch Frau ... auf ein Gemeinschaftskonto gemäß Tagesordnungspunkt 4) von Seiten des Amtsgerichts ... insoweit für ungültig zu erklären, als die Einzahlung auf ein Konto erfolgen soll, über das ausschließlich die als Verwalterin bestellte Ehefrau des Beklagten, Frau ... verfügungsbefugt sein soll.
III.
17 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, welcher es auch bedarf, soweit ein Berufungsurteil der Nichtzulassungsbeschwerde nicht unterliegt (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 540 Rn. 24 m.w.N.), hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 62 Abs. 2 WEG.
IV.
18 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist.
V.
19 
Der Streitwert war gemäß §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 2 GKG für den Berufungsrechtszug in Höhe des erstinstanzlichen Streitwertes festzusetzen.

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