Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 11 S 14/14

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 20.12.2013, Az. 45 C 87/13, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die angefochtene Entlastung der Verwaltung sowie die angefochtene Ablehnung einer Innendämmungsmaßnahme in der Wohnung der Kläger für ungültig erklärt und einen entsprechenden Beschluss der Eigentümer zur Innendämmung der Außenwände der Wohnung der Kläger nach den Empfehlungen des Sachverständigen Brand ersetzt.
1. Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass die Wohnung der Kläger instandsetzungsbedürftig ist und die Kläger gemäß § 21 Absatz 4 und Absatz 5 Nummer 2 WEG einen Anspruch auf Instandsetzung im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung der Gemeinschaft haben. Denn nach den genannten Vorschriften hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, dass das Gemeinschaftseigentum in einem einwandfreien Zustand gehalten oder - falls ein solcher niemals bestanden hat - erstmals in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt wird (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14 - MDR 2015, 16). Dazu gehört auch, dass die Wärmedämmung, die gemäß § 5 Absatz 2 WEG stets im Gemeinschaftseigentum steht (KG Berlin, Beschluss vom 22. September 2008 - 24 W 83/07 - ZMR 2009, 135), in den Zustand versetzt wird, der zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes den geltenden technischen Anforderungen entspricht. An spätere, höhere technische Anforderungen muss sie nicht angepasst werden. Eine Instandsetzungspflicht scheidet daher aus, wenn das Haus auch hinsichtlich seiner Wärmedämmung ursprünglich einwandfrei errichtet wurde (OLG Hamburg, Beschluss vom 20. Januar 1998 - 2 Wx 61/95 - WuM 1999, 55; jurisPK-BGB/Reichel-Scherer 7. Auflage 2014 § 21 Rn. 279).
In nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Außenwände der Wohnung der Kläger im Sockelbereich hinsichtlich der Wärmedämmung instandsetzungsbedürftig sind. Zutreffend hat es sich bei dieser Feststellung auf das Gutachten des Sachverständigen Brand aus dem zwischen den Klägern und ihrem Mieter geführten selbständigen Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Heidelberg - 27 H 5/12 - gestützt, in dem die Kläger den Beklagten den Streit verkündet haben. In dem Gutachten kommt der Sachverständige zu der nachvollziehbaren und plausiblen Feststellung, dass im Sockelbereich der Außenwände wegen des geringen Dämmwertes der Stahlbetondecke und Stahlbetonkellerwand eine ausgeprägte Wärmebrücke vorhanden ist und der gemäß DIN 4108 in der zum Errichtungszeitpunkt des Gebäudes geltenden Fassung gebotene Mindestwärmedurchlasswiderstand bei weitem unterschritten wird. Das Gebäude genügt daher in diesem Teil nicht den technischen Anforderungen und muss instand gesetzt werden.
Soweit die Beklagten im Berufungsverfahren erstmals das Gutachten mit dem Vorwurf angreifen, der Sachverständige sei von einem falschen Baujahr ausgegangen, denn das Gebäude sei bereits im Juli 1969 errichtet worden, so ist dieser Vortrag gemäß §§ 529 Absatz 1, 531 Absatz 2 ZPO unbeachtlich. Bis zum Berufungsverfahren war es unstreitig, dass das Gebäude Anfang der Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts errichtet wurde, entsprechend haben auch die Beklagten in erster Instanz ausdrücklich vorgetragen (Schriftsatz vom 31. Oktober 2013, Akten erster Instanz Seite 441). Wenn sie nun anderes behaupten wollen, dürfen sie dies nur unter den Voraussetzungen des § 531 Absatz 2 ZPO, die indessen nicht vorliegen. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die Beklagten gehindert waren, schon in erster Instanz das Baujahr des Gebäudes zu ermitteln und dazu in der Weise vorzutragen, wie sie es nun erstmals in zweiter Instanz tun. Der Sachverständige musste daher die DIN 4108 in der seit August 1969 gültigen Fassung zugrunde legen.
Entsprechendes gilt für die im Berufungsverfahren erstmals vorgetragene Vermutung, die Stahlbetonelemente der Kellerwände und -decke könnten eine Kerndämmung enthalten. Auch hier gilt, dass das Gutachten des Sachverständigen bereits in erster Instanz mit dieser Behauptung hätte angegriffen werden müssen. In zweiter Instanz ist dieser neue Vortrag gemäß §§ 529 Absatz 1, 531 Absatz 2 ZPO unzulässig. In erster Instanz gingen die Beklagten selbst noch von „Stahlbetondecken“ aus, ohne die Möglichkeit einer Kerndämmung auch nur anzudeuten (Schriftsatz vom 31. Oktober 2013, Seite 3, Akten erster Instanz Seite 443).
Das unzureichende Heiz- und Lüftungsverhalten der damaligen Mieter der Kläger hat der Sachverständige hinreichend berücksichtigt. Da nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen selbst bei ordnungsgemäßem Wohn- und Nutzungsverhalten Tauwasser im Sockelbereich der Außenwände entstehen würde, waren weitere Ermittlungen zum Heiz- und Lüftungsverhalten nicht erforderlich. Der Sachverständige hat in einer Beispielsrechnung dargelegt, dass bei dem vorhandenen Wärmeübergangswiderstand im Sockelbereich der Außenwände an deren Innenseite der kritische Temperaturwert von 12,6 °C deutlich unterschritten wird und deshalb auch bei geringer Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent und ausreichender Innentemperatur von 20 °C dort mit Tauwasserbildung zu rechnen ist. Dabei hat er entgegen der Meinung der Beklagten nicht die DIN 4108 in der seit dem Jahr 2003 geltenden Fassung angewendet, auch nicht mittelbar. Die ungenügende Dämmung stützt er allein auf den nach DIN 4108 in der Fassung 1969 vorgeschriebenen Wärmedurchlasswert, der im Sockelbereich der Außenwände aufgrund der baulichen Ausführung nicht eingehalten wird. Berechnungswerte aus der DIN 4108 2003 zieht er nur heran, um zu illustrieren, dass Bewohner der Wohnung der Kläger auch bei richtigem Wohnverhalten Tauwasserbildung nicht verhindern können. Damit stellt er aber keine höheren technischen Anforderungen an das Gebäude, als es in der DIN 4108 1969 getan wird.
Die in zweiter Instanz wiederholte Einrede der Verjährung greift nicht durch. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, unterliegt der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nicht der Verjährung. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung ist eine Dauerverpflichtung und kann deshalb nicht verjähren (BGH, Urteil vom 27. April 2012 - V ZR 177/11 - MDR 2012, 834). Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt auch nicht anderes, weil im Jahr 1999 neue Fenster eingebaut worden sind. Zwar mögen die neuen Fenster die Problematik verschärft haben, sie sind aber nicht ursächlich für die Schimmelbildung; die Ursache liegt nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen in der nicht ausreichenden Dämmung der Außenwände. Deshalb hat die Pflicht zur ordnungsgemäßen Instandsetzung auch schon vor dem Fenstertausch bestanden; diese Pflicht wird nicht durch eine andere Baumaßnahme inhaltlich verändert oder plötzlich der Verjährung unterworfen.
2. Nach dem überzeugenden Sachverständigengutachten steht folglich fest, dass die Wohnung der Kläger instandsetzungsbedürftig ist und die Dämmung im Sockelbereich ertüchtigt werden muss. Der ablehnende Beschluss unter TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 24. Juli 2013 entspricht daher nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und ist deshalb für ungültig zu erklären. Ebenso konnte die unter TOP 7 erteilte Entlastung keinen Bestand haben. Eine Entlastung des Verwalters entspricht nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn mögliche Ansprüche gegen den Verwalter im Raum stehen. Das ist hier der Fall, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, weil der Verwalter wegen der verzögerten Instandsetzung des Gebäudes auf Schadensersatz haften könnte. Denn zu seinen Aufgaben gehört es, den Zustand des Gebäudes zu überwachen und zu kontrollieren. Die Versäumung dieser Pflichten kann zu Schadensersatzansprüchen der Wohnungseigentümer gegen diesen führen (OLG München, Beschluss vom 15. Mai 2006 - 34 Wx 156/05 - ZMR 2006, 716).
3. Zutreffend hat das Amtsgericht die Beklagten zu einer Innendämmung entsprechend den Empfehlungen des Sachverständigen in seinem Gutachten verurteilt. Allerdings haben die Wohnungseigentümer bei der Bestimmung von Art und Zeitpunkt der Instandsetzungsmaßnahme einen Gestaltungsspielraum und dürfen dabei Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14 - MDR 2015, 16). Jedoch besteht nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung die Pflicht zur unverzüglichen Instandsetzung, wenn die Nutzung des vom Mangel des Gemeinschaftseigentums betroffenen Sondereigentums unmöglich gemacht wird. Vorliegend kommt es durch die zu schwache Wärmedämmung auch bei ordnungsgemäßen Nutzungsverhalten zu Schimmelbefall in der Wohnung der Kläger, die wegen der damit eingehergehenden erheblichen Gesundheitsgefahren nicht mehr bewohnbar ist. Die Beklagten waren daher verpflichtet, ohne weiteres Zögern zur Instandsetzung zu schreiten. Da sie ein Tätigwerden aber ablehnten, hat das Gericht im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 21 Absatz 8 WEG den Beschluss zu ersetzen.
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Ermessensfehlerfrei hat das Amtsgericht in dem beschlussersetzenden Urteilsausspruch die Innendämmung angeordnet. Denn zur Innendämmung lag bereits eine sachverständige Einschätzung über deren Tauglichkeit und voraussichtliche Kosten vor. Die Außendämmung wurde von keiner Seite ins Spiel gebracht, weil die Beklagten grundsätzlich die Instandsetzungspflicht bestritten. Die Außendämmung hätte zunächst eine weitere Beweiserhebung über ihre Tauglichkeit erfordert, die wiederum weitere Kosten verursacht hätte.
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Erfolglos wenden die Beklagten ein, eine Innendämmung stehe stets im Sondereigentum des Wohnungseigentümers und könne daher grundsätzlich nicht Angelegenheit der Gemeinschaft sein. Die Isolierschichten in Wänden und Boden sind - unabhängig von ihrer Position in der Wand - immer Gemeinschaftseigentum (vgl. zum Fußbodenbelag Bärmann/Armbrüster WEG 12. Auflage 2013 § 5 Rn. 81, 92). Erst der Wandbelag - Tapeten o.ä. - sind Sondereigentum.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch der Kläger auf ordnungsgemäße Verwaltung in Form der ausreichenden Wärmeisolierung der Außenwände ihrer Wohnung nicht durch die zwischenzeitlich aufgebrachte Außendämmung erfüllt. Zutreffend wenden die Kläger ein, dass der Verwalter diese Maßnahme eigenmächtig ohne die erforderliche Befassung der Wohnungseigentümerversammlung durchgeführt hat. Das Ob und Wie der Instandsetzung muss von den Wohnungseigentümern beschlossen werden und kann nicht dem Verwalter überlassen bleiben (Bärmann/Merle WEG 12. Auflage 2013 § 21 Rn. 107, § 27 Rn. 38 ff.). Eigenmächtig kann der Verwalter nur kleinere Maßnahmen des laufenden Betriebs veranlassen; eine Außendämmung gehört dazu ohne Zweifel nicht, auch angesichts der Größe der Gemeinschaft und des Kostenumfangs nicht. Da einzelne Eigentümer deshalb die Rückgängigmachung der Maßnahme verlangen können, ist deren Bestand nicht gesichert. Schon deshalb kann die tatsächlich ausgeführte Außendämmung keine Erfüllung des Anspruchs der Kläger darstellen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
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Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist im Hinblick auf § 62 Absatz 2 WEG entbehrlich.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO).

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