Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 8 O 2/15

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Grundstück ... in ... Wärme zur Raumheizung herzustellen.

Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird.

Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR, wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt aus einer Grunddienstbarkeit von dem Beklagten die Unterlassung von Wärmeherstellung. Der Beklagte begehrt widerklagend die Löschung der Grunddienstbarkeit.
Der Klägerin, einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestehend aus 2 Gebäuden mit 87 Wohneinheiten, gehört ein Blockheizwerk. Von diesem werden, neben den Wohnungen der Mitglieder der Klägerin, weitere 87 Reihenhäuser über 3 Fernleitungen mit Wärme beliefert. Der Beklagte ist Eigentümer eines solchen Reihenhauses (Grundbuch …, Flurstück-Nr. …, …). Zu Lasten des Grundstücks der Klägerin … und zugunsten der jeweiligen Eigentümer der anliegenden Grundstücke, mithin auch zugunsten des Grundstücks des Beklagten, sind Reallasten mit folgendem Inhalt eingetragen (Anlage K 3):
„Der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks ist verpflichtet, dem jeweiligen Eigentümer des berechtigten Grundstücks aus einem auf dem belasteten Grundstück zu errichtenden und zu unterhaltenden Heizwerk entsprechend den Bestimmungen der DIN 4701 Stand 1959 Regel für die Berechnung des Wärmebedarfs von Gebäuden, aufgestellt vom Wärmefachausschuss Heizung und Lüftung im Deutschen Normenausschuss (DNA), laufend mit Wärmeenergie gegen marktübliches Entgelt zu beliefern."
Zu Lasten der Grundstücke der Reihenhauseigentümer und zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des Flurstücks … 2 sind Grunddienstbarkeiten mit dem folgendem Inhalt eingetragen (Anlage K 8):
A. ( ... )
B. Der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks darf selbst Wärme zur Raumheizung nicht herstellen und auch nicht von dritter Seite abnehmen oder die Herstellung oder Abnahme dulden, solange und soweit die Wärme vom Eigentümer des berechtigten Grundstücks angeboten wird.
In Erfüllung der aus der Reallast folgenden Verpflichtung belieferte die Klägerin die Reihenhauseigentümer, u. a. auch das Grundstück des Beklagten, seit der Errichtung des Blockheizwerkes und des Leitungssystems in den 70er-Jahren mit Fernwärme. Die Abrechnung zwischen der Klägerin und dem Beklagten erfolgte ohne einen die näheren Modalitäten ausfüllenden schriftlichen Energielieferungsvertrag auf der Basis der vom Betreiber des Blockheizwerkes der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge unter Addition eines Kostenaufschlages.
Mit Schreiben vom 25.02.2011 kündigte der Beklagte einen „etwaig zwischen den Parteien bestehenden Vertrag über die Lieferung von Wärmeenergie" für sein Grundstück, … zum 30.11.2011 und hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Ferner wurde die Klägerin aufgefordert, die erforderlichen Erklärungen zur Löschung der streitgegenständlichen Grunddienstbarkeit abzugeben, insbesondere die Löschungsbewilligung in der für das Notariat erforderlichen Form betreffend das Verbot der Wärmeherstellung und betreffend das Verbot des Bezugs von Wärme von Dritten. Dies lehnte die Klägerin ab. Nach entsprechender Vorankündigung vom 07.11.2011 sperrte der Beklagte am 29.11.2011 die Hauptabsperrhähne an den Übergabestellen im Keller seines Hauses ab und teilte der Klägerin den abgelesenen Stand am Wärmemengenzähler mit.
Seit dieser Zeit beheizt der Beklagte sein Gebäude mit einer Elektro- und Infrarotwandheizung, die Warmwasserbereitung erfolgt mit einem Elektroboiler.
10 
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr ein Unterlassungsanspruch als Folge der Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit zustehe.
11 
Die Klägerin beantragt:
12 
1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Grundstück … in … Wärme zur Raumheizung herzustellen.
13 
2. Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird.
14 
Der Beklagte beantragt:
15 
Die Klage wird abgewiesen.
16 
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin ihre aus der Reallast folgenden Verpflichtungen in solch hohem Maß verletzt habe, dass ihm ein Löschungsanspruch zustehe. Zumindest aber stelle die Forderung nach Bezug von Fernwärme von der Klägerin eine unzulässige Rechtsausübung dar. Schließlich erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
17 
Der Beklagte trägt vor, dass die Klägerin entgegen dem Inhalt der Reallast für die Bereitstellung der Wärmeenergie ein nicht marktübliches Entgelt verlange. Ferner habe die Klägerin seit Jahrzehnten ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen und schonenden Bewirtschaftung des Leitungsnetzes verletzt und trotz mehrfacher Abmahnungen mehr als doppelt so hohe Wärmeverluste als üblich hingenommen und diese vermeidbaren Wärmeverluste gerade nicht aus den Abrechnungen für den Beklagten herausgerechnet. Zudem habe die Klägerin trotz mehrfacher Abmahnungen vorsätzlich ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung gemäß Heizkostenverordnung verletzt und insbesondere bei der Vorverteilung der Heizkosten auf die einzelnen Heizstränge vorsätzlich Verteilungsschlüssel zu Lasten des Beklagten verwandt. Auch der Eigenkostenzuschlag enthalte nicht gerechtfertigte Positionen. Darüber hinaus ignoriere die Klägerin beharrlich, dass der Beklagte umfangreiche Wärmedämmungsmaßnahmen an seinem Haus vorgenommen und somit erhebliche Energieeinsparmaßnahmen ergriffen habe, so dass er gemäß § 3 S. 3 AVB-FernwärmeV oder in dessen entsprechender Anwendung einen Anspruch gegen die Klägerin auf Vertragsanpassung habe, die diesen geänderten Umständen Rechnung tragen müsse. Auch sei er durch die Grunddienstbarkeit daran gehindert, seinen Wärmebedarf aus erneuerbaren Energien abzudecken. Schließlich habe die Klägerin verbotene Eigenmacht gegenüber dem Beklagten verübt, indem sie in der Zeit vom 18.01. bis 25.01.2011 die Wärmeversorgung für die Häuser am … einstellte.
18 
Widerklagend beantragt der Beklagte:
19 
Die Klägerin und sämtliche Miteigentümer der Klägerin (Drittwiderbeklagte) werden verurteilt, der Löschung der Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück … betreffend b) Verbot der Wärmeherstellung und Bezug von Dritten, die am 12.04.1973 zu Lasten des Grundstücks des Beklagten … (Flurstück-Nr. …) im Grundbuch von … Nr. … des Grundbuchamtes … zugunsten der Klägerin bzw. zugunsten von deren Miteigentümern als derzeitige Miteigentümer von Flurstück … eingetragen worden ist, zuzustimmen und in der dafür erforderlichen Form (29, 46 GBO) zu bewilligen.
20 
Die Klägerin beantragt:
21 
Die Widerklage wird abgewiesen.
22 
Mit Beschluss vom 09.11.2015 hat das Gericht die in dem Verfahren 8 O 75/15 erhobene Widerklage in der Form des Antrags aus dem Schriftsatz des Beklagten-Vertreters vom 29.12.2014 abgetrennt und dem sodann führenden Verfahren 8 O 2/15 hinzuverbunden.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die zulässige Klage ist begründet, die zulässige Widerklage nicht.
I.
24 
Der Klägerin kann von dem Beklagten verlangen es zu unterlassen, auf dem Grundstück … Wärme zur Raumheizung herzustellen. Die Tenorierung der Androhung folgt aus § 890 Abs. 1 und 2 ZPO.
25 
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 1027, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zu.
26 
Wird hiernach eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so kann der aus der Grunddienstbarkeit Berechtigte den Störer aus § 2004 BGB auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Beklagte hat als Handlungsstörer im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB gegen die auf dem Grundstück …‚ lastende Grunddienstbarkeit verstoßen, weil er unstreitig ab Dezember 2012 sein Gebäude mit einer Elektro- und Infrarotwandheizung beheizt und damit Wärme zur Raumheizung selbst hergestellt hat. Ob in der Erzeugung von Brauchwarmwasser durch einen Elektroboiler gleichermaßen ein Verstoß gegen die Grunddienstbarkeit zu sehen ist, kann dahinstehen, da eine entsprechende Unterlassung nicht streitgegenständlich ist.
27 
1.) Die Grunddienstbarkeit ist durch rechtsgeschäftliche Bestellung gemäß § 873 BGB durch Einigung und Eintragung wirksam entstanden. Sie ist auch ausreichend bestimmt.
28 
Gemäß § 1018 BGB kann Inhalt einer Grunddienstbarkeit unter anderem sein, dass der Eigentümer des Grundstücks bestimmte Handlungen nicht vornehmen darf. Unstreitig ist es in der Rechtsprechung, dass eine positive Leistungspflicht nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein kann. Daneben besteht Einigkeit darüber, dass die Dienstbarkeit keine Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit des Eigentümers des belasteten Grundstücks enthalten darf. Es darf durch die Grunddienstbarkeit nur eine Unterlassungspflicht im Hinblick auf eine Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch des Grundstücks normiert werden. Beide Gründe für die Unzulässigkeit einer Dienstbarkeit liegen hier nicht vor (vgl. für Wärmebezugsverpflichtungen BGH, Urteil vom 02.03.1984 - V ZR 155/83, WM 1984, 820; OLG München, Beschluss vom 25.01.2005 - 32 Wx 003/05, 32 Wx 3/05).
29 
Die Grunddienstbarkeit ist unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Bestimmtheit (MüKoBGB/Joos, 6. Auflage, § 1018 Rn. 31 ff.) nicht zu beanstanden. Dass unter den Begriff der „Wärme zur Raumheizung" nicht auch Geräte fallen, die sich bei Gebrauch faktisch erwärmen und damit mittelbar den Raum heizen (Toaster etc.), ergibt sich zwanglos aus dem Begriff „zur". Entscheidend ist der mit dem Betrieb der betreffenden Geräte in technischer Hinsicht verfolgte Primärzweck.
30 
2.) Die Grunddienstbarkeit ist auch nicht erloschen. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 1028 Abs. 1 S. 2 BGB sind nicht erfüllt.
31 
Der negatorische Abwehranspruch unterliegt nach § 902 Abs. 1 S. 1 BGB nicht der Verjährung.
32 
Davon ist der Gesetzgeber ausgegangen und hat mit § 1028 BGB einen Ausnahmetatbestand geregelt, wonach in einem besonderen Fall die Verjährung - auf die sich hier der Beklagte beruft - stattfindet mit der Folge des Erlöschens der Grunddienstbarkeit Die Regelung beruht auf der Erwägung, dass die Grunddienstbarkeit für den Berechtigten wertlos sei, wenn er auf dem belasteten Grundstück eine Anlage über einen längeren Zeitraum dulde.
33 
Unabhängig von der Länge der Verjährungsfrist (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2014 - V ZR 151/13, MDR 2014, 1137: 30 Jahre, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht), wäre der Anspruch auch nach der kürzesten in Betracht kommenden Verjährungsfrist, hier 3 Jahre nach § 195 BGB, nicht verjährt. Unterstellt, der Beklagte hätte die streitgegenständliche Anlage tatsächlich Ende des Jahres 2011 errichtet und die Klägerin hiervon auch Kenntnis erhalten, so hätte die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 und 5 BGB mit Ende des Jahres 2011 begonnen und wäre am 01.01.2015 abgelaufen. Die noch im Jahre 2014 anhängig gemachte Klage auf Unterlassung hat die Verjährung jedoch unterbrochen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
34 
3.) Der Beklagte kann von der Klägerin auch nicht die Löschung der Grunddienstbarkeit verlangen und zwar weder aus § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB noch aus § 313 Abs. 3 BGB.
35 
Die Grunddienstbarkeit ist in ihrer Entstehung und ihrem Fortbestand zunächst einmal unabhängig von dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und parallel vereinbarten Nutzungsrechten und Verbotsregeln. Mängel der schuldrechtlichen Abrede wirken sich nicht unmittelbar auf die Grunddienstbarkeit aus. Sie können ihr aber u. U. nach §§ 812 ff. BGB entgegengehalten werden.
36 
Im vorliegenden Fall ist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft zur Bestellung der Grunddienstbarkeit von dem - hier konkludent zustande gekommenen - Energielieferungsvertrag, den der Beklagte gekündigt hat, zu unterscheiden.
37 
Sowohl die beiden Gebäude der Klägerin als auch die benachbarten 87 Reihenhäuser, darunter das Gebäude des Beklagten, wurden in den 70er Jahren durch die Fa. … mbH & Co. KG in … als einheitliches Wohngebiet geplant und errichtet.
38 
Diese Planung sah die Versorgung des gesamten Wohngebietes mit Fernwärme durch das Blockheizwerk der Klägerin vor. Entsprechend wurde eine Lieferverpflichtung der Klägerin vorgesehen, abgesichert durch ein Verbot der Herstellung von Wärme zur Raumheizung bzw. ein Verbot des Bezuges entsprechender Energie durch Drittunternehmer. Dies gegenseitige System an Verpflichtungen (Reallast) und an Verboten (Grunddienstbarkeiten) wurde sodann im Grundbuch eingetragen.
39 
Der der Grunddienstbarkeit zugrundeliegende Zweck im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB bzw. die der Bestellung zugrundeliegende Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB bestehen uneingeschränkt und unverändert fort. Da die Klägerin das Blockheizwerk weiterhin betreibt und nur dann wirtschaftlich handlungsfähig bleibt, wenn eine ausreichende Anzahl an tatsächlichen Abnehmern besteht, kann entgegen den Rechtsausführungen des Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass eine Zweck- oder Grundlagenveränderung eingetreten sei.
40 
4.) Das streitgegenständliche Begehren der Klägerin ist auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.
41 
Zutreffend weist der Beklagte zunächst darauf hin, dass nicht entwicklungsbedingte unvorhersehbare Veränderungen dazu führen können, dass der Ausübung der Dienstbarkeit durch den Berechtigten der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegenstehen kann. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen anzunehmen, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit aufgrund der veränderten Umstände für den Berechtigten nur noch geringfügigen Nutzen bietet und sich andererseits die Nachteile für das dienende Grundstück so erheblich vermehrt haben, dass der Vorteil außer Verhältnis zum Schaden steht (MüKoBGB/Joost, 6. Auflage, § 1018 Rn. 55).
42 
Zugunsten des Beklagten kann unterstellt werden, dass die von ihm vorgebrachten Einwände gegen die praktische Umsetzung der Energiebelieferung durch die Klägerin zutreffend sind. In drei - nicht rechtskräftigen - Parallelverfahren hat das LG Karlsruhe (8 O 64/11, 8 O 71/10 und 8 O 75/10) entschieden, dass die durch die Grunddienstbarkeit belasteten Grundstückseigentümer vor dem Hintergrund der tatsächlich festzustellenden Defizite und Versäumnisse der Klägerin im Rahmen der Energiebelieferung durch den Begriff des „marktüblichen Entgelts" ausreichend vor Missmanagement der Klägerin geschützt sind. Ein darüber hinausgehendes Recht der belasteten Grundstückseigentümer, den Bezug Wärmeenergie durch die Klägerin nunmehr gänzlich zu verweigern, besteht nicht. Insbesondere ist die Klägerin weiterhin in einem hohen Maß auf die Einhaltung der - faktischen - Bezugsverpflichtungen angewiesen. Demgegenüber ist - sollte die Auffassung des erkennenden Gerichts in den in Bezug genommenen Verfahren zutreffend sein - ein wirtschaftlicher Schaden der betroffenen Grundstücksinhaber nicht erkennbar.
43 
Dieses Ergebnis lässt Spielraum für erforderliche Anpassungen. Ohnehin kann die Dienstbarkeit in der Zeit Änderungen unterliegen, die nach § 242 BGB Berücksichtigung finden können. Die Konkretisierung der Leistungsinhalte ist nicht starr. Die Lösung für den konkreten Fall ist jedoch im Rahmen der Entgeltpflicht für die Belieferung mit Wärmeenergie durch die Klägerin zu suchen. Hier können Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit genauso Berücksichtigung finden wie Aspekte der besonderen Dämmungen/Isolierungen der betroffenen Häuser. Der Wunsch nach alternativen, insbesondere regenerativen Energieformen ist nur im Rahmen der Herstellung durch die Klägerin zu berücksichtigen, ein individueller Anspruch der einzelnen Grundstückseigentümer dürfte ausgeschlossen sein.
44 
Im Übrigen ist der Beklagte auch nicht schutzlos gestellt: Der Verpflichtete kann gegen eine aus § 1020 S. 1 BGB (Schonungspflicht) folgende Beeinträchtigung seines Eigentums gemäß § 1004 BGB mit der Klage auf Beseitigung und - falls Wiederholungsgefahr gegeben ist oder eine erste Verletzung unmittelbar bevorsteht - Unterlassung der Störung vorgehen. Bei schuldhafter Verletzung ist der Berechtigte nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung (§§ 280 ff.) i.V.m. §§ 276, 278 BGB sowie §§ 823, 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
II.
45 
Entsprechend den Ausführungen unter Ziffer I. 3. war der zulässigen Widerklage der Erfolg zu versagen.
46 
Die Grunddienstbarkeit erlischt gemäß §§ 875, 876 BGB bei rechtsgeschäftlicher Aufhebung durch Erklärung des Berechtigten und Löschung, bei Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eines Endtermins gemäß §§ 158 Abs. 2,163, durch Verjährung bei Tabularverschweigung gemäß § 901 BGB und Verjährung des Anspruchs auf Beseitigung einer beeinträchtigenden Anlage gemäß § 1028 Abs. 1 BGB sowie bei Teilung des herrschenden bzw. dienenden Grundstücks gemäß §§ 1025 S. 2, 1026 BGB. Weitere Erlöschensgründe sind der endgültige Wegfall des Vorteils im Sinne von § 1019 BGB und die dauernde Unmöglichkeit der Ausübung der Grunddienstbarkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen. Diese Voraussetzungen liegen hingegen - wie ausgeführt - nicht vor.
III.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 BGB.
48 
Dr. Eckelt
Richter am Landgericht

Gründe

 
23 
Die zulässige Klage ist begründet, die zulässige Widerklage nicht.
I.
24 
Der Klägerin kann von dem Beklagten verlangen es zu unterlassen, auf dem Grundstück … Wärme zur Raumheizung herzustellen. Die Tenorierung der Androhung folgt aus § 890 Abs. 1 und 2 ZPO.
25 
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 1027, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zu.
26 
Wird hiernach eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so kann der aus der Grunddienstbarkeit Berechtigte den Störer aus § 2004 BGB auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Beklagte hat als Handlungsstörer im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB gegen die auf dem Grundstück …‚ lastende Grunddienstbarkeit verstoßen, weil er unstreitig ab Dezember 2012 sein Gebäude mit einer Elektro- und Infrarotwandheizung beheizt und damit Wärme zur Raumheizung selbst hergestellt hat. Ob in der Erzeugung von Brauchwarmwasser durch einen Elektroboiler gleichermaßen ein Verstoß gegen die Grunddienstbarkeit zu sehen ist, kann dahinstehen, da eine entsprechende Unterlassung nicht streitgegenständlich ist.
27 
1.) Die Grunddienstbarkeit ist durch rechtsgeschäftliche Bestellung gemäß § 873 BGB durch Einigung und Eintragung wirksam entstanden. Sie ist auch ausreichend bestimmt.
28 
Gemäß § 1018 BGB kann Inhalt einer Grunddienstbarkeit unter anderem sein, dass der Eigentümer des Grundstücks bestimmte Handlungen nicht vornehmen darf. Unstreitig ist es in der Rechtsprechung, dass eine positive Leistungspflicht nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein kann. Daneben besteht Einigkeit darüber, dass die Dienstbarkeit keine Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit des Eigentümers des belasteten Grundstücks enthalten darf. Es darf durch die Grunddienstbarkeit nur eine Unterlassungspflicht im Hinblick auf eine Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch des Grundstücks normiert werden. Beide Gründe für die Unzulässigkeit einer Dienstbarkeit liegen hier nicht vor (vgl. für Wärmebezugsverpflichtungen BGH, Urteil vom 02.03.1984 - V ZR 155/83, WM 1984, 820; OLG München, Beschluss vom 25.01.2005 - 32 Wx 003/05, 32 Wx 3/05).
29 
Die Grunddienstbarkeit ist unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Bestimmtheit (MüKoBGB/Joos, 6. Auflage, § 1018 Rn. 31 ff.) nicht zu beanstanden. Dass unter den Begriff der „Wärme zur Raumheizung" nicht auch Geräte fallen, die sich bei Gebrauch faktisch erwärmen und damit mittelbar den Raum heizen (Toaster etc.), ergibt sich zwanglos aus dem Begriff „zur". Entscheidend ist der mit dem Betrieb der betreffenden Geräte in technischer Hinsicht verfolgte Primärzweck.
30 
2.) Die Grunddienstbarkeit ist auch nicht erloschen. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 1028 Abs. 1 S. 2 BGB sind nicht erfüllt.
31 
Der negatorische Abwehranspruch unterliegt nach § 902 Abs. 1 S. 1 BGB nicht der Verjährung.
32 
Davon ist der Gesetzgeber ausgegangen und hat mit § 1028 BGB einen Ausnahmetatbestand geregelt, wonach in einem besonderen Fall die Verjährung - auf die sich hier der Beklagte beruft - stattfindet mit der Folge des Erlöschens der Grunddienstbarkeit Die Regelung beruht auf der Erwägung, dass die Grunddienstbarkeit für den Berechtigten wertlos sei, wenn er auf dem belasteten Grundstück eine Anlage über einen längeren Zeitraum dulde.
33 
Unabhängig von der Länge der Verjährungsfrist (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2014 - V ZR 151/13, MDR 2014, 1137: 30 Jahre, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht), wäre der Anspruch auch nach der kürzesten in Betracht kommenden Verjährungsfrist, hier 3 Jahre nach § 195 BGB, nicht verjährt. Unterstellt, der Beklagte hätte die streitgegenständliche Anlage tatsächlich Ende des Jahres 2011 errichtet und die Klägerin hiervon auch Kenntnis erhalten, so hätte die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 und 5 BGB mit Ende des Jahres 2011 begonnen und wäre am 01.01.2015 abgelaufen. Die noch im Jahre 2014 anhängig gemachte Klage auf Unterlassung hat die Verjährung jedoch unterbrochen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
34 
3.) Der Beklagte kann von der Klägerin auch nicht die Löschung der Grunddienstbarkeit verlangen und zwar weder aus § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB noch aus § 313 Abs. 3 BGB.
35 
Die Grunddienstbarkeit ist in ihrer Entstehung und ihrem Fortbestand zunächst einmal unabhängig von dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und parallel vereinbarten Nutzungsrechten und Verbotsregeln. Mängel der schuldrechtlichen Abrede wirken sich nicht unmittelbar auf die Grunddienstbarkeit aus. Sie können ihr aber u. U. nach §§ 812 ff. BGB entgegengehalten werden.
36 
Im vorliegenden Fall ist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft zur Bestellung der Grunddienstbarkeit von dem - hier konkludent zustande gekommenen - Energielieferungsvertrag, den der Beklagte gekündigt hat, zu unterscheiden.
37 
Sowohl die beiden Gebäude der Klägerin als auch die benachbarten 87 Reihenhäuser, darunter das Gebäude des Beklagten, wurden in den 70er Jahren durch die Fa. … mbH & Co. KG in … als einheitliches Wohngebiet geplant und errichtet.
38 
Diese Planung sah die Versorgung des gesamten Wohngebietes mit Fernwärme durch das Blockheizwerk der Klägerin vor. Entsprechend wurde eine Lieferverpflichtung der Klägerin vorgesehen, abgesichert durch ein Verbot der Herstellung von Wärme zur Raumheizung bzw. ein Verbot des Bezuges entsprechender Energie durch Drittunternehmer. Dies gegenseitige System an Verpflichtungen (Reallast) und an Verboten (Grunddienstbarkeiten) wurde sodann im Grundbuch eingetragen.
39 
Der der Grunddienstbarkeit zugrundeliegende Zweck im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB bzw. die der Bestellung zugrundeliegende Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB bestehen uneingeschränkt und unverändert fort. Da die Klägerin das Blockheizwerk weiterhin betreibt und nur dann wirtschaftlich handlungsfähig bleibt, wenn eine ausreichende Anzahl an tatsächlichen Abnehmern besteht, kann entgegen den Rechtsausführungen des Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass eine Zweck- oder Grundlagenveränderung eingetreten sei.
40 
4.) Das streitgegenständliche Begehren der Klägerin ist auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.
41 
Zutreffend weist der Beklagte zunächst darauf hin, dass nicht entwicklungsbedingte unvorhersehbare Veränderungen dazu führen können, dass der Ausübung der Dienstbarkeit durch den Berechtigten der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegenstehen kann. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen anzunehmen, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit aufgrund der veränderten Umstände für den Berechtigten nur noch geringfügigen Nutzen bietet und sich andererseits die Nachteile für das dienende Grundstück so erheblich vermehrt haben, dass der Vorteil außer Verhältnis zum Schaden steht (MüKoBGB/Joost, 6. Auflage, § 1018 Rn. 55).
42 
Zugunsten des Beklagten kann unterstellt werden, dass die von ihm vorgebrachten Einwände gegen die praktische Umsetzung der Energiebelieferung durch die Klägerin zutreffend sind. In drei - nicht rechtskräftigen - Parallelverfahren hat das LG Karlsruhe (8 O 64/11, 8 O 71/10 und 8 O 75/10) entschieden, dass die durch die Grunddienstbarkeit belasteten Grundstückseigentümer vor dem Hintergrund der tatsächlich festzustellenden Defizite und Versäumnisse der Klägerin im Rahmen der Energiebelieferung durch den Begriff des „marktüblichen Entgelts" ausreichend vor Missmanagement der Klägerin geschützt sind. Ein darüber hinausgehendes Recht der belasteten Grundstückseigentümer, den Bezug Wärmeenergie durch die Klägerin nunmehr gänzlich zu verweigern, besteht nicht. Insbesondere ist die Klägerin weiterhin in einem hohen Maß auf die Einhaltung der - faktischen - Bezugsverpflichtungen angewiesen. Demgegenüber ist - sollte die Auffassung des erkennenden Gerichts in den in Bezug genommenen Verfahren zutreffend sein - ein wirtschaftlicher Schaden der betroffenen Grundstücksinhaber nicht erkennbar.
43 
Dieses Ergebnis lässt Spielraum für erforderliche Anpassungen. Ohnehin kann die Dienstbarkeit in der Zeit Änderungen unterliegen, die nach § 242 BGB Berücksichtigung finden können. Die Konkretisierung der Leistungsinhalte ist nicht starr. Die Lösung für den konkreten Fall ist jedoch im Rahmen der Entgeltpflicht für die Belieferung mit Wärmeenergie durch die Klägerin zu suchen. Hier können Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit genauso Berücksichtigung finden wie Aspekte der besonderen Dämmungen/Isolierungen der betroffenen Häuser. Der Wunsch nach alternativen, insbesondere regenerativen Energieformen ist nur im Rahmen der Herstellung durch die Klägerin zu berücksichtigen, ein individueller Anspruch der einzelnen Grundstückseigentümer dürfte ausgeschlossen sein.
44 
Im Übrigen ist der Beklagte auch nicht schutzlos gestellt: Der Verpflichtete kann gegen eine aus § 1020 S. 1 BGB (Schonungspflicht) folgende Beeinträchtigung seines Eigentums gemäß § 1004 BGB mit der Klage auf Beseitigung und - falls Wiederholungsgefahr gegeben ist oder eine erste Verletzung unmittelbar bevorsteht - Unterlassung der Störung vorgehen. Bei schuldhafter Verletzung ist der Berechtigte nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung (§§ 280 ff.) i.V.m. §§ 276, 278 BGB sowie §§ 823, 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
II.
45 
Entsprechend den Ausführungen unter Ziffer I. 3. war der zulässigen Widerklage der Erfolg zu versagen.
46 
Die Grunddienstbarkeit erlischt gemäß §§ 875, 876 BGB bei rechtsgeschäftlicher Aufhebung durch Erklärung des Berechtigten und Löschung, bei Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eines Endtermins gemäß §§ 158 Abs. 2,163, durch Verjährung bei Tabularverschweigung gemäß § 901 BGB und Verjährung des Anspruchs auf Beseitigung einer beeinträchtigenden Anlage gemäß § 1028 Abs. 1 BGB sowie bei Teilung des herrschenden bzw. dienenden Grundstücks gemäß §§ 1025 S. 2, 1026 BGB. Weitere Erlöschensgründe sind der endgültige Wegfall des Vorteils im Sinne von § 1019 BGB und die dauernde Unmöglichkeit der Ausübung der Grunddienstbarkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen. Diese Voraussetzungen liegen hingegen - wie ausgeführt - nicht vor.
III.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 BGB.
48 
Dr. Eckelt
Richter am Landgericht

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