Urteil vom Landgericht Kiel (2. Zivilkammer) - 2 O 242/87

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 20.943,57 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. April 1987 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger, Halter und Eigentümer des Campingbusses, Marke Volkswagen, Typ Joker 1, amtliches Kennzeichen KI- , macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen den Beklagten zu 1) als Fahrer des VW Passat, amtliches Kennzeichen HB - , und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des VW Passat geltend.

2

Am 15. März 1987 befuhr das klägerische Fahrzeug die Bundesautobahn 7 in Fahrtrichtung Hamburg-Bremen. Der Wagen wurde von dem Schwager des Klägers, dem Zeugen ..., gesteuert. Es herrschte Schneefall, die Fahrbahn war glatt. Aus einer Entfernung von 250 - 300 m sah der Zeuge ..., daß sich auf der linken Fahrspur vor ihm ein Fahrzeug drehte. Auf der rechten Fahrspur fuhr ein Lkw, der nach rechts in Richtung Standspur fuhr und dort mit der Leitplanke kollidierte. Der Zeuge ... wechselte auf die rechte Fahrspur, setzte seine Geschwindigkeit auf „Schrittgeschwindigkeit“ herab und schaltete die Warnblinkanlage ein.

3

Sodann wurde auch das klägerische Fahrzeug in den Unfall verwickelt. Auf welche Weise dies geschah, ist zwischen den Parteien im wesentlichen streitig. Unstreitig ist lediglich, daß der Beklagte zu 1) mit der linken Vorderseite des von ihm gesteuerten Passat auf die rechte Heckseite des klägerischen Fahrzeugs auffuhr, wodurch zumindest die rechte hintere Heckseite des Campingbusses beschädigt wurde. Ob der Beklagte zu 1) darüber hinaus die am Fahrzeug eingetreten Gesamtschäden - mittelschwere Beschädigungen der linken und rechten Fahrzeugseite, weitere Schäden im Heckbereich an tragenden Teilen sowie an Teilen der Fahrzeuginnenausstattung - verursacht hat, ist streitig.

4

Der Kläger behauptet, der von dem Beklagten zu 1) gesteuerte VW Passat sei auf der rechten Fahrspur mit hoher Geschwindigkeit in das klägerische Fahrzeug hineingefahren, was eine Drehung des Campingbusses entgegen dem Uhrzeigersinn verursacht habe. Dadurch sei das klägerische Fahrzeug nach links in die mittlere Leitplanke gedrückt worden. Dort sei der Campingbus von zumindest einem weiteren Fahrzeug angefahren worden.

5

Demgegenüber tragen die Beklagten vor, der Beklagte zu 1) habe lediglich das hintere rechte Rücklicht des VW-Busses beschädigt, für weitere Schäden sei der Beklagte zu 1) nicht ursächlich geworden. Der Beklagte zu 1) sei allenfalls noch Schrittgeschwindigkeit gefahren, habe das Fahrzeug auf der eisglatten Fahrbahn jedoch nicht mehr lenken können und habe mit der vorderen linken Ecke seines Pkw die hintere rechte Ecke des VW-Busses berührt, der am linken Fahrbahnrand bereits gestanden habe.

6

Den gelten gemachten Schaden beziffert der Kläger wie folgt:

7

1. Wiederbeschaffungswert

 18.000,00 DM

2. Abschleppkosten

587,01 DM

3. Unterbringungskosten (einschl. Verzehrkosten)

117,63 DM

4. Gutachtenkosten

713,00 DM

5. weitere Kosten

515,56 DM

6. Wiederbeschaffungsdauer (24 Tage à 75,00 DM)

1.800,00 DM

7. Rücktransportkosten der Familienangehörigen

156,00 DM

        

 21.889,20 DM

8

Wegen der Aufschlüsselung der Position 5 „weitere Kosten“ wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 13. August 1987, Seite 6 (Bl. 60 d. A.), Bezug genommen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 21.889,20 DM nebst 9 % Zinsen auf 10.000,00 DM sowie 12 % Zinsen auf 11.889,20 DM seit dem 10. April 1987 zu zahlen.

11

Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

13

Sie machen im übrigen geltend:

14

Von den Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeuges in Höhe von 18.000,00 DM sei die Mehrwertsteuer herauszurechnen, weil es sich bei dem Campingbus - was unstreitig ist - um ein Geschäftsfahrzeug handele. Daher könne der Kläger auch nur den entgangenen Gewinn als Nutzungsausfall beanspruchen. Allenfalls stünden ihm aber 14 Tage Nutzungsausfall zu. Darüber hinaus sei die Nutzungsausfallentschädigung pro Tag höchstens mit 63,00 DM zu beziffern.

15

Eine Übernachtung der Familienmitglieder sei nicht erforderlich gewesen. Bei den Verzehrkosten handele es sich um ersparte Aufwendungen. Rücktransportkosten seien nur in Höhe von 75,50 DM ersatzfähig.

16

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

17

Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Dezember 1987 (Bl. 122 ff. d. A.) sowie die schriftliche Erklärung des Zeugen ... vom 29. November 1987 (Bl. 121 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage hat im wesentlichen Erfolg.

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1. Sie ist dem Grunde nach gegen den Beklagten zu 1) aus § 18 StVG, gegen die Beklagte zu 2) in Verbindung mit § 3 PflVG begründet, wobei sich die gesamtschuldnerische Haftung aus einer entsprechenden Anwendung von § 840 BGB ergibt.

20

Allerdings ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unklar geblieben, ob der Beklagte zu 1) für den an dem Campingbus entstanden Gesamtschaden ursächlich geworden ist. Dies ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zwar überwiegend wahrscheinlich, ist jedoch auch in Verbindung mit den - wenig ergiebigen - Zeugenaussagen nicht geeignet, das Gericht von der Richtigkeit der klägerischen Darstellungen des Unfallverlaufes zu überzeugen.

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Die Unaufklärbarkeit geht gleichwohl zu Lasten der Beklagten. Das folgt aus § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, der mit Blick auf die im Straßenverkehrsgesetz enthaltenen Anspruchsgrundlagen entsprechende Anwendung findet. Die Funktion von § 830 BGB, wonach von mehreren Beteiligten an einer unerlaubten Handlung jeder für den Schaden verantwortlich ist, wenn sich nicht ermitteln läßt, welcher der Beteiligten durch seine Handlung den Schaden verursacht hat, besteht darin, dem Beweisnotstand des Verletzten Rechnung zu tragen (BGHZ 33, 290 f.). Ein Ersatzanspruch des Geschädigten soll nicht daran scheitern, daß nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren beteiligten Tätern der eigentliche Schädiger gewesen ist. Dieser in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Rechtsgedanke trifft auf für § 18 StVG zu (BGH NJW 1969, 2137 f.), so daß angesichts der gleichartigen Interessenlage eine analoge Anwendung dieser Vorschrift geboten ist.

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Der Beklagte zu 1) war auch Beteiligter im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHZ 25, 274; 33, 292) lediglich ein tatsächlicher einheitlicher, örtlich und zeitlich zusammenhängender Vorgang erforderlich, der sich aus mehreren selbständigen Handlungen zusammensetzt und in dessen Bereich der rechtswidrige Schadenserfolg fällt.

23

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Bei natürlicher Auffassung bildet das Unfallgeschehen einen einheitlichen - örtlich und zeitlich zusammenhängenden - Lebenssachverhalt.

24

Es wäre lebensfremd, den am klägerischen Fahrzeug eingetretenen Gesamtschaden von den einzelnen möglichen Verursachungsanteilen - Karambolage mehrerer Fahrzeuge - isolieren zu wollen

25

2. Die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensausgleich besteht dem Grunde nach zu 100 %. Das Gericht ist davon überzeugt, daß der Beklagte bei Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt den Unfall hätte vermeiden können, er also fahrlässig gehandelt hat. Er hätte seine Fahrweise auf die schlechten Witterungsverhältnisse einstellen können und müssen. Demgegenüber hat der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges, indem er die Geschwindigkeit stark reduzierte und die Warnblinkanlage einschaltete, denjenigen Sorgfaltsanforderungen entsprochen, die auch ein besonders besonnener und erfahrener Fahrer angewendet hätte. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges hat demnach außer Betracht zu bleiben.

26

Von den Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeuges darf der Kläger den Beklagten auch die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Dem steht nicht entgegen, daß die für die Beschaffung des Ersatzfahrzeuges angefallene Mehrwertsteuer im Zuge des Vorsteuerabzuges geltend gemacht worden ist. Denn dies ändert nichts an dem Umstand, daß der Unfall anläßlich einer Urlaubsreise, also einer Privatfahrt entstanden ist. Die Aufwendungen für die Wiederbeschaffung stellen sich als Kosten dar, die auf die private Nutzung des Kraftfahrzeuges entfallen. Sie bilden daher in voller Höhe einen umsatzsteuerrechtlich relevanten Eigenverbrauch (vgl. Peter, Umsatzsteuer, Stand 1982, § 1 Rd. 216), den der Kläger dem Finanzamt gegenüber zu offenbaren hat.

27

Die Klage ist auch hinsichtlich der Abschleppkosten (587,01 DM) sowie der Gutachtenkosten (713,00 DM) gegründet. Das gilt auch für die weiteren Kosten in Höhe von insgesamt 515,56 DM. Darüber streiten die Parteien denn auch nicht. Jedenfalls ist die detaillierte Aufschlüsselung dieser Schadensposition im klägerischen Schriftsatz vom 13. August 1987 von den Beklagten nicht (mehr) angegriffen worden.

28

Die geltend gemachten Unterbringungs- und Verzehrkosten für die Familienangehörigen kann der Kläger demgegenüber nicht verlangen. Denn er hat nicht vorgetragen, daß er, der Kläger, diese Aufwendungen getragen hat. Die Liquidierung von Fremdschäden kommt jedoch nur unter sehr eingeschränkten - und hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen in Betracht.

29

Eine Nutzungsentschädigung steht dem Kläger für 14 Tage à 75,00 DM, also insgesamt in Höhe von 1.050,00 DM zu. Daß es sich bei dem Campingbus nicht um ein ausschließlich privat genutztes Fahrzeug handelt, steht dem nicht entgegen. Denn die Zuerkennung einer Entschädigung für Nutzungsausfall findet ihre innere Rechtfertigung darin, daß sich die derart abstrakte Nutzungsentschädigung letztlich für eine dem Geschädigten für dessen Sparsamkeit gewährt Prämie darstellt (vgl. Staudinger-Medicus, § 253 BGB Rn. 33 ff.).

30

Die Höhe der Nutzungsentschädigung schätzt das Gericht nach § 287 ZPO auf 75,00 DM pro Tag. Es lehnt sich dabei an die Tabelle von Sanden/Danner an, wonach für ein ähnliches Fahrzeug, nämlich den Caravelle C Syncro, die Ausfallentschädigung mit 75,00 DM pro Tag angegeben wird. Wollte man lediglich auf der Grundlage des Basismodelles abrechnen, so würde hierbei verkannt, daß das klägerische Fahrzeug über eine Campingausstattung verfügte.

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Allerdings stellen lediglich 14 Tage Nutzungsausfall einen ersatzfähigen Schaden dar. In dem zu den Akten gereichten Parteigutachten des Sachverständigen „K“ wird die Wiederbeschaffungsdauer eines gleichwertigen und ähnlichen Kraftfahrzeuges mit 12 - 14 Tagen angegeben. Diese Sicht der Dinge macht sich das Gericht zu eigen (§ 287 ZPO). Der Kläger trägt vor, zu dem 24 Tage andauernden Nutzungsausfall sei es dadurch gekommen, daß der gesamte Bestand der Verkäuferin ausverkauft war und daher das Fahrzeug von dieser erst beschafft werden mußte. Bei dieser Sachlage kann der Kläger nur dann den tatsächlich entstandenen Nutzungsausfall als Schaden liquidieren, wenn er darlegt, daß die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges auch bei anderen Händlern zu einem gleich langen Nutzungsausfall geführt hätte. Da insoweit nichts vorgetragen ist, kann vorliegend offen bleiben, wie viele Händler der Geschädigte unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten hätte befragen müssen.

32

Schließlich stehen dem Kläger nur 78,00 DM an Rücktransportkosten der Familienangehörigen zu. Hinsichtlich der Rückfahrt von Oyten nach Kiel handelt es sich nämlich um ersparte Aufwendungen. Denn auch ohne das schädigende Ereignis hätten die Familienangehörigen - es handelte sich um eine Urlaubsreise - Aufwendungen für die Rückreise nach Kiel gehabt.

33

Die Klage ist demnach wie folgt begründet:

34

Wiederbeschaffungswert

 18.000,00 DM

Abschleppkosten

587,01 DM

Gutachtenkosten

713,00 DM

weitere Kosten

515,56 DM

Nutzungsausfallentschädigung

1.050,00 DM

Rücktransportkosten der Familienangehörigen

78,00 DM

        

 20.943,57 DM

II.

35

Der Zinsanspruch ist lediglich im tenorierten Umfang aus §§ 284 ff. BGB gegründet, weil der Kläger entgegen seiner Ankündigung keine Bankbescheinigung, aus der sich auch die Höhe des in Anspruch genommenen Kredites ergibt, zu den Akten gereicht hat.

III.

36

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 Abs. 1 Satz 1 ZPO.


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