Beschluss vom Landgericht Kiel (3. Zivilkammer) - 3 T 483/05

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Dem früheren Betreuer ist in Ergänzung des Beschlusses des Amtsgerichts Rendsburg vom 6.9.2005 ein weiterer Betrag von 109,12 € aus der Landeskasse zu erstatten.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

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I. Nachdem die verstorbene Betreute einen Schlaganfall erlitten hatte und ausgeprägte motorische Beeinträchtigungen verblieben waren, auch leichte Orientierungs- und Merkfähigkeitsstörungen vorlagen, richtete das AG Rendsburg durch Beschluss vom 14.5.2002 eine Betreuung ein und bestellte den Sohn der Betreuten zu ihrem ehrenamtlichen Betreuer. Dieser veräußerte für die Betreute deren Einfamilienhaus. Nachdem der Betreuer nicht in der Lage war, dem Amtsgericht gegenüber den Verbleib des Erlöses nachzuweisen, entließ das AG Rendsburg durch Beschluss vom 13.4.2005 den Sohn als ehrenamtlichen Betreuer und bestellte Herrn ..... zum Berufsbetreuer. In der Begründung heißt es u.a.:

2

„Es war nunmehr ein neuer Betreuer zu bestellen, weil hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Der bisherige Betreuer konnte den Verbrauch erheblicher Geldbeträge der Betroffenen nicht ausreichend nachweisen und ist selbst nach eigenen Angaben nunmehr mittellos“ (Bl. 93).

3

Der Berufsbetreuer bemühte sich, die Vermögensbetreuung durch den Sohn nachzuvollziehen und stellte dazu umfangreiche Ermittlungen an (vgl. Bl. 101/102). Die Betreute verstarb am 2.8.2005.

4

Mit Antrag vom 22.8.2005 hat der frühere Betreuer ..... die Festsetzung seiner Vergütung zzgl. Auslagenersatz und Mehrwertsteuer gegen die Landeskasse für den Zeitraum vom 1.7. bis 5.8.2005 in Höhe von insgesamt 211,20 € beantragt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag (Bl. 212 d. A.) Bezug genommen.

5

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss dem Betreuer lediglich eine Vergütung in Höhe von 102,08 € zuerkannt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 218 d. A.) Bezug genommen.

6

Hiergegen wendet sich der Betreuer mit seiner Erinnerung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung vom 5.9.2005 (Bl. 220 d. A.) Bezug genommen.

7

Das Amtsgericht hat sodann durch Beschluss vom 27.9.2005 die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen (Bl. 228f d.A.). Mit Schriftsatz vom 5.10.2005 hat der Betreuer Beschwerde eingelegt (Bl. 230).

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Der Bezirksrevisor hat unter dem 18.10.2005 Stellung genommen. Insoweit wird auf Bl. 231 d. A. Bezug genommen.

9

II. Die Beschwerde ist begründet.

10

Der Betreuer berechnet seinen Vergütungsanspruch nach § 5 VBVG derart, dass er vom 1. bis 18.7. 2005 einen monatlichen pauschalen Stundensatz von 4,5, danach von 3,5 Stunden ansetzt. Diese Pauschale ist nach § 5 Abs. 2 Ziff 1 und 2 VBVG für die ersten drei Monate der Betreuung bzw. für die Zeit von vierten bis sechsten Monat anzusetzen. Der Betreuer rechnet also so, als sei die Betreuung bei der Übernahme durch ihn am 13.4.2005 erst eingerichtet worden.

11

Das Amtsgericht ist der Ansicht, nach dem Wortlaut der Vorschrift komme es darauf an, wann die Betreuung als solche eingerichtet sei. Dies sei bereits 2002 der Fall gewesen. Danach sei für 2005 nur eine Pauschale von 2 Stunden im Monat anzusetzen. So argumentiert auch der Bezirksrevisor.

12

Der Betreuer vertritt die Meinung, das VBVG erfasse nur Vergütungsansprüche des Berufsbetreuers. Wenn deshalb von den ersten drei Monaten der Betreuung die Rede sei, sei diejenige des Berufsbetreuers gemeint. Im Übrigen verweist er auf die Entlassung des ehrenamtlichen Betreuers als nicht geeignet.

13

Der Mitverfasser des Werkes „Die Vergütung des Betreuers“ Horst Deinert kommentiert in seinem Internet-Betreuerlexikon diese Frage wie folgt:

14

„Betreuerwechsel

15

Was ist mit den Zeiten, in denen eine Betreuung ehrenamtlich geführt wurde und nun an Stelle des Ehrenamtlers ein Berufsbetreuer bestellt wird, zum Beispiel weil sich die Betreuung für den ehrenamtlichen Betreuer als zu schwierig oder unzumutbar dargestellt hat? Auf Grund der Tatsache, dass sich das gesamte VBVG nur auf beruflich geführte Tätigkeiten bezieht, ist es sachgerecht, bei einem Betreuerwechsel die vorherige ehrenamtliche Betreuungszeit bei dem vierstufigen Zeitraster nicht mitzuzählen.

16

Die Gesetzesbegründung für den zunächst hierfür vorgesehenen § 1908 l BGB enthält dazu keine klare Aussage. In der Einzelbegründung zu § 1908 l Abs. 3 BGB-E wird lediglich auf das Wirksamwerden der Betreuerbestellung nach § 69a Abs. 3 FGG verwiesen. Dies ist nicht so zu verstehen, dass ehrenamtliche Betreuungszeiten bei der Berufsbetreuerpauschale mitzurechnen seien.

17

Das nicht nur, weil auch die Entscheidung über einen Betreuerwechsel nach Maßgabe des § 69a Abs. 3 FGG wirksam wird. Insbesondere ist ein solcher Betreuerwechsel meist durch Überforderung oder Nichteignung des vorherigen Betreuers bedingt. Der nachträglich bestellte Berufsbetreuer hat oft die Betreuungstätigkeit zu rekonstruieren, nachträglich Pflichtwidrigkeiten des Vorbetreuers nachzuhaken, und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche nach § 1833 BGB geltend zu machen.

18

Die Zeit einer Behördenbetreuung vor dem Wechsel in eine Betreuung durch einen Berufs- oder Vereinsbetreuer müsste im Gegensatz dazu mitgezählt werden, ebenso die Zeit der Führung durch einen anderen Berufs- oder Vereinsbetreuer.

19

Wurde der zuvor beruflich tätige Betreuer allerdings wegen Nichteignung gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB entlassen, kann sich für den Nachfolgebetreuer jedoch die gleiche missliche Situation ergeben wie beim genannten Ehrenamtler. Es dürfte hier in Ausnahmesituationen vertretbar sein, dass das Gericht feststellt, die Betreuung sei bislang nicht ordnungsgemäß geführt worden und dem neuen Berufsbetreuer die Stundenansätze so zu berechnen, als sei die Betreuung nun erstmals angeordnet worden. Auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe erwähnt in ihrem Bericht nur den im Rahmen eines Betreuerwechsels „regelmäßig einhergehenden Mehrbedarf“.“ (vgl. www.betreuerlexikon.de/pauschale.htm)

20

Die Kammer lässt die Frage offen, ob bei dem Wechsel von ehrenamtlicher Betreuung zur Berufsbetreuung stets der Beginn der Betreuung im Sinne des § 5 VBVG derjenige der Übernahme der Berufsbetreuung ist. Sie schließt sich aber der vorstehend zitierten Kommentierung für den Fall an, dass der ehrenamtlicher Betreuer wegen fehlender Eignung nach § 1908b BGB entlassen und ein Berufsbetreuer bestellt wird. Dieser findet in solchen Fällen in der Regel einen Sachverhalt vor, wie er der Ersteinrichtung einer Betreuung entspricht, hat darüber hinaus aber noch die Vergangenheit aufzuarbeiten und etwaige Regressansprüche gegen den früheren ehrenamtlichen Betreuer zu prüfen und ggfs. zu verfolgen.

21

Zwar soll durch die Einführung von Pauschalen gerade nicht mehr der Einzelaufwand für die jeweilige Betreuung geprüft werden, so dass die Überlegung, auch die durch Übernahme einer Berufsbetreuung von einem ungeeigneten ehrenamtlichen Betreuer hervorgerufene Mehrarbeit sei wie jede andere die Pauschalsätze überschreitende Mehrarbeit zu behandeln, sicherlich vertretbar ist. Dieser Fallgestaltung weicht aber nach Auffassung der Kammer so sehr von dem gesetzlichen Normalverlauf ab und beruht darüber hinaus auf einer gerichtlichen Entscheidung, nämlich der ursprünglichen Bestellung eines ehrenamtlichen Betreuers, die sich im nachhinein als falsch erweist. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, der oben zitierten Kommentierung zu folgen und in dem beschriebenen Fall den Beginn der Betreuung im Sinne des § 5 VBVG mit dem Beginn der Berufsbetreuung gleichzusetzen.

22

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage hat die Kammer die weitere sofortige Beschwerde zugelassen.


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