Urteil vom Landgericht Kleve - 6 S 444/91
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. November 1991 verkündete Urteil des Amtsgerichts Kleve abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.395,-- DM (i.W. zweitausenddreihundertfünfundneunzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 15. September 1991 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
'Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/65 und die Beklagte zu 64/65 zu tragen.
1
Tatbestand
2Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß 1 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
3Entscheidungsgründe
4Die Berufung des Klägers hat im wesentlichen Erfolg. Sie führt dazu, daß die Beklagte zur Zahlung eines Minderungsbetrages von 2.395,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. September 1991 zu verurteilen ist. Lediglich soweit der Kläger weitergehende Zahlung begehrt, ist seine Berufung unbegründet und hat es bei der vom Amtsgericht ausgesprochenen Klageabweisung zu verbleiben.
5Die Beklagte hat den oben angegebenen Minderungsbetrag zu zahlen, weil die von ihr erbrachte Reiseleistung in erheblichem Umfang mangelhaft war und sie trotz Abhilfeverlangens des Klägers nicht in der Lage war, den Mangel abzustellen. Sie hatte den Kläger und seine Mitreisenden wegen Überbuchung nicht in der vereinbarten Unterkunft (2 Appartements zu je 2 Zimmern mit Küche) unterbringen können, sondern ihnen stattdessen für die insgesamt 3 Erwachsenen und 2 Kinder nur insgesamt 2 Doppelzimmer in einem Hotel zuweisen können. Dieser Mangel rechtfertigt die vom Kläger begehrte Minderung um 50 %. Abgesehen davon, daß die Reisenden in einem ganz anderen als dem gebuchten Objekt untergebracht wurden, war der Zuschnitt der Reise wesentlich verändert. So stand zum einen für jede Familie (2 Erwachsene und 1 Kind bzw. 1 Erwachsener und 1 Kind) erheblich weniger Raum zur Verfügung, nämlich nur ein Doppelzimmer statt eines Appartements mit 2 Zimmern und Küche. Abgesehen davon, daß dies schon aus Gründen der zur Verfügung stehenden Fläche die Bequemlichkeit beeinträchtigte, führte dies zudem naturgemäß auch zu die Erholung beeinträchtigenden Unzuträglichkeiten bei der Unterbringung der 2- bzw. 3-jährigen Kinder, die trotz ihres vom Verhalten vom Erwachsenen abweichenden Ruhe- und Schlafbedürfnisses (auch am Tage) nicht getrennt von den Eltern untergebracht werden konnten. Desweiteren führte das Fehlen der Küche zu einer maßgeblichen Änderung des Gesamtcharakters der Reise und erheblichen Zusatzkosten. Statt sich selbst preisgünstig versorgen zu können und auch für die Kinder jederzeit (Zwischen-) Mahlzeiten zubereiten zu können und gekühlte Getränke zur Verfügung zu haben, waren der Kläger und seine Mitreisenden auf eine mit erheblichen Mehrkosten verbundene Fremdverpflegung angewiesen.
6Dies alles rechtfertigt eine Minderung des Reisepreises um 50 %. Dabei ist von einem Reisepreis von 4.790,-- DM (Gesamtreisepreis 4.865,-- DM abzüglich der Kosten der Reiserilcktrittsversicherung) auszugehen. Der im Reisepreis von 4.865,-- DM enthaltene Kerosinzuschlag ist nicht in Abzug zu bringen. Denn er ist Bestandteil der Vergütung für die gesamte Reise-leistung und unterliegt damit auch der Minderung wegen des hier die gesamte Reiseleistung berührenden Mangels. Dagegen unterliegen die Kosten für die Reiserücktrittsversicherung von 75,-- DM nicht der Minderung. Denn diese Kosten gehören nicht zu der - zu mindernden - Gesamtvergütung, die der Beklagten für die Reise gezahlt worden ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um von der eigentlichen Reiseleistung und der für sie zu zahlenden Vergütung getrennte Kosten für Versicherungsleistungen, wobei es dem Reisenden freisteht, ob er diese Kosten für einen entsprechenden Versicherungsschutz aufwenden will oder nicht. Da diese Versicherungskosten zudem nicht nach der Höhe des Reisepreises gestaffelt sind, sondern allein nach der Anzahl der versicherten Personen berechnet werden, besteht ein Anlaß, diese Kosten auch herabzusetzen, nicht. Bei einem Reisepreis von 4.790,-- DM und einer 50 %igen Minderung ergibt sich der oben angegebene Betrag von 2.395,-- DM. Das Recht des Klägers auf Minderung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger durch Unterzeichnung der Erklärung vom 1. August 1991 auf alle Ansprüche gegen die Beklagte verzichtet hätte. Zwar ist in der Erklärung, in der die anderweitige Unterbringung des Klägers in den beiden Doppelzimmern im Hotel niedergelegt worden ist, angegeben, daß an die Beklagte keine weiteren Ansprüche gestellt werden. Dieser Anspruchsverzicht ist jedoch nichtig, denn er verstößt gegen § 651 k BGB. Nach dieser Vorschrift sind Vereinbarungen, die zum Nachteil des Reisenden von den Vorschriften der §§ 651 a - j BGB, zu denen auch die das Minderungsrecht betreffende Vorschrift des § 651 c BGB gehört, abweichen, nichtig. Die Vorschrift betrifft sämtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Reisenden von den vorgenannten Vorschriften abweichen. Sie betrifft damit notwendig auch Verzichtserklärungen bzw. mit einem Verzicht verbundene Abfindungserklärungen, die während der Reise noch am Urlaubsort abgegeben werden (so auch Tonner in-Münchener Kommentar, 2. Auflage, § 651 k BGB, Rdnr. 4, Recken in BGB-RgRK-Kommentar, 12. Auflage, § 651 k BGB, Rdnr. 2, Landgericht Frankfurt am Main in NJW 84, 1762, 1763). Denn diese Erklärungen sind darauf gerichtet, den Inhalt des ursprünglich abgeschlossenen, noch in der Erfüllungsphase befindlichen Reisevertrages zu ändern und die Rechte, die dem Reisenden nach dem bisherigen Vertragsinhalt nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft zustanden, zu beschneiden. Diese Auswirkung. auch auf die künftigen Rechte rechtfertigt es bereits, Verzichts- bzw. mit einer Verzichtserklärung verbundene Abfindungserklärungen, die noch während des laufenden Reisevertrages abgegeben werden, solchen die Rechte aus §§ 651 a - k BGB beschränkenden Erklärungen gleichzustellen, die bereits bei Abschluß des Reisevertrages bzw. vor Reiseantritt abgegeben worden sind. Hinzu kommt außerdem folgender Gesichtspunkt aus den Ausführungen des Landgerichts Frankfurt am Main in NJW 84, 1762, 1763 zur Nichtigkeit vom am Urlaubsort abgegebenen Abfindungserklärungen, denen sich die Kammer anschließt: "§ 651 k BGB beruht auf der im Reisevertragswesen üblichen Praxis, daß der Kunde den vollen Reisepreis vor Beginn der Reise an den Reiseveranstalter bezahlt hat, mithin bei mangelhaften Reiseleistungen oder sonstigen Pflichtverletzungen des Reiseveranstalters auf eine Rückforderung des Reisepreises angewiesen ist. Der Reisende befindet sich in einer schlechteren Stellung als der Besteller im Werkvertragsrecht, der bei Vorliegen von Mängeln die Abnahme des Werkes und die Zahlung der vereinbarten Vergütung (ganz oder teilweise) verweigern kann. Geht man mit der herrschenden Meinung von der Zulässigkeit einer Vorauszahlung des vollen Reisepreises mit der Konsequenz aus, daß der Reisende bei Schlechterfüllng seinerseits in die Offensive einer Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen gedrängt wird, so kann eine weitere Verschlechterung seiner Rechtsposition nicht hingenommen werden. Der Gesetzgeber ging wie alle redlichen Vertragspartner davon aus, daß der Reisende nach Beendigung der Reise seine Ansprüche bei dem Reiseveranstalter geltend machen werde und bei deren Zurückweisung Rechtsschutz durch die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch nehmen könne. Diese haben dann zu überprüfen, ob und welche Ansprüche nach Grund und Höhe gegeben. sind. Die Anerkennung von Abfindungsklauseln, die am Urlaubsort dem Reisenden anläßlich der Rückzahlung eines Teilbetrages der Vergütung im Rahmen einer Quittung abverlangt werden, würde den gesamten Rechtsschutz des- Reisenden zunichte machen. Die Gerichte wären darauf beschränkt, den anerkannten Betrag zuzuerkennen, wenn ihn nicht der Reiseveranstalter sowieso freiwillig gezahlt hätte. Das kann sicher nicht im, Sinne der gesetzlichen Verankerung des Verbraucherschutzes im Reiserecht gewollt gewesen sein. Das Gericht ist deshalb aus grundsätzlichen.
7Erwägungen der Meinung, daß § 651 k BGB mit seiner Verweisung auf § 651 g BGB der Anerkennung von Abfindungsklauseln, die am Urlaubsort vom Reisenden unterschrieben werden, entgegensteht."
8Da die Erklärung des Klägers vom 1. August 1991 insoweit nichtig ist, als sie einen Verzicht auf das gesetzliche Minderungsrecht enthält, war der Kläger gemäß. § 651 c BGB berechtigt, den vorstehenden Minderungsbetrag zu verlangen.
9Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 284 ff. BGB. Zahlung eines den gesetzlichen Zinssatz von 4 % übersteigenden Zinssatzes kann der Kläger nicht verlangen. Er hat seine Behauptung, verzugsbedingt Bankkredit zu einem höheren Zinssatz in Anspruch zu nehmen, nicht unter Beweis gestellt.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Für die Anwendung des § 92 Abs. 2 ZPO ist kein Raum, weil die Zuvielforderung des Klägers, obwohl sie verhältnismäßig gering ist, besondere Kosten (Gebührensprung) verursacht hat.
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Referenzen
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