Urteil vom Landgericht Koblenz (4. Kammer für Handelssachen) - 4 HK. O 133/08, 4 HKO 133/08

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Tenor

Den Antragsgegnern wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer, untersagt, bei Wettbewerbshandlungen auf dem Gebiet des Glücksspielwesens

1 ) bei der Bewerbung der Lotterie 6 aus 49 in einer Annahmestelle erzielte Gewinne mitzuteilen und/oder mitteilen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Zeitraum vom 22.- 24.08.2008 geschehen und nachstehend wiedergegeben ist;

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2 ) die Lotterie 6 aus 49 mittels Werbeträgern ohne deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie am 16.09.2008 geschehen und nachstehend wiedergegeben ist;

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3 ) Minderjährigen - beispielsweise durch den Verkauf von 1,00 Euro Losbrieflotterielosen - die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen.

Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin 40 % und die Antragsgegner als Gesamtschuldner 60 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegner im Verfahren der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung verschiedener Werbemaßnahmen und bestimmter Angebotsformen im Zusammenhang mit staatlichem Glücksspiel (Lotterie "6 aus 49") in Anspruch.

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Die Antragstellerin bietet auf der Internetseite … durch ein von ihr beauftragtes Unternehmen die Beteiligung an Gesellschaften bürgerlichen Rechts, sog. „Winfonds“ an, die die Gesellschaftsmittel u. a. in Lotterien, Wetten, Unterhaltungs - und Glücksspielen, auch staatlich konzessionierten Glücksspielen, einsetzen.

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Die Antragsgegnerin zu 1), deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 2) ist, vertreibt exklusiv in Rheinland-Pfalz eine festgelegte Anzahl an Glücksspielen, u.a. die Lotterie "Lotto 6 aus 49 ". Sie führt den Absatz ihrer Produkte über Annahmestellen im gesamten Land Rheinland - Pfalz, u.a. in Koblenz, Mainz und Remagen, durch.

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Vor diesen Annahmestellen werden zum Teil im öffentlichen Verkehrsraum Werbetafeln, sog. Aufsteller, platziert, auf denen sich Plakate befinden, die in großen weißen Zahlen auf schwarzem Untergrund in einem gelben Rahmen mit roten Kreuzchen und der schwarzen Überschrift „Jackpot“ die aktuelle Höhe desselben nennen. Weitere Hinweise, etwa auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger oder die Suchtgefahr, die von Glücksspiel ausgehen kann, befinden sich auf den Aufstellern nicht.

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Verschiedentlich finden sich an Fenstern und im Thekenbereich von Annahmestellen Plakate, auf denen in schwarzer Farbe auf weißem Grund neben einem gelblich gehaltenen Sektglas mit roten Kreuzchen der in einer Annahmestelle erzielte Gewinn beworben wird.

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Teilweise befindet sich in den Annahmestellen im Thekenbereich ein Flachbildschirm, auf dem für die Lotterie geworben wird, wobei dieser in unmittelbarer Nähe des Süßigkeitswarenangebots positioniert ist.

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Schließlich hatte die Antragsgegnerin zu 1) in einigen ihrer Annahmestellen frei zugängliche Automaten aufgestellt, in denen jedermann durch Einwurf eines Euros sog. Rubbellose erwerben konnte. Diese Automaten hat die Antragsgegnerin zu 1) zwischenzeitlich entfernt.

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Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 24.09.2008 und 26.09.2008 hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin zu 1) wegen der vorgenannten Werbemaßnahmen und Angebotsmodalitäten im Zeitraum vom 22.-24.08.2008 sowie 16.09.2008 erfolglos abgemahnt.

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Die Antragstellerin trägt vor:

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Sie stehe mit der Antragsgegnerin zu 1) in einem Wettbewerbsverhältnis. Die Werbung der Antragsgegnerin zu 1) auf den im öffentlichen Verkehrsraum aufgestellten Werbetafeln sei wettbewerbswidrig. Es handele sich dabei um eine einseitige, die Vorteile der Teilnahme am Glücks- spiel herausstellende Werbung, namentlich der blickfangmäßig in den Vordergrund gestellte maximale Gewinn der nächsten Ausspielung (Jackpot) stehe im Widerspruch zu § 1 GlüStV und den die Werbung für öffentliches Glücksspiel regulierenden Vorschriften des § 5 Abs.1, Abs.2 S.1 GlüStV . Die farblich-plakative Herausstellung der maximalen Gewinnsumme habe auffordernden Charakter, insbesondere da Hinweise zur Wahrscheinlichkeit über Gewinn und Verlust, das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, Suchtgefahren und Hilfsmöglichkeiten fehlten, wie es § 5 Abs.2 S. GlüStV fordere. Bei der Werbung unter Herausstellung der bei einer Annahmestelle erzielten Gewinne handele sich um eine unsachliche und anreizende Suggestivwerbung. Der Umstand, dass bei einer bestimmten Annahmestelle zuvor ein nicht unerheblicher Gewinn erzielt worden sei, habe keinerlei Auswirkungen auf die nächste Ziehung, insbesondere nicht auf die etwaige Erfolgswahrscheinlichkeit die durch die benannte Werbung suggeriert werde. Das Glücksspielangebot im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit einem Süßwarensortiment laufe dem Glücksspielstaatsvertrag zuwider. Dadurch werde der Zutritt Jugendlicher in den Bereich des staatlichen Glücksspielangebots gefördert. Der unbefangene Verbraucher gewinne den Eindruck, als handele es sich bei der Inanspruchnahme des Glücksspielsortiments um einen fröhlichen Zeitvertreib. Die Präsentation des Glücksspielsortiments der Antragsgegnerin zu 1) sei auf Absatz und Umsatzmaximierung, nicht aber auf Suchtprävention und Eindämmung der Spielleidenschaft gerichtet. Da die Teilnahme Minderjähriger am Glücksspiel unzulässig sei, habe die Antragsgegnerin zu 1) mit dem Aufstellen der Automaten, an denen Kinder unkontrolliert Rubbellose hätten erwerben können, gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstoßen. Der Antragsgegner zu 2) sei ebenfalls zur Unterlassung verpflichtet.

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Die Antragstellerin beantragt,

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den Antragsgegnern unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer, zu untersagen, bei Wettbewerbshandlungen auf dem Gebiet des Glücksspielwesens

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a) bei der Bewerbung der Lotterie 6 aus 49 den möglichen Höchstgewinn (sog. Jackpot) mitzuteilen und/oder mitteilen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Zeitraum vom 22. - 24. August 2008 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

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b) bei der Bewerbung der Lotterie 6 aus 49 den in einer Annahmestelle erzielten Gewinn mitzuteilen und/oder mitteilen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Zeitraum vom 22. - 24. August 2008 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

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c) die Teilnahme an Lotterien in öffentlich zugänglichen Ladenlokalen zu bewerben und/oder zu vertreiben und/oder zu vermitteln und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn dies im Zusammenhang mit - beziehungsweise ohne Abtrennung von - einem Süßwarenangebot erfolgt, wie im Zeitraum vom 22. - 24.08.2008 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

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d) die Lotterie 6 aus 49 mittels Werbeträgern ohne deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie am 16.09.2008 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

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e) Minderjährigen - beispielsweise durch den Verkauf von 1,00 EUR Losbrieflotterielosen - die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen.

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Die Antragsgegner beantragen,

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den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

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Sie tragen vor:

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hinsichtlich der Anträge zu Ziffer 1 a-c fehle ein Verfügungsgrund, da die nach gängiger Rechtsprechung für den Zeitraum zwischen Feststellung des angeblichen Wettbewerbsverstoßes und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltende Monatsfrist abgelaufen sei.

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Die Antragstellerin sei nicht aktivlegitimiert, da sie nicht glaubhaft gemacht habe, rechtmäßig oder überhaupt je in Rheinland-Pfalz Glücksspiel angeboten zu haben. Die Antragstellerin habe kein Rechtsverfolgungsinteresse, so dass sich ihr Antrag als rechtsmissbräuchlich darstelle. Die Geltendmachung des Anspruchs diene ausschließlich dazu, Kostenersatzansprüche zu generieren. Das schrittweise Vorgehen der Antragstellerin (Salami - Taktik) sei rechtsmissbräuchlich. Nachdem sie - die Antragstellerin - bereits im Juli 2008 in einem vorangegangenen Verfahren Teile des Internetauftritts der Antragsgegnerin zu 1) gerügt habe, stelle sie jetzt den zweiten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, was ihr damals bereits möglich gewesen sei. Der Antrag in Bezug auf die Werbetafeln sei zu unbestimmt. Er sei auch unbegründet, da die Jackpotwerbung nicht unlauter sei. Suchtprävention habe in der Werbung nichts zu suchen. Die Werbung auf Tafeln sei nicht mit den in der Gesetzesbegründung genannten "Rabatten, Gutscheinen und ähnlichen Aktionen" vergleichbar und auch nicht per se unsachlich und könne daher nicht unter Hinweis auf § 5 Abs.2 GlüStV verboten werden. Weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Landesausführungsgesetz gebe es eine Bestimmung, die ein so weitgehendes Vertriebsverbot wie die Untersagung des parallelen Vertriebs von Süßwaren in Annahmestellen tragen würde.

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Zu den Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den Akteninhalt des Verfahrens 20 AR (SH) 212/09 sowie die Sitzungsniederschrift vom 21.11.2008 (GA Bl. 70/71) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist hinsichtlich der Anträge b., d. und e. begründet, im Übrigen unbegründet.

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Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Angebots von Glücksspielen, insbesondere von Lottospielen. Sie betätigen sich auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt. Während die Antragsgegnerin zu 1) staatlich genehmigte Lottospiele in Rheinland-Pfalz anbietet, ist die Antragstellerin über ihr Internetangebot bundesweit, das heißt auch in Rheinland-Pfalz, tätig. Ob diese Tätigkeit in Deutschland legal ist, spielt bei der Beurteilung des Vorliegens der Aktivlegitimation der Antragstellerin keine Rolle. Insoweit kommt es allein auf das tatsächliche Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses an, es ist unerheblich, ob die eigene Tätigkeit der Antragstellerin, die das Wettbewerbsverhältnis begründet, gesetzwidrig ist (BGH GRUR 2005,519 f.; BayOLG München, Urt.v.31.07.2008, 29 U 3580/07).

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Offen bleiben kann auch die Frage der tatsächlichen Geschäftstätigkeit der Antragstellerin. Ob ein Verbraucher jemals von dem Angebot der Antragstellerin Gebrauch gemacht hat, ist unerheblich; entscheidend ist, dass ein Verbraucher vom Angebot der Antragstellerin Gebrauch machen könnte. Die von den Parteien erbrachten Dienstleistungen sind auch aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise austauschbar. Insoweit kommt es darauf an, dass ein durchschnittlich informierter, verständiger und aufmerksamer Durchschnittsverbraucher eine Substitution ernsthaft in Betracht zieht. Dies ist hier der Fall. Zwar führt die Antragstellerin anders als die Antragsgegnerin zu 1) nicht selbst Lottospieler durch. Sie verschafft ihren Kunden jedoch die Möglichkeit der Teilnahme an Lottoausspielungen mit der Aussicht auf Gewinn. Lediglich die rechtliche Ausgestaltung der Teilnahme an der Ausspielung ist unterschiedlich.

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Die Antragstellerin hat in dem sich aus dem Urteiltenor ergebenden Umfang einen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegner gemäß §§ 8 Abs.1, 3, 4 Nr.11 UWG; weitergehende Ansprüche stehen ihr nicht zu.

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Antrag a.

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Gemäß § 4 Nr.11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Marktteilnehmer sind neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind (§ 2 Nr.2 UWG). Die Vorschriften in § 5 Abs.1, Abs.2 S.1 GlüStV sind derartige Marktverhaltensregelungen. Sie dienen dem Schutz der Spieler und Spielinteressenten vor Glücksspielsucht; zu diesem Zweck setzen sie dem Werbeauftreten von Anbietern öffentlichen Glücksspiels auf dem Markt Grenzen.

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§ 5 Abs.1 GlüStV bestimmt, dass sich Werbung für öffentliches Glücksspiel zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken hat. § 5 Abs.2 S.1 GlüStV konkretisiert diese Beschränkung dahin, dass die Werbung nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern darf. Da jeder Art von Werbung ein gewisses Aufforderungs- bzw. Anreizmoment immanent ist, richtet sich dieses Verbot vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung, wie beispielsweise durch "Rabatte, Gutscheine oder ähnliche Aktionen". Dem kommt die Nennung der Jackpot-Höhe nicht gleich, weshalb die Werbung mit der Höhe eines Jackpots nicht generell unzulässig ist. Denn hierbei handelt es sich um eine Information, die gerade im legitimen Interesse von (potentiellen) Lotterieteilnehmern liegt. Nach § 5 GlüStV sind Informationen "über die Möglichkeiten zum Glücksspiel" zulässig. Dabei ist die Information über die "Möglichkeit zum Glücksspiel" so zu verstehen, dass dabei auch über das Glücksspiel selbst informiert werden kann. Alles andere wäre zweckwidrig, potentiell irreführend und liefe dem Ziel, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, zuwider. Trotz der mit der Jackpot-Nennung einhergehenden Anreizwirkung ist es aus Verbrauchersicht gerade von allerhöchster Wichtigkeit, die wesentlichen Rahmendaten eines Glücksspiels (Einsatz, möglicher Gewinn, Spielregeln) zu erfahren, um überhaupt eine rationale Entscheidung über die Wahrnehmung der "Möglichkeit zum Glücksspiel" treffen zu können. Dabei ist die Jackpot-Höhe nach der Lebenserfahrung im Fall des Lotto das maßgebliche objektive Rahmendatum, anhand dessen viele Personen ihre Teilnahmeentscheidung treffen. Die Nennung einer solchen Orientierungsgröße kann daher schlechterdings nicht untersagt werden. Das gilt auch für die Aufmachung im vorliegenden Fall. Angesichts der für den Verbraucher immensen Bedeutung der Jackpot-Höhe ist die farblich markante Präsentation auf einem Aufsteller, der anderenfalls als Information womöglich gar nicht wahrgenommen würde, nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Alleine die isolierte Nennung von Vorteilen des jeweiligen Glücksspiels stellt, wenn an diesen ein hohes Informationsinteresse besteht, ebenfalls keinen Verstoß gegen § 5 Abs.1, Abs.2 S.3 GlüStV dar. Auch die farbliche Gestaltung macht die Werbung der Antragsgegner nicht unangemessen. Zur Erzielung eines Werbeeffekts ist bei der Vielzahl der Werbemaßnahmen, denen sich ein Verbraucher täglich gegenübersieht, eine auffällige Gestaltung unerlässlich, um überhaupt die gewünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Um von einer unsachlichen, unangemessenen Einflussnahme sprechen zu können, bedürfte es des Hinzutretens weiterer Umstände, wie etwa eines auffordernden Slogans, einer Leuchtreklame oder Ähnlichem.

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Dass die Werbetafeln nicht die durch § 5 Abs. 2 S. 3 GlüStV gebotenen deutlichen Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten, bedarf im Zusammenhang mit dem Antrag a. keiner Erörterung, da dieser Verstoß keinen Niederschlag in der Fassung des von der Antragstellerin gestellten Antrags gefunden hat und daher nicht Streitgegenstand ist. Diesen Verstoß macht die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu c. geltend (s.u.).

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Antrag b.

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Die Werbung mit an einer Annahmestelle erzielten Gewinnen wie in den vom Antrag c. erfassten Fällen verstößt gegen § 5 Abs.1, Abs.2 S.1 GlüStV. Es handelt sich um Werbung, da die Mitteilung dazu dient, Verbraucher zur Teilnahme an der Lotterie aufzufordern. Denn zumindest Teile davon lassen sich von "Erfolgsgeschichten" zur eigenen Teilnahme motivieren. Sie ist unsachlich und unangemessen. Im Gegensatz zu Angaben zur Jackpot-Höhe stellt die Bekanntgabe, was in der Vergangenheit an einer bestimmten Annahmestelle gewonnen wurde, keine für die Teilnahme an einem Glücksspiel nützliche und notwendige Mitteilung von Rahmendaten der Lotterie dar; vielmehr handelt es sich dabei schon gar nicht um Rahmendaten, da sie auf das Ergebnis einer etwaigen Glücksspielteilnahme gar keinen Einfluss haben können. Objektiv kann ein etwaiger "Vor-Gewinn“ keinerlei Auswirkungen auf die Umstände eines späteren Glücksspiels, insbesondere auf die Erfolgswahrscheinlichkeit, haben. Nur unterschwellig werden gewisse Erwartungshaltungen bedient. Gerade ein solches Unterschieben irrelevanter Entscheidungskriterien ist evident unsachlich und verstößt daher gegen § 5 Abs.1, Abs.2 S.1 GlüStV.

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Antrag c.

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Soweit die Antragstellerin ein Verbot der Ermöglichung der Lotterieteilnahme im Zusammenhang mit Süßwarenangeboten erstrebt ist der Antrag unbegründet. Nach Auffassung der Kammer liegt in dieser Angebotsart - zumindest aufgrund der im Verfahren der einstweiligen Verfügung beschränkten Erkenntnismöglichkeiten - kein Verstoß gegen die Regelungen des Glückspielstaatsvertrags. Diesem und § 7 LGlüG lässt sich ausdrücklich nicht entnehmen, dass in den Annahmestellen neben dem Angebot der Lotterieteilnahme nicht auch andere Produkte vertrieben werden können. Ein wettbewerbswidriges Handeln läge nur vor, wenn gerade durch den Vertrieb im Zusammenhang mit einem Süßwarenangebot erhebliche Spielanreize gesetzt würden und dadurch Personengruppen, insbesondere Minderjährige, zur Teilnahme an der Lotterie verführt würden, die sonst nicht an einem Glücksspiel teilgenommen hätten. Eine diesbezügliche Lebenserfahrung gibt es nach Auffassung der Kammer nicht. Andere Erkenntnisquellen stehen im vorliegenden Verfahren nicht zur Verfügung. Deshalb vermag die Kammer nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass der unbefangene Verbraucher den Eindruck erhält, es handele sich bei der Inanspruchnahme des Glücksspielsortiments der Antragsgegnerin zu 1) um einen fröhlichen Zeitvertreib, wodurch die Suchtgefahr verharmlost werde. Insbesondere bei Minderjährigen trifft diese Annahme nach Auffassung der Kammer deshalb nicht zu, weil sie bei dem Versuch einer Glücksspielteilnahme erfahren werden, dass eine solche für sie untersagt ist.

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Antrag d.

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Der diesbezügliche Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ist begründet, da die Antragsgegner durch diese Art der Werbung gegen § 5 Abs.2 S.3 GlüStV verstoßen. Nach dieser Vorschrift darf Werbung nicht irreführend sein und muss deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten.

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Antrag e.

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Ebenfalls begründet ist der Anspruch auf Untersagung, Minderjährigen die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen. § 4 Abs.3 S.2 GlüStV bestimmt ausdrücklich, dass die Teilnahme von Minderjährigen an öffentlichen Glücksspielen unzulässig ist. Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass in einigen Annahmestellen der Antragsgegnerin zu 1) die Teilnahme an Losbrieflotterien über Automaten angeboten worden ist. Dies haben die Antragsgegner bestätigt und sich lediglich - ohne konkrete zeitliche Angaben - damit verteidigt, dass die Automaten aus den Annahmestellen entfernt seien. Dass die Automaten mit einem Altersverifikationssystem, das eine Nutzung durch Minderjähriger ausgeschlossen hätte, versehen waren, behaupten die Antragsgegner nicht.

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Allein mit dem Entfernen der Automaten ist die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Die dem Verletzer obliegende Widerlegung dieser Vermutung gelingt im allgemeinen nur dadurch, dass der Verletzer eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung abgibt. Dies haben die Antragsgegner nicht getan.

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Die Dringlichkeitsvermutung ist auch generell von den Antragsgegnern nicht widerlegt. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist rechtzeitig gestellt worden. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, Anfang September 2008 von den den Anträgen a.-c. und e. zugrunde liegenden Vorgängen Kenntnis erlangt zu haben, von demjenigen, der den Antrag d. betrifft, nach dem 16.09.2008. Der am 06.10.2008 eingegangene Verfügungsantrag wurde demzufolge nach allenfalls 4-5 Wochen und somit in zeitlicher Hinsicht ohne Zweifel nicht dringlichkeitsschädlich gestellt.

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Die Antragstellerin handelt nicht rechtsmissbräuchlich. Allein die Tatsache, dass sie zunächst aufgrund des Internetauftritts der Antragsgegnerin zu 1) einen erst in der Beschwerdeinstanz erfolgreichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und zeitlich später eine Untersagung der diesem Verfahren zu Grunde liegenden Verstöße erstrebt hat, besagt nicht, dass die Antragstellerin nicht alle ihr ursprünglich zur Verfügung stehenden Verbotsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Eine frühere Kenntniserlangung von den den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Vorfällen haben die Antragsgegner nicht dargetan und glaubhaft gemacht.

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Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Antragstellerin der Gestalt, dass ihr Vorgehen vorwiegend dazu dient, gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen (§ 8 Abs.4 UWG), sieht die Kammer nicht. Vielmehr spricht die Tatsache, dass die Antragstellerin für die Abmahnung vom 26.09.2008 ausdrücklich auf die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs verzichtet hat, gegen ein reines Kosteninteresse.

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Die Antragstellerin handelt auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie - nach der Darstellung der Antragsgegner - sich selbst wettbewerbswidrig verhält. Die Antragsgegner können sich auf diesen Einwand („unclean hands“) nicht berufen, da durch die beanstandeten Verstöße zugleich die Interessen der Allgemeinheit berührt werden.

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Die Unterlassungsansprüche bestehen auch gegen den Antragsgegner zu 2). Als alleiniger Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) ist er auch für den Bereich der Werbung zuständig und verantwortlich, was er zudem nicht in Abrede stellt.

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Kosten: § 92 Abs.1 ZPO

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Streitwert: 250.000 €

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