Urteil vom Landgericht Köln - 9 S 289/02
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Wipperfürth vom 31.10.2002 - 9 C 307/02 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen fabrikneuen Projektor Epson EMP-810 Zug um Zug gegen Zahlung von 3.001,55 EUR zu übergeben und zu übereignen.
Für den Fall, dass die vorgenannte Handlung nicht innerhalb eines Monats nach Rechtskraft dieses Urteils vorgenommen ist, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1.950 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
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Begründung (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO):
2I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, wobei der dort genannte Klageantrag hinsichtlich der Zug um Zug zu leistenden Zahlung statt auf 3.155 EUR richtig auf 3.001,55 EUR lauten muss (Schriftsatz der Klägerin vom 24.4.2002, Bl. 13 d. A.). Die Klägerin verfolgt, nachdem das Amtsgericht die Klage abgewiesen hat, mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren weiter, die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.
3II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund wirksamen Kaufvertrages einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung eines Projektors, wie ihn die Beklagte im Internet angeboten hat, und zu dem dort angegebenen Preis von 3.001,55 EUR, § 433 Abs. 2 BGB.
41. Ein entsprechender Kaufvertrag ist - insoweit ist dem Amtsgericht zu folgen - durch die am 18.1.2002 um 16.34 Uhr übersandte Erklärung der Beklagten, der erteilte Auftrag werde bald ausgeführt, zustande gekommen. Diese Erklärung ist, obgleich automatisiert aufgrund vorheriger Programmierung (also mittels "Auto-Reply") abgegeben, der Beklagten als eigene Willenserklärung zuzurechnen, weil der eingesetzte Rechner nur Befehle ausführt, die zuvor mittels Programmierung von Menschenhand festgelegt wurden, und die Erklärung deshalb ihren Ursprung in einer von der Beklagten veranlassten und auf ihren Willen zurückgehenden Handlung hat (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2002 - 9 U 94/02 - JurPC-Web-Dok 91/2003, S. 6). Die Erklärung ist deshalb so zu behandeln, als sei sie ohne Einsatz der Auto-Reply-Programmierung zustande gekommen. Die Frage, welche Zeitspanne zwischen der Abgabe des Angebots und der elektronisch erklärten Annahme verstreicht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil sich der Erklärende auch bei für den Erklärungsempfänger erkennbarer automatisch generierter Erklärung am Inhalt derselben festhalten lassen muss.
5Aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers ist dieser Erklärung zweifelsfrei zu entnehmen, dass das elektronisch übermittelte Vertragsangebot der Klägerin angenommen wird. Insbesondere liegt in dieser Erklärung nicht nur die Bestätigung des Eingangs der Bestellung auf elektronischem Wege, wie sie die am 1.1.2002 in Kraft getretene Vorschrift des § 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB erfordert. Der Hinweis auf die baldige Ausführung kann nur als Annahme des von der Klägerin unterbreiteten Angebotes verstanden werden. Wenn der Lieferant lediglich den Zugang bestätigen möchte, sich die Annahme des Angebotes aber noch offen halten will, muss er dieses eindeutig klar stellen (so auch OLG Frankfurt, a.a.O., JurPC-Web-Dok 91/2003, S. 5 f.). Der Fall weicht entscheidend ab von demjenigen, den das Amtsgericht Butzbach (Verbraucher und Recht 2003, S. 34 = JurPC-Web-Dok 348/2002) zu entscheiden hatte. Die in dem dortigen Fall verwandte Formulierung "Wir werden Ihren Auftrag umgehend bearbeiten" mag, wie dort entschieden, einer Auslegung dahingehend zugänglich sein, dass lediglich die Entgegennahme des Auftrags bestätigt, nicht aber bereits dessen Annahme erklärt werden soll. Die in dem vorliegenden Fall gewählte Formulierung, wonach der Auftrag bald ausgeführt wird, lässt dagegen eine solche Auslegung nicht zu. Die "Ausführung" eines Auftrages liegt nach dem maßgeblichen allgemeinen Sprachverständnis nämlich in seiner Erledigung bzw. Erfüllung, während unter "Bearbeitung" eines Auftrages auch z. B. dessen Weitergabe zwecks Prüfung verstanden werden kann.
62. Die Annahmeerklärung der Beklagten wurde auch nicht wirksam angefochten. Zwar liegt, wie das Amtsgericht zutreffend entschieden hat, in der am selben Tag um 17.00 Uhr übersandten Erklärung der Beklagten eine Anfechtungserklärung, indes war ein Anfechtungsgrund nicht gegeben. Dabei folgt die Kammer der amtsgerichtlichen Entscheidung auch insoweit, als der klägerseits vorgetragene Irrtum nicht als Kalkulations-, sondern als Erklärungsirrtum und damit nach § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB grundsätzlich beachtlich einzustufen ist. Eine auf diesen Irrtum gestützte Anfechtung kommt gleichwohl nicht in Betracht, weil der Irrtum nach dem klägerischen Sachvortrag allenfalls bei der Einstellung der Preisangaben ins Internet, nicht aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung vorgelegen hat. Dieser Zeitpunkt ist zunächst derjenige der Versendung der Erklärung, also der 18.1.2002, 16.34 Uhr. Wegen der Besonderheiten des Falles ist zudem auf den Zeitpunkt der Programmierung der Auto-Reply-Funktion abzustellen, indes liegt ein relevanter Irrtum auch bezogen auf diesen Zeitpunkt nicht vor. In keinem Fall ist indes der Zeitpunkt der Einstellung der Preisangaben in das Internet relevant, so dass die Kammer über die entsprechenden Behauptungen der Beklagten, die die Klägerin bestreitet, nicht Beweis zu erheben hat. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Klägerin vor Zugang der Anfechtungserklärung Kenntnis von der nur 26 Minuten zuvor übersandten Annahmeerklärung hatte.
7Bei Abgabe der die Annahme des klägerischen Vertragsangebotes enthaltenden Willenserklärung der Beklagten, also am 18.1.2002 um 16.34 Uhr, lag ein Irrtum der Beklagten schon deswegen nicht vor, weil diese Willenserklärung aufgrund vorheriger Programmierung automatisch erstellt wurde und eine Willensbildung zu diesem Zeitpunkt nicht stattfand. Was die Beklagte unter Zuhilfenahme der sog. Auto-Reply-Funktion erklären wollte, ist daher unter Rückgriff auf die Situation zum Zeitpunkt der Programmierung zu ermitteln. Diese erfolgte so, dass das eingesetzte Computerprogramm die in der späteren Erklärung enthaltenen Daten, also auch die Angabe des Preises, automatisch übernommen, und zwar entweder direkt aus der von der Beklagten programmierten Internetseite oder aus dem von der Klägerin übersandten elektronischen Angebot, welches seinerseits elektronisch aus den in die Internetseite eingestellten Daten generiert worden ist. Diese - direkte oder indirekte - Übernahme der entsprechenden Daten aus dem Internetangebot der Beklagten funktionierte aber einwandfrei. Es wurden, wie bei der Programmierung vorgesehen, diejenigen Daten in die Erklärung übernommen, die die Beklagte zuvor ins Internet eingestellt hatte. Dass diese Daten - wie geschehen - unzutreffend waren, weil bei der Eingabe (wie von der Beklagten vorgetragen) möglicherweise der DM- mit dem Euro-Betrag verwechselt worden war, führt allenfalls zur Annahme eines (unbeachtlichen) Motivirrtums des Inhalts, dass die in die Internetseite eingegebenen Preise auch die zutreffenden seien. Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen, in der ein Verkäufer den Preis in einer Liste nachsieht und seiner Willenserklärung den dort verzeichneten Preis zugrundelegt in der Vorstellung, es handele sich um den richtigen Preis. Ein im Sinne von §§ 119 ff. BGB beachtlicher Irrtum liegt in dieser Situation nicht vor, wenn der in der Liste verzeichnete Preis unzutreffend ist (etwa aufgrund "Währungsversehens", also Verwechslung von DM- und Euro-Beträgen, vgl. LG Flensburg, Urt. v. 3.9.2002 - 1 S 38/02 - JURIS).
8Auf einen Irrtum bei der Einstellung der Preisangaben in das Internet kann sich die Beklagte dagegen nicht berufen. Abweichend von der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt (a.a.O., JurPC-Web-Dok 91/2003, S. 7) ist die Kammer der Meinung, dass ein nach §§ 119 ff. BGB relevanter Irrtum, der einer den Vertragserklärungen vorangegangenen invitatio ad offerendum anhaftet, nicht in rechtlich relevanter Weise auf die Annahmeerklärung "fortwirkt". Das Oberlandesgericht Frankfurt begründet seine Auffassung damit, aufgrund der automatischen Erstellung der Annahmeerklärung habe der Erklärende keine Möglichkeit, den der invitatio ad offerendum anhaftenden Fehler (im dortigen Fall: ein Übermittlungsirrtum gem. § 120 BGB) zu bemerken oder zu korrigieren. Die invitatio ad offerendum sei ein zum Schutz des Anbieters entwickeltes Rechtsinstitut, das diesem nicht im Ergebnis zum Nachteil gereichen dürfe. Dem folgt die Kammer nicht. Übersehen wird dabei nämlich, dass auch in vielen anderen Fällen die der invitatio ad offerendum zu Grunde liegenden Angaben bei Abgabe der bindenden, inhaltlich auf der invitatio fußenden Willenserklärung nicht mehr überprüfbar und damit auch nicht mehr korrigierbar sind. Ist etwa im Schaufenster ausgestellte Ware aufgrund eines Erklärungsirrtums falsch ausgezeichnet und erklärt der im Geschäft anwesende Verkäufer, der keine weiteren Preisinformationen hat, entsprechend dieser Falschauszeichnung die Annahme des Vertragsangebots des Kunden, so liegt dieser Erklärung unzweifelhaft kein im Sinne von §§ 119 ff. BGB relevanter Irrtum zugrunde, sondern lediglich der - unbeachtliche - Irrtum, die Preisangabe sei die zutreffende (vgl. ferner den vom Landgericht Flensburg a.a.O. entschiedenen Fall). Durch die Einschaltung eines programmierten Rechners ergeben sich nach Auffassung der Kammer keine relevanten Unterschiede. Das Ergebnis ist dasselbe, wie wenn die Beklagte eine Hilfsperson beauftragt hätte, etwa die ersten 100 Angebote zu den Bedingungen der Internetseite anzunehmen, ohne dass dieser Hilfsperson irgendein Entscheidungsspielraum verbleiben sollte.
9Die Kammer vermag auch die vom Oberlandesgericht Frankfurt angenommene Schutzwürdigkeit des Verkäufers nicht zu erkennen. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ist nämlich derjenige, der Waren über das Internet anbietet, gehalten, aufgrund automatischer Programmierung vorgefertigte rechtsverbindliche Annahmeerklärungen zu versenden und sich der Möglichkeit einer nochmaligen Kontrolle seiner Preisangaben auf diese Weise vollständig zu begeben. Es steht ihm frei, die gemäß § 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB erforderliche Bestätigung so zu formulieren, dass eine anschließende Ablehnung des Vertragsangebots möglich bleibt (hierzu Winter, Anmerkung zu AG Butzbach a.a.O., Verbraucher und Recht 2003, S. 36 f.). Ein Bedürfnis, den Verkäufer so zu stellen, wie wenn er statt der invitatio ad offerendum bereits ein verbindliches Angebot abgegeben hätte, ist daher nicht gegeben.
103. Schließlich ist die Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht gehindert, die Beklagte auf Erfüllung des geschlossenen Vertrages in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn der Klägerin die Abweichung von rund 50 % von einem gedachten durchschnittlichen Verkaufswert des streitgegenständlichen Projektors bekannt gewesen sein sollte, musste sich für die Klägerin hieraus nicht mit der gebotenen Zwangsläufigkeit ein Versehen der Beklagten aufdrängen. Dass Waren, zumal über das Internet, von einem Anbieter teilweise deutlich günstiger als von anderen angeboten werden, ist keine Seltenheit. Der vom Oberlandesgericht Frankfurt a.a.O. entschiedene Fall weicht hiervon erheblich ab, weil dort aufgrund eines Übermittlungsirrtums die invitatio ad offerendum auf nur 1 % des richtigen Preises lautete.
11III. Die Beklagte war zudem antragsgemäß gemäß § 510b ZPO zur Zahlung einer Entschädigung für den Fall der Nichterfüllung zu verurteilen. Bei der Höhe der Entschädigung hat die Kammer sich an der Höhe des klägerseits unbestritten vorgetragenen Erfüllungsinteresses orientiert.
12IV. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO war aufgrund der Abweichung von der dargestellten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt die Revision zuzulassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
13V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
14Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.001,55 EUR
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