Beschluss vom Landgericht Köln - 19 T 262/03
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 04.11.2003 (Datum der Beschlußausfertigung: 05.11.2003) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
1
G r ü n d e :
2Der Gläubiger hat unter dem 06.03.2002 den Antrag gestellt, über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren zu eröffnen, weil Abgabenrückstände in Höhe von 35.804,33 EUR bestünden. Nach Anhörung des Schuldners und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 01.07.2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und Rechtsanwalt S aus X zum Insolvenzverwalter bestellt. Da der Schuldner, der trotz entgegenstehenden Beschlusses der Gläubigerversammlung seine ärztliche Praxis weiterbetreibt, auf vielzählige Anfragen des Insolvenzverwalters bezüglich der Vorlage von Praxisunterlagen teilweise nicht reagiert hat bzw. nur zögerlich unvollständige Unterlagen vorgelegt hat, hat der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 16.06.2003 die zur Durchführung des Insolvenzverfahrens benötigten Auskünfte konkretisiert. Er hat neben Angaben über Einkünfte aus der Weiterführung des Praxisbetriebes und Abrechnungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung insbesondere Auskunft darüber begehrt, welche Privatpatienten der Schuldner seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu welchem Honorar wann behandelt hat und welche dieser Forderungen noch nicht beglichen worden sind.
3Mit Beschluß vom 04.07.2003 hat das Amtsgericht angeordnet, daß der Schuldner dem Insolvenzverwalter durch den Gerichtsvollzieher vorgeführt werden solle, damit er seinen Mitwirkungs- und Auskunftspflichten nachkomme. Nachdem der Schuldner weitere Einzelbelege, nicht aber seine Privatliquidationen, zur Verfügung gestellt hatte, hat das Amtsgericht unter dem 04.11.2003 Haftbefehl gegen den Schuldner erlassen.
4Zur Begründung hat es ausgeführt, der Schuldner sei den ihm obliegenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen; insbesondere habe er im Hinblick auf
5§ 91 InsO die Privatliquidationen vorzulegen, zumal er sich weder auf § 114 InsO noch auf seine sich aus § 203 StGB ergebende ärztliche Schweigepflicht berufen könne.
6Der Schuldner hat nach Erlaß des Haftbefehls dem Insolvenzverwalter 250 Privatrechnungen, in denen Namen und Anschriften der behandelten Patienten geschwärzt
7worden sind, überreicht.
8Mit Schriftsatz vom 18.11.2003, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, hat
9der Schuldner sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl erhoben. Er meint, alle
10erforderlichen Auskünfte erteilt zu haben; Abschriften der Privatliquidationen seien in anonymisierter Form überreicht worden, zur Angabe der vollständigen Patientendaten sei er im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht nicht berechtigt; überdies unterfielen die Einnahmen aus privatärztlichen Behandlungen ohnehin nicht der Insolvenzmasse, weil er sämtliche künftigen Ansprüche insoweit bereits im Jahre 1996 an seine Ehefrau abgetreten habe; eine geordnete Zusammenstellung seiner Einnahmen erfordere
11einen Betrag von 5.155,20 EUR; er sei nicht verpflichtet, mit einem erheblichen
12Arbeitsaufwand ohne entsprechende Vergütung Auskunft zu erteilen; letztendlich
13sei er wegen einer Erkrankung nicht haftfähig.
14Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Schuldners nicht abgeholfen und die Akten mit Beschluß vom 27.11.2003 der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
15Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist statthaft gemäß §§ 98 Abs. 3 S. 3, 4,
166 InsO, 567 ff. ZPO. Sie hat aber in der Sache selbst keinen Erfolg.
17Das Amtsgericht hat gemäß § 98 Abs. 2 InsO zu Recht die Haft gegen den Schuldner angeordnet, weil dieser den sich aus § 97 Abs. 1 InsO ergebenden Auskunftspflichten nicht nachgekommen ist. Die Kammer nimmt insoweit zunächst zur Vermeidung
18entbehrlicher Wiederholungen auf die zutreffenden und auch nach Maßgabe des
19Beschwerdevorbringens kaum ergänzungsbedürftigen Gründe des angefochtenen
20Beschlusses Bezug.
21Nach § 97 Abs. 1 InsO trifft den Schuldner eine umfassende Auskunftspflicht, die
22sich auf alle rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erstreckt, die für das
23Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können. Diese Auskunftspflicht umfaßt
24insbesondere die Umstände des Entstehens von Forderungen und Verbindlichkeiten. Hierzu gehören jedenfalls auch die Einnahmen des Klägers aus privatärztlichen
25Behandlungen. Die unzureichende Auskunftserteilung des Schuldners insoweit rechtfertigt bereits den Erlaß eines Haftbefehls, ohne daß im derzeitigen Verfahrensstadium zu prüfen ist, ob der Schuldner im übrigen seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten genügt hat.
26Entgegen der Rechtsauffassung des Schuldners unterfallen Forderungen aufgrund
27privatärztlicher Behandlungen seit der Insolvenzeröffnung der Insolvenzmasse.
28Der zwischen dem Schuldner und seiner Ehefrau vor der Insolvenzeröffnung
29geschlossene Abtretungsvertrag steht dem nicht entgegen. Der Schutzzweck des
30§ 91 Abs. 1 InsO bezieht auch eine Abtretung künftiger Forderungen mit ein; im
31Gegensatz zu im Zeitpunkt der Abtretung bereits bedingt begründeten Forderungen sind erst künftig nach der Abtretung entstehende Forderungen nicht insolvenzfest (BGH NJW 2003, 2744, 2746; Uhlenbruck/Uhlenbruck, Insolvenzordnung 12. Auflage, § 91 Rdnr. 1). § 114 Abs. 1 InsO rechtfertigt bereits deshalb keine anderweitige
32Beurteilung, weil diese Vorschrift Ansprüche, die aus einer selbständigen Tätigkeit
33erwachsen, ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach nicht erfaßt (Uhlenbruck/Berscheid, Insolvenzordnung 12. Auflage, § 114 Rdnr. 6).
34Weiterhin kann der Schuldner sich nicht mit Erfolg darauf berufen, seiner aus § 97 Abs. 1 InsO folgenden Auskunftspflicht durch die Einreichung anonymisierter Rechnungen genügt zu haben, weil er wegen der Regelung des § 203 StGB nicht befugt sei, die Namen und Anschriften der von ihm behandelten Privatpatienten zu nennen.
35Die Kammer verkennt insoweit nicht, daß die Patienten des Schuldners ein Interesse daran haben, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegenden Daten auch im
36Insolvenzverfahren geschützt zu wissen. Die Aushändigung sämtlicher Privat-
37rechnungen an den Insolvenzverwalter, verbunden mit der Angabe, ob und wann
38die sich hieraus ergebenden Forderungen an wen gezahlt worden sind, führt aber
39nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der Patientenrechte. Hierbei ist
40insbesondere zu berücksichtigen, daß die Liquidationen nicht der Öffentlichkeit
41zugänglich gemacht werden sollen, sondern der Insolvenzverwalter ebenfalls der
42anwaltlichen Schweigepflicht unterworfen ist. Das Nichtbestehen einer Auskunftspflicht des Schuldners, soweit dessen Schweigepflicht betroffen ist, würde zu einem von
43der Insolvenzordnung nicht vorgesehenen Vollstreckungsschutz und damit zu
44einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger von Schuldnern schweigepflichtiger
45Berufe führen. Nur bei Angabe auch der Namen und Anschriften der behandelten
46Privatpatienten kann der Insolvenzverwalter prüfen, wegen welcher Forderungen
47er sich an den Schuldner oder aber dessen Ehefrau als Abtretungsempfängerin
48wegen unberechtigten Forderungseinzugs wenden kann und welche Forderungen
49er im Gegensatz dazu gegenüber Patienten liquidieren muß (vgl. hierzu BGH
50InVO 1999, 205 ff.; BGH NJW-RR 2004, 54; Uhlenbruck/Uhlenbruck,
51Insolvenzordnung 12. Auflage, § 35 Rdnr. 84; Vallender, Rechtliche und
52tatsächliche Probleme bei der Abwicklung der Arztpraxis in der Insolvenz, NZI
532003, 530 ff.). Dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der Patienten kann
54ohne weiteres dadurch Rechnung getragen werden, daß die aus der Rechnung
55hervorgehende ärztliche Diagnose unkenntlich gemacht wird.
56Soweit der Schuldner überdies die Auffassung vertritt, die Überreichung sämtlicher
57Privatrechnungen verbunden mit den erforderlichen Angaben zu deren Zahlung
58bedeute einen erheblichen Arbeitsaufwand, der mit einem Betrag von 5.155,20 EUR
59zu vergüten sei, ist festzustellen, daß die Insolvenzordnung abgesehen davon, daß
60die Höhe dieses Betrages für eine schlichte Auskunftserteilung wenig nachvollziehbar erscheint, eine Honorierung des Schuldners für die Erfüllung seiner Mitwirkungs-
61pflichten nicht vorsieht (vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, Insolvenzordnung 12. Auflage,
62§ 97 Rdnr. 20). Der Schuldner ist demnach nicht berechtigt, seine Auskunftserteilung
63von einer Kostenerstattung abhängig zu machen.
64Letztendlich kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, wegen seiner Erkrankung nicht haftfähig zu sein. Unabhängig davon, daß sich seine Haftunfähigkeit dem zu den Akten gereichten ärztlichen Attest nicht entnehmen läßt, ist eine etwaige Erkrankung des Schuldners allenfalls geeignet, nach §§ 98 Abs. 3 S. 1 InsO, 906 ZPO den Vollzug des Haftbefehls zu hindern. Nicht jedoch steht sie dessen Erlaß und seiner Aufrechterhaltung entgegen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO 24. Auflage, § 901 Rdnr. 4; Thomas/Putzo, ZPO 24. Auflage, § 906 Rdnr. 1).
65War nach alledem der Erlaß eines Haftbefehls zur Durchsetzung der dem Schuldner obliegenden Auskunftspflichten geboten, so stellt sich dieser auch nicht als im Einzelfall unverhältnismäßig dar. Der Schuldner hatte seit der Verfahrenseröffnung bis zum Erlaß des Haftbefehls ein Jahr und vier Monate Zeit, seine Auskunftspflichten freiwillig zu erfüllen. Auch der unter dem 04.07.2003 ergangene Vorführbefehl hat den Schuldner nicht zur weiteren Mitwirkung im Verfahren motivieren können. Ein weniger
66einschneidendes Mittel zur Durchsetzung der Pflichten des Schuldners steht nicht
67zur Verfügung.
68Die sofortige Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge aus §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
69Beschwerdewert: 1.000 EUR (vgl. Beschluß der Kammer vom 15.04.2002,
70Az.: 19 T 38/02).
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