Urteil vom Landgericht Köln - 10 S 38/04
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Köln - 222 C 508/02 - vom 03.04.2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 525 S. 1, 542 Abs. 1, 543, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
2E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
3Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt - unter Abänderung des angefochtenen Urteils - zur Abweisung der auf Beseitigung der von den Beklagten angebrachten Parabolantenne gerichteten Klage. Die Beklagten haben auf der Grundlage des zwischen den Parteien fortbestehenden Mietverhältnisses einen Anspruch darauf, dass die Klägerin die Parabolantenne - weiterhin - duldet. Dieser Anspruch steht der von der Klägerin geltend gemachten Beseitigung der Parabolantenne entgegen.
4Der vorgenannte Anspruch ergibt sich daraus, dass die Abwägung der im Rahmen des vertragsgemäßen Mietgebrauchs im Sinneder §§ 535, 536 BGB zu wertenden einschlägigen grundrechtsrelevanten Interessen der Parteien, nämlich des durch Artikel 5 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz GG geschützten Informationsinteresses der Beklagten und des durch Artikel 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Eigentumsinteresses der Klägerin, ein Überwiegen des Interesses der Beklagten ergibt.
5Das Interesse der Beklagten richtet sich darauf, anstelle der vier türkischsprachigen Fernsehsender, die über den im Objekt S Straße ## vorhandenen Kabelanschluss empfangen werden können, mit Hilfe der von ihnen angebrachten Satellitenempfangsanlage die dreifache Zahl an türkischsprachigen Sendern, nämlich zwölf Sender, empfangen zu können. Die Kammer hat insoweit den in erster Instanz unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin zugrunde gelegt, wonach vier türkischsprachige Sender über Kabel empfangen werden können, davon drei - wie im Berufungsverfahren klargestellt worden ist - nach Zukauf und Installation einer sogenannten D-Box. Soweit die Beklagten erstmals im Berufungsverfahren bestritten haben, dass über Kabel - wie vorgenannt - vier türkischsprachige Sender zu empfangen seien, sind die Beklagten mit diesem Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Was die Zahl der über Satellit zu empfangenden türkischsprachigen Sender angeht, hatte die Kammer den in erster Instanz unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten zugrunde zu legen, wonach sie über Satellit insgesamt zwölf - im Einzelnen aufgeführte - Sender empfangen können. Soweit die Beklagte erstmals im Berufungsverfahren - ohne nähere Substantiierung und von der Klägerin bestritten - behauptet haben, sie könnten über Satellit sogar zwanzig bzw. dreißig türkischsprachige Sender empfangen, so sind die Beklagten auch mit diesem Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen.
6Das vorgenannte Interesse der Beklagten, anstelle von vier türkischsprachigen Sendern, die dreifache Zahl, nämlich zwölf Sender, empfangen zu können, ist ein grundrechtsrelevantes Interesse von erheblichem Belang. Ein greifbares Interesse der dem türkischen Kulturkreis entstammenden Beklagten an der Auswahl zwischen einer möglich großen Anzahl von Heimatprogrammen liegt auf der Hand. Dieses Interesse wird vorliegend noch besonders dadurch verstärkt, dass die Beklagten - wie sie unwidersprochen vorgetragen haben - der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig sind. Die Möglichkeit einer solchen Auswahl an einer möglichst großen Zahl von Programmen wirkt der Gefahr einseitiger Information entgegen und eröffnet dem Benutzer die Möglichkeit diejenigen Sendungen zu empfangen, die seinen persönlichen Interessen, Neigungen und Bedürfnissen am besten entsprechen (vgl. grundlegend: BVerfG, WuM 1995, 693 f).
7Letztlich ohne Erfolg hält die Klägerin dem entgegen, dass Informationsbedürfnis der Beklagten werde durch die über Kabel zu empfangenden türkischsprachigen Sender, die sogenannte "Vollprogramme" böten, hinreichend befriedigt. Die Kammer verkennt nicht, dass das vorgenannte Informationsinteresse der Beklagten - noch - schwerer wiegen würde, wenn die Beklagten ohne Satellitenempfangsanlage nur einen oder gar keinen türkischsprachigen Sender empfangen könnten. Andererseits liegt die entscheidende Schwäche der vorzitierten Argumentation der Klägerin darin, dass sie - notwendigerweise - zu einer inhaltlichen Bewertung der Programmangebote der Sender zwingt, nämlich dahin, ob die zur Verfügung stehenden Senderangebote das Informationsinteresse der Beklagten befriedigen oder nicht. Eine solche objektivierende Betrachtung aber ist kaum möglich; denn ein Programmangebot, das dem einen Nutzer genügt, mag einem anderen Nutzer als gänzlich unzureichend erscheinen. Vor allem aber ist eine inhaltliche Bewertung der ausgestrahlten Programme - als mehr oder weniger geeignet, ein objektiviertes Informationsbedürfnis zu befriedigen - dem Schutzgedanken der Informationsfreiheit schon im Ansatz fremd. Der Schutz der Informationsfreiheit besteht nämlich unabhängig von der - wie auch immer objektiviert zu fassenden - "Qualität" der ausgestrahlten Inhalte. So ist der Empfang von Nachrichtensendungen mit fundierten, ausführlichen Berichten in gleicher Weise geschützt wie der Empfang von Sendungen mit oberflächlichen oder gar inhaltlich falschen Nachrichten, der Empfang von abgewogenen Meinungsäußerungen in gleicher Weise wie die Entgegennahme von einseitigen, ggf. sogar reißerischen Ansichten und schließlich der Empfang von Nachrichten, politischen, sozialen oder kulturellen Beiträgen in gleicher Weise wie er von Musik- und Unterhaltungssendungen.
8Gegenüber dem vorerörterten Informationsinteresse der Beklagten tritt die durch die Parabolantenne bewirkte Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin als von nur untergeordnetem Gewicht zurück. Das Objekt der Klägerin ist - ausweislich der vorgelegten Fotografien - von eher zweckmäßig einfachem Zuschnitt und befindet sich - wie gerichtsbekannt ist - in einer nicht unbedingt bevorzugten Stadtlage von L. Außer den Beklagten haben noch fünf andere Mieter Parabolantennen von vergleichbarer Art und Größe nach außen gut sichtbar am Objekt montiert. Dass der Klägerin gegen diese anderen Mieter ein Rechtsanspruch auf Beseitigung der Parabolantennen zusteht und dass die Klägerin solche unterstellten Ansprüche auch verfolgt, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Ist aber die von den Beklagten angebrachte Parabolantenne nur eine von mehreren, so ist ein greifbarer optischer "Gewinn" für das Objekt der Klägerin, falls die Antenne der Beklagten entfernt würde, nicht ersichtlich. Was schließlich das durch das Holz der Balkontür geführte Kabel der Satellitenempfangsanlage betrifft, so liegt hierin nur eine Eigentumsbeeinträchtigung von ganz untergeordnetem Gewicht. Das kleine Kabelloch kann nämlich bei Auszug der Beklagten mit geringem Aufwand - durch Verschluss der Kabelöffnung mit einem geeigneten Kitt und durch entsprechendes Beilackieren - wieder rückgängig gemacht werden.
9Die von der Klägerin verfolgte Beseitigung der durch die Beklagten angebrachten Parabolantenne ist auch nicht unter anderen rechtlichen Aspekten geboten. Allerdings verkennt die Kammer nicht, dass die Beklagten für etwa durch die Parabolantenne angerichtete Schäden jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung - noch - keine Haftpflichtversicherung eingedeckt hatten. Das Bestehen einer solchen Versicherung aber ist - nach gefestigter Rechtsprechung - Voraussetzung für einen Anspruch des Mieters auf Duldung einer derartigen Antenne. Aus dem Fehlen der Versicherung aber kann die Klägerin vorliegend nach Treu und Glauben nichts für sie Günstiges herleiten: Hätte die Klägerin die Duldung der Parabolantenne vom Bestehen einer Haftpflichtversicherung abhängig machen wollen, so hätte die Klägerin die Beklagten auffordern müssen, das Bestehen einer solchen Versicherung nachzuweisen, bevor die Klägerin die Entfernung der Antenne verlangte. Eine solche Aufforderung ist indes nie erfolgt. Vielmehr hat sich die Klägerin - letztlich zu Unrecht - aus grundlegenden Erwägungen - und ganz unabhängig von der Frage des Bestehens einer Haftpflichtversicherung - auf den Standpunkt gestellt, sie brauche die von den Beklagten angebrachte Parabolantenne nicht weiter zu dulden.
10Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 713 ZPO.
11Streitwert für das Berufungsverfahren:
12bis 600,00 EUR
13(nach dem - geschätzten - Interesse der Klägerin an der Beseitigung der von den Beklagten angebrachten Parabolantenne)
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Referenzen
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