Urteil vom Landgericht Köln - 107-3/04
Tenor
1.
Der Angeklagte A ist der Untreue und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr schuldig.
Er ist ferner schuldig der Steuerhinterziehung in vier Fällen.
Er wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
drei Jahren und neun Monaten
verurteilt.
2.
Der Angeklagte Dr. B ist der Beihilfe zur Untreue und der Bestechung im geschäftlichen Verkehr schuldig.
Er wird zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Er wird ferner zu einer
Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 165,00 €
verurteilt.
Soweit der Angeklagte Dr. B wegen Steuerhinterziehung angeklagt worden ist, wird er freigesprochen.
3.
Der Angeklagte C wird
freigesprochen.
Ihm ist Entschädigung für die Zeit der Untersuchungshaft vom 13.06.2002 bis zum 13.09.2002 aus der Staatskasse zu leisten.
4.
Der Angeklagte A trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Der Angeklagte Dr. B trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen, soweit er verurteilt worden ist. Soweit er freigesprochen worden ist, fallen der Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zur Last.
Soweit das Verfahren den Angeklagten C betrifft, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten C entstandenen notwendigen Auslagen.
Die dem Verfallsbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
5.
Ein Verfall wird nicht angeordnet.
(Angewendete Vorschriften:
hinsichtlich des Angeklagten A:
§§ 266, 299, 25, 53 StGB, § 370 AO
hinsichtlich des Angeklagten Dr. B:
§§ 266, 299, 25, 27, 53 StGB)
1
G r ü n d e:
2A.
3Feststellungen zur Person:
I. Der Angeklagte A
4Der Angeklagte A wurde am 23.03.1944 in Breslau geboren. Sein Vater fiel 1945 im Zweiten Weltkrieg, so dass der Angeklagte zunächst alleine mit seiner Mutter aufwuchs. Diese heiratete erneut, als der Angeklagte A 12 oder 13 Jahre alt war.
5Von 1950 bis 1955 besuchte der Angeklagte die Volksschule, legte 1962 die Mittlere Reife ab und begann sodann eine Tätigkeit beim N8. Dort war er bis 1964 beschäftigt. In den Jahren 1964 bis 1967 absolvierte der Angeklagte A die Inspektorenlaufbahn: so wurde er am 01.04.1967 zunächst Landesinspektor zur Anstellung, 1969 sodann Landesinspektor. 1970 nahm er eine Tätigkeit bei der GemeindeO8 als Gemeindeoberinspektor auf. 1971 kam der Angeklagte zur Stadt Köln und bekleidete dort seit dem 01.12.1971 die Stelle eines Stadtamtmannes. Am 01.08.1973 übernahm er eine als Stadtamtsratsstelle ausgestattete Stelle. Im Dezember 1976 erhielt er eine mit Oberamtsrat bewertete Stelle. Am 01.10.1977 wurde der Angeklagte Stadtamtsrat und im Jahr 1978 Stadtoberamtsrat. Von 1975 bis 1984 war er nebenamtlich zudem als Dozent an der Verwaltungshochschule Köln im Bereich Verwaltungsorganisation tätig. 1979 wurde der Angeklagte A Gruppenleiter im Hauptamt der Stadt Köln. Am 01.10.1981 erfolgte die Ernennung zum Verwaltungsrat. Im Januar 1983 nahm er die Position als persönlicher Referent des Dezernenten für Personal und Organisation - des Leiters für das gesamte Personal der Stadt Köln - ein. Im Juni 1983 wurde der Angeklagte zum Oberverwaltungsrat befördert. Im November 1984 übertrug ihm der damalige Oberstadtdirektor Rossa eine Sondergruppe unter der Bezeichnung „Wohnumfeld und Stadterneuerung Köln“, die die Aufgabe hatte, ca. 100 Einzelmaßnahme zu forcieren. Dies gestaltete sich schwierig, da die dafür vorgesehenen Städtebaufördermittel drohten abgezogen zu werden; es gelang dem Angeklagten dennoch, die Maßnahmen durchzuführen. Am 01.10.1985 wurde der Angeklagte Stadtverwaltungsdirektor und zugleich stellvertretender Leiter des Amtes für Stadterneuerung. In diesem Zusammenhang war er mit der Sanierung der Kölner Stadtteile Kalk, Mülheim und Ehrenfeld befasst und hatte insbesondere die aufreibende Aufgabe, besetzte Häuser in Köln-Ehrenfeld und Köln-Mülheim räumen zu lassen. Im September 1988 erfolgte die Beförderung zum Leiter des Hauptamtes der Stadt Köln und Leitenden städtischen Verwaltungsdirektor. Am 01.09.1989 schließlich wurde der Angeklagte A Leitender Stadtverwaltungsdirektor mit der Besoldung nach B2. Ihm unterstanden damals ca. 300 städtische Mitarbeiter; zudem oblag ihm u.a. die gesamte Verwaltungs- und Ablauforganisation, die Ausstattung von Stellen, die innere Organisation der Stadt, die Dotierung der Stellen, die Datenverarbeitung, das Rechenzentrum, die Raumorganisation, zentrale Verwaltungsaufgaben sowie die zentrale Beschaffungsstelle. In dieser Zeit richtete der Angeklagte A verschiedene neue Ämter ein und setzte Dezernate neu zusammen. Auch trug er zur Modernisierung der sächlichen Ausstattung bei: während die Stadtverwaltung zu Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 1988 über lediglich ca. 400 Personalcomputer verfügte, gab es davon im Jahr 1992 immerhin schon 4.000. Der Angeklagte A verwaltete damals ein Jahresvolumen von ca. 100 Mio. DM. Am 01.10.1991 wurde ihm die Leitung der Projektgruppe 7000/Abfallverwertungsgesellschaft übertragen, worauf im Weiteren noch ausführlich einzugehen sein wird. Auf eigenen Antrag schied der Angeklagte A dann am 30.06.1992 aus dem Beamtenverhältnis aus und wurde zum 01.07.1992 zum alleinigen Geschäftsführer der zuvor gegründeten Abfallverwertungs GmbH (im Folgenden: AVG) bestellt.
6Der Angeklagte A ist seit 1992 in zweiter Ehe verheiratet und hat keine Kinder. Eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit besteht nicht. Seit dem 18. Lebensjahr leidet er jedoch aufgrund einer Sportverletzung (Herzmuskel-anriss) unter Bluthochdruck. Zudem ist der letzte Wirbel seiner Wirbelsäule herausgesprungen, so dass er etwas beim längeren Stehen eingeschränkt ist. Ferner leidet der Angeklagte seit einigen Monaten unter einer starken Artrose in den Knien.
7Der Angeklagte A ist leidenschaftlicher Jäger.
8Nach seinem Ausscheiden aus der AVG im Frühjahr 2000 bezog der Angeklagte bis Oktober 2003 sein reguläres Gehalt als Geschäftsführer der von ihm gegründeten Firmen P8 und Q8. Seither lebt er von dem pfändungsfreien Anteil seiner sich im Mai 2000 auf 4.006,00 € belaufenden Betriebsrente aus der Zeit seiner Tätigkeit bei der AVG, von der ihm derzeit monatlich 1.400,00 € verbleiben. Das vom Angeklagten A mit seiner Ehefrau bewohnte Haus in T8 steht im Eigentum der Tochter seiner Ehefrau aus deren erster Ehe. Nicht durch Vermögen gedeckte Schulden, die nicht im Zusammenhang mit dem hier gegenständlichen Verfahren stehen, hat der Angeklagte A nicht.
9Der Angeklagte A ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
10Wegen der hier gegenständlichen Vorfälle befand sich der Angeklagte A aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 25.02.2002 (503 Gs 803/02) in der Zeit vom 26.02. bis 19.06.2002 in Untersuchungshaft. Er wurde - u.a. gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 538.257,44 € - aufgrund des Verschonungsbeschlusses des Amtsgerichts Köln vom 19.06.2002 (503 Gs 2389/02) aus der Untersuchungshaft entlassen.
II. Der Angeklagte Dr. B
11Der Angeklagte Dr. B wurde am 07.03.1941 als drittes Kind in einer Lehrerfamilie in Y8/Schwarzwald geboren. Er hat zwei ältere Schwestern, mit denen gemeinsam er in Z8/Schwarzwald aufgewachsen ist. Seine leibliche Mutter ist 1951 verstorben, sein Vater hat nach deren Tod noch zweimal geheiratet. In D9 besuchte der Angeklagte das Gymnasium und legte dort 1961 das Abitur ab. Sodann absolvierte er bis 1967 das Studium des Maschinenbaus und der Verfahrenstechnik an der Universität E8 und war anschließend bis 1968 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für mechanische Verfahrenstechnik. 1968 ging er im Zuge einer Entwicklungshilfemaßnahme nach Indien an die Technische Universität von E9, dort an das Indian Institute of Technology. Die Maßnahme wurde von der UNESCO gefördert. Der Angeklagte arbeitete bis Ende 1970 am Lehrstuhl für chemische Verfahrenstechnik als Oberingenieur. In dieser Zeit erlitt er einen schweren Autounfall, bei dem einer seiner Fußknöchel schwer beschädigt wurde; es handelt sich um eine Verletzung, die nie richtig heilte und die er bis heute noch spürt, ohne dass sie ihn allerdings im täglichen Leben einschränkt. Zu Beginn des Jahres 1971 ging der Angeklagte Dr. B in die Niederlande, um dort eine Tätigkeit bei der International F9 Foundation aufzunehmen, einer nach dem 2. Weltkrieg gegründeten Vereinigung verschiedener Industriezweige inEuropa, der u.a. eine Forschungsgruppe angehört, die zu 50 % über Forschungsgelder der Industriemitglieder und zu 50 % von der Europäischen Union gefördert wurde. Dort war er bis 1974 als Forschungsingenieur tätig. Als 1974 die Forschungsgelder gestrichen wurden, musste dort zunehmend Auftragsforschung betrieben werden, um zusätzliche Mittel zu erlangen. 1974 wurde der Angeklagte Dr. B Direktor/Geschäftsführer der International F9 Foundation, die damals ca. 30 Mitarbeiter aus der ganzen Welt beschäftigte. In diesem Zusammenhang kam es zu einem ersten Kontakt mit der Firma S5 GmbH (im Folgenden: S5) in Gummersbach, für die die International F9 Foundation Auftragsforschung zum Themenbereich Feuerungseinrichtungen betrieb, bei der es um die Effizienzsteigerung und die Verringerung des Schadstoffausstoßes der Einrichtungen ging. Aufgrund dieser Kontakte nahm der Angeklagte Dr. B im Oktober 1978 seine Tätigkeit bei S5 auf. Da zu dieser Zeit in Deutschland verschiedene gesetzliche Maßnahmen zur Beschränkung von Immissionen ein- und umgesetzt wurden, war ihm seine vorherige Tätigkeit bei der International F9 Foundation und die dort auf diesem Sektor betriebene Forschung für die neue Tätigkeit von Nutzen. Aus diesem Grunde war der Angeklagte Dr. B in dieser Zeit zugleich als externer Berater für das Bundesumweltamt tätig. 1976 promovierte er als Externer an der Universität E8 (Thema: Berechnung von Flammenfeuerung). 1978 bis 1981 war er Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei S5; auch hier konnte er die Ergebnisse der Forschungen bei der Forschungsanstalt und innerhalb der Firma S5 umsetzen. Ende 1981 wurde der Angeklagte Dr. B Nachfolger des Leiters der Abteilung Kesselbau; es handelte sich dabei um einen typischen Seiteneinstieg, da der Angeklagte mit dieser Materie bislang noch keine Erfahrung hatte sammeln können. 1982/1983 trat er sodann in die S5-Geschäftsführung ein und übernahm hier die Verantwortung für den Bereich Vertrieb und technische Abwicklung des gesamten Geschäftsbereichs.
12S5 war zunächst ein reines Familienunternehmen, bis 1986 die G9-Bank 25,1 % der Geschäftsanteile kaufte, um sie dann 1989 an die Firma Y5 (im Folgenden: Y5) weiter zu veräußern. Y5 kaufte von den Hauptanteilseignern weitere 49,8 % hinzu, so dass sie 74,9 % der Geschäftsanteile hielten; die restlichen 25,1 % erwarben die Vereinigten Elektrizitätswerke in Dortmund. Aufgrund dieser Veränderungen stand eine Neustrukturierung der Geschäftsführung bei S5 an: der AngeklagteDr. B übernahm die Zuständigkeit für die Energieerzeugung, der Mitgeschäftsführer und Zeuge Dr. W5 diejenige für die Umwelttechnik, der weitere Mitgeschäftsführer und Geschäftsführungsvorsitzende, der Zeuge N1, war zuständig für die Fertigung, der Mitgeschäftsführer und Zeuge Dr. T3 für die kaufmännische Seite. 1993 wurde dann der Angeklagte Dr. B Vorsitzender der Geschäftsführung, nachdem diese von vier auf zwei Personen reduziert worden war. Diese Funktion hatte er bis 1999 inne. Nachdem dann Mitte 1998 S5 von der Firma T5 GmbH (im Folgenden: T5) aufgekauft worden war, verblieb der Angeklagte Dr. B als Leiter der Geschäftsführung bei S5; die S5-Aktivitäten gingen jedoch in die U5 AG über und S5 war nur noch eine reine Verwaltungsfirma. Im September 1999 nahm der Angeklagte Dr. B ein Angebot von T5 an, als Generalbevollmächtigter dort seine Erfahrung im Bereich Umwelttechnik zur Verfügung zu stellen. Mitte 2001 trat man mit der Bitte um Übernahme einer aktiven Position bei der U5 AG an ihn heran. Es ging um einen Leitungsposten, der frei wurde, weil der Amtsinhaber sich nicht mit dem dortigen Vorstand verstand. Auch dieses Angebot nahm der Angeklagte an. Diese Aufgabe sollte er regulär bis zum Auslaufen seines Vertrages Ende 2002 ausführen; er schied jedoch nach seiner Inhaftierung aufgrund der hier gegenständlichen Vorgänge aus dem Unternehmen aus.
13Am 11.07.2002 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das S5-Vermögen beantragt, am 11.09.2002 erfolgte die Eröffnung des Verfahrens durch das Amtsgericht Duisburg (#####). T5 wurde Ende 2002 insolvent.
14Seit der Entlassung aus der Untersuchungshaft arbeitet der Angeklagte Dr. B ehrenamtlich bei der S5-Engeneering, einer Gesellschaft, die einige frühere S5-Mitarbeiter aus Gummersbach gegründet haben und die 10 Mitarbeiter beschäftigt. Wenn die Entwicklung weiter positiv verläuft, sollen dort ab 2004 ca. 30 bis 40 Mitarbeiter beschäftigen werden.
15Zwischenzeitlich erhielt der Angeklagte Dr. B zweimal den Ruf für eine Professur: 1984/1985 an die Universität E8 und ungefähr 1 ½ Jahre vorher an die Universität D8. Er lehnte jedoch beide Male ab, da er seinen Tätigkeitsschwerpunkt eher in der Industrie sah.
16Der Angeklagte Dr. B ist verheiratet. Seine Ehefrau, die er während seiner beruflichen Tätigkeit in den Niederlanden kennengelernt hat, ist Italienerin, ihre Mutter stammt aus Südtirol. Der Angeklagte hat eine23-jährige Tochter sowie einen 19-jährigen Sohn, der 100 % schwerbehindert ist. Die Behinderung des Sohnes empfindet der Angeklagte als erhebliche Belastung, mit der er jedoch zu leben gelernt hat.
17Neben dem bereits erwähnten Autounfall, der zu einer dreimonatigen Krankenphase führte, hat sich der Angeklagte Dr. B in Indien zudem einen Leberschaden - durch eine Hepatitis und eine Amoebeninfektion - zugezogen, ohne dass hieraus spürbare Belastungen resultieren. Drogen- und/oder Alkoholprobleme hat der Angeklagte nicht.
18Die Vermögenssituation des Angeklagten Dr. B stellt sich wie folgt dar:
19- Wohnhaus in Z8, unbelastet, Schätzwert: 250.000 €
20- Wohnhaus in Gummersbach, unbelastet, Schätzwert 150.000 €
21- 50 %-Anteil Einkaufszentrum in J9/K9, 750.000 €
22- Wohnanlage Dresden, Schätzwert 1.200.000 €
23- Rückkaufswert Lebensversicherung 1) 1.009.956 €
24Rückkaufswert Lebensversicherung 2) 1.231.284 €
25Lebensversicherung 3) ca. 100.000 €
26Insgesamt 4.781,240 €
27Dem stehen folgende Verbindlichkeiten gegenüber:
28- Einkaufszentrum J9:
29Darlehen 1) 646.033,88 €
30Darlehen 2) 646.033,89 €
31- Darlehen Wohnanlage Dresden 1.912.231,64 €
32- Schuldanerkenntnis gegenüber U5 AG
33inkl. Zinsen wegen AVG Köln 600.000,00 €
34- Schuldanerkenntnis gegenüber U5 AG
35wegen China-Geschäft 1.000.000,00 €
36insgesamt 4.804.299,41 €
37- ausgesetzte Steuerforderung aus 1994/95 773.744,83 €
385.578.074,24 €
39Weitere regelmäßige Einkünfte:
40- Pensionssicherungsverein: brutto/Monat 7.140,00 € = netto 5.560,00 €
41- Arbeitslosengeld, monatlich: 1.872,00 €
42- Mieteinnahmen Z8 (ohne Abschreibung): 614,00 €
43insgesamt 8.046,00 €
44abzüglich: Unterhalt Ehefrau, 2 Kinder und
45neg. Saldo aus Mieteinnahmen (geschätzt) 1.430,00 €
466.616,00 €
47Der Angeklagte Dr. B ist nicht vorbestraft.
48Der Angeklagte Dr. B befand sich aufgrund der hier gegenständlichen Vorfälle in der Zeit vom 26.02. bis zum 17.07.2002 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 25.02.2002 (Az. 503 Gs 804/02) sowie aufgrund des neu gefassten Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 14.03.2002 (503 Gs 1029/02) in Untersuchungshaft. Er wurde aufgrund des Verschonungsbeschlusses des Amtsgerichts Köln vom 17.07.2002 (503 Gs 2722/02) gegen Leistung einer Kaution von 1 Mio. € in Form einer Bankbürgschaft aus der Haft entlassen.
III. Der Angeklagte C
49Der Angeklagte C wurde am 29.08.1950 in R4 im Sauerland geboren. Sein Vater war Realschullehrer, seine Mutter Hausfrau; sie übte ihren Beruf als gelernte Apothekenhelferin während der Kindheit des Angeklagten C nicht aus. Der Angeklagte C hat zwei jüngere Brüder und ist in einem katholisch geprägten Elternhaus aufgewachsen. 1969 legte er das Abitur im altsprachlichen Zweig des Gymnasiums in R4 ab. Schon während der Schulzeit war er in der katholischen Jugendbewegung Neudeutschland aktiv; in der Schule hat er sich am Aufbau der Schülermitverwaltung beteiligt und sich vor allem der Schülerzeitung gewidmet. 1969 bis 1970 studierte der Angeklagte an der Universität L9 Volkswirtschaft, erhielt jedoch dann im Sommersemester 1970 einen Studienplatz für Medizin in Köln. Das Medizinstudium schloss er im Sommer 1978 in Köln an der Universität ab. Auch in dieser Zeit war er (hochschul-)politisch aktiv, was dazu führte, dass sich seine Studienzeit um zwei Jahre verlängerte; er gehörte dem ###3 Hochschulverband an und saß fünf Jahre im Studentenparlament; in den Jahren 0000/0000 war er Fakultätssprecher. Nach dem Examen war der Angeklagte C als Medizinalassistent imE7-Krankenhaus (Fachabteilung für Chirurgie), Köln, und imF7-Krankenhaus (Fachabteilung für Innere Medizin), ebenfalls Köln, tätig. Eine dritte Stage absolvierte er ab dem 01.06.1979 im Landeskrankenhaus G7. Dort nahm er am 01.10.1979 seine Ausbildung zum Facharzt der Psychiatrie auf. Die Facharztprüfung legte er 1984 vor der Ärztekammer Nordrhein ab und wurde sodann Oberarzt sowie stellvertretender Abteilungsarzt in den G7-Kliniken. Als solcher wirkte er am Aufbau der Institutsambulanz mit und wurde 1987 Chefarzt für den Bereich der forensischen Psychiatrie und der Langzeitpsychiatrie; in dieser Funktion war er mit nach § 63 StGB Untergebrachten sowie mit Langzeitkranken befasst; auch war der Angeklagte C an der Entwicklung neuer Konzepte beteiligt und wirkte am Aufbau eines privaten Trägervereins mit, der außerhalb der Klinik Tagesstätten, Wohneinrichtungen und ähnliches betrieb; diesem Vereinsvorstand gehörte er mehrere Jahre an. 1988 wurde er stellvertretender Leitender Arzt des Gesamthauses der G7-Kliniken und stellvertretendes Mitglied der Betriebsleitung.
501991 nahm der Angeklagte C die sich ihm bietenden Möglichkeit eines Wechsels in den politischen Bereich an und wurde im September 1991 zum hauptamtlichen Geschäftsführer der ###3-Fraktion im Rat der Stadt Köln gewählt; das entsprechende Anstellungsverhältnis begann am 01.11.1991. Der Angeklagte C hatte sich bereits seit seinem Eintritt in die Partei 1975 in der Kölner ###3 engagiert und gehörte bis 1979 dem Vorstand des ###3-Ortsvereins Köln-M9 an. 1979 wurde er für die ###3 in die Bezirksvertretung Köln-M9 gewählt, der er bis 1989 angehörte, zuletzt als stellvertretender ###3-Fraktionsvorsitzender. 1989 kandidierte der Angeklagte C für den Rat der Stadt Köln. Er konnte jedoch weder direkt noch über einen ###3-Listenplatz ins Rathaus einziehen. Auf Betreiben des damaligen ###3-Fraktionsvorsitzenden, des Zeugen Dr. G2, wurde der Angeklagte C dennoch zum Geschäftsführer der Fraktion bestellt, was unüblich war, da dieser Posten normalerweise mit Ratsmitgliedern besetzt wird. Der Angeklagte C empfand es als schwierig, zwei Jahre lang Geschäftsführer der Fraktion, aber nicht Ratsmitglied zu sein. Dieser Zustand änderte sich, als er Anfang 1994 in den Rat der Stadt Köln nachrückte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte als Fraktionsgeschäftsführer wurden durch die Finanzkrise und die Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung geprägt. Wesentliche Bereiche seiner Tätigkeit waren die Verwaltungsstrukturreform, der Wohnungsbau, der ÖPNV, Fragen um den wirtschaftlichen Standort Köln und „das soziale Köln“. Nach der Ernennung des Zeugen Dr. G2 zum Oberstadtdirektor wurde der Angeklagte C am 23.04.1998 ###3-Fraktionsvorsitzender, bis zum 30.06.2000 zeitgleich mit seinem Amt als Fraktionsgeschäftsführer. 1999 scheiterte der durch den Angeklagten C mitorganisierte Wahlkampf des Zeugen Dr. G2 um die Stelle des Oberbürgermeisters an der Aufdeckung der Aktieninsidergeschäfte des Zeugen Dr. G2, wegen denen er durch das Amtsgericht Köln rechtskräftig verurteilt worden ist. Am 15.05.2000 wurde der Angeklagte C in den Landtag NRW gewählt. Diesem sowie dem Rat der Stadt Köln gehörte er bis Anfang März 2002 an. Am 04.03.2002 legte der Angeklagte aufgrund der sog. Kölner ###3-Spenden-Affäre seine Ämter als Landtagsabgeordneter und Ratsherr nieder und trat aus der ###3 aus.
51Auch während seiner vorwiegend politischen Tätigkeit hielt der Angeklagte C nach wie vor Kontakt zu seiner ursprünglichen medizinischen Arbeit, indem er z.B. verschiedentlich Prognosegutachten und auch Gutachten zur Schuldfähigkeit von Angeklagten in Strafverfahren erstattete.
521985 bis 1989 war der Angeklagte C Vorsitzender des ###3-Bezirks Mittelrhein. 1987 wurde er Unterbezirksvorsitzender in der ###3 und füllte diese Position bis 2001 aus. 1999 wurde der Angeklagte C Bezirksvorsitzender Mittelrhein; dieses Gremium wurde jedoch im Zuge einer Neustrukturierung parteiintern 2001 aufgelöst.
53Der Angeklagte C ist seit 1986 in zweiter Ehe verheiratet und hat einen 15-jährigen Sohn. Er ist gesund und hat keine Systemerkrankungen, lediglich ein Karpaltunnelsyndrom rechts. Der Angeklagte konsumiert gerne Alkohol, während seiner früheren politisch aktiven Zeit manchmal „bis zum Anschlag“; eine Alkoholabhängigkeit konnte nicht festgestellt werden. Der Angeklagte nimmt keine Drogen und Medikamente.
54Der Angeklagte C hält einen Geschäftsanteil von 39 % an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bezüglich eines Grundbesitzes in der O9-Straße in Köln-M9. Dieser Anteil wurde zur Sicherung einer angeblichen Forderung an Rechtsanwalt P9, Köln, abgetreten. Der Wert des Geschäftsanteils betrug in den 1980er Jahren ca. 20.000,00 DM, heute schätzungsweise ca. 250.000,00 €. Zudem verfügt er über Ansprüche aus der Rückgewähr von Beteiligungen an verschiedenen Immobilienfonds zu je 15.000 €, die ebenfalls zur Sicherung an Rechtsanwalt P9 abgetreten wurden. Ferner bestehen in diesem Verfahren gepfändete Rentenansprüche ab dem 01.11.2007 hinsichtlich einer monatlichen Rente von 2.349,58 €.
55Schulden, die nicht im Zusammenhang mit diesem Verfahren stehen, hat der Angeklagte lediglich im Hinblick auf die Finanzierung der erwähnten Anlageobjekte und im Zusammenhang mit dem genannten Anteil an der BGB-Gesellschaft bzgl. des Grundstückes O9-Straße/Köln.
56Der Angeklagte C ist bislang nicht vorbestraft.
57Er befand sich aufgrund der hier gegenständlichen Vorfälle in der Zeit vom 13.06. bis zum 13.09.2002 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 10.06.2002 (Az. 503 Gs 2254/02) in Untersuchungshaft und wurde aufgrund des Verschonungsbeschlusses der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 10.09.2002 (109 Qs 375/02) gegen Leistung einer Kaution von 200.000,00 € aus der Haft entlassen.
58B.
59Feststellungen zur Sache:
60Die Kammer hat zu ihrer sicheren Überzeugung festgestellt, dass im Zuge der Vergabe des Auftrags zum Bau der Restmüllverbrennungsanlage (im Folgenden: RMVA) Köln der Angeklagte A als Geschäftsführer der AVG, in Absprache mit dem Angeklagten Dr. B, Geschäftsführer der S5, Gummersbach, das Ausschreibungsverfahren zugunsten von S5 manipuliert hat, damit letztere den Generalunternehmerauftrag erhielt. Dies geschah im Hinblick auf eine Schmiergeldabrede, an der u.a. die Angeklagten A und Dr. B beteiligt waren. Danach sollten bis zur Abnahme des Baus insgesamt 3 % der Auftragssumme, d.h. ca. 24 Mio. DM, als Schmiergeld gezahlt werden. Um das Schmiergeld aufzubringen, erhöhte der Angeklagte Dr. B mit Wissen des Angeklagten A den Preis für das von S5 abgegebene Generalunternehmerangebot. Insoweit kam es zu einer seitens der AVG auch gezahlten Verteuerung der RMVA um mindestens 24.434.344,00 DM. Von dem Schmiergeld, das durch den Angeklagten Dr. B unter Einschaltung von schweizer Firmen gewaschen wurde, erhielt der Angeklagte A für sich persönlich insgesamt ca. 7,5 Mio. DM; der Angeklagte Dr. B erlangte im Jahr 1995 oder 1996 für sich persönlich aus den Schmiergeldschleusungen mindestens 1 Mio. DM. Die Schmiergeldzahlungen wurden - sieht man von zwei kleineren Beträgen bei dem Angeklagten A ab - nicht bei den Einkommenssteuererklärungen angegeben. Es ließ sich nicht nachweisen, dass der Angeklagte C ebenfalls Schmiergeld erhalten hat oder zumindest von der Schmiergeldvereinbarung wusste.
61Soweit im Folgenden nicht nur die vorgenannten Geschehnisse, sondern auch das sonstige, hiermit im Zusammenhang stehende wirtschaftliche und politische Umfeld näher dargestellt werden, erschien dies der Kammer nicht nur als bessere Grundlage der Prüfung einer etwaigen Amtsträgereigenschaft des Angeklagten A, sondern auch allgemein zum besseren Verständnis des komplexen Sachverhaltes erforderlich. Eine isolierte Betrachtung der Schmiergeldvereinbarung und der hiermit verbundenen Vergabemanipulation würde die Lebenswirklichkeit nicht zutreffend erfassen. Denn in der 42-tägigen Hauptverhandlung, in der 57 Zeugen vernommen und weit über 2000 Blatt im Urkundenbeweis eingeführt worden sind (nach sitzungsvorbereitender Auswertung von ca. 17.000 Blatt Hauptakten und dreier Zimmer voller Beiakten, Sonderhefte, Beweismittelordner und Asservate), hat sich gezeigt, dass die Schmiergeldabrede eingebettet war in ein symbiotisches Geflecht zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft, in dem rechtmäßiges und rechtswidriges, strafbares und strafloses Verhalten eine Gemengelage bildeten.
62Das Verfahren hat schließlich im Nachhinein nochmals Aufsehen erregt, als bekannt wurde, dass der Vorsitzende seit März 2004 von zwei Dedektiven bespitzelt wurde. Es bestehen - dies sei hier erwähnt, um gegen keinen der Angeklagten negative Vermutungen aufkommen zu lassen - keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass einer von diesen insoweit Auftraggeber gewesen wäre. Aus dem Umstand heraus, dass das sechzehnseitige Dossier, das über den Vorsitzenden angelegt worden ist, von der Detektei per E-Mail an eine Firma übermittelt wurde, die zur J12-Holding gehört, deren Geschäftsführer wiederum der Zeuge Dr. O3 ist, weist der Verdacht in eine andere Richtung, zumal gegen den Zeugen Dr. O3 wegen des Verdachts einer am 15.01.2004 in der hiesigen Hauptverhandlung begangenen uneidlichen Falschaussage ermittelt wird und die Kammer - im übrigen für Anklagen gegen Angeschuldigte mit dem Buchstaben "x" zuständig - eine Durchsuchung der von ihm genutzten Räumen veranlasst hatte. Die Ermittlungen in der Bespitzelungsangelegenheit hatten auf die vorliegende Beweisführung keinen Einfluss.
63I. Gründung der AVG
641. Gründungsvorbereitung
65Ende der 1980er Jahre sah sich der Rat der Stadt Köln vor die Aufgabe gestellt, neue Wege zur Bewältigung des Abfallaufkommens der Stadt zu beschreiten und beauftragte die Stadtverwaltung daher mit Beschluss vom 11.06.1987 mit der Erarbeitung eines Abfallwirtschaftskonzeptes (im Folgenden: AWK). In Ausführung dieses Ratsbeschlusses erteilte die Stadtverwaltung am 15.10.1987 dem Institut für Energie- und UmweltforschungHeidelberg e.V. (im Folgenden: IFEU) den Auftrag zur gutachterlichen Feststellung der Grundlagen eines solchen Konzeptes; Ende Mai 1988 legte IFEU den ersten Teil seines Gutachtens (Systemelemente) vor.
66Bisher war der im Kölner Stadtgebiet anfallende Müll in Deponien - vorzugsweise in der Deponie Vereinigte Ville in Erftstadt/Erftkreis (heute: Rhein-Erft-Kreis) sowie in der Deponie in Mechernich/Kreis Euskirchen - entsorgt worden. Das IFEU-Gutachten gelangte nun zu der Feststellung, dass eine thermische Müllentsorgung auf Dauer unumgänglich sein würde, da eine weitere direkte Restmülldeponierung aufgrund des bestehenden Deponieraummangels als alleinige Entsorgungsalternative zumindest mittelfristig nicht mehr ausreichend sei; es sah den Bedarf für eine auf 230.000 t/a ausgelegte RMVA. Dem folgend ging das darauf hin konzipierte, am 13.12.1988 durch den Rat der Stadt Köln beschlossene städtische AWK 1988 (SL 633 ff., siehe auch Anlage I zum Urteil) von der Errichtung und dem Betrieb einer RMVA in Köln aus; zudem sollte die Abfallverwertung nach dem AWK 1988 nicht unmittelbar durch die Stadt, sondern durch eine noch zu errichtende Abfallverwertungsgesellschaft erfolgen; diese sollte in Form einer Mischgesellschaft- bestehend aus der Stadt Köln und einem privaten Gesellschafter - oder in einer anderen geeigneten Gesellschafts- oder Kooperationsform unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft gegründet werden und tätig sein. Kerngedanke des AWK 1988, das allerdings nur eine rahmenartige Vorgabe darstellte und keine engmaschigen Regelungen enthielt, war der Grundsatz des Vorranges der Abfallvermeidung vor der Abfallentsorgung; im Rahmen der Abfallentsorgung wiederum wurde in erster Linie die Verwertung angestrebt; die unverwertbaren Abfälle sollten der Verbrennung zugeführt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das AWK 1988 (Anlage I zum Urteil) Bezug genommen.
67Am 30.08.1990 fasste der Rat der Stadt Köln folgenden Beschluss(SL 775 ff.):
68„Zur Errichtung der im Abfallwirtschaftskonzept der Stadt Köln vorgesehenen Abfallverwertungsgesellschaft, wird die Verwaltung beauftragt,
69- sofort die entsprechenden Gründungsvorbereitungen für eine Abfallverwertungsgesellschaft in Form einer städtisch beherrschten Mischgesellschaft unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft aufzunehmen,
70- die erforderliche finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung der Verwertungsgesellschaft darzustellen,
71- liegenschafts-, vermögensrechtliche und steuerrelevante Aspekte zu prüfen,
72- die Aufgabenschnittstellen zwischen der Verwertungsgesellschaft und der Stadt Köln einerseits genau zu definieren, die Nahtstellen zwischen der Gesellschaft und Dritten darzustellen sowie ein eindeutiges Abstimmungsverfahren zwischen der Gesellschaft, der Verwaltung und dem Rat der Stadt Köln zu entwickeln,
73- vertragliche Regelungen zu entwickeln, mit denen sichergestellt wird, dass sowohl die Zielvorstellung des Bundesabfallgesetzes (Vermeidung, Verwertung, Beseitigung) und die Aufgabenwahrnehmung konform zu den im Abfallwirtschaftskonzept der Stadt Köln festgelegten Grundsätzen erfolgt. Darüber hinaus ist durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag sicherzustellen, dass sich bei einer Veränderung der Dimensionierung der Abfallbehandlungsanlagen oder Abfallwirtschaftszielvorstellung auch die Aufgabenstellung der Gesellschaft entsprechend ändert,
74- insbesondere die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen zu klären und auf dieser Basis im Rat kurzfristig eine geeignete Gesellschaftsform vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch die steuer- und haushaltsrechtlichen Konsequenzen darzustellen und zu prüfen, ob eine Eingliederung in den XX5konzern sinnvoll ist und wie diese ggfs. vollzogen werden kann.
75In Bezug auf die einzelnen Aufgabenkomponenten sind auch die Möglichkeiten zur Bildung von Tochtergesellschaften zu prüfen, wobei auch berücksichtigt werden soll, inwieweit hieran private Unternehmen beteiligt werden können.
76- die Vorbereitung zur Gesellschaftsgründung bis zum Ende des Jahres 1990 abzuschließen und zeitgleich dem Rat einen beschlussfähigen Gesellschaftsvertrag vorzulegen.
77Die Aufgabe der Gesellschaft besteht in der technischen Planung ggf. Altlastensanierung, Planfeststellung, Bau und Betrieb der
78- Kompostierungsanlage
79- Baustellenabfall- und Gewerbemüllsortieranlage
80- Vorschaltanlage mit thermischer Verwertungsanlage
81Der vorgenannte Aufgabenkatalog bleibt mit Blick auf weitere künftige anlagentechnische Einzeleinrichtungen und abfallwirtschaftliche Schwerpunktsetzungen erweiterungsfähig.
82Die konzeptionellen Rahmenbedingungen wie Dimensionierung der Anlage, allgemeine Richtlinien zu deren Betrieb u. a. werden vom Rat der Stadt Köln per Beschluss definiert und ggf. fortgeschrieben werden.
83Im Übrigen bleibt es der künftigen Gesellschaft unbenommen, im Entsorgungsbereich unter Berücksichtigung des üblichen Preis- und Leistungswettbewerbs Leistungen für die Stadt Köln im Sinne eines beauftragten Dritten zu erbringen.
84Die im Übrigen zur Gesellschaftsvorbereitung und -gründung erforderlichen zusätzlichen personellen Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit umgehend zu schaffen.“
85Von der beabsichtigte Einbeziehung eines privaten Unternehmers in die zu gründende Gesellschaft versprach sich die Stadt, sich dessen Fachwissen und seine wirtschaftliche Erfahrung für ihre Zwecke nutzbar machen zu können; denn man hatte - wie andere Kommunen - die Erfahrung gemacht, dass ausschließlich in städtischer Regie durchgeführte Projekte - wie etwa die Kölner Philharmonie - in der Regel im Ergebnis erheblich mehr Kosten als ursprünglich vorgesehen und eingeplant verursachten.
86Die zu gründende Gesellschaft sollte in verschiedenen zeitlichen Stufen Anlagen für die thermische Verwertung und Behandlung, das Baustellenabfall- und Gewerberecycling sowie für die Kompostierung von Abfällen erstellen und für diese Anlagen die technische Planung und die Planfeststellungsverfahren durchführen; ferner sollte sie den Bau und Betrieb der Anlagen übernehmen sowie ggf. auf eigenem Gelände Aufgaben der Altlastensanierung durchführen.
87Auf der Grundlage des Ratsbeschlusses vom 30.08.1990 bildete die Stadtverwaltung zur Umsetzung dieses Vorhabens zunächst eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern der Dezernate III/II sowie der Ämter 01, 10, 20 und 70 unter Federführung des Dezernates III/II.
88Mit Beschluss vom 07.03.1991 (SL 779) beauftragte der Rat die Verwaltung, die noch offenen Fragen - u.a. die nach der optimalen Organisationsform der zu gründenden Gesellschaft - durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen gutachterlich prüfen zu lassen. Dem entsprechend erteilte die Stadtverwaltung im Mai 1991 der N6 AG (in Folgenden: N6) den Auftrag, ein Gutachten zur optimalen Organisation einer Abfallverwertungsgesellschaft unter Berücksichtigung der bestehenden Ratsbeschlüsse zu erstellen. Das Gutachten vom 18.11.1991 empfahl die Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der einerseits die Stadt Köln sowie - wegen deren langjähriger Erfahrung in der Kraftwerkstechnologie - die Gas- und Elektrizitätswerke Köln (im Folgenden: GEW) insgesamt 74,9 % der Gesellschaftsanteile und andererseits - im Interesse der Einwerbung des notwendigen Fachwissens sowie der Sicherung von Marketing-Vorteilen - ein Privatunternehmen 25,1 % der Anteile halten sollten; eine ausschließliche oder weitergehende mittelbare Beteiligung der Stadt an der Gesellschaft lediglich über die XX5 Köln GmbH (im Folgenden: XX5) wurde als nicht sachdienlich erachtet.
89Im November 1991 wurde zur Umsetzung der Ratsbeschlüsse vom 30.08.1990 und 07.03.1991 seitens der Verwaltung der Stadt Köln ein eigener Arbeitsstab eingerichtet - die Projektgruppe Abfallverwertungsgesellschaft, auch als Projektgruppe 7000 bezeichnet. Bei dieser sollte es sich um eine nur vorläufige Einrichtung bis zur Gründung der geplanten Gesellschaft handeln; ihr wurde u.a. die Aufgabe übertragen, potentielle privatwirtschaftliche, auf dem Entsorgungssektor tätige Mitgesellschafter einzuwerben und einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag vorzubereiten. Es war vorgesehen, dass der Leiter der Projektgruppe später die Funktion des verantwortlichen Geschäftsführers der zu gründenden GmbH übernehmen sollte. Der Projektgruppe gehörten im Laufe ihres Bestehens neben sechs abgeordneten Mitarbeitern aus der Verwaltung verschiedene Vertreter der Dezernate III, 10, 20 und 70 an.
90Bei der Auswahl des Leiters der Projektgruppe sah sich die Stadtverwaltung und hier insbesondere der 1990 zum Oberstadtdirektor ernannte Zeuge Dr. O3 vor die Situation gestellt, dass das AWK 1988 wegen der u.a. vorgesehenen thermischen Müllentsorgung in der Kölner Stadtbevölkerung - insbesondere derjenigen im Norden der Stadt, wo die RMVA angesiedelt werden sollte - auf erheblichen Widerstand stieß. Um diesem möglichst effektiv begegnen zu können und aus Gründen einer höheren Glaubwürdigkeit kamen der Zeuge Dr. O3 und der damalige Fraktions- und Parteivorsitzende der Kölner ###3, der Zeuge Dr. G2, dahin über ein, dass es sinnvoll sei, jemanden aus dem „Lager der ###1“ mit dem Posten des Leiters der Projektgruppe zu betrauen. Die Zeugen Dr. O3 und Dr. G2 schlugen daher dem Rat den der Partei ###1/###2 angehörenden Y7 - Umweltdezernenten, Herrn Dr. Z5, vor, konnten sich beim Rat mit diesem Vorschlag jedoch nicht durchsetzen. Zuvor hatte man erwogen, den Kölner Beigeordneten D6 mit diesem Posten zu betrauen, der aber letztlich für das Amt des Projektgruppenleiters nicht zur Verfügung stand.
91In dieser Situation trat im November 1991 der Zeuge Dr. O3 an den damaligen Leiter des Hauptamtes der Stadt Köln, den AngeklagtenA, mit der Anfrage heran, ob er bereit wäre, die Leitung der Projektgruppe 7000 zu übernehmen. Der Zeuge Dr. O3 kannte den Angeklagten A bereits seit vielen Jahren aus der gemeinsamen Arbeit in der Verwaltung der Stadt Köln. Er hatte den Angeklagten A über lange Zeit als einen derjenigen städtischen Mitarbeiter erlebt, die „ihren Kopf aus der Masse empor hoben“ und hielt den Angeklagten A für einen der qualifiziertesten Amtsleiter der Stadt Köln. Dass der AngeklagteA keine Erfahrung im Bereich der Entsorgungstechnik hatte, spielte für den Zeugen Dr. O3 dabei keine Rolle; ausschlaggebend war aus seiner Sicht, dass die Projektgruppe 7000 mit einer kompetenten Führungskraft besetzt wurde. Als solche sah er den Angeklagten A an, den er als kooperativ, kompetent und durchsetzungsfähig erlebt hatte („so, wie ich mir einen Geschäftsführer vorstelle“). Den Vorschlag „A“ hatte der Zeuge Dr. O3 mit dem Zeugen Dr. G2 abgesprochen. Dieser allerdings stand dem Angeklagten A aufgrund einer parteiinternen Auseinandersetzung eher kritisch gegenüber; er hatte in den 1980er Jahren verhindert, dass der Angeklagte A, der dem Flügel um den ###3-Ratsherren E6, einem Konkurrenten des Zeugen Dr. G2, angehörte, zum Leiter des Amtes für Abfallwirtschaft der Stadt Köln ernannt wurde.
92Nach einer kurzen Bedenkzeit nahm der Angeklagte A das Angebot zur Projektgruppenleitung an. Dabei ließ er sich nicht von der ihm bekannten negativen Einschätzung seiner Person durch den Zeugen Dr. G2 abhalten. Der Angeklagte A ging jedoch von Beginn seiner Tätigkeit an davon aus, dass das Vorhaben der Errichtung einer RMVA eine Aufgabe war, die mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein würde. Neben der ihm bekannten kritischen Einstellung des Zeugen Dr. G2 gegenüber seiner Person wusste der Angeklagte A um den bereits bekannten und noch zu erwartenden erheblichen Widerstand in der Bevölkerung, auf den die RMVA bereits im Vorfeld ihrer Planung gestoßen war. Der Angeklagte A gewann sogar den Eindruck, dass seitens der Stadtverwaltung Köln eher die Erwartung bestand, dass die Projektgruppe mit diesem Projekt scheitern, als dass sie es erfolgreich realisieren würde.
93Ende November 1991 wurde der Angeklagte A mit der Leitung der Projektgruppe 7000 beauftragt; der Rat nahm die entsprechende Beschlussvorlage zu ihrer Gründung und zur Bestellung des Angeklagten A als deren Leiter in seiner Sitzung vom 17.12.1992 an.
942. Auswahl der Gesellschafter
95Der Angeklagte A begann die Arbeit der Projektgruppe 7000 mit zunächst vier Mitarbeitern. Es ging konkret darum, die Vorbereitungen zur Gründung der vorgesehenen Abfallverwertungsgesellschaft zu treffen, insbesondere Gesellschafter auszuwählen.
96a)
97Die Einschätzung des N6-Gutachtens, das - neben einem Anteil von 49,8 % für die Stadt unmittelbar - eine Beteiligung der XX6 und des Privaten jeweils mit 25,1 % vorschlug, wurde in der Projektgruppe 7000 nicht geteilt. Hier favorisierte man stattdessen eine 50,1 %-ige unmittelbaren Beteiligung der Stadt und die Einbeziehung der XX5 mit 24,8 % sowie - insoweit in Übereinstimmung mit dem Gutachten - eines Privaten mit weiteren 25,1 %. Der Angeklagte A strebte eine möglichst große Selbständigkeit der zu gründenden Gesellschaft an und fürchtete - nicht zuletzt aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in verschiedenen Arbeitsbereichen der Stadtverwaltung - im Falle einer Beteiligung von XX6 oder XX5 mit 25,1 % eine zu starke politische Einflussnahme auf die Geschäftsführung, die seiner Einschätzung nach häufig nicht zuvorderst an sachlich gebotenen, sondern oft an sachfremden Aspekten ausgerichtet sein würde. Der AngeklagteA hatte daher seinerseits ein ergänzendes Gutachten bei der N6 in Auftrag gegeben, das zu dem Ergebnis gelangte, dass auch eine Beteiligung der XX5 mit nur 24,8 % und eines privaten, nicht der öffentlichen Hand zuzurechnenden Gesellschafters mit 25,1 % in Betracht kam. Seitens der Projektgruppe 7000 wurden Beteiligungsgespräche geführt mit den XX5, der XX6, VEW AG, der RAG AG und deren Tochterunternehmen, der O6 AG. Die XX5 hatte zunächst kein Interesse an einer reinen Finanzbeteiligung von 24,8 %.
98b)
99Im Zuge der Auswahl des privaten Mitgesellschafters galt es, ein privat-wirtschaftliches Unternehmen zu finden, das nicht nur das nötige Fachwissen auf dem Gebiet der Abfallverwertung aufwies, sondern auch kompetent im Bereich der Abfallverbrennung war. Insoweit war bereits in dem N6-Gutachten vom 18.11.1991 die unter Führung der Firma F6 gebildete Unternehmensgruppe hinsichtlich der stofflichen Verwertung als kompetenter und geeigneter Partner aus der privaten Entsorgungswirtschaft erwähnt worden.
100Der in H6 beheimatete Zeuge und gesondert Verfolgte F6 war seit vielen Jahren im Rheinland auf dem Sektor der Abfallwirtschaft tätig. Bereits in den 1970er Jahren hatte er im Stadtgebiet des damals noch selbständigen Ortes (Köln-)Rodenkirchen die Abfallentsorgung durchgeführt; Anfang der 1980er Jahre hatte er die Altglas- und Papierentsorgung übernommen. Schon aus dieser Zeit rührten Kontakte zu Mitarbeitern der Kölner Stadtverwaltung her. Der Zeuge F6 hatte 1988 die F6 Entsorgung GmbH, H6, mit zahlreichen Untergesellschaften in verschiedenen Orten des Rheinlandes gegründet, deren Gegenstand die Entsorgung von Abfällen war (SL 1793 ff.); sie wurde 1996 in F6 GmbH umbenannt (SL 1805). 1990 hatte er die G6 Entsorgung GmbH, H6, (SL 1809 ff.) gegründet, die 1998 mit der F6 Entsorgung GmbH in der F6 AG, H6, verschmolzen wurde; auch hier gab es zahlreiche Untergesellschaften im Rheinland. Aufgabe der F6 AG war die Erbringung sämtlicher im Rahmen der Entsorgungs- und/oder Recyclingwirtschaft anfallenden abfallwirtschaftlichen Leistungen jedweder Art(SL 1820 ff.); ihre Aktien wurden zu je 50 % von dem Zeugen F6 persönlich und der Firma A13AG, H6, gehalten. (Mit-) Geschäftsführer bzw. Vorstand aller Firmen war der Zeuge F6. Anteile der Gesellschaften wurden auch durch Töchter des Zeugen F6 gehalten. Die F6 AG wurde am 11.07.2002 mit der übernehmenden Firma A13AG verschmolzen. Der Zeuge F6 war wenige Tage zuvor aus dem Vorstand der F6 AG ausgeschieden.
101Der Zeuge F6 erlangte insbesondere in den 1990er Jahren auf dem Abfallsektor im Rheinland eine beherrschende Stellung, die der Zeuge Dr. I6, von 1978 bis 1999 Kölner Regierungspräsident, anschaulich als „Monopölchen“ bezeichnete. Er bewerkstelligte die Gründung bzw. Übernahme einer ganzen Reihe weiterer Firmen - wie der P6 mbH (im Folgenden: P6),Q6, R6, Z7-Umweltdienste, S6 Tiefbau AG -, auf deren Geschäftsführung er entscheidenden Einfluss hatte und die zur F6-Unternehmensgruppe zu zählen sind. Unter geschickter Einschaltung dieser Firmen, in denen er - wie noch zu zeigen sein wird - eine Reihe ehemaliger kommunaler Mitarbeiter beschäftigte und deren Aufsichtsrats- und Beiratsmandate er mit Vorliebe an noch aktive Mitarbeiter verschiedener Kommunen vergab, gelang es ihm u.a., auch an der Errichtung bzw. dem Betrieb der Müllverbrennungsanlagen Bonn beteiligt zu werden.
102c)
103Verschiedene Vertreter der Stadt Köln - u.a. die Zeugen Dr. O3 (Oberstadtdirektor) und O1 (Stadtkämmerer) - hatten Anfang der 1990er Jahre Gespräche mit dem Zeugen F6 geführt, die dessen Einbindung in die Umsetzung des AWK 1988 zum Gegenstand hatten. Insbesondere der Zeuge Dr. O3 schätzte den Zeugen F6 als kooperativen und kompetenen Unternehmer; Gespräche über denselben Themenkreis wurden allerdings auch mit anderen Interessenten, wie etwa Vertretern der Firmen H7 und A13AG, geführt.
104Der Angeklagte A nahm in seiner Funktion als Leiter der Projektgruppe 7000 hinsichtlich der zu treffenden Auswahl des privaten Mitgesellschafters Kontakt mit allen im Rat der Stadt Köln vertretenen Fraktionen auf, um zu erfahren, welches Unternehmen dort vorgeschlagen und möglicherweise auch vorgezogen wurde. Von seinen Gesprächspartnern wurde ihm nahezu ausnahmslos nahe gelegt, „F6“ - gemeint war damals die F6 Entsorgung GmbH, die weitgehend mit der Person des Zeugen F6 identifiziert wurde - als privaten Gesellschafter heranzuziehen. In diesem Sinne äußerte sich etwa für die ###3-Fraktion deren damaliger Vorsitzender, der Zeuge Dr. G2, der zugleich den Wunsch an den Angeklagten A heran trug, einem damals u.a. auch für ihn tätigen Wahlkreismitarbeiter namens I7 - von der Ausbildung her Theologe und auf der Suche nach einer neuen, sichereren beruflichen Perspektive - in der zu errichtenden RMVA-Betreiber-Gesellschaft einen Arbeitsplatz zu verschaffen; Herr I7 wurde von dem Angeklagten A später innerhalb der AVG im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eingestellt. Auch der ###5-Fraktionsvorsitzende R3 befürwortete eine Beteiligung des Zeugen F6 und bat zugleich darum, dem damaligen ###5-RatsherrenJ7 in der zu gründenden Gesellschaft einen Posten zu verschaffen, dessen Ausscheiden aus der ###5-Fraktion er, R3, sich davon erhoffte; diesem Wunsch entsprechend setzte sich der Angeklagte A nach Gründung der AVG dafür ein, dass der Ratsherr J7 bei der Kompostierungs- und Verwertungsgesellschaft mbH (KVK), einer 1992 gegründeten AVG-Untergesellschaft, eingestellt wurde. Auch der Fraktionsvorsitzende der ###4, der Zeuge Dr. S7, sprach sich für eine Beteiligung der F6 Entsorgung GmbH aus, verbunden mit dem Anliegen, einen Mitarbeiter aus dem Bundesaußenministerium in der zu errichtenden Abfallverwertungsgesellschaft unterzubringen; hierzu kam es jedoch nicht, da dessen Gehaltsvorstellungen den Rahmen der AVG sprengten. In der Fraktion###1/###2 hatten weder die von dem Angeklagten A angesprochene Fraktionsvorsitzende L7 noch der Fraktionsgeschäftsführer K7 Bedenken gegen eine Einbeziehung eines Unternehmens des Zeugen F6; lediglich die Zeugin X2, damals Fraktionsmitglied der Partei ###1/###2, sah diesen Vorschlag kritisch. Bei den ###6 stattete der Angeklagte A lediglich einen Höflichkeitsbesuch ab.
105Eine Beteiligung der A13AG war seitens der Politik nicht erwünscht, nicht zuletzt weil der dort in verantwortlicher Position tätige M6 seitens des Zeugen Dr. G2 nicht geschätzt wurde.
106Der Angeklagte A fasste den ihm aus den Ratsfraktionen von ###3, ###5, ###1 und ###4 erteilten Rat zu einer Beteiligung der F6 Entsorgung GmbH an der AVG als eine „höfliche Bitte“, aber durchaus mit Befehlscharakter, auf. Dies war in seinen Augen kein ungewöhnliches Vorgehen - war er doch aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit im Haupt- und Personalamt der Stadt Köln des öfteren mit persönlichen Wünschen verschiedener Ratsmitglieder konfrontiert worden, die Personen aus dem privaten Umfeld beruflich „versorgen“ wollten. Zudem lag eine Beteiligung der F6 Entsorgung GmbH auch aus der Sicht des Angeklagten A nahe, da dieses Unternehmen hinsichtlich der Abfallverwertung sowohl stofflich als auch energetisch ausreichend kompetent war.
107Anfang Februar 1992 erhielt der Zeuge F6 Gelegenheit zur Vorstellung seines Unternehmens bei der Projektgruppe 7000, die zwischenzeitlich Büroräume am X-Platz in Köln bezogen hatte. Schon in der anschließenden Projektgruppensitzung vom 19.02.1992 wurde die F6 Entsorgung GmbH als potentieller Mitgesellschafter sowohl der zu gründenden Abfallverwertungsgesellschaft als auch der ebenfalls zu errichtenden Untergesellschaften derselben genannt (SL 753 ff, 760). Mitte März 1992 wurden mit dem Zeugen F6 sodann in H6 die letzten Einzelheiten hinsichtlich seiner Beteiligung an der Gesellschaft besprochen. Die Entscheidung für den Mitgesellschafter war gefallen.
108Die städtischen Akten der Projektgruppe 7000 wurden später auf Veranlassung des Angeklagten A in der RMVA Köln verbrannt.
1093. AVG-Verträge und AVG-Untergesellschaften
110a)
111Eine weitere wesentliche Aufgabe der Projektgruppe war der Entwurf eines Gesellschaftsvertrages. Dieser Aufgabe widmete sich der AngeklagteA mit besonderer Sorgfalt. Erheblichen Wert legte er auf eine Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte des privaten Mitgesellschafters, die dazu führten, dass die Gesellschaft - trotz der stärkeren Stellung der Stadt - ohne den Privaten keine wesentlichen Entscheidungen treffen konnte. Hintergrund dieses Bestrebens war, dass dem Angeklagten A daran gelegen war, den Einfluss der Politik auf die Geschäfte der AVG - ausgeübt durch die unmittelbar oder mittelbar städtischen Gesellschafter - so weit als möglich zu reduzieren. Denn der Angeklagte A hatte in seinem bisherigen beruflichen Leben verschiedentlich erfahren müssen, dass politische Kräfte in nicht immer ausschließlich sachlich gebotener Weise Entscheidungsabläufe bestimmt und in diese eingegriffen hatten. Andererseits achtete er aber auch darauf, dass bei der gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung der zu gründenden Untergesellschaften, die sich mit der Kompostierung, der Gewerbeabfallsortierung- und -verwertung sowie der Baustellenabfallverwertung zu befassen hatten und innerhalb derer der Zeuge F6 die gesellschaftsrechtlich überlegenere Stellung hatte, entsprechende Regelungen getroffen wurden, die ebenfalls dazu führten, dass die städtischen Minderheitsgesellschafter einen wesentlichen Einfluss ausüben konnten.
112In seiner Sitzung vom 14.05.1992 fasste der Rat der Stadt Köln u.a. den Beschluss, die Verwaltung mit der Gründung der AVG zu betrauen, einen Konsortialvertrag mit den Mitgesellschaftern entsprechend dem der Beschlussvorlage beigefügten Entwurf zu schließen, auf die vertraglich vorgesehene Gründung der Untergesellschaften mit entsprechender Beteiligung der AVG hinzuwirken sowie mit der AVG nach deren Gründung den Entsorgungsvertrag entsprechend der Beschlussvorlage abzuschließen. (SL 805 ff., 805, 810).
113Noch am selben Tages wurde der Gesellschaftsvertrag zur Gründung der AVG beurkundet, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (SL 871 ff., siehe auch Anlage II zum Urteil). Gesellschafter waren danach die Stadt Köln mit einem Anteil am Stammkapital von 50,1 % und einer Stammeinlage von 1,002 Mio. DM, die XX5 Köln GmbH mit einem Anteil am Stammkapital von 24,8 % und einer Stammeinlage von 496.000,00 DM sowie die F6 Entsorgung GmbH H6 mit einem Anteil am Stammkapital von 25,1 % und einer Stammeinlage von 502.000,00 DM. Die städtischen AVG-Anteile wurden nicht vom Amt für Abfallwirtschaft, sondern vom Stadtkämmerer verwaltet. Die AVG wurde am 23.06.1992 unter der HRB-Nr. ##### in das Handelsregister des Amtsgerichts Köln eingetragen.
114Den Unternehmensgegenstand der AVG beschreibt der Gesellschaftsvertrag in § 2 Abs. 1 wie folgt:
115„Gegenstand des Unternehmens sind die Planung (einschließlich des Betreibens von Planfeststellungsverfahren und Altlastensanierung), der Bau und der umweltfreundliche Betrieb von Einrichtungen der Entsorgungswirtschaft, insbesondere von Anlagen zur Kompostierung, Gewerbeabfallaufbereitung, Baustellenabfallaufbereitung, zur thermischen Abfallbehandlung inclusive Schadstoffentfrachtung sowie die Vermarktung der in den Einrichtungen gewonnenen Wertstoffe und Energie. Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere die abfallrechtlichen Bestimmungen sind zu beachten; die Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzeptes der Stadt Köln in der jeweils gültigen Fassung sind für die Gesellschaft verbindlich“.
116Hinsichtlich der Umsetzung des AWK wich der Gesellschaftsvertrag allerdings von einer früheren Entwurfsfassung insoweit ab, nach dessen § 3 Abs. 1 Satz 3 „die konzeptionellen Rahmenbedingungen wie Dimensionierung d. Anlage, allgem. Richtlinie zu deren Betrieb u.ä. (...) vom Rat der Stadt per Beschluss definiert und ggf. fortgeschrieben“ werden sollten (SL 794, siehe auch Anlage III zum Urteil). Diese Abweichung korrespondiert mit der in § 1 Abs. 3 und § 3 des - noch darzustellenden - Entsorgungsvertrages zwischen der Stadt Köln und der AVG ausdrücklich herausgestellten Eigenverantwortlichkeit der AVG bei der Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben.
117In der Gesellschafterversammlung verfügten die Stadt Köln und die XX5 gegenüber dem privaten Mitgesellschafter über eine insgesamt 74,9 %-ige Mehrheit, die es ihr erlaubte, die Tätigkeit der AVG weitgehend und wesentlich zu prägen. Ausdrücklich wurde der Mehrheitsgesellschafterin Stadt Köln das Recht zur Benennung des Geschäftsführers eingeräumt (§ 8 Abs. 1S. 3 GV), dessen Bestellung und Abberufung allerdings durch die Gesellschafterversammlung (§§ 8 Abs. 1 S. 2, 9 Abs. 1 f) GV) erfolgte. Zum ersten Geschäftsführer wurde - entsprechend der Regelung in § 8 Abs. 2 S. 2 GV - der Angeklagte A bestellt.
118Ungeachtet der anteilsmäßig überlegenen Stellung der Mitgesellschafter aus dem Bereich der öffentlichen Hand sah der Gesellschaftsvertrag zu Gunsten der F6 Entsorgung GmbH innerhalb der Gesellschafterversammlung eine Sperrminorität vor. Wichtige Bereiche aus dem Aufgabenbereich der Gesellschafterversammlung konnten nur mit einer ¾-Mehrheit beschlossen werden (vgl. § 11), so dass der 25,1 %-ige Gesellschaftsanteil derF6 Entsorgung GmbH es ihr erlaubte, wesentliche Angelegenheiten der Gesellschaft - auch solche, die den Bereich der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflicht berühren, die die AVG für die Stadt Köln erfüllt - tatsächlich und rechtlich entscheidend mitzubestimmen. Hierzu zählen insbesondere folgende Bereiche:
119- Veräußerung eines Geschäftsanteiles (§ 5 Abs. 2)
120- Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 11 Abs. 3 S. 2)
121- Abberufung des Geschäftsführers (§ 11 Abs. 3 S. 2)
122- Auflösung der Gesellschaft (§ 11 Abs. 3 S. 2)
123- Veräußerung des Gesamtunternehmens (§ 11 Abs. 3 S. 2)
124- Fortsetzung der Gesellschaft nach Auflösung (§ 11 Abs. 3 S. 2)
125- Investitions- und Darlehensaufnahme (§§ 11 Abs. 3 S. 2, 9 Abs. 2 e)
126- Abschluss und Kündigung von Unternehmensverträgen
127(§§ 11 Abs. 3 S. 2, 9 Abs. 2 d)
128- Bestellung des Abschlussprüfers (§§ 11 Abs. 3 S. 2, 9 Abs. 2 i)
129- Feststellung des Wirtschaftsplanes (§§ 11 Abs. 3, 9 Abs. 1 c).
130Hinsichtlich der Regelungsdichte des Wirtschaftsplanes wird beispielhaft auf denjenigen des Jahres 1997 (SL 1526, 1528 ff; siehe auch Anlage IV zum Urteil) Bezug genommen.
131Ferner sollte nach § 8 Abs. 4 (in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Konsortialvertrages) der F6 Entsorgung GmbH das Recht zur Stellung eines Prokuristen für den technischen Bereich (technischer Bereichsleiter) zustehen.
132Der Gesellschaftsvertrag sah des weiteren die Errichtung eines Aufsichtsrates vor (§ 12 Abs. 1), dessen Mitgliederzahl letztlich auf 17 fest geschrieben wurde (§ 12 Abs. 2), da die seitens des Angeklagten A zunächst vorgeschlagene Besetzung mit sieben bzw. zehn Personen im Rat der Stadt nicht auf Zustimmung stieß. Auch der Aufsichtsrat wurde im Hinblick auf die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der AVG von den Mitgesellschaftern Stadt Köln/XX5 dominiert. Ihm kam die Aufgabe zu, die Geschäftsführung zu überwachen und zu überprüfen und Geschäftsführung wie Gesellschaft in Angelegenheiten der Gesellschaft zu beraten (§ 13 Abs. 1); eine lenkende Funktion hat der Aufsichtsrat nicht. Aufsichtsratsmitglieder kraft Amtes waren der Oberstadtdirektor und der für die Abfallwirtschaft zuständige Dezernent der Stadt Köln (§ 12 Abs. 2).
133In seiner konstituierenden Sitzung vom 08.07.1992 wählte der Aufsichtsrat bei einer Gegenstimme den Zeugen Dr. O3 zum Vorsitzenden, der diese Stellung bis zum Jahre 1998 inne hatte; zu einem von zwei stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden wurde einstimmig der Zeuge F6 gewählt (SL II). Mit Beschluss vom 07.10.1992 rief der Aufsichtsrat den Ausschuss für Finanz- und Personalangelegenheiten (im Folgenden: AFP) ins Leben, dem der Vorsitzende des Aufsichtsrates, seine Stellvertreter, der im Aufsichtsrat vertretene städtische Abfalldezernent und der in den Aufsichtsrat bestellte Vertreter der Stadt Köln angehörten (SL II). Dem AFP - auch als „kleiner Aufsichtsrat“ bezeichnet - kam die Aufgabe zu, die Entscheidungen des Aufsichtsrates vorzubereiten und ihre Umsetzung zu überwachen.
134b)
135Am dem 15.05.1992 schlossen die Gesellschafter der AVG den Konsortialvertrag (SL 933 ff., siehe auch Anlage V zum Urteil) zur Regelung ihres Zusammenwirkens in der Gesellschaft; auf den Konsortialvertrag wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Darin bringen sie u.a. ihre Einigkeit darüber zum Ausdruck, dass die AVG zur Erfüllung der ihr seitens der Stadt übertragenen Aufgaben - insoweit wird auf den noch zu schließenden Entsorgungsvertrag verwiesen - entweder selbst tätig werden oder sich anderer Unternehmen bedienen und sich an solchen beteiligen kann (§ 2 Abs. 1 Konsortialvertrag).
136Dem entsprechend sieht § 2 Abs. 2 Ziff. 1 Konsortialvertrag den Betrieb einer noch zu errichtenden Kompostierungsanlage und die Wertstoffvermarktung und Reststoffentsorgung durch eine noch zu gründende Kompostierungs- und Verwertungsgesellschaft vor. Am 02.11.1992 wurde die Kompostierungs- und Verwertungsgesellschaft mbH (KVK) mit Sitz in Köln errichtet (SL 965 ff.), an der die AVG mit 25,1 % des Stammkapitals, die FirmaF6 Entsorgung GmbH mit 50,1 % und die ebenfalls zur F6-Unternehmensgruppe gehörende Firma U6 mit 24,8 % beteiligt waren (SL 969 ff.). Die Gesellschafter der AVG stimmten im Rahmen der Gesellschafterversammlung vom 18.10.2000 der Übertragung der Gesellschaftsanteile der U6 an der KVK auf die F6 AG zu.
137Des weiteren wurde entsprechend der Regelung in § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Konsortialvertrag am 02.11.1992 die Gewerbeabfallsortierung und Verwertung Gesellschaft Köln mbH (GVG) als Gesellschaft zur Gewerbeabfallsortierung und –aufbereitung sowie zur Wertstoffvermarktung und Reststoffentsorgung, ebenfalls mit Sitz in Köln, ins Leben gerufen (SL 993 ff.), an der zunächst die AVG mit 25,1 % des Stammkapitals, die F6 Entsorgung GmbH mit 25,1 % und die Firma EVK Entsorgungs- und Verwertungs-Gesellschaft Köln mit 24,8 % beteiligt waren. Später übernahm die F6 Entsorgung GmbH/F6 AG die Geschäftsanteile der EVK.
138Schließlich wurde - entsprechend der Regelung in § 2 Abs. 2 Ziff. 3 Konsortialvertrag - am 28.04.1993 die Baustellenabfall-Verwertung GmbH (BAV) gegründet, an der die Firma Baustoff-Handel und -Recycling Köln GmbH (BuR) und die Firma BSA Baustellenabfallaufbereitungsgesellschaft mbH Köln je einen Anteil von 37,45 % des Stammkapitals und die AVG einen solchen von 25,1 % halten (SL 1020 ff.). Die Firmen BuR und BSA gehörten zur F6-Unternehmensgruppe.
139Im Juli 1997 wurde als weitere AVG-Untergesellschaft die ebenfalls zurF6-Unternehmensgruppe gehörende G12 GmbH (im Folgenden: G12) gegründet.
140Weitere Untergesellschaften wurden nicht gegründet.
141c)
142Am 27.05.1992 schlossen die Stadt Köln und die AVG den bereits erwähnten Entsorgungsvertrag, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (SL 942 ff., Anlage VI zum Urteil). Dieser weist in der Vorbemerkung auf die Verpflichtung der Stadt Köln zur Entsorgung der in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle nach den Vorschriften des Bundes- und des Landesabfallgesetzes in der jeweils gültigen Fassung hin. Ferner wird ausdrücklich die im AWK 1988 seitens der Stadt übernommene Verpflichtung erwähnt, die Entsorgungsaufgaben auch auf den Bereich der Abfallverwertung zu erstrecken und langfristige Entsorgungssicherheit durch Schadstoffentfrachtung und Reduzierung des abzulagernden Abfallvolumens zu gewährleisten. Nach § 1 Abs. 1 Entsorgungsvertrag beauftragt die Stadt Köln gemäß den einschlägigen Bestimmungen des AbfG und des AbfG NW die AVG als sog. Dritte mit der Wahrnehmung ihrer Abfallentsorgungsaufgaben in den Bereichen Gewinnen von Stoffen aus organischen Bestandteilen des Haus- und Gewerbemülls sowie aus Grün- und Marktabfällen durch Kompostierung sowie aus Gewerbeabfällen und Baustellenmischabfällen durch Sortierung und Aufbereitung solcher Abfälle in geeigneten Anlagen; ferner zählt - nach Abschluss des Verwertungsprozesses und zur Vorbereitung der Endablagerung des Restabfalles - die Reduzierung des Abfallvolumens durch thermische Behandlung von Abfällen in einer Müllverbrennungsanlage samt schadstoff-entfrachtender Vorschaltanlage und das Gewinnen von Stoffen und Energie aus Abfällen durch die Behandlung in diesen Anlagen zu dem der AVG übertragenen Aufgabenfeld.
143Wie bereits erwähnt, ist die AVG nach dem Entsorgungsvertrag zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung der ihr übertragenen Entsorgungsaufgaben nach Maßgabe der Bestimmungen des Entsorgungsvertrages berechtigt und verpflichtet (§ 1 Abs. 3). Die Leitlinien des jeweils gültigen AWK sowie die in Bezug auf die Aufgabenstellung der AVG ergangenen Ratsbeschlüsse sind für die Tätigkeit der AVG verbindlich; allerdings hat die AVG das AWK, soweit es ihren Aufgabenbereich berührt, nach § 3 Abs. 1 S. 1 und 4 Entsorgungsvertrag in eigener Verantwortung umzusetzen.
144Die Eigentümer von Grundstücken, auf denen Abfall zur Verwertung und zur Beseitigung aus privaten Haushaltungen anfallen konnte, unterlagen auch fortan einem - Befreiungsregelungen vorsehenden - Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der öffentlichen Abfallentsorgung, wie sich aus den städtischen Abfallsatzungen etwa vom 29.12.1994 (SL 1878 ff.) und 23.12.1996 (SL 1790 ff.) ergibt. Nach der Satzung vom 23.12.1996 ist u.a. vom Anschluss- und Benutzungszwang befreit, „wer Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen in eigenen Anlagen unter Beachtung der §§ 10 ff. KrW-/-AbfG beseitigt (Eigenbeseitigung) und überwiegende öffentliche Interessen eine Überlassung nicht erfordern. Überwiegende öffentliche Interessen sind insbesondere dann gegeben, wenn ohne eine Überlassung an die Stadt oder einen anderen nach Maßgabe des KrW-/-AbfG bestimmten Entsorgungsträger die Entsorgungssicherheit, der Bestand, die Funktionsfähigkeit oder die wirtschaftliche Auslastung der städtischen Abfallentsorgungseinrichtungen gefährdet werden“ (§ 7 Abs. 1 b) der Abfallsatzung).
145Das im Entsorgungsvertrag beschriebene Aufgabengebiet wurde durch Änderungsvertrag vom 04.05.1995 auf die „Entsorgung der Inhalte von Öl-, Benzin- und Fettabscheidern, von Sandfangrückständen und Schlamm aus Öltrennanlagen sowie ggfls. Aufbereitung und Verwertung dabei gewonnener Stoffe“ (neu eingeführter § 1 Abs. 1 e) des Entsorgungsvertrages) ausgedehnt (SL 954 f.). Hintergrund hierfür war, dass nach § 3 der damals gültigen Abfallsatzung für die in dem neuen § 1 Abs. 1 e) Entsorgungsvertrag genannten Stoffe keine Entsorgungspflicht der Stadt Köln bestand, diese Stoffe vielmehr von den Betreibern der Anlagen zu entsorgen waren, in denen sie entstanden. Die Stadt Köln war der Ansicht, aufgrund negativer Erfahrungen mit der Entsorgung durch die Anlagenbetreiber sei es ratsam, auch diese Stoffe der Entsorgungspflicht der Stadt - und somit zugleich dem Aufgaben- und Tätigkeitsbereich der AVG - zuzuführen. Da die AVG die Entsorgung insoweit nicht selber, sondern durch einen Subunternehmer erbringen sollte, wurde eine auf sieben Bieter beschränkte Ausschreibung gestartet, die zu dem Ergebnis führte, dass R6 - ein Unternehmen der F6-Gruppe ‑ sich als Günstigste präsentierte und die geforderte Leistung zu einem Jahrespreis von ca. 13,12 Mio. DM anbot. Mit R6 wurde dementsprechend seitens der AVG ein Vertrag über die Entsorgung der später in § 1 Abs. 1 e) Entsorgungsvertrag aufgeführten Stoffe geschlossen; die Abfallsatzung der Stadt Köln wurde am 09.10.1995 dahin geändert, dass nun auch diese Stoffe der Entsorgungspflicht der Stadt unterfielen.
146Allerdings setzte sich 1996 bei der Stadt Köln die Ansicht durch, dass der abfallsatzungsmäßige Anschluss- und Benutzungszwang für die vorgenannten Stoffe dem im Oktober 1996 in Kraft getretenen KrW-/-AbfG widerspreche und die Satzung dementsprechend aufzuheben sei. Folge war, dass die Zusatztätigkeit aus dem Aufgabengebiet der AVG herausfiel und diese eine Einnahmequelle verlor. Zwischen der Stadt Köln und der AVG kam es daraufhin zu einer Auseinandersetzung, innerhalb derer die AVG deutlich den Standpunkt vertrat, dass ein Wegfall des Anschluss- und Benutzungszwanges einzig zu Lasten der Stadt Köln gehen müsse, d.h. die Stadt der AVG insoweit zum Schadensersatz verpflichtet sei; sie unterbreitete der Stadt die Schadensberechnung der R6, die sich - ohne Berücksichtigung einer bis zum Vertragsende am 31.12.2025 vereinbarten Preisgleitung - auf ca. 14,6 Mio. DM netto belief. Die AVG versäumte dabei nicht, die Stadt Köln darauf hinzuweisen, dass das KrW-/-AbfG zwar erst im Herbst 1996 in Kraft getreten, aber bereits im Oktober 1994 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden war, so dass die eingetreten Rechtslage bereits bei Abschluss des Änderungsvertrages zum Entsorgungsvertrag im Mai 1995 erkennbar gewesen war (SL 1594 ff.). Nach langwierigen Verhandlungen und der Androhung einer Klage der AVG gegen die Stadt Köln traf man 31.08./09.09.1997 eine Vereinbarung, wonach die Stadt der AVG „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ zur Abgeltung der von der AVG geltend gemachten Schadensersatzansprüche einen Betrag von 5 Mio. DM ab 1998 in jährlichen Raten zu je 1 Mio. DM zahlte (SL 956 f.). Zuvor war im Juli 1997 der Anschluss- und Benutzungszwang durch Satzung vom 09.07.1997 aufgehoben worden (SL 1630).
1474. Grundstücksauswahl und -erwerb
148Bereits Ende der 1980er Jahre hatte der Rat im Zusammenhang mit der Erstellung des AWK die Verwaltung beauftragt, geeignete Standortvorschläge für die Ansiedlung der verschiedenen Abfallbehandlungsanlagen zu unterbreiten. In Erfüllung dieses Auftrages erteilte die Stadtverwaltung dem IFEU einen entsprechenden Auftrag. Dort schlug man für die Errichtung der Vorschalt- und thermischen Verwertungsanlage im Mai 1989 im Wesentlichen die Standorte Kaserne Holm in Köln-Niehl, Glanzstoff-West und KHD Mülheimer Hafen vor. Nach langwierigen Verhandlungen - sowohl mit den betreffenden Grundstückseigentümern als auch innerhalb der zuständigen Entscheidungsgremien - fassten Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung in der gemeinsamen Sitzung am 21.12.1993 einstimmig den Beschluss, dem Erwerb des Grundstücks Kaserne Holm in Köln-Niehl zuzustimmen und beauftragte die AVG-Geschäftsführung u.a. mit dem Erwerb dieses Grundstücks. Der entsprechende Kaufvertrag wurde am 23.12.1993 beurkundet.
149II. Dimensionierung der RMVA
1501. Interessenlage
151Bei der weiteren Planung der RMVA Köln war allem voran die Frage ihrer Dimensionierung zu klären. Hier trafen die Interessenlagen des Kölner Regierungspräsidenten, der Stadt Köln und des privaten AVG-Gesellschafters, der F6 Entsorgung GmbH bzw. des hinter dieser stehenden Zeugen F6, aufeinander.
152a)
153Die Kölner Bezirksregierung hatte 1992 einen Abfallentsorgungsplan entwickelt, der das Konzept verfolgte, die regionale thermische Müllentsorgung zu koordinieren und dieserhalb ursprünglich die Errichtung von acht, später angesichts schrumpfender Müllmengen - vier Müllverbrennungsanlagen im Bezirk vorsah. Hintergrund des Abfallentsorgungsplans war zum einen, dass bereits damals die Verabschiedung der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (im Folgenden: TASI) zu erwarten war, die eine Schließung sämtlicher Deponien für Hausmüll bis zum Jahr 2005 zur Folge haben würde; zum anderen oblag den Entsorgungspflichtigen nach dem Landesabfallgesetz NW die Garantie einer zehnjährigen Entsorgungssicherheit. Die Bezirksregierung machte 1994 bekannt, dass sie die Einrichtung von vier Entsorgungsregionen mit je einer MVA und möglichst kurze Mülltransportwege für die Gebietskörperschaften vorsehe: die Entsorgungsregion West (Stadt und KreisAachen sowie die Kreise Düren und Heinsberg, MVA -P7), die Entsorgungsregion Ost (Stadt Leverkusen, Oberbergischer und Rheinisch-Bergischer Kreis sowie der westliche Teil des Erftkreises, MVA Leverkusen), die Entsorgungsregion Süd (Stadt Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und Kreis Euskirchen, F13) sowie die Entsorgungsregion Mitte (Stadt Köln und östlicher Teil des Erftkreises, RMVA Köln). Die zu entsorgende Gesamtmüllmenge des Regierungsbezirkes Köln wurde 1992 mit ca. 3,1 Mio. t/a berechnet, wovon ca. 1,4 Mio. t/a der thermischen Verwertung zugeführte werden sollten. Ausgehend von einem mittleren Heizwert von ca. 11.000 kj/kg für Hausmüllfraktionen sah man für die Entsorgungsregion Mitte seitens des Kölner Regierungspräsidiums eine zunächst auf 580.000 t/a, später sogar auf 630.000 t/a ausgelegte RMVA Köln als notwendig an.
154b)
155Die Gebietskörperschaften - und so auch, jedenfalls nach außen hin, die Stadt Köln - unterstützten den Plan des Zeugen Dr. I6 hinsichtlich einer Koordinierung der Abfallentsorgung und der Errichtung weniger, aber großer Müllverbrennungsanlagen nicht - auch nicht der konkret von derKölner RMVA-Planung betroffene damalige Erftkreis (heute: Rhein-Erftkreis). Die Stadt Köln bemühte sich in der Öffentlichkeit stets den Eindruck zu erwecken, man wolle in Köln „nur Kölner Dreck“ verbrennen. Ausschlaggebend für diese Haltung war der sich bereits im Vorfeld der Planung der RMVA bemerkbar machende Widerstand in der Bevölkerung. So engagierte sich besonders im Kölner Norden die Bürgerinitiative Wohnen und Umwelt, die sich später dem Dachverband XXXX (Kölner Interessengemeinschaft Müllvermeidung statt Müllverbrennung e.V.) anschloss. Gegenstand der Kritik aus diesen Reihen war schon das Projekt als solches, nicht lediglich die Dimensionierung der RMVA. Man befürchtet vor allem unvertretbare ökologische Belastungen für die Kölner Bevölkerung. Daneben gab es - vornehmlich innerhalb der Parteien ###3 und ###5 - Gegner der RMVA, die in erster Linie deren geplante Größe beanstandeten und die Befürchtung äußerten, dass in einer zu groß dimensionierten RMVA auch Fremdmüll aus nicht zum Stadtgebiet zählenden Regionen letztlich auf Kosten des Kölner Steuerzahlers verbrannt werden sollte. Die Verantwortlichen in der Stadt hielten angesichts dieser Situation die Errichtung einer RMVA auch zur Verfeuerung auswärtigen Mülls für politisch nicht durchsetzbar.
156c)
157Wiederum andere Interessen verfolgte der AVG-MitgesellschafterF6. Der Zeuge F6 hatte frühzeitig erkannt, dass die Gebietskörperschaften sich Anfang der 1990er Jahre vor der schwierigen Situation sahen, dass sie bis zum Jahr 2005 die bislang zur Entsorgung dienenden Deponien schließen, und daher - auch vor dem Hintergrund der zehnjährigen Entsorgungssicherheit - bereits damals Wege zum Übergang zu einer (auch) thermischen Verwertung des Abfalls finden mussten. Es war vorhersehbar, dass dies zu erheblichen Kosten führen würde, da die Kommunen in der Übergangszeit sowohl die vorhandenen Deponien weiter betreiben als auch Müllverbrennungsanlagen neu errichten mussten; diese Kosten drohten sich zu Lasten des Bürgers - und für diesen spürbar - auf den Satzungspreis für die Müllentsorgung (d.h. den Preis, den die Stadt Köln für die Müllverbrennung an den Entsorger zu entrichten hat und der wiederum maßgebend für die Höhe der Müllgebühren ist) niederzuschlagen. Es war absehbar, dass in dieser Übergangszeit letztlich mehr Entsorgungskapazitäten vorgehalten werden mussten, als Müll vorhanden war. Hier sah der Zeuge F6 die Möglichkeit für eine gewinnträchtige Betätigung: Sein Plan bestand darin, Abfall der keine eigene MVA unterhaltenden Kommunen zu übernehmen und diesen in den Müllverbrennungsanlagen - unter Ausnutzung der dortigen Überkapazitäten - zu verfeuern. Zu einer wirtschaftlichen Angelegenheit wurde dies dann, wenn er den Müll zu einem Entgelt in der MVA entsorgen konnte, das geringer war als der Preis, den er den Kommunen für die Übernahme des Mülls in Rechnung stellte. Der Zeuge F6 wusste sich bei diesem Vorgehen einig mit dem Zeugen Dr. I6, da er durch seine Tätigkeit de facto die von diesem im Abfallentsorgungsplan vorgesehene Koordinierung der Müllentsorgung bewirkte, zu der die Gebietskörperschaften nicht bereit waren. Der Zeuge Dr. I6 hat in seiner Eigenschaft als Regierungspräsident nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Firma F6 „in besonderer Weise die Vorgaben des Abfallwirtschaftsplanes umsetze“, wenn auch eine Monopolstellung dieser Unternehmensgruppe nicht erwünscht sei. So äußerte der Zeuge Dr. I6 u.a. anlässlich eines Gespräches über abfallwirtschaftliche Kooperationen im Regierungsbezirk Köln am 14.03.1997, an der neben Vertretern des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft sowie der betroffenen Entsorgungsregionen u.a. auch ein Vertreter der Stadt Köln teilnahm, dass er aus diesem Grunde das Vorhaben der FirmaF6, Überkapazitäten aller Müllverbrennungsanlagen des Regierungsbezirkes aufzukaufen, unterstütze; er sage dies mit aller Deutlichkeit, „damit keiner hinterher behaupte, er habe nichts gewusst und sei Opfer dieser Planungen“.
158Im Interesse des Zeugen F6 lag daher - wie im Falle des Zeugen Dr. I6 - die Planung und Errichtung einer deutlich über den Bedarf der Stadt Köln hinaus dimensionierten RMVA.
1592. Festlegung der Dimensionierung
160Nach dem beschossenen Gesellschaftsvertrag der AVG lag - in Abweichung von der Entwurfsfassung - die Entscheidung über die Größe der RMVA in der alleinigen Verantwortung der AVG, die gehalten war, das AWK der Stadt „in eigener Verantwortung“ umzusetzen.
161Gegenüber der seitens des Kölner Regierungspräsidenten im Abfallentsorgungsplan 1992 festgelegten Kapazitätsauslegung war das bereits erwähnte IFEU-Gutachten noch von einer jährlichen Verbrennungsleistung von ca. 230.000 t ausgegangen; das städtische AWK 1988 sah eine für den in Köln anfallenden Müll notwendige Verbrennungsleistung von jährlich ca. 387.100 t vor; auch im Ratsbeschluss vom 14.05.1992 zur Gründung der AVG war eine Verbrennungskapazität von 387.000 t/a zugrunde gelegt worden.
162Da bereits Ende der 1980er Jahre absehbar war, dass es aufgrund geänderten Müllverhaltens und veränderter rechtlicher Vorgaben in den nächsten Jahren zu erheblichen Änderungen der Abfallsituation kommen würde, sah man seitens der Stadt das AWK nicht als statische, sondern als fortzuschreibende Größe an. Daher beschloss der Rat am 18.03.1993 die erste Fortschreibung des AWK von 1988, der eine Betrachtung der Abfallströme bis zum Prognosejahr 2000 zugrunde lag. Das AWK 1993 (SL 699 ff., siehe auch Anlage VII zum Urteil), auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ging nunmehr von einer jährlichen Verbrennungsleistung der RMVA von 421.400 t aus. Grundlage dieser Neuberechnung war zum einen eine Untersuchung der AVG über die Abfallströme im Jahr 2000, die hinsichtlich der thermischen Verwertung zu einer Größe von 421.400 t/a gelangt war (SL 705 ff.), sowie ein seitens der Stadt bei ITU in Auftrag gegebenes Gutachten zur Analyse des Hausmülls und des hausmüllähnlichen Gewerbeabfalls. Über die Frage der Notwendigkeit des Vorhaltens von Reservekapazitäten für den Ausfall einer der Verbrennungslinien verhält sich das AWK 1993 nicht. Hierüber war erstmalig in der Ratssitzung vom 24.03.1992 diskutiert worden, wobei eine solche von 10 bis 25 % erwogen wurde; die Vertreter des Verwaltungsdezernates III sprachen sich für eine Reserve von 20 % als dem Stand der Technik entsprechend aus.
163Ausschlaggebend für die Verbrennungsleistung einer RMVA und damit erheblich für die Festlegung ihrer Dimensionierung ist u.a. der Heizwert der zu verfeuernden Stoffe: je nasser der Müll (z.B. feuchte organische Bestandteile), desto geringer der Heizwert und desto größer die mengenmäßige Verbrennungskapazität. Das im August 1993 vorgelegte ITU-Gutachten ermittelt einen durchschnittlichen Heizwert für Hausmüllfraktionen von 11.100 bis 11.500 kj/kg.
164Informationen zur technischen Anlagekonzeption wurden dem Ausschuss für Öffentliche Einrichtungen und Abfallwirtschaft (im Folgenden: AÖEA) seitens der Verwaltung erstmals im September 1993 vorgelegt. Dabei ging man von einer Rostverfeuerungsanlage mit vier Verbrennungslinien und einem jeweiligen Durchsatz von ca. 16 t/h aus. Schon aufgrund dieser Vorgaben hätte sich nach der nachstehenden Formel und ausgehend von dem üblichen24-Stunden-Betrieb der Anlage eine Leistungsfähigkeit von 560.640 t/a errechnen lassen:
16516 t mal 4 Verbrennungslinien mal 8.760 h (= 24 h mal 365 Tage).
166Diese Berechnungsart war bereits bei der Ermittlung der thermischen Kapazität der RMVA durch die M10 im Frühjahr 1992 zugrunde gelegt worden und hatte - allerdings ausgehend von drei Verbrennungslinien und einem stündlichen Durchsatz von 15 t - zu einer Verbrennungskapazität von 394.000 t/a geführt.
167In einer Beschlussvorlage des Rates vom 25.11.1993, die die konkrete Auftragslage des Rates bzgl. der RMVA wie etwa die Verbrennungsleistung von 421.400 t/a darstellt, wird die Anlagenkonzeption der AVG vorgelegt. Angaben zur Verbrennungskapazität enthält die Vorlage nicht; hingegen wird in den beigefügten Anlagen dargelegt, dass ein 24-Stunden-Betrieb der Anlage in einer Sieben-Tage-Woche und eine Durchsatzleistung von 16,5 t/h beabsichtigt sei, zudem wird von einer Betriebszeit der Anlage von 85 % ausgegangen. Diese Daten führen nach der o.g. Formel und ausgehend von einem mittleren Heizwert von ca. 11.300 kj/kg zu einer jährlichen Verbrennungsleistung von 491.436 t; geht man von einem niedrigeren Heizwert von 10.700 kj/kg aus, gelangt man zu einer Kapazität von 578.160 t/a.
168Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Bezirksregierung ging aufgrund der Angaben der AVG im Genehmigungsantrag vom 12.06.1994 davon aus, dass bei einem mittleren Heizwert von 11.300 kj/kg technisch ca. 560.000 t jährlich verbrannt werden könnten, wenn die Anlage stets in vollem Umfang betriebsbereit wäre. Damit lagen aus Sicht der Kölner Bezirksregierung 25 % der Anlagenkapazität über den für den Kölner Müll prognostizierten 421.000 t: 560.000 geteilt durch 4 mal 3 = 420.000. Der Bezirksregierung war klar, dass es sich insoweit nicht um eine bloße Reservekapazität handelte, sondern dass, wie von ihr gewünscht, auch Müll aus dem Erftkreis oder der Kreis Euskirchen in nicht unerheblichem Umfang verbrannt werden kann und verbrannt wird.
169Bereits zum damaligen Zeitpunkt bestand aus technischer Sicht keine Notwendigkeit, Reservekapazitäten von 25 % für wartungs- und reparaturbedingte Ausfallzeiten vorzuhalten. Denn es war z.B. bekannt, dass die von dem Zeugen und AVG-Mitgesellschafter F6 in Krefeld mitbetriebene MVA - u.a. aufgrund der hervorragenden Wartungsleistungen derQ6 - nur noch Stillstandszeiten von 10 % aufwies. (Soweit im Folgenden von dem Zeugen F6 als AVG-Mitgeselleschafter die Rede ist, ist damit nicht dessen Person, sondern das F6-Unternehmen gemeint, welches zum jeweiligen Zeitpunkt Gesellschafter der AVG war.) Nicht zuletzt mit dieser hervorragenden Leistung hatte der Zeuge F6 im Rahmen seiner Anbahnungsgespräche als Mitgesellschafter der AVG geworben.
170Im Juni 1994 reichte die AVG bei der Bezirksregierung Köln den Genehmigungsantrag nach §§ 4 ff. BImSchG zur Errichtung und zum Betrieb der RMVA ein; eine ehemals nach dem Umweltverträglichkeitsgesetz vorgesehene Prüfung, die auch den Bedarf der zu errichtenden Anlage zum Gegenstand hatte, war aufgrund geänderter rechtlicher Rahmenbedingungen nicht länger erforderlich. Der Antrag legte für die Bemessung der Verbrennungsleistung u.a. eine Restmüllmenge von 421.400 t/a, einen Bilanzheizwert von 11.300 kj/kg und einen Durchsatz von 16,25 t/h je Verbrennungslinie zugrunde. Aufgrund der technischen Vorgaben verfügte die Anlage über eine thermische Leistungsfähigkeit von 569.400 t/a. Zwar wurde eine Genehmigung im Wege der Selbstbeschränkung nur für eine Verbrennung von 421.400 t/a beantragt; die rechtliche Tragweite dieser Selbstbeschränkung war jedoch zweifelhaft; tatsächlich wurde die Selbstbeschränkung später fallen gelassen und am 29.06.2000 seitens der AVG ein Antrag auf einen Anlagenbetrieb mit einer Behandlungskapazität von 569.400 t bei einem mittleren Heizwert von 11.300 kj/kg mit der Maßgabe gestellt, dass die Verbrennung größerer Mengen an Müll zulässig sein soll, wenn sich der Heizwert absenkt und deshalb mehr Müll in der Anlage verfeuert werden kann. Diesem Antrag wurde seitens der Bezirksregierung mit Bescheid vom 20.09.2000 entsprochen.
171Von der Möglichkeit einer Verbrennungsleistung von zumindest 600.000 t/a ging man seitens der AVG bereits anlässlich einer Jour-Fix-Besprechung der AVG-Geschäftsleitung am 22.02.1994 (SL 1496) aus, bei der entschieden wurde, dem Werkunternehmer auf eine entsprechende Nachfrage hin mitzuteilen, dass zwar der Genehmigungsantrag der RMVA von einer Verbrennungsleistung von 16,25 t je Stunde und Linie auszugehen habe, die Technik jedoch des ungeachtet auf 17,88 t je Stunde und Linie auszulegen sei; per Änderungsgenehmigungsverfahren könne die Betriebsgenehmigung von 16,25 t/h auf die Auslegungsgröße von 17,88 t/h erhöht werden. Dies entsprach der AVG- und stadtinternen Sprachregelung, dass die Verbrennungsleistung von 421.000 t/a das nach außen politisch Gewollte sei; eine solche von ca. 600.000 t/a war jedoch, wie damals von den Entscheidungsträgern erkannt, die unter bestimmten Voraussetzungen technisch mögliche Verbrennungsleistung.
172Für eine technische Verbrennungsleistung von 569.000 t/a war nicht ursächlich die später eingetretene Absenkung des mittleren Heizwertes, die sich 1997/1998 insbesondere wegen der Abbestellung von Behältnissen für Biomüll ergab, als verwaltungsgerichtlich die Quersubventionierung der Biotonne aus dem allgemeinen Müllgebührenhaushalt für unzulässig erachtet wurde. Denn bereits bei einem mittleren Heizwert von 11.300 kj/kg, wie er 1994 seitens der AVG angenommen worden ist, wird - ausgehend von einer hundertprozentigen Verfügbarkeit der Anlage - eine thermische Behandlungskapazität von 569.400 t/a erreicht. Die spätere, vornehmlich durch die Abbestellung von Biomülltonnen bedingte Absenkung des Heizwertes führte dagegen zu einer weiteren Erhöhung der Verbrennungsleistung, die sich in den Jahren 2001 und 2002 auf ca. 650.000 t belaufen hat.
173Der mittlere Heizwert der seit 1998 in der RMVA verbrannten Abfälle stellt sich wie folgt dar:
1741998 8.071 kj/kg
1751999 9.177 kj/kg
1762000 10.165 kj/kg
1772001 9.870 kj/kg.
1783. weitere Umstände
179a)
180Wenngleich die Stadt Köln in der Öffentlichkeit den Eindruck hervorzurufen bestrebt war, keine RMVA zu errichten, die über den Kölner Bedarf hinaus ging, und auch im Rat der Stadt Köln die Frage der Dimensionierung der RMVA Gegenstand von Diskussionen war, die insbesondere von RMVA-kritischen Ratsmitgliedern angestoßen wurden, lässt sich doch auch feststellen, dass der Rat als solcher oder aber der AÖEA sich gegenüber der AVG bei der Frage der Festlegung der Dimensionierung weitgehend zurückgehalten haben. Die Stadt hat nicht nachdrücklich versucht, in Erkenntnis der technischen Möglichkeiten des geplanten Vorhabens die AVG zur Einhaltung ihrer immerhin nach dem Entsorgungsvertrag bestehenden Bindung an das städtische AWK zu mahnen. Vielmehr wurde im AÖEA die dargelegte Formel zur Berechnung der Verbrennungsleistung nicht einmal nachvollzogen; man verließ sich statt dessen auf die Angaben der Verwaltung, die sich ihrerseits aus von der AVG bereit gestellten Informationen speisten. Dabei war zumindest den Zeugen Dr. O3 und Dr. G2 bekannt, dass die RMVA in ihrer zur Genehmigung konzipierten Ausgestaltung ein wesentlich höheres Verbrennungsvolumen als 421.400 t/a aufwies; der Zeuge Dr. I6 hatte sie wiederholt hierauf aufmerksam gemacht, ohne dass sich bei ihnen- die doch nach außen als Verfechter der These „nur Kölner Dreck“ auftraten ‑ erkennbare Verwunderung oder gar Widerspruch bemerkbar gemacht hätte. Wurden kritische Anfragen aus den Reihen des Rates oder der Stadtverwaltung in Bezug auf die Größe der Anlage vorgebracht, verwiesen die Zeugen Dr. O3 und Dr. G2 darauf, dass diese Frage in der alleinige Entscheidungszuständigkeit der AVG liege.
181b)
182Auch in den Gesellschaftsgremien der AVG, die zu einem nicht geringen Anteil mit Mitarbeitern der Stadt Köln besetzt waren, spielte die Frage der Dimensionierung der RMVA nur eine untergeordnete Rolle; eine ernsthafte Auseinandersetzung fand nicht statt. So legte der Angeklagte A zwar etwa in der Sitzung des AFP vom 02.02.1993 dar, dass „der Input der RMVA nach den neuesten Analysen letztlich 421.400 t/a betragen wird“. Auf die Frage des Bürgermeisters K6 nach der Gesamtgröße der Anlage verwies er hingegen lediglich darauf, dass diese auch davon abhänge, inwieweit eine Zusammenarbeit z.B. mit Leverkusen möglich sein werde; Angaben zur technisch möglichen Verbrennungsleistung wurden weder gemacht noch erfragt. Gleichwohl hätten auch die Mitglieder der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrates sich hierüber ein eigenes Bild machen können, denn sie waren darüber informiert, dass die AVG eine RMVA plante, in der innerhalb einer Sieben-Tage-Wochen täglich über 24 Stunden auf vier Verbrennungslinien eine Durchsatzmenge von 16,5 t/h mit einem mittleren Heizwert von 10.700 kj/kg verfeuert werden sollte, und dass man von einer 85 %-igen Verfügbarkeit der Anlage ausging. Auch hier hätte daher die Möglichkeit bestanden zu erkennen, dass die RMVA tatsächlich über eine Kapazität von mindestens 491.436 t/a verfügte.
183Die Vernachlässigung einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Frage der Dimensionierung im AVG-Aufsichtsrat fügte sich in das auch ansonsten dort gepflegte Arbeitsgebaren. Die Aufsichtsratssitzungen nahmen nur selten mehr als eine Zeitstunde in Anspruch; ihr Ablauf gestaltete sich im Wesentlichen stets gleich; der Aufsichtsratvorsitzende, der Zeuge Dr. O3, hatte zu erkennen gegeben, dass er zeitaufwendige Diskussionen in diesem Gremium nicht wünsche; strittige Fragen sollten vor oder nach der Aufsichtsratssitzung geklärt werden. Der Großteil der Aufsichtsratsmitglieder nahm die Informationen der AVG-Geschäftsleitung - nicht selten präsentiert in der Form ansprechender, aber nicht tiefer gehend informierender Hochglanzbroschüren - ohne weiteres Nachfragen zur Kenntnis; nur wenige Aufsichtsratsmitglieder - wie die Zeugin X2, die sich in solchen Fällen zumeist in einem durchaus heftigere Tonfälle hervorrufenden Zwiegespräch mit dem Angeklagten A und dem Zeugen Dr. O3 wiederfand - versuchten sich durch Insistieren und Anfordern weiterer Informationen eine breitere Beurteilungsgrundlage für die zu entscheidenden Fragestellungen zu verschaffen.
184c)
185Der Zeuge F6 hingegen verfolgte sein Ziel, Überkapazitäten der RMVA Köln gewinnbringend für sich zu nutzen, stringent:
186So gelang es ihm, sich das Recht zur Alleinakquise für Fremdmüll zur Verbrennung in der RMVA Köln zu sichern. Hierbei kam ihm zu Gute, dass die AVG zum 01.01.1998 auch die Betriebsführung der Deponie Vereinigte Ville übernehmen musste und daher voraussehbar war, dass sie von diesem Zeitpunkt an bis 2005 Deponie und RMVA parallel unterhalten und mit Müll würde bestücken müssen. Es war auch erkennbar, dass die Deponie ohne die Zuführung namhafter Fremdmüllmengen nach dem Wegfall der ab dem 01.01.1998 in der RMVA zu entsorgenden Abfälle ihre Betriebskosten nicht mehr würde erwirtschaften können. Andererseits verfügte der Zeuge F6, der Entsorgungsverträge mit verschiedenen Kommunen unterhielt, über ausreichend große Müllmengen. Daher trafen der Zeuge F6 als Geschäftsführer der F6 GmbH und die AVG 30.12.1997 zunächst eine Vereinbarung (SL 1118 ff.), die u.a. zum Gegenstand hatte, dass der Zeuge F6 der AVG jährlich in monatlichen Raten 20 Mio. DM als Beitrag zu den der AVG entstehenden Deponiekosten zahlt und hierfür- ausgehend von einem im Kontingentvertrag festgelegten Tonnagepreis von 110,00 DM - das Recht erhält, jährlich ca. 181.000 t Müll auf der Deponie zu entsorgen, ohne dass die AVG bei Mengenunterschreitungen Erstattung leisten müsste; im Gegenzug verzichtet die AVG auf die Akquise von Fremdmüll zur Deponie oder zur RMVA. Diese zunächst für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 gültige Vereinbarung wurde verlängert durch Vereinbarungen vom 30.12.1998 (SL 1112), 25.10.1999 (SL 1098) und 07.06.2000 (SL 1095).
187Sodann schlossen der Zeuge F6 und die AVG am 29.06.1998(SL 1114 ff.) einen Vertrag über die Übernahme von Abfällen in der RMVA Köln, mit dem sich die F6 GmbH verpflichtete, ab dem 01.01.2005 bzw. dem 10.06.2005 jährlich 50.000 t Abfälle in die RMVA zu einem an die AVG zu entrichtenden Entgelt von 264,00 DM/t netto zu liefern; der Vertrag sieht eine Laufzeit bis zum 31.12.2024 vor. Es war dem AngeklagtenA, dem damals bereits klar war, dass langfristig ein jährlicher "Swing" an freien Verbrennungskapazitäten von 50.000 bis 80.000 t/a bei der RMVA Köln bestand, gelungen, mit dem Zeugen F6 einen über dem damaligen Marktpreis von 50,00 bis 150,00 DM/t netto liegenden Preis zu erzielen, der allerdings den letztlich von den Kölner Bürgern zu zahlenden Satzungspreis von 358 DM/t netto nicht erreichte. Entsprechende Kontingentverträge mit anderen Partnern schloss die AVG nicht.
188Die Verträge betreffend die Deponiebeschickung durch den ZeugenF6 und die Kontingentverträge stellten sich in finanzieller Hinsicht nicht als „Mischkalkulation“ dar.
189Um diese 50.000 t jährlich zu erwirtschaften, hatte der Zeuge F6 als Geschäftsführer der F6 GmbH zuvor am 19.12.1997 mit dem die Zentraldeponie in Mechernich betreibenden Kreis Euskirchen einen Vertrag über die Ausnutzung der thermischen Behandlung von Siedlungsabfällen aus dem Kreis Euskirchen unter Ausnutzung der von der F6-Gruppe zu vermarktenden freien Kapazitäten der RMVA Köln geschlossen (SL 1486 ff.), ohne dass darin die mit der AVG vereinbarte Menge von mindestens 50.000 t/a ausdrücklich erwähnt wird. Nach dieser Vereinbarung überlässt u.a. der Kreis Euskirchen der F6 GmbH ab dem 01.06.2005 sämtliche ihm überlassenen Abfälle zur Entsorgung und entrichtet hierfür ein bis zum 31.12.2014 festgesetztes und nachher preislich angepasstes Entgelt von 290,00 DM/t netto an die F6 GmbH. Die Abwicklung dieses optional über den 31.12.2014 bis zum 31.12.2024 verlängerbaren Vertrages gestalte sich so, dass Restmüll des Kreises Euskirchen unmittelbar durch diesen auf Kosten des Kreises – und nicht etwa durch ein Unternehmen des Zeugen F6 - bei einer RMVA angeliefert wird.
190Festzustellen ist in diesem Zusammenhang des weiteren, dass die Stadt Köln einen ursprünglich bis 2004 laufenden Vertrag mit dem KreisEuskirchen über die Bestückung der Zentraldeponie mit Kölner Müll zum 31.12.1997 vorzeitig unter Hinweis auf die ab dem 01.01.1998 bestehende Verpflichtung zur Verbrennung von Restmüll in der RMVA und einen dadurch angeblich eingetretenen Wegfall der Geschäftsgrundlage gekündigt hatte. Daraufhin waren seitens des Kreises Schadensersatzansprüche in Höhe von jährlich ca. 27,6 Mio. DM angemeldet und, nachdem eine gütliche Einigung nicht erzielt werden konnte, im Mai 1997 Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht worden. Die Klage hat der Kreis Euskirchen zurückgenommen, nachdem die o.g. Vereinbarung mit dem Haus F6 geschlossen worden war. Im Rat der Stadt Köln war verschiedentlich davon die Rede, dass der Zeuge F6 sich mögliche Schadensersatzansprüche des Kreises Euskirchen gegen die AVG habe abtreten lassen. Tatsächlich ist eine solche Abtretung nicht erfolgt. Zeitnah zu den Verhandlungen der F6 AG mit der AVG um den Erwerb der Kontingentmengen wurde der AVG jedoch bedeutet, dass sich die Auseinandersetzung zwischen der Stadt Köln und dem Kreis Euskirchen erledigt habe; man habe - wie der AngeklagteA es formulierte - „einen Weg auf anderer Ebene gefunden“.
191d)
192Auch in Bezug auf die Müllentsorgung des Erftkreises wurde der ZeugeF6 aktiv. Die Kölner Bezirksregierung hatte im Interesse der Umsetzung des Abfallentsorgungsplans 1995 einen Planfeststellungsbeschluss erlassen, nach dem auch der Erftkreis Mitte 2000 in die thermische Müllentsorgung einzusteigen hatte. Nach einem seitens des Erftkreises eingeleiteten Widerspruchsverfahren einigte man sich auf ein sog. Umstiegskonzept, wonach sukzessive folgende Müllmengen der Verbrennung in einer RMVA zugeführt werden sollten:
1931998 10.000 t
1941999 20.000 t
1952000 24.000 t
1962001 – 2005 je 32.000 t.
197Der Erftkreis konnte erreichen, dass im Rahmen dieses Umstiegskonzeptes der anfallende Gewerbemüll auf die einer RMVA bis 2005 demnach zuzuführende Gesamtmenge von 198.000 t angerechnet wird.
198Bereits im Oktober 1997 hatte der Landrat des Erftkreises bei der Stadt Köln nachgefragt, ob die Möglichkeit bestehe, ab 2005 in der RMVA Restmüll von voraussichtlich 130.000 t/a zu entsorgen (SL 1497) und von der AVG erfahren, dass man durchaus die konkrete Möglichkeit einer Mitbehandlung von Müllmengen aus dem Erftkreis sehe (SL 1503). Auf eine erneute Anfrage des Erftkreises im Oktober 1999 (SL 1506), die sich u.a. auf einen Zeitraum jenseits des Jahres 2006 bezog, wurde seitens der AVG ein konkretes Angebot zur Verbrennung zum jeweils gültigen Satzungspreis - im Jahr 1999 in Höhe von 358,00 DM/t netto, im Jahr 2000 in Höhe von 480,00 DM/t netto - unterbreitet (SL 1508). Das Angebot gegenüber dem Erftkreis wich demnach wesentlich von den Preisen ab, die man seitens der AVG dem HauseF6 zugestanden hatte.
199e)
200Tatsächlich werden folgende Mengen in der RMVA Köln seit 1998 jährlich verbrannt:
201Jahr |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
Bis 10/2003 |
t (ca.) |
424.855 |
524.002 |
546.700 |
651.857 |
646.291 |
549.334 |
Hiervon stammten vom Anlieferer Stadt Köln sowie von Firmen derF6-Gruppe die folgenden Mengen, wobei in der Gesamtmenge auch Mengen anderer, kleinerer Anlieferer erfasst sind:
203Jahr |
Gesamt/t |
Stadt Köln/t |
F6/ GVG/t |
Durchschnittspreis F6 DM/t netto |
Satzungspreis DM/t netto Stadt Köln |
1998 |
424.855 |
379.283 |
45.455 |
219,12 |
358,00 |
1999 |
524.002 |
397.904 |
125.713 |
143,31 |
358,00 |
2000 |
546.700 |
399.062 |
147.383 |
141,77 |
413,79 |
2001 |
651.857 |
392.448 |
258.951 |
141,48 |
413,79 |
2002 |
646.291 |
386.479 |
259.525 |
160,16 |
413,79 |
bis 10/2003 |
549.334 |
313.694 |
235.458 |
172,11 |
413,79 |
Der in der Tabelle aufgeführte Durchschnittspreis betrifft die seitens derF6-Firmen für die unterschiedlichen Kontingente zu entrichtenden Entgelte. Die nähere Aufschlüsselung hierzu ist in der Beweiswürdigung dargelegt.
205Die Firmen des Zeugen F6 lassen demnach den von ihnen aufgrund der Kontingentverträge akquirierten Müll zu einem erheblich unter dem für die Stadt Köln maßgeblichen Satzungspreis liegenden Entgelt in der RMVA verfeuern.
206Die Aktivitäten des Zeugen F6 bzgl. der wirtschaftlichen Nutzung von Überkapazitäten neu errichteter Müllverbrennungsanlagen blieben nicht auf die Stadt Köln beschränkt. Vielmehr gelang es ihm, sich bei einer Reihe weiterer Kommunen Anteile an den MVA-Betreibergesellschaften zu verschaffen und entsprechende Kontingentverträge abzuschließen. Dabei diente ihm zum einen der Umstand als Argument, dass er durch die Ausnutzung der bis zur Schließung der Deponien 2005 vorrätigen Überkapazitäten den Satzungspreis stabil halte und gleichsam die „Zwischenfinanzierung“ der RMVAs übernehme; dies war für viele Kommunen nicht zuletzt mit Blick auf die 2004 anstehenden Kommunalwahlen von Interesse. Zum anderen verstand der Zeuge F6 es, wie schon erwähnt, zahlreiche kommunale Mitarbeiter in einer seiner diversen Firmen einzustellen oder mit Beiratsposten auszustatten und damit in eine gewisse finanzielle Abhängigkeit zu bringen: So machte er etwa den Kölner Ratsherren J7 - von Beruf Hauptschullehrer - zum Prokuristen einer F6-Firma. Der Kölner ###3-Ratsherr L2, seit 1996 Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses der Stadt, erhielt auf Vermittlung des Zeugen F6 Beiratsmandate in den AVG-Untergesellschaften KVK, BAV und GVG, die ihm jährliche Zusatzeinkünfte von insgesamt ca. 15.000,00 DM bescheren. Ferner wurden u.a. die Herrn Y9 (Erftkreis) - bei der F6-Tochter P6 - und xxx (Rheinisch-Bergischer Kreis) „versorgt“. Auf die Fachkunde dieser Personen in Sachen Abfallwirtschaft kam es dem Zeugen F6 dabei allenfalls nachrangig an. Auf die einmal von Seiten des Zeugen Dr. I6 an den Zeugen F6 erfolgte Frage, weshalb er Personen aus dem politischen Bereich einstelle, deren Fachkompetenz zumindest zweifelhaft sei, antwortete der Zeuge F6 nur mit dem für ihn typischen „milden Lächeln", das eine weitere Nachfrage des Zeugen Dr. I6 erübrigte. Zudem hatte der Zeuge F6 lukrative Aufträge zu vergeben: so erhielt etwa die Rechtsanwaltssozietät, in der auch der damalige Kölner Ratsherr Dr. J6 tätig ist, zahlreiche Mandate.
207III. Planung und Ausschreibung der RMVA
2081. Ausschreibungskriterien
209Nach der Gründung der AVG entsandte jeder der Gesellschafter zunächst einen Mitarbeiter; die Zahl der Mitarbeiter wurde dann sukzessive auf zehn aufgestockt. Die nun anstehende Planung der RMVA wollten zunächst die XX5 erbringen, die dazu aber nicht in der Lage waren, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Planungsabteilung aufgelöst hatten. Seitens der Stadt Köln wurde für die Erstellung der Planung der RMVA von dem damaligen Tiefbaudezernenten xxx das Planungsbüro M10 empfohlen, während der Zeuge F6 die seiner Firmengruppe angehörende P6 vorschlug. Da M10 aufgrund der HOAI abrechnen wollte und sich ihre zu erwartende Gebührenforderung daher auf ca. 2,1 Mio. DM belaufen würde, die P6 hingegen ihre Dienstleistung für 350.000,00 DM als Pauschalbetrag anbot, beschloss die Gesellschafterversammlung der AVG am 27.10.1992, dem Vorschlag der Geschäftsführung zur Beauftragung der P6 mit der Vorbereitung der Ausschreibung der RMVA zu folgen. Um sich jedoch zugleich der größeren Kompetenz der M10 im Bereich der Planung zu vergewissern - P6 war eher auf dem Feld der Technik überlegen -, wurde die M10 mit der Durchführung einer Plausibilitätskontrolle beauftragt. Auf das Angebot des Zeugen Dr. H3, Geschäftsführer des Unternehmens xxx, H3 & Partner Ingenieurgesellschaft mbH mit Sitz in xxx, der die Koordination ebenfalls zu übernehmen anstrebte, wollte der Angeklagte A nicht eingehen.
210Auf der Grundlage der Vorprojektstudie von M10 und P6 plante und formulierte der Angeklagte A die Ausschreibung der RMVA, um einen geeigneten Unternehmer für deren Bau zu finden. Er legte dabei großen Wert darauf, dass sich die AVG hinsichtlich der Einzelheiten der Auftragsvergabe nicht schon frühzeitig festlegte. Denn der Angeklagte A fürchtete, dass sich die interessierten Bieter anderenfalls untereinander und letztlich zum Nachteil der AVG absprechen würden. Darüber hinaus wollte er auf diese Weise vermeiden, dass der Bieter des günstigsten Gesamtangebotes einen wie auch immer gearteten Anspruch auf Auftragserteilung zu stellen können glaubte. Selbst gegenüber dem Aufsichtsrat stellte der Angeklagte A lediglich die Vergabe des Auftrags an einen Generalunternehmer sowie eine Vergabe an den Bieter mit den meisten günstigsten Losen und dem größten Gesamtvolumen als wahrscheinlich hin, ohne auf nähere Einzelheiten einzugehen. Gegenüber den Bietern sprach er vorzugsweise von dem Modell einer sog. modifizierten Funktionalausschreibung, ohne diesen seiner eigenen Wortschöpfung entspringenden Begriff näher zu erläutern. Der Angeklagte A verstand hierunter in der Sache eine in einen Technik- und einen Preisteil gesplittete Ausschreibung, bei der jeder Bieter ein nach Einzellosen aufgegliedertes Gesamtangebot vorlegen sollte. Im einzelnen hieß dies, dass zunächst die technischen Angebote eingeholt und im Rahmen einer Vor- und Hauptprüfung vergleichbar gemacht werden sollten; erst daran sollte sich die kommerzielle Ausschreibung anschließen. Dieses Vorgehen bot aus Sicht der auftraggebenden AVG nicht unwesentliche Vorteile gegenüber einer von Beginn an verbundenen einheitlichen Technik- und Preisausschreibung. So wurden zum einen die einzelnen Angebote der Bieter wirklich vergleichbar; zum anderen wurde - im Gegensatz zu einem Abfragen eines Gesamtpreises - die Preisgestaltung der Bieter nachvollziehbar, so dass insgesamt die Auswertung der Angebote auf der Suche nach dem für die AVG günstigsten Bieter erleichtert wurde. Zudem hielt diese Ausschreibungsweise dem Angeklagten A die Möglichkeit offen, das später gewählte Modell der Idealfirma zu wählen, nach dem sich der Gesamtauftrag letztlich aus einer Bündelung der jeweils günstigsten Einzellosangebote ergab. Darüber hinaus wurden auf diese Weise Schnittstellenprobleme vermieden, die bei der Vergabe der Lose in Einzelaufträgen aller Voraussicht nach bei einem Projekt dieser Größenordnung aufgetreten wären.
211Des ungeachtet startete allerdings die P6 - ohne das Wissen des Angeklagten A - noch vor der Versendung der Ausschreibungsunterlagen eine Richtpreisanfrage bei sämtlichen in Frage kommenden Bietern in Deutschland, was dazu führte, dass die für den Anlagenbau entscheidenden Kreise - entgegen dem Plan des Angeklagten A - frühzeitig Kenntnis von dem geplanten Projekt der RMVA Köln erhielten.
212Letztlich wurde die RMVA Köln von der technischen Seite her in neun Losen ausgeschrieben. Weder war dabei nach der Vorstellung des Angeklagten A die Aufteilung der Lose endgültig, noch wurde im Rahmen der Ausschreibung gegenüber den Bietern oder dem AVG-Aufsichtsrat bereits eine mögliche Zusammenlegung einzelner Lose thematisiert. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Lose:
2131. Vorschaltanlage/Krananlage
2142. Feuerung/Kessel
2153. Abgasbehandlung
2164. Energieteil
2175. Elektro- und Prozessleittechnik (E&L-Technik)
2186. Bauteil
2197. Technische Gebäudeausrüstung (TGA)
2208. Containeranlieferung
2219. Genehmigungsplanung
222Die Bieter waren aufgefordert, auch Angebote bezogen auf eine veränderte Abgasbehandlung - die sog. Variante C - abzugeben. Diese unterschied sich von der Grundvariante im Wesentlichen dadurch, dass sie die Installation eines ACR-Filters, eines sog. Polizeifilters, vorsah, der dazu führt, dass selbst bei Störungen des Normalbetriebes die Imissionen die gesetzlichen Grenzwerte noch unterschreiten. Die Variante C wurde später Gegenstand des von der AVG vergebenen Generalunternehmerauftrags.
223Auf die Ausschreibung hin wurden bis zum 24.10.1993 technische Angebote von den Firmen T9 GmbH, V5 Umwelttechnik GmbH (im Folgenden: V5), T5, R5 Abfall- und Energietechnik (im Folgenden: R5) und S5 abgegeben.
224Zur Auswertung diese Angebote schaltete die AVG erneut P6 und M10 ein sowie zusätzlich die Firma N5 AG aus Zürich/Schweiz (im Folgenden: N5), die seitens der AVG bereits mit der Aufgabe des Projektmanagements bedacht worden war. Es folgten zahlreiche Gespräche mit den Bietern, um deren Technikangebote vergleichbar zu machen - ein für die beteiligten und im Anlagenbau tätigen Unternehmen in dieser Form ungewohntes Vorgehen. Bereits zu diesem Zeitpunkt stieg die Firma T9 aus dem Kreis der Bieter mit der Begründung aus, sie sei nicht bereit, die geforderten Daten zu liefern. Übrig blieben die Angebote der Firmen V5, T5, R5 und S5.
225Nach Eingang der technischen Angebote fiel bei der AVG-Geschäftsleitung die Entscheidung, hinsichtlich des Loses Abgasbehandlung die Variante C zum Zuge kommen zu lassen, also eine RMVA mit „Polizeifilter“ zu bauen; ausschlaggebend hierfür war - auch vor dem Hintergrund des sich in der Bevölkerung regenden Widerstandes gegen die RMVA - die Überlegung, dass auch unter abgastechnischen Gesichtspunkten „für den Kölner Bürger nichts gut genug“ sei, wie es der Angeklagte A formulierte. Diese Entscheidung wurde den Bietern jedoch noch nicht mitgeteilt.
226Abgabefrist für die kommerziellen Angebote war der 03.12.1993. An diesem Tag gingen zwischen 14 und 15 Uhr in verschlossenen Umschlägen die Angebote der verbliebenen vier Bieter - auf die im Weiteren noch näher einzugehen sein wird - in den Geschäftsräumen der AVG ein; lediglich das Angebot von V5 wurde in einem offenen Umschlag eingereicht, was den Angeklagten A zu der Vermutung veranlasste, dass man dort davon auszugehen scheine, da sei „noch etwas zu machen“ - was heißen sollte: es bestünde die Möglichkeit, in das Ausschreibungsverfahren zum Vorteil von V5 auf unlautere Weise einzugreifen. S5 gab das Preisangebot nicht auf den von der AVG zu Verfügung gestellten Original-Ausschreibungsformularen, sondern in Form diverser bei S5 gefertigter Excel-Tabellen ab; dieses mit der AVG abgestimmte Vorgehen wählte man bei S5, um das Entstehen von Fehlern bei der Übertragung der Preispositionen in die AVG-Unterlagen zu vermeiden.
2272. wirtschaftliche Situation in der Branche Anlagenbau und bei S5
228Die Ausschreibung des Großprojektes der RMVA erfolgte in einer für den Bereich des Anlagenbaus zur Energiegewinnung in Deutschland und über Europa hinaus kritischen Situation. Ende der 1980er Jahre war dieser Wirtschaftssektor in eine erhebliche Strukturkrise geraten, nachdem der internationale Energieversorgungsmarkt liberalisiert worden war und dies weitgehend zu einer Auflösung der bis dahin bestehenden Energieversorgungsmonopole geführt hatte. Folge hiervon wiederum war ein drastisches Sinken der Strompreise. Enorme Kapazitätsüberhänge in den regionalen Monopolbetrieben und dadurch bedingte Preissenkungen führten zu einem Fehlen von finanziellen Mitteln für Neuinvestitionen und bei den Branchenangehörigen zu der realistischen Erwartung, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht der Bau von Neuanlagen im Bereich der Energietechnik, sondern vielmehr eine radikale Kosteneinsparung im Vordergrund stehen würden.
229Diese Auswirkungen bekam auch die in Gummersbach als Traditionsunternehmen ansässige und im Bereich der Energieversorgung tätige Firma S5 nachhaltig zu spüren. S5 beschäftigte damals weltweit - vorzugsweise in Deutschland und Südafrika - mehr als 8.000 Mitarbeiter, davon ca. 2.800 in Gummersbach. Nun wurden aufgrund des veränderten Energiemarktes Überkapazitäten sichtbar, was z.B. allein im Jahr 1993 bei einem Umsatz von 800 Mio. DM zu einer Unterdeckung von 35 Mio. DM führte. Der Abbau von Arbeitsplätzen drohte. Nach Einschätzung der damaligen S5-Geschäfts-leitung, zu der auch der Angeklagten Dr. B zählte, war es tunlich, sich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Abfalltechnik und hier speziell der Müllverbrennung zuzuwenden. Denn aufgrund der in dieser Zeit erlassenen TASI hatte sich ein europaweiter Markt für Müllverbrennungsanlagen aufgetan, auf dem frei gewordene Kapazitäten eingesetzt werden konnten. S5 sah sich diesem Markt u.a. deshalb gewachsen, weil sie - im Zusammenspiel mit ihrer 100 %-igen Tochterfirma T7 - bereits im Bereich der Abgasbehandlung tätig und mit der Herstellung von Rauchgasreinigungsanlagen befasst gewesen war. Allerdings war es S5 in den Jahren 1980 bis 1990 lediglich gelungen, in den USA drei Müllverbrennungsanlagen zu errichten.
230Wenngleich S5 sich damals in einer Strukturkrise befand und - wie der Zeuge W1 es formulierte - „alle Angst vor roten Zahlen“ hatten, war die wirtschaftliche Lage der Firma jedoch andererseits nicht derart brisant, dass sie vor dem finanziellen „Aus“ gestanden hätte. Vor diesem Hintergrund kam es S5 daher bei dem begehrten Auftragserhalt RMVA Köln nicht in erster Linie darauf an, einen Gewinn zu erzielen; vielmehr hatte die RMVA für S5 vornehmlich eine Bedeutung als Referenzobjekt, um in den internationalen Wettbewerb auf diesem Gebiet einzusteigen. Tatsächlich führte der Erhalt des Auftrags für die RMVA zu Folgeaufträgen für S5 bzw. deren Nachfolgeunternehmen in Höhe von mehreren hundert Mio. DM. Andere Aufträge, die den Nichterhalt des Zuschlags für das Projekt RMVA Köln hätten ausgleichen können, hätten in dieser Größenordnung nicht erlangt werden können.
231Die wirtschaftliche Lage hatte sich S5-intern u.a. darin niedergeschlagen, dass, wie schon erwähnt, bereits vor 1993 die Geschäftsführung von sechs auf vier Mitglieder reduziert worden war. Nun nahm man 1993 eine weitere Reduzierung auf zwei Geschäftsführer vor: Es verblieben der Angeklagte Dr. B, der als weitere Aufgabe den Bereich Umwelttechnik übernahm, sowie der Zeuge Dr. T3, der in erster Linie für die kaufmännischen Belange zuständig war. Zum Aufgabengebiet des Angeklagten Dr. B zählte daher auch das Projekt der RMVA Köln, das er von seinen Vorgängern, den ehemaligen S5-Geschäftsführern N1, der zur Muttergesellschaft Y5 gewechselt hatte, und Dr. W5, übernahm. Mit dem ehemaligen Geschäftsführer und Zeugen N1 hatte - wie noch darzustellen sein wird - in der Angelegenheit RMVA bereits vor dessen Ausscheiden aus der S5-Geschäftsführung der Angeklagte A Kontakt aufgenommen. Es handelte sich bei der RMVA um das wichtigste und vom Volumen her umfänglichste Vorhaben im Geschäftsbereich Umwelttechnik bei S5.
IV. Unrechtsvereinbarung und Begründung des Schadens der AVG
2321. Anbahnung der Unrechtsvereinbarung
233Der Ausschreibung der RMVA durch die AVG vorausgegangen war Folgendes:
234Schon im Frühjahr 1993 hatte der Angeklagte A begonnen, mit den Firmen T9, V5, T5 und R5 als möglichen Werkunternehmern für die Errichtung der RMVA ins Gespräch zu kommen. Es ging dabei nicht nur um die Erkundung der fachlichen Kompetenz der Unternehmen; ein besonderes Anliegen des Angeklagten A war es herauszufinden, ob auch von der menschlichen Seite her eine Zusammenarbeit mit den potentiellen Partnern bei dem Großprojekt RMVA möglich sei; denn es erschien ihm angesichts des Umfangs des Projektes und der vorhersehbaren erheblichen Reibungspunkte im Rahmen seiner Abwicklung von erheblicher Bedeutung, dass zwischen den Verantwortlichen auf Seiten des Werkunternehmers und denjenigen des Auftraggebers „die Chemie stimmte“. Bei fehlender persönlicher Harmonie fürchtete der Angeklagte A Schwierigkeiten für die Durchführung des Projektes, insbesondere in Gestalt von Verzögerungen und Verteuerungen. Er wollte herausfinden, ob - wie er es formulierte - „man mit denen reden kann, wenn es mal knallt“.
235Diese Gespräche verliefen zunächst in größeren Runden („auf Mannschaftsebene“), im weiteren Verlauf kam es dann zu Treffen unter vier, sechs oder acht Augen ("Treffen zwischen den Häuptlingen", so der AngeklagteA). In diesem Rahmen hatte der Angeklagte A - wie bereits angesprochen - schon Kontakt mit S5 gehabt, noch bevor das RMVA-Projekt in den Zuständigkeitsbereich des Angeklagten Dr. B gefallen war. Er konnte sich allerdings ein Zusammenwirken mit dem damals verantwortlichen S5-Geschäftsführer und Zeugen N1 aufgrund dessen von ihm als arrogant empfundener Persönlichkeit nicht vorstellen. Auch mit V5 führte der Angeklagte A zumindest zwei Gespräche: eines mit dem dort in verantwortlicher Stellung tätigen Dr. F10 im Kölner Nobelrestaurant „Z9“, ein weiteres mit dem Vorstandsmitglied D10 und dem V5-Chef-Lobbysten Dr. D1 im ebenfalls hochpreisigen Restaurant „G10“ in Köln. Bereits bei dem ersten Gespräch bot Dr. F10 dem Angeklagten A für den Fall, dass der RMVA-Auftrag an V5 vergeben würde, die Zahlung eines Schmiergeldes in Höhe von 2 % des Auftragsvolumens an. Dieses Angebot wurde anlässlich des Treffens mit den Herren D10 und Dr. D1, mit denen der Angeklagte A sich eine Zusammenarbeit aus persönlichen Gründen ebenfalls nicht vorstellen konnte, wiederholt. Ein ähnliches Angebot - nämlich eine Schmiergeldzahlung von 2 - 3 % des Auftragsvolumens - wurde dem Angeklagten A für die T5 seitens des Geschäftsführers und Zeugen N2 und des Herrn H10 bei einem solchen Gespräch unterbreitet.
236Die Schmiergeldangebote von V5 und T5 entsprachen durchaus den damaligen Gepflogenheiten im Anlagenbaugeschäft. Während in früheren Jahren das Zahlen von Schmiergeldern vorwiegend aus dem - meist außereuropäischen - Ausland bekannt war, hatte nicht zuletzt der bereits beschriebene kritische Zustand des internationalen Anlagenbau-Marktes dazu geführt, dass auch in Deutschland die konkurrierenden Unternehmen im Kampf um den Auftragserhalt vielfältige Mittel einsetzten, zu denen auch das Locken des potentiellen Vertragspartners mit unrechtmäßigen „Provisionszahlungen“ gehörte. Die Situation wurde dadurch verschärft, dass der einschlägige Markt relativ überschaubar war und die zu vergebenden Aufträge wegen der Komplexität der zu errichtenden Anlagen Volumina von nicht selten über 100 Mio. DM aufwiesen. In diesem Sinne hat auch die 18. große Strafkammer des Landgerichts Hamburg in einem gegen den Zeugen Dr. H3 am 13.06.2002 ergangenen Urteil (618 KLs 3/01), durch das dieser rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wurde, festgestellt, dass man sich als Anbieter im Wettbewerb mit den entscheidenden Personen - wie etwa dem Anlagenplaner Dr. H3 - „gut stellen“ musste, um überhaupt die Chance auf einen Auftragserhalt zu haben. Es war regelrecht so, dass seitens der Anlagenbauer bei den für den Auftragserhalt eingeschalteten Vermittlern - wie etwa dem Zeugen Dr. H3, der Schmiergeldzahlungen vorzugsweise über die Firma des schweizer Zeugen U3, F5 AG, abwickelte - oder unmittelbar gegenüber den potentiellen Vertragspartnern „wie mit einem Radargerät“ - so der Zeuge N2 von T5 - ausgelotet wurde, ob dort die Bereitschaft zur Annahme von Schmiergeldern im Gegenzug zur Erteilung des Zuschlags bestehe. Die hier dem Angeklagten A seitens V5 und T5 angebotenen „Provisionszahlungen“ von 2- 3 % des Auftragswertes entsprachen dem damals Üblichen. Auch S5 leistete im Juli 1996 aufgrund einer Treuhandvereinbarung vom 12.07.1996 (SL 630) an die F5 AG eine Zahlung von 1 Mio. DM (SL 629), ohne dass festgestellt werden konnte, ob dieser Zahlung ein reales Geschäft zugrunde lag.
237Vor diesem Hintergrund wurde der Angeklagte A - wiederum im Frühjahr 1993 - von dem Zeugen und gesondert Verfolgten J4 aufgesucht, den er bereits aufgrund der gemeinsamen Parteimitgliedschaft in der ###3 persönlich kannte. Der Zeuge J4 lenkte das Gespräch auf das Thema RMVA Köln und begann nach einiger Zeit über „Nebenabreden“ zu sprechen. Dabei äußerte er gegenüber dem Angeklagten A die Meinung, wenn man nur die „richtigen Leute“ anspreche, sei „da“ - gemeint war beim Bau der RMVA Köln - „garantiert was rauszuholen“. Der Zeuge J4 erkundigte sich auch nach dem Planungsstand des Projektes, so dass der Angeklagte A den Eindruck gewann, der Zeuge J4 ginge - unzutreffender Weise - davon aus, dass bereits feststünde, an wen der RMVA-Auftrag vergeben werden sollte. Der Zeuge J4 legte dem Angeklagten A (gleichwohl) eine Beteiligung der Firmen T9, I10 und R5 nahe. Er bat darum, auf jeden Fall informiert zu werden, wenn abzusehen sei, auf wen die Auftragsvergabe zulaufen würde, da er „das“ - gemeint waren nach dem Verständnis des AngeklagtenA die „Nebenabreden“ - dann regeln wolle. Der Zeuge J4 ("J4" im Sprachgebrauch des Angelagten A) sprach bei dieser Gelegenheit ferner davon, den Mitangeklagten Dr. B von S5 in Gummersbach an den Angeklagten A verweisen zu wollen.
238Im weiteren Verlauf des Frühjahrs 1993 kam es zu mehreren Zusammentreffen zwischen dem Angeklagten A und dem Zeugen J4, der dem Angeklagten A im Rahmen eines solchen Gespräches offenbarte, dass auch der Zeuge F6 „mit dabei sei“ - gemeint war damit, dass auch der Zeuge F6 in die Abreden über die geplanten Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit der RMVA Köln eingebunden sei. Der Zeuge J4 bekundete gegenüber dem Angeklagten A stets, dass eine Schmiergeldzahlung von 3 % des Auftragswertes üblich sei und erteilte ihm ungefragt Ratschläge zur Anlage der Provisionszahlungen: Da die Schweiz und Liechtenstein zu sehr unter Beobachtung stünden, sei es besser, das Geld in Monaco unterbringen. Der Angeklagte A bedeutete dem Zeugen J4 jedoch zunächst, ihn mit solchen Ratschlägen zu verschonen. Auch den Vorschlag des Zeugen J4 zu einem gemeinsamen Gespräch mit dem Angeklagten Dr. B und dem Zeugen F6 lehnte der Angeklagte A zu diesem Zeitpunkt ab, da er die Rolle des Zeugen J4 nicht einzuschätzen wusste.
239Der Angeklagte Dr. B kannte den Zeugen J4; bereits seit Anfang der 1980er Jahre; er war im Rahmen seiner Tätigkeit bei S5 in Kontakt zu ihm gekommen und hatte die Beraterdienste des ZeugenJ4 verschiedentlich in Anspruch genommen. So bestand u.a. zwischen S5 und dem Zeugen J4 ein Beratervertrag vom 05.12.1980 (SL 604), der später mit einer weiteren Vereinbarung zusammengeführt und durch Vereinbarung vom 30.10.1996 mit einer abschließenden Zahlung in Höhe von 520.000,00 DM netto beendet wurde (SL 1639). Im Rahmen der bestehenden Beraterverträge hatte der Angeklagte Dr. B dem Zeugen J4 die Zahlung eines 0,5 %-igen Erfolgshonorars für den Fall zugesagt, dass S5 den Zuschlag für das Projekt RMVA Köln erhalten würde. Der Angeklagte Dr. B wusste, dass der Zeuge J4 auch mit dem Zeugen F6 - bzw. dessen Firmen - Beratungsverträge unterhielt; von diesem war der Zeuge J4 bereits Mitte der 1980er eingeschaltet worden, als der Zeuge F6 sich bemühte, Standorte im Rheinland für die Errichtung von Müllverbrennungsanlagen ausfindig zu machen .
240Der Zeuge J4 seinerseits hatte im Frühjahr 1993 dem Angeklagten Dr. B mitgeteilt, der Angeklagte A und der ZeugeF6 erwarteten für die Auftragsvergabe an S5 eine an sie persönlich gerichtete Provisionszahlung von je 1 % des Auftragswertes, die er nun - in Abweichung von der generellen 0,5 %-Vereinbarung - auch für sich in Anspruch nehmen wolle. Dabei machte der Zeuge J4 deutlich, dass eine Reduktion der Provision aus Sicht der Fordernden nicht verhandelbar war. Dem Angeklagten Dr. B war klar, dass das Eingehen auf das Verlangen nach Schmiergeldzahlungen Voraussetzung für den Erhalt des Zuschlags für den Auftrag RMVA Köln war. Schon damals war dem Angeklagten Dr. B nicht nur die auch bei S5 gepflegte Übung bekannt, im Ausland zur Erlangung von Aufträgen Schmiergelder zu zahlen; er wusste auch, dass Schmiergeldzahlungen auch im Bereich des deutschen Anlagenbaus üblich waren; dies hatte er nicht zuletzt von seinem Vorgänger, dem Zeugen Dr. W5, bei seinem Eintritt in die S5-Geschäftsführung erfahren, insbesondere im Hinblick auf die Errichtung der RMVA Xxx, an der S5 ebenfalls beteiligt war.
241Dem Angeklagten Dr. B war klar, dass S5 den Auftrag zur Errichtung der RMVA Köln ohne die Zahlung eines Schmiergeldes aller Voraussicht nach nicht erhalten würde. Allerdings wusste er, dass von politischer Seite eine Zuschlagserteilung an S5 - teilweise nachdrücklich - befürwortet wurde; so hatte sich bereits im Sommer und Herbst 1992 insbesondere der Zeuge Dr. I6 als damaliger Kölner Regierungspräsident sowohl gegenüber dem Zeugen Dr. O3 als auch unmittelbar gegenüber dem Angeklagten A dafür stark gemacht, „besonders die FirmaS5 aus Gummersbach zu berücksichtigen“. Der ZeugeDr. I6 sah es nämlich u.a. als seine Aufgabe an, durch die Empfehlung von Firmen aus seinem Regierungsbezirk regionale Wirtschaftsförderung zu betreiben. Aber auch von der Landesebene her war der Angeklagte A seitens des damaligen Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft, Matthiesen, auf eine Beteiligung von S5 angesprochen worden. Dennoch erschien es dem Angeklagten Dr. B zu riskant, allein auf diese politische Fürsprache zu vertrauen, so dass er sich entschloss, seiner Firma den Auftragserhalt durch das Angebot einer Schmiergeldzahlung an den Angeklagten A zu sichern. Dabei hatte er in erster Linie das wirtschaftliche Wohlergehen von S5 und das damit untrennbar verbundene Schicksal einer beträchtlichen Anzahl von Arbeitsplätzen, aber auch seine eigene berufliche Zukunft vor Augen.
242Im Sommer 1993 kam es zu einem ersten persönlichen Gespräch der Angeklagten A und Dr. B unter vier Augen in einem Gasthaus in Marienheide-Rott, nahe Gummersbach, bei dem der AngeklagteDr. B zunächst die Vorzüge von S5 mit Blick auf die Errichtung der RMVA und im Vergleich zu den aus seiner Sicht in Frage kommenden Konkurrenzunternehmen herausstellte. Allerdings schien dem Angeklagten A damals die Stärke von S5 eher im Bereich der Abgasbehandlung als im Bereich Feuerung/Kessel zu liegen. Nach ca. zwei Stunden gab der Angeklagte Dr. B über die rein fachlichen Informationen hinaus dem Angeklagten A sinngemäß zu verstehen, was die Konkurrenz könne, könne er auch. Der Angeklagte A fasste diese Bemerkung- der Intention des Angeklagten Dr. B entsprechend - dahin auf, dass nun das Thema Schmiergeld berührt war, ohne dass jedoch über dessen mögliche Höhe gesprochen wurde. Der Angeklagten Dr. B stellte „so etwas“ - gemeint waren erneut denkbare unrechtmäßige „Provisionszahlungen“ - als bei S5 üblich und möglich dar. Daraufhin teilte der Angeklagte A ihm mit, dass ihn bereits der Zeuge J4 aufgesucht habe, es aber noch nicht sicher sei, wer letztlich über die Frage der Auftragsvergabe entscheide.
243Im Juli 1993 begaben sich dann ohne das Wissen des AngeklagtenA der Angeklagte Dr. B und der Zeuge J4 auf dessen Empfehlung zu dem Zürcher Notar Dr. X5 in die Schweiz. Der Notar Dr. X5 war dem Zeugen J4 bereits in der Vergangenheit mehrfach „bei anderen Aufträgen“, die er in der Schweiz zu erledigen hatte, behilflich gewesen, „damit es keine Kollisionen mit den Gesetzen gab“. Bei dem gemeinsamen Besuch mit dem Angeklagten Dr. B ging es darum, die Provisionsforderung des Zeugen J4 bzgl. der RMVA Köln durch eine entsprechende notarielle Vereinbarung abzusichern. Dass eine solche schriftliche Vereinbarung tatsächlich getroffen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Nach der unwiderlegten Angabe des Zeugen J4 ging es diesem bei dem Treffen mit Notar Dr. X5 auch um die Errichtung einer Familien-Stiftung, in die u.a. die Schmiergeldzahlungen einfließen sollten.
244Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Herbst 1993 - jedenfalls aber noch vor dem im Weiteren darzustellenden Treffen der Anklagten A und Dr. B mit dem Zeugen F6 im J10-Hotel Düsseldorf - hatte der Angeklagte Dr. B den Zeugen F6 mündlich darüber informiert, dass der Angeklagte A für den Zuschlag und die geordnete Abwicklung des Projektes RMVA Köln eine Schmiergeldzahlung erwarte, und ihn auch darüber unterrichtet, dass S5 eine Zahlung von 2 - 3 % des Auftragvolumens verkraften könne. Ferner bat der Angeklagte Dr. B den Zeugen F6 darum, für die Abwicklung einer möglichen Schmiergeldvereinbarung einen Zahlungsweg über das Ausland zur Verfügung zu stellen.
245Der Zeuge F6 sah sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls einer anderweitigen Forderung des Zeugen J4 in Höhe von 2 Mio. DM ausgesetzt, die dieser in der Schweiz ausgezahlt erhalten wollte. Er plante, dem Zeugen J4 diesen Betrag über die schweizer Domizilgesellschaft P5 AG- später umbenannt in P5 Umwelttechnik AG - mit Sitz in Q5/CH (im Folgenen: P5), auf die noch näher einzugehen sein wird, zukommen zu lassen. Der Zeuge J4 hatte dem Zeugen F6 im Herbst 1993 ebenfalls die Idee unterbreitet, S5 zur Zahlung einer Provision von ca. 3 % der Auftragssumme im Interesse des Zuschlagserhaltes zu bewegen.
246An einem nicht näher feststellbaren Tag im Oktober oder November 1993 erhielt der Angeklagte A einen Anruf des Zeugen F6 aus dessen Auto heraus, der ihn bat, noch am selben Tage zu einem Treffen in das J10-Hotel in Düsseldorf zu kommen. Dieser Bitte Folge leistend traf der Angeklagte A am verabredeten Treffpunkt neben dem Zeugen F6 den Angeklagten Dr. B an. Es sollte für alle Beteiligten erkennbar in dem folgenden Gespräch um die Konkretisierung und verbindliche Vereinbarung der bislang nur vage besprochenen Schmiergeldabrede gehen. Daher bekam die Angelegenheit nun aus der Sicht des Angeklagten A eine ernsthaftere Qualität, nicht zuletzt auch, weil nun auch der Zeuge F6 - immerhin AVG-Mitgesellschafter - „mit im Boot“ war. Unmittelbar vor Beginn des Gespräches, noch in der Hotel-Lobby, hatte der Zeuge F6 den Angeklagten A zur Seite genommen und versucht, dessen Bedenken in Bezug auf die anstehende Provisionsvereinbarung und die Zahlung des Schmiergeldes zu zerstreuen, indem er dem Angeklagten A nahe legte, an seine Zukunft zu denken und ihn darauf hinwies, dass die Zahlung und das Entgegennehmen von Schmiergeldern keineswegs etwas Besonderes sei, es sich vielmehr um einen durchaus üblichen Vorgang handele, „der die Welt nicht verändern“ werde. Der Angeklagte A dachte in diesem Zusammenhang tatsächlich an seine Zukunft, da er es angesichts der politischen Brisanz des Projektes RMVA Köln nicht für ausgeschlossen hielt, dass sein Geschäftsführervertrag mit der AVG nicht verlängert werden würde.
247In dem sich anschließenden Gespräch gab der Angeklagte Dr. B zu erkennen, dass er zu der geforderten Schmiergeldzahlung bereit war. Den Beteiligten war klar, dass gleichberechtigte Zahlungsempfänger der Angeklagte A sowie die Zeugen J4 und F6 sein sollten. Zwar hatte der Zeuge F6 keine speziellen Geldwünsche geäußert, jedoch für die anderen Teilnehmer der Besprechungsrunde erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er wie die anderen an der Provisionsvereinbarung beteiligt werden wollte. Dem Angeklagten A verschaffte die entsprechende Absicht des Zeugen F6 eine gewisse Beruhigung, da nun auch ein Mitgesellschafter der AVG nicht nur Mitwisser, sondern sogar Vorteilsnehmer der Schmiergeldvereinbarung war.
248Im Einzelnen wurde verabredet, dass S5 eine Gesamtzahlung von 3 % der Auftragssumme nach dem „klassischen Vergabemuster“ - je 1/3 bei Auftragserteilung, nach Beginn der Bauarbeiten und nach deren Abschluss - zu zahlen hatte. Der Zeuge F6 erklärte sich bereit, für die Abwicklung der Provisionsvereinbarung über die Schweiz zu sorgen und nannte in diesem Zusammenhang die bereits erwähnte P5, die er „als Geldwäscher“ zur Verfügung stellen wollte.
249Der Angeklagte Dr. B hatte nach dem Gespräch mit dem Angeklagten A und dem Zeugen F6 im Düsseldorfer Hotel J10 - der Realität entsprechend - das Empfinden, dass S5 hinsichtlich der Auftragsvergabe nun „gute Karten“ hatte; zugleich hatte er den - ebenfalls zutreffenden - Eindruck, dass seine Bereitschaft zur Schmiergeldzahlung ihm den Erhalt des Zuschlags sicherte. Allerdings stellte der AngeklagteA sowohl anlässlich dieser Unterredung als auch bei weiteren Gesprächen mit dem Angeklagten Dr. B stets klar, dass - unabhängig von der unrechtmäßigen „Provisionsvereinbarung“ - die Auftragserteilung an S5 nur erfolge, wenn „die Preise stimmen“, also dass S5 der günstigste Anbieter sein müsse. Denn dem Angeklagten A ging es - abgesehen von seinem persönlichen finanziellen Interesse an der Schmiergeldzahlung - stets darum, seine Aufgabe als Geschäftsführer der AVG zum Wohle der Gesellschaft zu erfüllen.
250Bei der Verabredung der Schmiergeldzahlung war den AngeklagtenA und Dr. B sowie dem Zeugen F6 bewusst, dass sie hiermit eine rechtswidrige und strafbare Vereinbarung trafen. Weder der Angeklagte A noch der Angeklagte Dr. B gingen allerdings davon aus, dass der Angeklagte A in seiner Funktion als Geschäftsführer der AVG Amtsträger sein könnte. Gegen welche konkreten Strafvorschriften sie verstießen, wurde nicht erörtert; man ging allseits davon aus, dass die Tathandlung nicht aufgedeckt werden würde. Dieses Bewusstsein hatte auch der bei der Konkretisierung der Unrechtsvereinbarung nicht anwesende, aber von dieser bedachte Zeuge J4.
251Die Schmiergeldvereinbarung vom Herbst 1993 wurde im weiteren Verlauf lediglich teilweise - wie noch darzustellen sein wird - hinsichtlich der Geldempfänger modifiziert. Weder wurde sie Anfang 1994 dahin abgeändert, dass S5 nur dann zur Provisionszahlung verpflichtet sein sollte, wenn es dem Angeklagten Dr. B gelänge, erheblich Nachlässe bei den zur Erbringung der verschiedenen Einzellose herangezogenen Konsorten zu erzielen, noch wurde die Schmiergeldvereinbarung im Jahr 1996 seitens des Angeklagten Dr. B frühzeitig aufgekündigt und durch eine anderweitige Vereinbarung mit dem Angeklagten A ersetzt.
2522. Einschaltung der Firma P5
253Der seitens des Zeugen F6 als Zahlungsweg zur Verfügung gestellten P5, untergebracht in einem Büro in einem Wohnhaus des Zeugen und gesondert Verfolgten I2 in Q5/CH, hatte sich dieser bereits in der Vergangenheit verschiedentlich bedient, um Geldflüsse aus verschiedenen Unternehmen der F6-Gruppe zu verschleiern. Die P5 war 1989 als P5 Promotion Agency AG gegründet und 1992 in P5 Umwelttechnik AG umbenannt worden. Anteilseigner der P5 waren neben dem Zeugen I2 zunächst Dr. K10 aus Düsseldorf - u.a. 1989 Geschäftsführer der F6 Entsorgung GmbH und 1990 Geschäftsführer der G6 Entsorgung GmbH - sowie der Zeuge Q3, ein Ingenieur, der u.a. von 1991 bis 1994 Ratsherr der ###3-Fraktion im Düsseldorfer Stadtrat war und dem für Entsorgungsfragen und den in diesem Zusammenhang zu vergebenden Aufträgen zuständigen Ausschuss angehörte. Mit einem vom 10.07.2001 datierenden Mandatsvertrag (SL 1637 f.) beauftragte der Zeuge Q3 den Zeugen I2, für ihn treuhänderisch die P5 zu leiten.
254Sowohl Dr. K10 als auch der Zeuge Q3 unterhielten seit Anfang der 1990er Jahre Beraterverträge mit dem Zeugen F6, die sich auf die Müllakquise durch dessen Unternehmen im Raum Düsseldorf bezogen; der Beratervertrag mit dem Zeugen Q3 war zustande gekommen, weil der Zeuge F6 ihm aus finanziellen Schwierigkeiten helfen wollte. Der Zeuge Q3 hatte darüber hinaus einen Beratervertrag mit der Firma Y5 (im Folgenden: Y5), aufgrund dessen er die Aufgabe hatte „Leute aufzubereiten“.
255P5 sollte dem Zeugen F6 u.a. bei der Vorbereitung der Gründung der F6 Schweiz AG, zu der es im August 2001 kam, dienen. Über P5 wollte er sich eine - von ihm so bezeichnete - „Kriegskasse“ anlegen: Das an P5 überwiesene Geld sollte der Finanzierung von „Nebenkosten, die nicht unbedingt über die Bücher laufen mussten“, und dem „Öffnen von Türen“ dienen. Gemeint war damit, dass der Zeuge F6 auf diese Weise Gelder zur Verfügung haben wollte, um die Gründung der F6 Schweiz AG zu fördern.
256Verwaltungsrat der P5 war der Zeuge I2, dessen Bruder Mitglied des schweizer Bundesrates war und über ausgezeichnete Kontakte verfügte; daher eignete sich der Zeuge I2 aus Sicht des Zeugen F6 gut für eine entsprechende Zusammenarbeit. Der Zeuge I2 hatte hinsichtlich der von P5 unterhaltenen Bankkonten Verfügungsbefugnis.
257Die „Kriegskasse“ wurde seitens des Zeugen F6 dergestalt gefüllt, dass P5 an verschiedene Firmen der F6-Unternehmensgruppe Schein-Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen stellte, die seitens der Firmen beglichen wurden. Um wieder über das an P5 gezahlte Geld verfügen zu können, zog der Zeuge F6 ab Ende 1995 ca. 12 Mal den Zeugen Q3 aufgrund des zwischen ihnen bestehenden Beratervertrages zu Botendiensten heran. Der Zeuge Q3 suchte auftragsgemäß den Zeugen I2 in der Schweiz auf und erhielt von diesem Bargeldbeträge, die er nach Düsseldorf verbrachte und sie dort der Sekretärin des Zeugen F6 oder diesem selber übergab; die Flugtickets wurden von dem Zeugen F6 bezahlt, der Zeuge Q3 erhielt zudem von dem Zeugen I2 jeweils einen Betrag von 3 % des überbrachten Geldes als Botenlohn. Der Zeuge Q3 erhielt von dem ZeugenF6 bzw. seiner Sekretärin keine Quittungen über die Beträge, die er diesen übergab. Gegenüber dem Zeugen I2 stellte er Quittungen aus - allerdings nicht nur, wenn er tatsächlich Geld erhalten hatte. Es kam auch vor, dass der Zeuge Q3 in die Schweiz flog, dort den Empfang von Geld quittierte, dieses aber tatsächlich gar nicht erhielt. Der Zeuge I2 verwendete dieses Geld vielmehr auf andere Weise. All dies diente letztlich der Verschleierung von Zahlungswegen, wie auch der Zeuge Q3 erkannte, als er seine Rolle mit den Worten beschrieb: „Ich war eine Umgehung“.
258Ab dem 01.04.1997 beschäftigte P5 neben dem Zeugen I2 einen einzigen Mitarbeiter, den Zeugen I1, einen schweizer Architekten, der (formal) als technischer Leiter angestellt wurde; einen Vorgänger hatte er nicht. Zwar wurde der Zeuge I1 durch den Zeugen I2 beiP5 eingestellt, jedoch erst, nachdem er sich zunächst dem ZeugenF6 vorgestellt und dieser seine Zustimmung signalisiert hatte. Der Zeuge I1 wusste zwar, dass formal P5 - und nicht der ZeugenF6 - sein Arbeitgeber war; den erheblichen Einfluss des ZeugenF6 auf das Geschäftsleben der P5 beschrieb er jedoch so, dass „alles aufstand, wenn F6 anrief“. De facto fiel bei P5 keine Entscheidung, ohne dass sie mit dem Zeugen F6 abgestimmt und von ihm gebilligt worden war. Auch der Zeuge I2 hielt sich an die Anweisungen des Zeugen F6, der zwar formal nur ein „guter Kunde“ der P5, tatsächlich aber der für deren Tätigkeit stets ausschlaggebende Entscheidungsträger war.
259Auftraggeber der P5 waren - neben S5 im vorliegenden Fall - nahezu ausschließlich Firmen der F6-Gruppe. Lediglich einige wenige Architekturaufgaben wurden für das Architektur-Büro des Zeugen I2 erledigt.
260Die Tätigkeit des Zeugen I1 bestand - neben den kleineren Architekturarbeiten für den Zeugen I2 - im Wesentlichen im Erstellen von Kontrollberichten für Kompostierungsanlagen von Firmen aus derF6-Unternehmensgruppe. Das technische Know-how hierfür wurde P5 seitens der schweizer Firma N6, einem Einmannbetrieb, zur Verfügung gestellt. Die vom Zeugen I1 erstellten Prüfberichte wurden dann regelmäßig vorab dem Mitarbeiter der jeweiligen F6-Firma zugeleitet, der daran Korrekturen vornahm, indem er nicht erwünschte Passagen strich oder änderte, und sie dann P5 zur Fertigung der Endfassung zurück sandte.
261Darüber hinaus war der Zeuge I1 aber auch mit der Erstellung von Schein-Rechnungen befasst, denen keine reale Leistung zugrunde lag und die nur dazu dienten, die „Kriegskasse“ bei P5 mit Geld zu füllen, das von dort in andere Kanäle verteilt werden sollte. Diese Rechnungen, die von den sie empfangenden F6-Tochter-Firmen widerspruchslos über Konten der P5 bei der XXX/Q5 beglichen wurden, dienten daneben auch dazu, die für den Unterhalt der P5 notwendigen Kosten - Lohn des Zeugen I1, Miete für die Büroräume etc. - zu beschaffen. Beispielsweise erbrachte allein Q6 aufgrund eines 2001 verlängerten Vertrages mit P5 vom 13.08.1999 jährlich eine Aufwandsentschädigung von ca. 300.000,00 CHF. Auch der Zeuge Dr. V3, ein schweizer Rechtsanwalt, mit dem der Zeuge I1 gelegentlich zusammentraf, war in das Erstellen der Scheinrechnungen eingebunden; er wusste auch, dass Rechnungen - je nach Bedürfnis - teilweise zurück datiert wurden, wenn ihre Verwendung zu unrechtmäßigen Zwecken im Hause F6 dies erforderte.
262Insgesamt flossen auf Veranlassung des Zeugen F6 aus Firmen seiner Unternehmensgruppe an P5 ca. 27,6 Mio. DM.
263Der Zeuge I1 kündigte das Arbeitsverhältnis mit P5 zum 31.12.2002, beendete tatsächlich seine Tätigkeit dort aber bereits imSommer 2002. Im Jahr 2001 hatte er sich auch einmal vergeblich um eine Anstellung bei der F6 Schweiz AG bemüht.
264Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen wurden in den Geschäftsräumen der P5 zahlreiche Unterlagen betreffend die RMVA Köln aufgefunden. Diese hatte der Zeuge I1 teilweise persönlich in Deutschland von dem Zeugen F6 zur Aufbewahrung bei der P5 erhalten, teilweise waren sie auf dem Postwege in die Schweiz geschickt worden.
265Hinsichtlich der Einschaltung der P5 bei der Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung waren die Angeklagten A und Dr. B sowie die Zeugen F6 und J4 dahin übereingekommen, dass von den bei P5 in diesem Zusammenhang eingehenden Zahlungen diese berechtigt sein sollte, einen Anteil von ca. 20 % zur Begleichung von Verwaltungskosten und in der Schweiz abzuführenden Steuern sowie als Gewinn einzubehalten.
2663. Kalkulation des Schmiergeldes bei S5
267Da der Angeklagte Dr. B aufgrund der Vereinbarung aus Herbst 1993 schon bei der Erstellung des am 03.12.1993 abgegebenen S5-Angebotes für die Errichtung der RMVA Köln wusste, dass S5 in Erfüllung der Schmiergeldabrede Provisionszahlungen von 3 % des Auftragswertes zu leisten haben würde, machte er sich spätestens nach dem beschriebenen Treffen mit dem Angeklagten A und dem Zeugen F6 im Düsseldorfer J10-Hotel Gedanken darüber, wie diese zusätzlichen Aufwendungen generiert werden konnten. Aus diesem Grunde erteilte der Angeklagte Dr. B im Verlaufe der Angebotserstellung dem Zeugen und gesondert Verfolgten L4, damals Prokurist bei S5 und Bereichsleiter Anlagenbau, die Anweisung, bei sämtlichen Losen bis auf die Genehmigungsplanung vorab einen Zuschlag von 3 % für „NA“, d.h. nützliche Aufwendungen, hinzu zu addieren. Zu diesem Zwecke sah er es als unvermeidbar an, den Zeugen L4 über die im Falle des Auftragserhalt anstehenden Schmiergeldverpflichtungen zu informieren, denn das Generieren des benötigten Schmiergeldes an dem verantwortlichen Bereichsleiter vorbei erschien ihm unmöglich.
268Der Zeuge L4 ahnte bereits, dass Schmiergeldzahlungen bei dem Projekt RMVA anstanden; er hatte nämlich zeitnah zu der nun erfolgten Anweisung zeitweise an einem Gespräch der Angeklagten A undDr. B anlässlich eines Treffens auf der AutobahnraststätteAggertal (BAB 4) teilgenommen, gegen dessen Ende er von den Angeklagten A und Dr. B gebeten worden war, im PKW des Angeklagten Dr. B zu warten. Von dem sich anschließenden Vier-Augen-Gespräch kehrte der Angeklagte Dr. B zu dem Zeugen L4 zurück mit den Worten: „Das wird teuer“.
269Sowohl der Angeklagte Dr. B als auch der Zeuge L4 hatten auch bereits den kaufmännischen S5-Geschäftsführer und ZeugenDr. T3 wegen der erwarteten Schmiergeldzahlungen angesprochen, von diesem aber erfahren, dass S5 über keinen „Topf“ für diese Gelder verfüge.
270Entsprechend der an ihn ergangenen Anweisung gab nun seinerseits der Zeuge L4 der Zeugin E2, die damals noch den Familiennamen L10 führte, den Auftrag zu einer entsprechenden Kalkulation. Die Zeugin E2 war Vertriebsleiterin bei S5 und Abteilungsleiterin des Bereiches Umweltschutz. Zwar gab es Ende 1993 bei S5 noch eine zentrale Kalkulationsabteilung; diese befand sich aber in der Auflösung. Die Kalkulationen wurden verantwortlich in der Fachabteilung vorgenommen; hier war die Zeugin E2 für die Kalkulation der in diesem Bereich anfallenden Projekte - wie der RMVA - zuständig. Über die schmiergeldbedingte Kalkulationsvorgabe der Zeugin E2 verhält sich von ihr nach dem Erhalt der Anweisung des Zeugen L4 gefertigte Vermerk vom 30.11.1993(SL 12, siehe auch Anlage VIII zum Urteil), auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.
271Der ausweislich dieses Vermerkes nach Ziffer 2 neben den 3 % „NA“ hinzuzurechnende Zuschlag von 5 % entfiel auf den für S5 regulär kalkulierten Gewinn.
272Anhand dieser Vorgabe berechnete die Zeugin E2 für sämtliche Lose unter Aufschlag der 3 % zur Gewinnung des Schmiergeldes sowie eines Zuschlags von ca. 5 % Gewinn die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Preise, wobei hinsichtlich des Loses Genehmigungsplanung ein Zuschlag nicht vorgenommen wurde. Bei den Losen Bauteil und TGA ging die Zeugin statt von den nach S5-Kalkulationsvorschrift errechneten „Selbstkosten II zum Tageswert“ (SK II TW) von einem Einstandspreis aus, auf den neben den vorgenannten Zuschlägen noch ein Konsortialzuschlag und eine Federführungsgebühr aufgeschlagen wurden.
273Los |
SK II TW in DM* |
Inkl. 8 % in DM |
Genehmigungsplanung |
9.092.975,00 |
.-. |
Vorschaltanlage |
29.986.455,00 |
32.152.519,00 |
Feuerung / Kessel |
152.605.932,00 |
164.814.007,00 |
Container |
10.183.827,00 |
10.990.533,00 |
Energieteil |
69.803.401,00 |
75.706.172,00 |
E / PLT |
89.519.000,00 |
96.680.520,00 |
Bauteil |
186.342.802,00 |
223.949.975,00 |
TGA |
23.305.518,00 |
25.917.995,00 |
Abgasbehandlung |
123.012.315,00 |
132.732.292,00 |
Die letzte Preisgestaltung des S5-Angebotes hatte sich der Angeklagte Dr. B persönlich vorbehalten. Er hatte bei der endgültigen Festlegung der Lospreise vor Augen, dass darin jeweils neben den notwendigen Beträgen zur Generierung von Deckungsbeiträgen, Gewinn etc. auch- gleichsam als durchlaufender Posten - stets die 3 % „NA“ enthalten waren, die er zur Begleichung der aufgrund der Schmiergeldabrede anstehenden Zahlungen benötigen würde. Wäre auf das Schmiergeld verzichtet worden, wäre der Angeklagte Dr. B bereit gewesen, das der AVG unterbreitete Angebot um die dafür einkalkulierten 3 % zu reduzieren, weil dann bei der Kalkulation das wirtschaftliche Ergebnis für S5 gleich geblieben wäre. Unter dem Begriff Deckungsbeitrag verstand der AngeklagteDr. B die Differenz zwischen Erlös und variablen Kosten; ihm war es nach seiner Einlassung insbesondere wichtig, dass die neben dem Gewinn ebenfalls unter den Deckungsbeitrag fallenden fixen Kosten, die bei S5 anfielen, durch den Erlös mit abgedeckt werden sollten.
275Danach stellte sich das Original-S5-Angebot vom 03.12.1993 wie folgt dar (Beträge jeweils gerundet und vor Berücksichtigung der im Folgenden noch erläuterten Barwerte der Betriebskostendifferenzen):
276Los |
Mio DM |
1. VSA / Krananlage |
32,0 |
2. Feuerung / Kessel |
178,7 |
3. Abgasbehandlung |
166,7 |
4. Energieteil |
82,4 |
5. E / PLT |
108,3 |
6. Bauteil |
184,1 |
7. Technische Gebäudeausrüstung |
24,6 |
8. Containeranlieferung |
9,0 |
9. Genehmigungsplanung |
14,5 |
Angebotspreis 03.12.1993 |
800,3 |
Der im Vergleich zu den übrigen Losen und bezogen auf die Kalkulation der Zeugin E2 auffallend große Aufschlag beim Los Abgasbehandlung erklärt sich teilweise dadurch, dass der Angeklagte Dr. B diesem Los nun auch der Anteil des auf die Abgasbehandlung entfallenden Stahlbaus von ca. 26 Mio. DM zurechnete, der zuvor im Los Bauteil enthalten war. Hinsichtlich des Loses TGA war S5 ein erheblicher Kalkulationsfehler unterlaufen, aufgrund dessen bei diesem Los ein um ca. 10 Mio. DM zu geringer Preis angesetzt worden war, was den S5-Verantwortlichen jedoch erst nach Auftragserteilung auffiel.
2785. Manipulation des S5-Angebotes
279Dieses Angebot, das also bereits im oben beschriebenen Umfang einen Schmiergeldzuschlag von 3 % enthielt, reichte S5 am 03.12.1993, einem N1, bei der AVG ein.
280Der AVG lagen - hinsichtlich der Abgasbehandlung als Variante C - die folgenden kommerziellen Angebote der nach dem Ausscheiden von T9 verbliebenen Bieter S5, V5, T5, R5 - in Fettdruck die jeweils günstigsten Werte (vor Berücksichtigung der Barwerte der Betriebskostendifferenzen) - vor:
281Los / Bieter |
V5 - Mio DM - |
T5 - Mio DM - |
S5 - Mio DM - |
R5 - Mio DM - |
1. VSA / Krananlage |
34,0 |
33,5 |
32,0 |
40,2 |
2. Feuerung / Kessel |
191,5 |
175,1 |
178,7 |
170,3 |
3. Abgasbehandlung |
236,8 |
239,0 |
166,7 |
269,0 |
4. Energieteil |
82,7 |
91,4 |
82,4 |
76,1 |
5. E / PLT |
99,9 |
88,3 |
108,3 |
71,8 |
6. Bauteil |
175,1 |
170,9 |
184,1 |
179,2 |
7. Technische Gebäudeausrüstung |
30,9 |
36,8 |
24,6 |
58,4 |
8. Containeranlieferung |
9,8 |
10,2 |
9,0 |
12,1 |
9. Genehmigungsplanung |
18,2 |
18,2 |
14,5 |
19,1 |
Angebotspreis 03.12.1993 |
878,9 |
863,4 |
800,3 |
896,2 |
Volumen günstigster Lose |
0,0 |
170,9 |
246,8 |
318,2 |
Entsprechend einem zuvor gefassten und mit dem AngeklagtenDr. B abgesprochenen Plan nahm der Angeklagte A am Abend des 03.12.1993 sämtliche Preisangebote mit nach Hause, um dort anhand eines Vergleiches der Angebote festzustellen, ob S5 als auszuwählender Vertragspartner in Frage kam, bzw. um herauszufinden, welche Angebotsänderungen erforderlich waren, um zu diesem Ziel zu gelangen. In seinem Wohnhaus öffnete der Angeklagte A die Umschläge - soweit verschlossen - unter Wasserdampf, was ihm später beim erneuten Verschließen derselben einige Mühe bereitete und ihn veranlasste, die Umschläge im Submissionstermin am 06.12.1993 eigens an der noch original verschlossenen Seite zu öffnen, damit das vorherige Öffnen nicht auffiel.
283Wie zuvor mit dem Angeklagten Dr. B abgesprochen, notierte der Angeklagte A die Angebote der anderen Bieter auf einem Zettel, den der Angeklagte Dr. B persönlich noch in derselben Nacht nach 23:00 Uhr bei dem Angeklagten A abholte. Zuvor hatte der Angeklagte Dr. B den Angeklagten A von Gummersbach aus angerufen, weil er eine dienstliche Veranstaltung im S5-Gästehaus nicht rechtzeitig verlassen konnte und sich daher verspäten würde. Anlässlich dieses Gespräches hatte der Angeklagte A dem Angeklagten Dr. B auch mitgeteilt, dass S5 zwar das niedrigste Gesamtangebot abgegeben, man sich bei der AVG aber entschlossen habe, denjenigen zum Generalunternehmer zu machen, der die meisten günstigsten Lose und damit das größte Gesamtvolumen günstiger Einzellose auf sich vereine; es bestünden aber noch gute Chancen, dass S5 den Gesamtauftrag erhalten könne. Der Angeklagte A machte dem Angeklagten Dr. B an diesem Abend die Vorgabe, bei der Manipulation des Angebotes das Los Energieteil um 3 Mio. DM anzuheben und das Los Bauteil um 10 Mio. DM abzusenken. Dies geschah aus den weiter unten mitgeteilten Gründen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob sich an dem fraglichen Abend der Zeuge M4 bei dem Angeklagten A befand und der AngeklagteDr. B mit diesem anlässlich des beschriebenen Anrufes ausGummersbach am Telefon sprach.
284Der Angeklagte Dr. B verließ den Angeklagten A unter Mitnahme des Zettels mit den Konkurrenzangeboten; er nahm auch das ursprüngliche S5-Angebot wieder mit.
285Nach Gummersbach zurückgekehrt betraute der Angeklagte Dr. B den Zeugen L4, den er zuvor über die geplanten Manipulationen informiert hatte, am folgenden Wochenende mit der Veränderung des S5-Angebotes. In Vorbereitung auf diese Manipulationen hatte der ZeugeL4, der nicht über ausreichend Kenntnisse im Umgang mit dem Programm Excel verfügte, sich eigens für diesen Zweck seitens der Zeugin E2 in die Grundzüge des Programms einweisen lassen. Er veränderte das S5-Angebot in Absprache mit dem Angeklagten Dr. B im Verlauf des 04. oder 05.12.1993 wie folgt:
286- Anhebung des Loses Energieteil um 3 Mio. DM auf 85,4 Mio. DM,
287- Anhebung des Loses RRA um 20 Mio. DM auf 186,7 Mio. DM und
288- Absenken des Loses Bauteil um 9 Mio. DM auf 175,1 Mio. DM.
289Danach bot sich (vor Berücksichtigung der Barwerte der Betriebskostendifferenzen) folgender Angebotsspiegel:
290Los / Bieter |
V5 - Mio DM - |
T5 - Mio DM - |
S5 - Mio DM - |
R5 - Mio DM - |
1. VSA / Krananlage |
34,0 |
33,5 |
32,0 |
40,2 |
2. Feuerung / Kessel |
191,5 |
175,1 |
178,7 |
170,3 |
3. Abgasbehandlung |
236,8 |
239,0 |
186,7 |
269,0 |
4. Energieteil |
82,7 |
91,4 |
85,4 |
76,1 |
5. E / PLT |
99,9 |
88,3 |
108,3 |
71,8 |
6. Bauteil |
175,1 |
170,9 |
175,1 |
179,2 |
7. Technische Gebäudeausrüstung |
30,9 |
36,8 |
24,6 |
58,4 |
8. Containeranlieferung |
9,8 |
10,2 |
9,0 |
12,1 |
9. Genehmigungsplanung |
18,2 |
18,2 |
14,5 |
19,1 |
Angebotspreis 03.12.1993 |
878,9 |
863,4 |
814,3 |
896,2 |
Auftragsvolumen |
0,0 |
170,9 |
266,8 |
318,2 |
Die Anhebung des Loses Energieteil diente S5 - was der Angeklagte Dr. B wusste - lediglich dazu, der AVG die Möglichkeit zu verschaffen, dieses Los an V5 zu vergeben. Denn der Angeklagte A hatte sich bereits entschieden, dieses Los wegen der ihm vorzugswürdig erscheinenden Technik durch V5 ausführen zu lassen; das günstigere R5-Angebot kam für den Angeklagten A daher nicht in Betracht.
292Die Anhebung des Loses Abgasbehandlung, das bereits einen „NA“-Anteil von ca. 3,7 Mio. DM enthielt, um 20 Mio. DM erfolgte, um einen weiteren Großteil des zu entrichtenden Schmiergeldes zu generieren, nachdem dem Angeklagten Dr. B klar geworden war, dass der Zuschlag nicht ohne weiteres nach dem günstigsten Generalunternehmerangebot erteilt werden würde und von daher nicht gewährleistet war, dass sämtliche in die Kalkulation eingestellten "NA-Zuschläge" sich preislich gegenüber der AVG verwirklichen würden. Das Los Abgasbehandlung bot sich aus Sicht des Angeklagten Dr. B geradezu für diesen Zwecke an, lag doch das ursprüngliche S5-Angebot zwischen ca. 60 und 90 Mio. DM unter den Angeboten der Mitbieter. Dies lag vorwiegend daran, dass S5 insbesondere den Polizeifilter weitaus günstiger von der ihn herstellenden 100 %-igen S5-Tochter T7 erhielt als die Mitbieter. Auch nach der Anhebung um 20 Mio. DM blieb die Differenz beträchtlich, so dass der AngeklagteDr. B nicht fürchten musste, S5 käme aufgrund der Erhöhung als Vertragspartner nicht mehr in Frage. Allein aus den Manipulationsvorgängen bezüglich des Loses Abgasbehandlung stand damit für die Schmiergeldzahlungen ein Betrag von ca. 23,7 Mio. DM zur Verfügung.
293Der Angeklagte Dr. B erkannte, dass die Erhöhung des Loses Abgasbehandlung - wie bereits das Einkalkulieren eines Zuschlags von 3 % - letztlich dazu führen würde, dass die AVG im Falle des Abschlusses eines Werkvertrages auf der Grundlage dieses Angebotes einen um diese Schmiergeldbeträge erhöhten Werklohn für die RMVA entrichten würde.
294Das Absenken des Loses Bauteil stand allerdings nicht mit dem Bemühen um das Generieren des Schmiergeldes im Zusammenhang. Ausschlaggebend für die entsprechende Vorgabe des Angeklagte A an den Angeklagten Dr. B war, dass der Angeklagte A nach der Vorlage des Gesamtangebotes von T5 erkannt hatte, dass T5 den Bauteil mit Xxx zu einem erheblich günstigeren Preis - nämlich für 170,9 Mio. DM - anbot. Der Angeklagte A war ohnehin bereit, den Angeklagten Dr. B bei dessen Verhandlungen mit möglichen Konsorten zu unterstützen, und wusste, dass insbesondere die Preise im Bausektor den Anbietern ein erhebliches Nachlassen ermöglichten. Daher legte er im Interesse der AVG Wert auf eine entsprechende Absenkung des Bauloses.
295Darüber hinaus hatte er bereits zu diesem Zeitpunkt die Vorstellung, durch die Zusammenlegung der Lose Bauteil und TGA dafür zu sorgen, dass S5 nicht nur die höchste Anzahl günstigster Lose, sondern auch das größte Auftragsvolumen auf sich vereinen sollte und daher als Generalunternehmer ausgewählt werden konnte.
296Nach den entsprechenden Angebotsänderungen druckte der Zeuge L4 das Angebot nicht erneut vollständig aus, sondern beschränkte sich darauf, die manipulierten Seiten auszutauschen. Das so korrigierte S5-Angebot brachte der Angeklagte Dr. B dem Angeklagten A am Sonntag, dem 05.12.1993, nach Hause. Am Morgen des 06.12.1993 bemerkte der Zeuge L4, dass die nach der Manipulation neu ausgedruckten Seiten vom Layout her nicht zu den übrigen passten. Denn die Zeugin E2, die die Excel-Tabellen des ursprünglichen S5-Angebotes erstellt hatte, aber über die geplanten Angebotsmanipulationen am Wochenende 04./05.12.1993 nicht unterrichtet war, hatte noch am 03.12.1993 nach Abgabe des Angebotes bei der AVG das Layout des Angebotes optisch nachgebessert, wozu aufgrund des bevorstehenden Fristablaufes zuvor keine Zeit gewesen war. Der Zeuge L4 wiederum wusste nichts von diesen „Verschönerungsarbeiten“ und hatte daher bei den Manipulationen nicht darauf geachtet, dass die veränderten Seiten zu den übrigen passten. Der Zeuge L4 machte der Zeugin E2 die Layoutveränderungen in heftigem Tonfall zum Vorwurf, bis die Zeugin E2 in Tränen ausbrach. Um zu verhindern, dass die Manipulation des Angebotes aufgrund dieser Panne offenkundig wurde, wies er sie an, sogleich ein neues und vollständiges Angebotsexemplar mit den veränderten Zahlen bzgl. der Lose Energieteil, Bauteil und Abgasbehandlung in einem einheitlichen Layout zu erstellen. Dazu musste die Zeugin E2 in dem vom Layout her überarbeiteten Angebot die Angebotszahlen der entsprechenden Lose wie oben dargestellt verändern. Unmittelbar nach Fertigstellung dieses Angebotes brachten der Zeuge L4 und ein S5-Fahrer dasselbe zu dem Angeklagten A nach Köln.
297Sodann fand - im weiteren Verlauf des 06.12.1993 - in den Räumen der AVG am X-Platz in Köln der Submissionstermin statt, an dem u.a. auch Mitarbeiter von P6, M10 und N5 teilnahmen. Um zu verhindern, dass diesen die konkreten Preisangebote bekannt wurden, veranlasste der Angeklagte A nach dem Öffnen der Angebotsumschläge, dass zunächst von sämtlichen Angeboten Kopien ohne den Preisteil gefertigt wurden; die Original-Angebote sammelte er wieder ein.
298Jedenfalls noch vor der für den 10.12.1993 anberaumten Sitzung des „kleinen Aufsichtsrates“ erkannte auch der Angeklagte A, dass S5 bei der Manipulation des Ursprungsangebotes das Los Abgasbehandlung um 20 Mio. DM erhöht hatte. Ihm war klar, dass diese Erhöhung den Hintergrund hatte, das zur Begleichung der Schmiergeldabrede notwendige Geld zu generieren. Er erkannte dabei auch, dass die Art der Beschaffung der „Provisionsgelder“ sich wegen des erhöhten Preises zu Lasten der AVG auswirken würde. Obwohl er ansonsten ausnahmslos streng darauf achtete, stets das für die AVG Günstigste in den Verhandlungen zu erreichen (was ihm durchweg auch gelang), ließ er diese Erhöhung, die auch der Befriedigung der eigenen Begehrlichkeiten diente, unbeanstandet.
2996. Abschluss des Werkvertrags
300Der Angeklagte A hatte nach Vorlage der kommerziellen Angebote den Plan gefasst, den Auftrag für die Errichtung der RMVA nach dem sog. Idealfirma-Modell zu vergeben. Dieses sah vor, dass der Bieter mit dem größten Volumen günstigster Lose als Generalunternehmer tätig werden sollte, allerdings auf Basis des für jedes Los durch den originären Bieter abgegebenen günstigsten Angebotes. Der Generalunternehmer sollte hinsichtlich der Lose, bei denen nicht er selber, sondern ein Mitbieter der Günstigste war, diesen konsortial einbinden.
301Dieses Vergabemodell hatte für die AVG den Vorteil, dass sie auf der einen Seite in den Genuss des jeweils günstigsten Losangebotes kommen und zugleich mit einem einzigen Generalunternehmer unmittelbar vertraglich verbunden sein würde.
302Letzteres war aus Gründen der Abwicklungen eines derart umfänglichen Auftrags mit einer zu erwartenden erheblichen Schnittstellenproblematik bei der Vergabe von Losen an verschiedene Einzelunternehmer aus Sicht des Angeklagten A wegen der bei einem Generalunternehmervertrag für die AVG nicht anfallenden Koordinierungsarbeit ein großer Gewinn. Darüber hinaus hatte der Angeklagte A sich im Interesse der AVG entschlossen, einen sonst vielfach üblichen Generalunternehmerzuschlag nicht zu vereinbaren; durch einen solchen Zuschlag von ca. 3 bis 5 % des Auftragsvolumens wird normalerweise u.a. der erhöhte Koordinierungsaufwand ausgeglichen.
303Seitens der AVG war an M10 und P6 der Auftrag erteilt worden, hinsichtlich der vorliegenden Angebote die zu berücksichtigenden Mehr- und Minderkosten sowie die Betriebskosten zu ermitteln (SL 214).
304Mehr- und Minderpreise fielen vornehmlich bei den Losen Abgasbehandlung und Energieteil an; so wurde z.B. bzgl. des Loses Abgasbehandlung bei S5 ein Mehrpreis von 8,7 Mio. DM für eine optional angebotene und später zunächst beauftragte Zyklonbrennkammer mit 1.200 °C berücksichtigt.
305Die Betriebskosten wurden anhand einer Vielzahl von Daten berechnet, die durch die Planungsbüros bei den Bietern erfragt wurden. Anhand dieser Berechnung sollte ein Weg gefunden werden, um zu berücksichtigen, dass ein Bieter zwar möglicherweise ein sehr günstiges Los anbot, die Anlage aber auf eine gewisse Betriebszeit hin betrachtet aufgrund gegenüber der Konkurrenz höherer Betriebskosten letztlich doch einen größeren Kostenaufwand verursachen würde als diejenige des auf Basis des Angebotspreises teureren Mitbieters. Anhand dieser Berechnung war - ausgehend von dem die geringsten Betriebskosten verursachenden Angebot von T5 - für das S5-Los Abgasbehandlung von 186,7 Mio. DM ein kapitalisierter Betriebskostenwert von 4,2 Mio. DM berechnet worden. Anstatt jedoch von S5 zu verlangen, das Los Abgasbehandlung zu einen um diesen Betriebskostenwert von 4,2 Mio. DM reduzierten Preis anzubieten - denn mit diesen zusätzlichen Kosten würde die AVG bei einer Entscheidung für S5 im Laufe der Jahre belastete werden -, wurde dieser Wert seitens der AVG fälschlich dem Ursprungsangebotsbetrag hinzu addiert, so dass sich dieser unter Einrechnung des Mehrpreises von 8,7 Mio. DM auf insgesamt 199,6 Mio. DM belief (SL 214).
306Unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderpreise sowie der kapitalisierten Betriebskosten ergab sich folgendes Angebotsbild (SL 151) (der günstigste Wert jeweils im Fettdruck):
307Los / Bieter |
V5 - Mio DM - |
T5 - Mio DM - |
S5 - Mio DM - |
R5 - Mio DM - |
1. VSA / Krananlage |
34,1 |
35,4 |
32,2 |
41,7 |
2. Feuerung / Kessel |
235,5 |
175,1 |
180,3 |
181,8 |
3. Abgasbehandlung |
277,2 |
239,0 |
199,6 |
298,2 |
4. Energieteil |
73,2 |
81,4 |
80,8 |
74,5 |
5. E / PLT |
99,9 |
88,1 |
106,3 |
75,6 |
6. Bauteil |
180,4 |
171,1 |
175,8 |
178,6 |
7. Technische Gebäudeausrüstung |
30,9 |
36,8 |
24,6 |
58,4 |
8. Containeranlieferung |
9,7 |
10,2 |
9,0 |
12,1 |
9. Genehmigungsplanung |
17,3 |
18,2 |
14,5 |
19,1 |
Summe Angebotspreis + Mehr-/ Minderkosten und kapitalisierter Betriebskosten |
958,2 |
855,3 |
823,1 |
940,0 |
Auftragsvolumen |
73,2 |
346,2 |
279,9 |
75,6 |
Danach hatte sich das Gewicht des Auftragsvolumens zu Lasten von R5 verschoben, da dort nur noch ein einziges Los - die Elektro- und Prozessleittechnik - verblieb. Auf S5 entfielen demnach zwar insgesamt fünf günstigste Lose, gleichwohl konnte T5 mit nur zwei einzelnen günstigsten Losen das höchste Volumen günstigster Lose für sich verbuchen.
309Eine weitere Veränderung des Bildes ergab sich sodann durch das endgültige Ausscheiden von R5 aus dem Bieterkreis. R5 begründete diesen Schritt gegenüber dem Angeklagten A damit, man wolle das einzig verbleibende günstigste Los Elektro- und Prozessleittechnik nur dann übernehmen, wenn man auch bei einem der anderen Hauptlose den Zuschlag erhielte. Hierzu war der Angeklagte A nicht bereit. Das Ausscheiden von R5 kam ihm zudem insoweit entgegen, als er nun das Los an T5 als den nächst günstigsten Bieter gehen lassen konnte; T5 bot die Elektro- und Prozessleittechnik mit V5-Technik an, wozu der Angeklagte A ohnehin mehr Vertrauen hatte als zu der Technik von R5.
310Tatsächlich beruhte das Ausscheiden von R5 jedoch auf einem entsprechenden Bemühen des Angeklagten Dr. B. Ihm war es gemeinsam mit V5 gelungen, R5 aus dem Bieterkreis „herauszukaufen“, indem er mit R5 zunächst vereinbarte, diese Firma im Falle ihres Ausscheidens während der Abwicklungsphase der RMVA durch die Vergabe von Kompensationsaufträgen mit einem Volumen von 50 Mio. DM zu entschädigen (SL 1731 ff.). Nachdem die Kompensationsgeschäfte das Volumen von 50 Mio. DM nicht erreichten, einigte man sich später auf eine Zahlung von ca. 15 Mio. DM, die S5 und V5 anteilig übernahmen. Eine letzte Zahlung von 3 Mio. DM in diesem Zusammenhang wurde aufgrund einer Vereinbarung zwischen S5 und R5 geleistet, die der Angeklagte Dr. B und ein R5-Mitarbeiter am 30.01.1997 in einem Rasthaus im Spessart trafen (SL 1747). Nach der unwiderlegten Einlassung des AngeklagtenDr. B hatte man sich zum „Herauskaufen“ von R5 gedrängt gesehen, nachdem R5 mit der Abgabe eines „Dumping“-Angebotes gedroht hatte und damit die Aussichten von S5 auf den Auftragserhalt hätten geschmälert werden können. Dieser Hintergrund des Rückzuges von R5 war dem Angeklagten A nicht mitgeteilt worden.
311Folge des Ausscheidens vom R5 war, dass nunmehr T5 mit einem Angebotspreis von 88,1 Mio. DM nächstgünstigster Bieter für das Los Elektro- und Prozessleittechnik war. Damit aber steigerte sich zugleich das Auftragsvolumen zu Gunsten von T5 um diesen Betrag und lag mit nun434,3 Mio. DM um über 150 Mio. DM über demjenigen von S5 mit unverändert 279,9 Mio. DM.
312Bei dieser Sachlage wäre die Auswahl von S5 als Generalunternehmer kaum vertretbar gewesen. Daher musste der Angeklagte A nun seinen Plan umsetzen und zur Verwirklichung des Idealfirma-Modells bei gleichzeitiger Zuschlagserteilung an S5 die Lose Bauteil und TGA nicht länger getrennt, sondern als einheitliches Los behandeln. Dies führte - wie er bereits vor der Submission erkannt hatte - dazu, dass auch das Gesamtlos Bauteil/TGA an S5 fiel und S5 damit das größte Gesamtvolumen niedrigster Lose sicherte (günstigster Wert - mit Ausnahme Elektro- und Prozessleittechnik - im Fettdruck):
313Los / Bieter |
V5 - Mio DM - |
T5 - Mio DM - |
S5 - Mio DM - |
R5 - Mio DM - |
|
1. VSA / Krananlage |
34,1 |
35,4 |
32,2 |
41,7 |
|
2. Feuerung / Kessel |
235,5 |
175,1 |
180,3 |
181,8 |
|
3. Abgasbehandlung |
277,2 |
239,0 |
199,6 |
298,2 |
|
4. Energieteil |
73,2 |
81,4 |
80,8 |
74,5 |
|
5. E / PLT |
99,9 |
88,1 |
106,3 |
75,6 |
|
6. Bauteil |
180,4 |
170,9 |
- 4,9 |
175,8 |
178,6 |
7. Technische Gebäudeausrüstung |
30,9 |
36,8 |
+ 12,2 |
24,6 |
58,4 |
Summe der Lose |
211,3 |
207,7 |
200,4 |
237,0 |
|
8. Containeranlieferung |
9,7 |
10,2 |
9,0 |
12,1 |
|
9. Genehmigungsplanung |
17,3 |
18,2 |
14,5 |
19,1 |
|
Summe Angebotspreis + kapitalisierte Betriebskosten + Mehr-/Minderpreis |
958,2 |
855,1 |
823,1 |
940,0 |
|
Auftragsvolumen unter Herausstellung der Lose 6 und 7: |
|||||
(a) separate Losvergabe |
73,2 |
434,1 |
279,9 |
||
(b) verbundene Losvergabe |
73,2 |
263,2 |
455,7 |
||
T5 |
S5 |
||||
Gesamtpreis niedrigster Lose (unter Berücksichtigung von T5 bei Los 5) |
779,6 |
Die Zusammenlegung von Bauteil und TGA war aus technischer Sicht nicht zwingend, sie brachte der AVG aber aus technischer Sicht auch keine Nachteile. Der Angeklagte A erklärte gegenüber dem ZeugenL4, wie dieser in einem Besprechungsbericht vom 04.02.1994(SL 148 f.) festhielt, dass die TGA nicht tatsächlich dem Bauteil zugeschlagen werden müsse, sondern S5 durchaus das Recht habe, die TGA in eigener Regie ohne Beteiligung der für das Los Bauteil zuständigen Firmen Y5 und Xxx abzuwickeln.
315Parallel zur weiteren Planung der Vergabe des RMVA-Auftrages suchten der Angeklagte Dr. B und der Zeuge J4 erneut auf Initiative des Letzteren zwischen dem 08.12. und 12.12.1993 Notar Dr. X5 in Zürich auf; wiederum sollte es um die Absicherung der Provisionsforderung des Zeugen J4 gehen. Bei Notar Dr. X5 trafen sie auch den Verwaltungsrat der P5, den Zeugen I2, an. Entsprechend einer zuvor mit dem Zeugen F6 getroffenen Vereinbarung sollte zum Zwecke der Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung zwischen S5 und P5 eine Vereinbarung getroffen werden, nach der P5 Scheinrechnungen für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen an S5 stellen sollte, die es S5 ermöglichten, Zahlungen an P5 zu leisten, die sodann von dort an die „Berechtigten“ der Schmiergeldvereinbarung ausgezahlt werden sollten. Diese Vereinbarung, die später im Abschluss des Konsortialvertrages vom 18.03.1994 (SL 514) mündete, wurde bei Notar Dr. X5 vorbesprochen.
316Während dessen unterbreitete der Angeklagte A dem AFP in der Sitzung vom 10.12.1993 seine Pläne zur näheren Auftragsgestaltung. Er stellte bei der Erläuterung der verschiedenen Angebote die Lose Bauteil und TGA als einheitliches Los dar und teilte auch unter Rückgriff auf die ihm bekannte Begründung der Firma mit, R5 habe sich aus dem Kreis der Bieter zurückgezogen. Der Angeklagte A stellte hinsichtlich der einzelnen Lose in dieser Sitzung keine Einzelpreise vor. Lediglich auf die Anfrage des AFP-Mitgliedes K6 gab er bekannt, dass sich die Addition der Mindestangebote für die einzelnen Lose auf „ca. 787 Mio. DM“ beliefe.
317Der AFP billigte die seitens der AVG-Geschäftsleitung hinsichtlich des weiteren Verfahrens vorgeschlagene Verfahrensweise und erteilte den Auftrag, mit S5 „in Verhandlungen zur Übernahme der Generalunternehmereigenschaft ohne Mehrpreis einzutreten“; hinsichtlich des Loses Elektro- und Prozessleittechnik empfahl der AFP dem Aufsichtsrat wegen des Ausstiegs von R5 T5 zu beauftragen.
318Mitte Dezember 1993 teilte der Angeklagte A dem Angeklagten Dr. B mit, dass die AVG beabsichtigte, den Auftrag nach dem Idealfirma-Modell zu vergeben und nicht bereit sei, einen Generalunternehmerzuschlag zu zahlen. Dies war für den Angeklagten Dr. B eine große Enttäuschung, da er nun zum einen die Fremdlose für die AVG zu den Konditionen der ehemaligen jeweils günstigsten Bieterkonkurrenten erbringen musste und andererseits nicht in den Genuss eines Zuschlags für seine Tätigkeit als Generalunternehmer kam. Der Angeklagte Dr. B befürchtete, dass dies bei S5 zu einem erheblichen Verlust von Deckungsbeiträgen führen würde. Diese Bedenken zerstreute der Angeklagte A jedoch, indem er dem Angeklagten Dr. B zusicherte, dass er, der Angeklagte A, S5 bei den Verhandlungen mit den die Fremdlose erbringenden Konsorten nachhaltig unterstützen würde, um S5 die notwendigen Deckungsbeiträge zu erhalten.
319Der Angeklagte Dr. B wusste bereits damals, dass es gelingen würde, die Konsorten um mindestens 40 Mio. DM zu drücken. Diese Gewissheit verlieh ihm zum einen die erwähnte Zusage des Angeklagten A, die nicht zuletzt deshalb enorm „werthaltig“ war, weil der Angeklagte A - wie der Angeklagte Dr. B bereits persönlich erfahren hatte - ein ausgesprochen engagierter, „harter“ und durchsetzungsfähiger Verhandlungspartner war.
320Zudem hatte S5 bereits während der laufenden Ausschreibung mit verschiedenen Mitbietern Verhandlungen hinsichtlich einer späteren Zusammenarbeit bzgl. einzelner Lose aufgenommen und dabei u.a. in Erfahrung gebracht, dass man mit Y5 für das Los Bauteil einen erheblichen Nachlass würde vereinbaren können. Hinsichtlich dieses Loses hatte nämlich der Zeuge L4 für S5 verschiedentlich Gespräche mit dem Y5-Mitarbeiter und Zeugen Z2, dort Bereichsleiter für den technischen Umweltschutz, geführt vor dem Hintergrund, dass S5 als Tochterfirma des Y5-Konzerns das Los Bauteil grundsätzlich mit Y5 anbieten sollte. Das ursprüngliche Y5-Angebot gegenüber S5 für dieses Los belief sich auf 183,1 Mio. DM. S5 lag aber bereits vor der Angebotsabgabe gegenüber der AVG am 03.12.1993 das T5/Xxx-Angebot für das Los Bauteil vor, das sich auf nur 170,9 Mio. DM belief. Dieses T5-Angebot ließ der Zeuge L4 nun in die Verhandlungen mit Y5 einfließen und machte gegenüber dem Zeugen Z2 deutlich, dass S5 notfalls das Los Bauteil - auch gegen die entsprechende Weisung der Mutterfirma - mit Xxx anbieten würde. Das harte Verhandeln des Zeugen L4 führte dann letztlich dazu, dass Y5 noch am 02.12.1993 - also einen Tag vor der Abgabe des ursprünglichen S5-Angebotes gegenüber der AVG - ein Alternativangebot für den Bauteil vorlegte, das sich auf nur noch ca.167 Mio. DM belief (SL 330-333); letztlich hatte S5 an Y5, die die Federführung der aus Xxx und Y5 bestehenden ARGE für das Los Bauteil der RMVA übernommen hatte, für das Los Bauteil sogar nur153 Mio. DM zu entrichten, wobei die „nach außen erkennbare Zahl“ nach einer Vereinbarung zwischen S5 und Y5 164.400.000,00 DM betragen und eine „Sonderzahlung“ von ca. 10 Mio. DM an Y5 ermöglichen sollte (vgl. Vermerk L4 vom 04.02.1994 = SL 148). Um einen offiziellen Weg zur Abwicklung dieser „Sonderzahlung“ zu finden, einigte man sich dahin, dass eine entsprechende Forderung seitens Y5 mit „Schwierigkeiten u.a. in ihrer Eigenschaft als Federführer der Arbeitsgemeinschaft Rohbau RMVA Köln bei der Abwicklung dieses Projektes“ begründet werden sollte (SL 1697). Tatsächlich wurde vor dem Hintergrund vermeintlicher Schadensersatzansprüche von Y5 unter dem 15.06.1994 zwischen S5 und Y5 eine - fingierte - Zusatzvereinbarung zu der Konsortialvereinbarung vom 08.10./08.11.1993 getroffen, aufgrund derer Y5 ein Anspruch auf Zahlung von 9,7 Mio. DM zustand (SL 1711). Diesen Betrag stellte Y5 am 15.07.1997 gegenüber S5 in Rechnung und mahnte ihn im Januar und Februar 1999 schriftlich an (SL 1698 f.). Die Forderung wurde durch S5 beglichen.
321Zu erwähnen ist darüber hinaus in diesem Zusammenhang, dass auch T5 bereits am 04.02.1994 - und damit nur wenige Tage nach dem Abschluss des Generalunternehmervertrages zwischen AVG und S5 vom 28.01.1994 -schriftlich gegenüber S5 für das Los Elektro- und Prozessleittechnik einen Nachlass von 6 Mio. DM gegenüber dem Angebotspreis von 85 Mio. DM gewährte (SL 168).
322Das erfolgreiche Drücken der Konsorten war, wie die AngeklagtenA und Dr. B wussten, notwendig, damit S5 den als Referenzobjekt erstrebten Auftrag überhaupt auf Basis des Idealfirma-Modells wirtschaftlich durchführen konnte. Dies galt unabhängig von der bereits getroffenen Schmiergeldvereinbarung. Denn es stand fest, dass ohne die Zahlung von Schmiergeld der Auftrag nicht zu erlangen war, so dass die schmiergeldbedingte Preiserhöhung nicht dazu dienen konnte, den Einbruch bei den Deckungsbeiträgen in Höhe von ca. 50 Mio DM, der auf die Vergabe nach dem Idealfirma-Modell zurückzuführen war, auszugleichen. Dieser Ausgleich musste vielmehr durch das Drücken der Konsorten bewirkt werden. Entsprechende Einwirkungen auf die Konsorten wären im übrigen auch dann erforderlich gewesen, wenn kein Schmiergeld vereinbart worden wäre. Denn es musste eine Lücke bei den Deckungsbeiträgen von etwa dem Doppelten des Schmiergeldbetrages geschlossen werden. Der Angeklagte A hätte sich auch dann maßgeblich für das Drücken der Konsorten eingesetzt, wenn kein Schmiergeld in Rede gestanden hätte. Denn ohne das Drücken der Konsorten hätte er sein Vorhaben einer Auftragsvergabe nach dem Idealfirma-Modell, das er zugunsten der AVG anstrebte, nicht durchsetzen können.
323In der gemeinsamen Sitzung von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung am 21.12.1993 erläuterte der Angeklagte A das Ergebnis der Auswertung der kommerziellen Angebote und benannte die für die jeweiligen Lose günstigsten Anbieter wie folgt:
324Los |
Bieter |
Mio. DM |
1. VSA / Krananlage |
S5 |
32,2 |
2. Feuerung / Kessel |
T5 |
175,1 |
3. Abgasbehandlung Var. C |
S5 |
199,6 |
4. Energieteil |
V5 |
73,2 |
5. E / PLT |
T5 |
88,1 |
6. Bauteil/TGA |
S5/PH |
200,4 |
7. Containeranlieferung |
S5 |
9,0 |
8. Genehmigungsplanung |
S5 |
14,5 |
insgesamt |
792,1 |
Danach belief sich das Gesamtauftragsvolumen des nach den Grundsätzen des Idealfirma-Modells zusammengestellten Auftrags auf 792,1 Mio. DM. Allerdings gab der Angeklagte A nicht zu erkennen, dass ihm aufgefallen war, dass diese Aufstellung das Los Abgasbehandlung mit - fälschlich - hinzuaddierten kapitalisierten Betriebskosten von 4,2 Mio. DM enthielt und eigentlich um diesen Betrag niedriger hätte angesetzt werden müssen, wie oben dargestellt. Der Angeklagte A hatte die Vorstellung, dass er durch ein entsprechendes Verschweigen dieses „Fehlers“ intern einen Spielraum gewonnen hatte, den er bei den anstehenden Vertragsverhandlungen mit S5 würde nutzen können.
326Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung beschlossen am 21.12.1993 einstimmig:
327„Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung nehmen die Ausführungen der Geschäftsführung zur Bewertung der Ergebnisse der Ausschreibung der RMVA zustimmend zur Kenntnis.
328Die Geschäftsführung wird beauftragt, den Zuschlag dem jeweiligen Mindestbietenden in den Losen gemäß der den Beratungsunterlagen beigefügten Preiszusammenstellung zu erteilten; ist ein Mindestbieter eines Loses zur Annahme des Zuschlags nicht bereit, ist dem nächstfolgenden Bieter der Zuschlag zu erteilen.
329Als Generalunternehmer wird der in den meisten Losen günstigste Bieter, die Firma S5, Gummersbach, vorgesehen unter der Voraussetzung, dass dieser Bieter bereit ist, diese Aufgabe ohne zusätzlichen Generalunternehmerzuschlag zu übernehmen. (...)“
330In der Folgezeit gelang es dem Angeklagten A im Rahmen der Verhandlungen tatsächlich, den von S5 geforderten Generalunternehmerzuschlag von 9 % auf 4 % abzusenken und ihn schließlich vollständig entfallen zu lassen. S5 hatte sich hierauf eingelassen, um überhaupt den Zuschlag für das Referenzobjekt RMVA Köln zu erhalten. Immerhin erreichte der Angeklagte Dr. B, dass S5 als Generalunternehmer und nicht lediglich als Konsortialführer beauftragt wurde, so dass er vollverantwortlich die Federführung realisieren konnte. Hierauf ließ sich der Angeklagte A ein, da eine solche Regelung auch den Interessen der AVG entsprach, die dann bei der Auftragsabwicklung nur einen Ansprechpartner hatte.
331Anlässlich einer Besprechung am 30.12.1993, an der u.a. die Angeklagten A und Dr. B teilnahmen, wurde S5 beauftragt, auf der Grundlage der im Folgenden dargestellten Einzellospreise mit den genannten Firmen zwecks Bildung eines Innenkonsortiums zu verhandeln:
332Los |
Bieter |
Mio. DM |
1. VSA / Krananlage |
S5 |
32,0 |
2. Feuerung / Kessel |
T5 |
175,1 |
3. Abgasbehandlung Var. C |
S5 |
195,4 |
4. Energieteil |
V5 |
73,2 |
5. E / PLT |
S5/T5/V5 |
85,0 |
6. Bauteil/TGA |
S5/PH |
200,4 |
7. Containeranlieferung |
S5 |
9,0 |
8. Genehmigungsplanung |
S5 |
14,5 |
Gesamtpreis |
784,6 |
Der sich auf 784,6 Mio. DM belaufende Gesamtpreis dieses zu erstrebenden Innenkonsortiums wurde in dem anlässlich dieser Vergabeverhandlung angefertigten Protokoll (SL 191 ff.) nicht ausdrücklich genannt.
334Als S5-eigene Lose verblieben nach dieser Vorgabe nur noch die Lose Vorschalttechnik/Krananlagen, Abgasbehandlung, Containeranlieferung und Genehmigungsplanung. Hingegen sollte das Los Kessel/Feuerung an T5, das Los Energieteil an V5, das Los Elektro- und Prozessleittechnik an eine Arbeitsgemeinschaft von S5, T5, Xxx und V5 sowie das zusammengelegte Los Bauteil/TGA zu je 50 % an eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus S5/Y5 und Xxx/T5, gehen. Das aber bedeutete, dass der S5 verbleibende Deckungsbeitrag nur noch ca. 50 Mio. DM betrug und damit lediglich 50 % des ursprünglich vorgesehenen Deckungsbeitrages erreicht wurden. Daher war es, um den Auftrag auf Grundlage des Idealfirma-Modells durchführen zu können, für S5 unerlässlich, die mit der Erstellung der Fremdlose beauftragten Firmen durch Nachverhandlungen zu Preisnachlässen zu bewegen.
335Um S5 das Erreichen dieses Zieles zu erleichtern, legte sich die AVG gegenüber S5 anlässlich der Besprechung vom 30.12.1993 - auch schriftlich - dahin fest, dass die Beteiligung von V5 und T5 unter der Prämisse zu erfolgen habe, dass diese bereit seien, S5 in der Weise entgegen zu kommen, dass die üblichen Preisabschläge zu Gunsten des Generalunternehmers realisiert werden würden; anderenfalls erklärte die AVG, S5 mit den entsprechenden Losen zu beauftragen, falls S5 die Konditionen übernähme (SL 193); d.h., für den Fall, dass V5 und T5 nicht in der gewünschten Weise S5 entgegenkommen sollten, sei S5 nicht mehr an die Vorgaben der AVG zur Erteilung von Aufträgen an V5 und T5 gebunden, sondern könnte die entsprechenden Leistungen selbst oder über andere Dritte erbringen, ohne dass hierfür die auf der Grundlage des Idealfirma-Modells erstellten Preisvorgaben in Frage gestellt werden durften. Dementsprechend wirkte der Angeklagte A im Nachgang zu dieser Besprechung auf die betreffenden Bieter ein und vermittelte diesen erfolgreich, dass sie die Konditionen von S5 akzeptieren müssten, um am Bau der RMVA beteiligt zu werden. Dies stellte einen weiteren wesentlichen Beitrag des Angeklagten A zur Sicherung der Durchführung des Auftrages durch S5 nach den Grundsätzen des Idealfirma-Modells dar.
336Hinsichtlich der Auswahl der Konsorten war schon vor und auch noch während des Ausschreibungsverfahrens politischerseits nicht nur auf eine Berücksichtigung von S5 gedrängt worden; insbesondere aus Kreisen der Kölner Politik war dem Angeklagten A nahe gelegt worden, verschiedene in Köln ansässige Baufirmen bei der Errichtung der RMVA nicht zu vergessen. So hatte sich etwa der Zeuge Dr. O3 für eine Beteiligung von Y5 stark gemacht und darauf gedrängt, diese Firma solle die Federführung beim Los Bauteil erhalten; er kannte den dortigen Niederlassungsleiter, den Zeugen G3. Der Angeklagte C hatte dem Angeklagten A eine Beteiligung von Xxx empfohlen, der ###4-Fraktionsvorsitzende Dr. S7 hatte sich für M5/J5 und der ###5-Ratsherr K6 für die Firmen O5 und N10 eingesetzt. Diese Wünsche wurden seitens des Angeklagten A an den Angeklagten Dr. B weitergegeben, wobei der Angeklagte A deutlich machte, dass der AVG die konkrete Einbindung der genannten Firmen grundsätzlich gleich war - mit Ausnahme der Arbeitsgemeinschaft Y5/Xxx im Los Bauteil; diesbezüglich gewann der Angeklagte Dr. B den Eindruck, dass eine Beteiligung dieser Firmen für S5 „Gesetz“ war und insoweit bei der Beauftragung kein Spielraum verblieb.
337Entgegen der Einlassung des Angeklagten Dr. B wurde anlässlich eines ohne Zeugen geführten Gespräches am 30.12.1993 zwischen ihm und dem Angeklagten A nicht auf Drängen des Angeklagten A vereinbart, den an S5 zu zahlenden Werklohn - einschließlich einer Leistungsanpassung wegen einer zusätzlichen Erdbebensicherung von2,1 Mio. DM - auf 792,1 Mio. DM zu erhöhen und von diesem zusätzlichen Betrag den Angeklagten A und Dr. B persönlich jeweils eine Mio. DM zukommen zu lassen.
338Tatsächlich wurde allerdings im weiteren Verlauf, ausgehend vom Idealfirma-Modell, der o.g. Preis von 784,6 Mio. DM erhöht auf den schließlich gültigen Werklohn von 792 Mio. DM. Diese Erhöhung beruhte jedoch nicht - auch nicht teilweise - auf der vom Angeklagten Dr. B behaupteten Absprache, sondern war das wirtschaftlich nachvollziehbare Ergebnis umfangreicher Nachverhandlungen, in die AVG und S5 Anfang Januar 1994 eingetreten waren. Es ging um das Aushandeln der Einzelheiten des abzuschließenden Werkvertrages ging. Zu diesen Verhandlungen, an denen bis zu 20 Personen teilnahmen, fand man sich in einer technischen und einer kommerziellen Runde zusammen. Diese wurden in erster Linie von den jeweils bei AVG und S5 zuständigen Sachbearbeitern geführt; traten in den Runden unüberbrückbare Schwierigkeiten auf, schalteten sich die Angeklagten A und Dr. B persönlich ein und erzielten letztlich über jeden offenen Punkt eine Einigung. Aus Sicht von S5 bestand insbesondere hinsichtlich der Behandlung der zugesicherten Eigenschaften und der Haftungsfragen erheblicher Verhandlungsbedarf. Zudem ging es um die preisliche Berücksichtigung von Arbeiten betreffend das Los Abgasbehandlung, die S5 als Mehrkosten bei Variante C in anderen Losen kalkuliert und angeboten hatte, allerdings in solchen Losen, bei denen sie nach dem Idealfirma-Modell über dem preislich günstigsten Angebot lagen. Für die Preisanhebung war teilweise auch die Vereinbarung von optional angebotenen Leistungen ausschlaggebend. Im Ergebnis erklärt sich die Preiserhöhung von 7,4 Mio DM insbesondere durch eine Erhöhung des Preises für das Los Abgasbehandlung um 5,2 Mio. DM sowie zusätzliche Kosten für die Erdbebensicherheit in Höhe von 2,1 Mio. DM. Die Preiserhöhung für die Abgasbehandlung beruht auf den für Variante C anfallenden Mehrkosten insbesondere im Bereich der Elektro- und Prozessleittechnik, die sich auf 6,2 Mio. DM beliefen. Der Preis wurde aber wegen Minderkosten im Bereich der Containeranlieferung wiederum um 1 Mio. DM gesenkt. Unter Berücksichtigung weiterer, geringfügiger Preisänderungen bei anderen Losen wurde der Endpreis schließlich auf 792 Mio. DM gerundet. Eine irgendwie gestaltete pauschale Absenkung des Gesamtwerklohnes wurde nicht vorgenommen.
339Schließlich wurde am 28.01.1994 - seitens der AVG durch den Angeklagten A sowie die Zeugen Dr. O3 und J3, seitens S5 durch den Angeklagten Dr. B und den Zeugen L4 - der Generalunternehmervertrag zur Errichtung der RMVA Köln unterzeichnet(SL 361 ff.). Für die Rechtswirksamkeit des Vertrages notwendig war seitens der AVG lediglich die Unterzeichnung durch den Angeklagten A (§ 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Es wurde - inklusive der Genehmigungsplanung - ein Festpreis von 792 Mio. DM mit Preisgleitklausel vereinbart. Der Vertrag sah unter Ziff. 3.2.4.3. der Vertragsbedingungen ausdrücklich für den Fall eines Verstoßes gegen § 12 UWG/§ 331 ff. StGB ein außerordentliches Kündigungsrecht der AVG vor. Eine ausdrückliche Genehmigung des Vertrages durch Aufsichtsrat und/oder Gesellschafterversammlung erfolgte nicht. Der Angeklagte A teilte lediglich anlässlich der nächsten gemeinsamen Sitzung dieser Gremien am 08.03.1994 mit, dass der Vertrag nach Beschluss des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung vom 21.12.1993 mit S5 abgeschlossen wurde (SL II).
340Unmittelbar nach der Vertragsunterzeichnung setzte S5 die Verhandlungen mit den Konsorten, die teilweise bereits zuvor aufgenommen worden waren, zügig fort. Dank der zugesagten und nun erfolgenden Unterstützung des Angeklagten A gelang es, bis zum Abschluss der Konsortialverträge im Sommer 1994 insgesamt eine Reduktion der Kosten für die Fremdlose von ca. 48 Mio. DM zu erreichen (Konsortialvertrag Arge Rohbau = SL 468; Konsortialvertrag S5-T7 = SL 486). Diese Einsparungen kamen ausschließlich S5 zugute, da der mit der AVG vereinbarte Festpreis nicht mit Blick auf die Reduktionen bei den Konsorten ermäßigt wurde.
341Im Zuge der Verhandlungen mit den Konsorten kam es darüber hinaus dazu, dass die Kesselfertigung - entgegen der ursprünglichen Planung nach dem Idealfirma-Modell - nun doch von S5 vorgenommen wurde; auch dies führte zu einer Verbesserung der Situation bzgl. der Deckungsbeiträge bei S5, weil auf diese Weise dort ansonsten brach liegenden Kapazitäten genutzt werden konnten.
342Darüber hinaus konnte S5 im Laufe der Abwicklung des Vorhabens weitere mindestens 19,6 Mio. DM aufgrund der Umsetzung einer Vereinbarung mit der AVG vom 04.06.1996 (SL 504 ff.) einsparen. Die Parteien einigten sich u.a. auf eine Bauzeitverkürzung von 27 auf 23,5 Monate; S5 und die Mitglieder des Innenkonsortiums kamen dadurch in den Genuss eines zur Auszahlung gelangten Bonus von 19,6 Mio. DM. Eine weitere, für die AVG allerdings kostenneutrale, Vergünstigung für S5 und die übrigen an der Errichtung der RMVA beteiligten Firmen bestand darin, dass das im Werkvertrag vereinbarte Verbot der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in derselben Vereinbarung aufgehoben wurde.
343Die AVG hatte auf den Abschluss der Vereinbarung über die Bauzeitverkürzung gedrängt, weil eine frühere Inbetriebnahme der RMVA auch eine frühere Stromerzeugung durch diese mit sich brachte. Es war nämlich mit den XX6 vereinbart, den in der RMVA produzierten Strom an diese zu veräußern, mit dem ca. 60.000 Haushalte im Kölner Norden versorgt werden sollten. Die Entscheidung für die XX6 als Stromabnehmer fiel seitens der AVG auf nachhaltigen Druck der Kölner Stadtverwaltung hin; hinter dieser Überlegung stand die Absicht der Stadt, über die XX6 indirekt die in Finanznot geratenen stadteigenen Kölner Verkehrsbetriebe - und damit letztlich wiederum die Stadt selber - zu subventionieren. Namentlich der Zeuge Dr. O3 hatte auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages mit den XX6 gedrängt und dem für seine harte Verhandlungsführung bekannten Angeklagten A, der wieder nach einer für die AVG möglichst günstigen Vertragsmöglichkeit suchte, verschiedentlich entgegengehalten, dass man mit der XX6 „moderat“ umgehen müsse und „mit denen nicht wie mit einem Privaten verhandeln“ könne; diese Vorgabe sah der Angeklagte A als derart verbindlich an, dass es wirkliche Verhandlungen mit der XX6 nicht gab und der Strompreis der AVG letztlich vorgegeben wurde.
3447. Finanzierung der RMVA
345Nach § 6 des Konsortialvertrages beschaffte sich die AVG die erforderlichen Finanzmittel "in geeigneter Weise“. Die Partner sollten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühen, der Gesellschaft optimale Finanzierungsvoraussetzungen zu schaffen. So verpflichtete sich die Stadt Köln, der AVG zur Finanzierung der Planungs- und Investitionskosten für die RMVA nebst Vorschaltanlage sowie für die Kompostierungsanlage kommunalverbürgte Darlehen zu verschaffen.
346So übernahm die Stadt Köln zur Finanzierung der bei der AVG anfallenden Investitionen und den damit verbundenen Kreditaufnahmen in der Zeit von 1993 bis 1999 sukzessive modifizierte Ausfallbürgschaften von insgesamt 1.496,31 Mio. DM, nachdem die AVG einen Finanzbedarf in eben dieser Höhe ermittelt hatte. Tatsächlich kam es jedoch (nach Wertstellung) seitens der AVG insgesamt lediglich zu einer Kreditaufnahme von 1.295,50 Mio. DM mit der Folge, dass der eingangs gesteckte finanzielle Rahmen jedenfalls nicht überschritten wurde – ein wesentlich dem Verhandlungsgeschick des Angeklagten A zuzuschreibender Umstand, der insbesondere bei Großvorhaben unter erheblicher Beteiligung der öffentlichen Hand eher die Ausnahme denn die Regel ist; so war es dem Angeklagten A nicht zuletzt im Rahmen des sog. Claimmanagement - also des Verhandelns um Nachforderungen und Mängeleinwände - erfolgreich gelungen, sich erheblichen S5-Nachforderungen zu widersetzen.
347Die Finanzierung der RMVA im Wege der Kreditaufnahme sollte angesichts des erheblichen Volumens über ein Konsortium bestehend aus G9-Bank sowie I9-Bank und H9-Bank Köln laufen. Tatsächlich wurden die benötigten Darlehen zu einem weit überwiegenden Teil allein bei der H9-Bank Köln aufgenommen; lediglich in einem Umfang von insgesamt 162,5 Mio. DM - entsprechend einem Anteil von 12,5 % des Gesamtvolumens - ging die AVG Kreditverpflichtungen gegenüber einem anderen Institut, derY-Bank, ein. Hintergrund dieser Praxis war, dass zwar die AVG ihrerseits Wert darauf legte, den jeweils günstigsten Kredit aufzunehmen, ihr aber andererseits seitens der Stadtverwaltung deutlich zu verstehen gegeben worden war, dass der H9-Bank Köln als der „Hausbank“ der Stadt ein gewisser Vorrang eingeräumt werden sollte; hierauf legten insbesondere der damalige Stadtkämmerer, der Zeuge O1, und der Zeuge Dr. O3 Wert. Die H9-Bank sollte bei der Finanzierung der RMVA stets den „last call“, d.h. die Möglichkeit günstigere oder gleich günstige Angebote zu unterbreiten, haben; bei einer Abweichung nach oben gegenüber einem anderen Institut von nicht mehr als 0,01 % bzw. 0,03 % (SL 1480) sollte die Kreditaufnahme bei ihr erfolgen.
3488. öffentliche Diskussion um die Durchführung des Werkvertrages
349a)
350Die Diskussion um die RMVA und ihre Dimensionierung nahm auch nach beantragter Genehmigung kein Ende. Insbesondere im Vorfeld der NRW-Landtagswahl wurde Anfang 1995 in der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit einer vierten Verbrennungslinie gestritten. Angesichts der vorgebrachten Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit einer Anlage der geplanten Größe- allerdings ausgehend von den Vorgaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die bereits damals nicht mehr erforderlich war - kam gar der Verzicht auf die Realisierungsausführung des gesamten Projektes RMVA zur Sprache. Dies veranlasste u.a. den Finanzausschuss des Rates der Stadt Köln dazu, bei der Stadtverwaltung die Kosten eines Ausstiegs aus dem Projekt zu erfragen. Nach dem Werkvertrag hatte zwar der Generalunternehmer das Risiko eines Scheiterns des Vertrages zu tragen, falls die öffentlich-rechtliche Genehmigung nicht erteilt werden würde. Die Rechte des Werkunternehmers aus § 649 BGB waren jedoch - abgesehen von der modifizierten Regelung bzgl. des Loses Genehmigungsplanung - nicht ausgeschlossen, so dass erhebliche Ansprüche von S5 gegenüber der Stadt im Falle eines politisch motivierten Ausstiegs aus dem Projekt oder einer Verringerung des Auftragsvolumens, etwa dem Verzicht auf eine von vier Verbrennungslinien, zu gewärtigen waren.
351Anlässlich der Sitzung des Finanzausschusses vom 16.03.1995 wurde seitens der Stadtverwaltung jedoch sinngemäß mitgeteilt, dass man der Ansicht sei, der Vertragspartner AVG sei aufgrund des Entsorgungsvertrages und der städtischen Beschlusslage nach wie vor zur unverzüglichen Errichtung einer RMVA mit einer Anlagenkapazität von 421.000 t/a verpflichtet; dies schließe die Notwendigkeit der Auftragserteilung über Planung und Bau der Anlage ein; die Genehmigung der Anlage erfolge nicht nach den Grundsätzen der Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern sei allein immissionsschutzrechtlicher Natur, so dass die Frage der Größe der Anlage unerheblich sei; im Falle eines Ausstiegs zum jetzigen Zeitpunkt sei daher insgesamt mit Schadensersatzansprüchen von ca. 540 Mio. DM zu rechnen, die sich aus Aufwendungsersatzansprüchen des Generalunternehmers von ca.320 Mio. DM, offenen Forderungen aus laufenden Verpflichtungen der AVG von ca. 100 Mio. DM und Zahlungen der AVG aus abgewickelten Verträgen zusammensetzte. Der Zeuge Dr. O3 unterrichtete den Finanzausschuss jedoch nicht darüber, dass die AVG ihrerseits den von S5 angegebenen Aufwendungsersatzanspruch als überhöht ansah und allenfalls von einem solchen in Höhe von 230 Mio. DM ausging. Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung der AVG wurde hinsichtlich der Folgen eines denkbaren Ausstiegs der AVG aus dem Projekt in den jeweiligen Sitzungen vom 15.03.1995 seitens des Zeugen Dr. O3 und des Angeklagten A im Wesentlichen in demselben Sinne informiert, wobei der Angeklagte A allerdings auf die seiner Ansicht nach überhöhte Forderung von S5 hinwies. Die Gesellschafterversammlung votierte für eine Fortsetzung des Verfahrens.
352b)
353Von landespolitischer Seite änderte sich 1995 die Beurteilung des Projektes RMVA Köln. Während noch im anfänglichen Genehmigungsverfahren u.a. der damalige nordrhein-westfälische Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Matthiesen der AVG Unterstützung geleistet hatte, war in Folge der Landtagswahl vom Mai 1995 eine Landesregierung aus einer Koalition von ###3 und ###2/###1 gebildet worden, deren nunmehr zuständige Ministerin, die Zeugin J2, eine erklärte Gegnerin der RMVA war. Es war sogar ein besonderes Anliegen die Zeugin J2, die noch nicht begonnene Errichtung der RMVA zumindest auf politischem Wege zu verhindern. Dabei wurde sie von der Überzeugung geleitet, dass eine Verwirklichung des Projektes hinsichtlich der Verbrennungsleistung zwangsläufig zum Entstehen von Überkapazitäten führen würde; sie hegte die Befürchtung, dass so ein Markt für frei handelbare Überkapazitäten entstehen und dies letztlich zur Folge haben würde, dass die vornehmlich mit Steuermitteln errichtete RMVA zu Gunsten privater Unternehmer günstige Konditionen für die wirtschaftliche Nutzung von Müllkontigenten böte, ohne dass der finanzierenden Bürger deren positive Auswirkungen zu spüren bekäme. Genährt wurde die Befürchtung der Ministerin u.a. dadurch, dass sich Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Müllverbrennungsanlagen betreibende Kommunen mit der dringenden Bitte an das Ministerium gewandt hatten, bei der Akquirierung von Müllmengen zur Verfeuerung behilflich zu sein.
354Die AVG wurde - wie bereits erwähnt - in ihrem gegenteiligen Bestreben um die Durchsetzung der Errichtung der RMVA in der Öffentlichkeit erheblich von Seiten des Zeugen Dr. I6 unterstützt. Es kam zu einer ganzen Reihe von Auseinandersetzungen zwischen dem Regierungspräsidenten und dem Ministerium. Das Ministerium hatte sich u.a. mit einem Befangenheitsvorwurf gegen den Zeugen Dr. I6 aus den Reihen der Bevölkerung zu befassen, der u.a. im Zusammenhang damit stand, dass dieser gegen die Weisung des Ministeriums remonstriert hatte, einen auf den 25.08.1995 angesetzten Erörterungstermin im Rahmen des Verfahrens nach dem BImSchG zu verschieben, weil nach Auffassung des Ministeriums die Verfahrensunterlagen nicht auch in dem ebenfalls von der RMVA betroffenen Gebiet der Stadt Leverkusen ausgelegt worden waren (SL 1090 ff.). In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das daraufhin seitens der AVG, die dem Regierungspräsidenten Schadensersatzansprüche von ca. 65 Mio. DM androhte, eingeleitet worden war, wurde sodann eine abweichende Ausbreitungskarte vorgelegt mit der Folge, dass das Gericht der Bezirksregierung untersagte, den Erörterungstermin aus den Gründen des ministeriellen Erlasses aufzuheben.
355Weitere Spannungen zwischen dem Zeugen Dr. I6 und dem Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft kamen auf, als der Regierungspräsident es ermöglichte, dass bereits im Februar 1996 - und damit noch vor der Entscheidung über zahlreiche Widersprüche gegen die Genehmigungserteilung von 29.01.1996 - aufgrund einer vorläufigen Vollziehbarkeitserklärung mit dem Bau der RMVA begonnen werden konnte.
356Zuvor war im Oktober 1995 ein Bürgerbegehren gegen die RMVA vom Rat der Stadt Köln für zulässig erklärt worden, das dann allerdings im März 1996 durch den Kölner Regierungspräsidenten als rechtswidrig mit der Begründung abgelehnt wurde, es wende sich gegen ein bereits verabschiedetes Projekt. In einem daraufhin von der XXXX angestrengten Klageverfahren wurde die Auffassung des Regierungspräsidenten verwaltungsgerichtlich bestätigt.
357c)
358Bereits im am 17.10.1997 erfolgte die erste gesicherte Müllfeuerung des ersten Kessels der RMVA, im Februar 1998 fand die Eröffnungsfeier statt. Die vorläufige Betriebsübernahme begann - nach einem abgebrochenen Probebetrieb im April 1998 - am 01.10.1998.
359Die AVG leistete im August 2000 auf die letzte ausstehende Werklohnrate von ca. 30 Mio. eine abschließende Zahlung von ca. 25 Mio. DM, nachdem man sich in langwierigen Verhandlungen mit S5 u.a. dahin geeinigt hatte, dass die vom Generalunternehmer noch geschuldete Dokumentation nicht von diesem, sondern seitens Q6 erstellt werden sollte, und S5 der AVG hierfür einen Nachlass von 5 Mio. DM gewährte. Mit Q6 wurde seitens der AVG für die Erstellung der Dokumentation ein Pauschalpreis von3,4 Mio. DM netto ausgehandelt (SL 1153 ff.).
360Insgesamt wurde das Projekt RMVA Köln zur Zufriedenheit von AVG und S5 abgewickelt. Dank der weitgehend reibungslosen Zusammenarbeit der Vertragspartner konnte der zu Beginn der Auftragsvergabe gesetzte Zeitrahmen weitgehend eingehalten werden; auch der finanzielle Rahmen wurde nicht überschritten. Die Qualität der Anlage war und ist in Fachkreisen unumstritten; die Kölner RMVA gilt als eine der besten in Europa, insbesondere wegen ihrer über 90 %-igen Verfügbarkeit und des aufgrund der hochwertigen Abgasbehandlungstechnik besonders geringen und die gesetzlichen Grenzwerte unterschreitenden Schadstoffausstoßes.
V. Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung
361In Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung zahlte S5 in der Zeit von März 1994 bis etwa Februar 1999 an die Firmen P5, N5 sowie Y3 & P4 insgesamt 23.164.000,00 DM, von denen 21,6 Mio. DM (zu den Einzelzahlungen verhält sich die unten stehende Tabelle) auf die im Jahr 1993 getroffene Schmiergeldabrede entfielen; die restlichen an N5 entrichteten 1.564.000,00 DM betrafen tatsächlich von dieser Firma erbrachte Ingenieurleistungen.
362Zahlungen |
Datum des Zahlungseingangs |
Empfänger |
Betrag (DM) |
1 |
07.03.1994 |
P5 |
4.000.000 |
2 |
20.05.1994 |
P5 |
4.000.000 |
3 |
08.09.1994 |
P5 |
1.000.000 |
4 |
16.02.1995 |
P5 |
2.700.000 |
5 |
28.08.1996 |
N5 |
3.000.000 |
6 |
29.08.1996 |
P5 |
2.500.000 |
7 |
27.02.1998 |
N5 |
2.400.000 |
8 |
07.12.1998 |
Y3 & P4 |
1.000.000 |
9 |
26.01.1999 |
Y3 & P4 |
1.000.000 |
21.600.000 |
Hiervon wurden an den Angeklagten A insgesamt 14,29 Mio. DM ausgezahlt, nämlich:
3641994 3,20 Mio. DM
3651995 2,00 Mio. DM
3661996 5,20 Mio. DM
3671998 2,00 Mio. DM
3681999 1,89 Mio. DM
36914,29 Mio. DM.
370Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte A von diesen 14,29 Mio. DM im Jahr 1996 je 2,4 Mio. DM an den Angeklagten Dr. B und den Zeugen J4 sowie in den Jahren 1995 und 1998 jeweils 1 Mio. DM an den Angeklagten C weitergeleitet habe.
371Es konnte insoweit nur festgestellt werden, dass der Angeklagte A an den Angeklagten Dr. B einen Betrag von mindestens 1 Mio. DM 1995 oder 1996 weitergeleitet hat. Offen geblieben ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, ob weitere an den Angeklagten A erfolgte Zahlungen an die Angeklagten Dr. B und C sowie den Zeugen J4 weitergeleitet worden sind.
372Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme allerdings die konkrete Möglichkeit offen geblieben ist, dass der Angeklagte A die in der Anklage aufgeführten Gelder an die Angeklagten Dr. B und C sowie den Zeugen J4 weitergeleitet hat, ist die Kammer zu Gunsten des Angeklagten A davon ausgegangen, dass er von den 14,29 Mio. DM letztlich nicht mehr als 7,49 Mio. für sich vereinnahmt hat.
373Die Zeugen F6 und J4 erhielten im Rahmen der Abwicklung der Schmiergeldabrede unmittelbar von dem Zeugen I2 1994 jeweils 2 Mio. DM.
374Im Einzelnen verhielt es sich wie folgt:
3751. Zahlungen im Jahr 1994
376Um die Verteilung der Schmiergeldzahlungen über P5 in die Wege zu leiten, traf sich der Zeuge F6 Ende 1993/Anfang 1994 mit dem Zeugen I2 in Deutschland. Er teilte dem Zeugen I2 mit, dass S5 über P5 Geld, das an Dritte weiterzuleiten sei, abrechnen wolle, ohne bereits bei dieser Gelegenheit die Namen der Geldempfänger zu nennen. Der Zeuge I2 wusste, dass seitens der P5 auch im Verhältnis zu S5 keine tatsächlichen Leistungen erbracht, vielmehr lediglich Schein-Rechnungen erstellt werden sollten. Es wurde verabredet, dass die Geldflüsse in nicht erbrachten Ingenieurleistungen der P5 für S5 versteckt werden sollten; zu diesem Zwecke wurde am 18.03.1994 ein Konsortialvertrag zwischen S5 und P5 geschlossen.
377Bezeichnend für die Zusammenarbeit zwischen P5 und S5 war ein Schriftwechsel aus Februar 1995: Unter dem 16.02.1995 faxte S5 den Entwurf eines Schreibens, das P5 an S5 senden sollte. P5 fordert in diesem Schreiben eine Vorableistung von 3 Mio DM für Engeneering- und Prüfarbeiten. Das Schreiben ist auf den 08.02.1995 datiert und enthält den Vermerk: „Bitte dieses Schreiben sofort auf P5-Papier an S5 faxen!“ Bei P5 wurde sodann unter dem Datum 08.02.1995 ein wortgleiches Schreiben auf Firmenbriefpapier gefertigt und an S5 gefaxt, wo der Eingang mit „08. Feb. 1995“ vermerkt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben (SL 1388 f., siehe auch Anlage IX zum Urteil) Bezug genommen.
378Im Frühjahr 1994 traf sich der Angeklagte A zur Vorbereitung der ersten Schmiergeldauszahlung mit den Zeugen F6 und J4 sowie dem Zeugen I2 in einem Landgasthaus oberhalb von Zürich. Wieder nach Köln zurückgekehrt, erhielt der Angeklagte A kurze Zeit später einen Anruf des Angeklagten Dr. B, der ihm mitteilte, dass S5 eine erste Zahlung an P5 geleistet hatte. Es handelte sich um den am 07.03.1994 auf dem P5-Konto Nummer ###.###.## T bei der XXX/Q5 unter dem 07.03.1994 eingegangenen Betrag von 4 Mio. DM (SL 1393). Weitere S5-Zahlungen an P5 erfolgten am 20.05.1994 in Höhe von 4 Mio. DM (SL 1394) und am 08.09.1994 von 1 Mio. DM (SL 1396).
379An einem nicht näher feststellbaren Tag im Jahr 1994 kam es zu einem Treffen des Angeklagten A mit den Zeugen J4 undF6 sowie dem Zeugen I2 am Flughafen in Zürich. Man ging gemeinsam zu einer auf dem Flughafengelände in einer Ladenpassage liegenden Filiale der XXX-Bank, dort in einen Raum links hinter dem Eingang. Der Zeuge I2 entfernte sich mit dem Bankangestellten und kam mit einem größeren Paket zurück, in dem sich drei Einzelpakete befanden. Der Angeklagte A und die Zeugen F6 und J4 erhielten je eines der Pakete. Der Angeklagte A öffnete das für ihn Bestimmte sogleich, zählte aber nur zwei oder drei Päckchen der darin enthaltenen Geldscheine nach, weil er "nicht wie ein Buchhalter“ auftreten wollte, und rechnete sodann die Gesamtsumme hoch. Der Zeuge I2 bestätigte ihm, dass es sich um 2 Mio. DM handele. Zur Verwunderung des Angeklagten A öffneten die Zeugen J4 und F6 die für sie bestimmten Pakete nicht; vielmehr reichte der Zeuge F6 sein Paket an den Zeugen J4 mit den Worten: "Jetzt sind wir aber quitt!" weiter. Der Zeuge I2 forderte den Angeklagten A nun auf, den Erhalt des Geldes zu quittieren, was der jedoch - ebenso wie die ZeugenF6 und J4 - ablehnte. Der Entgegnung des Zeugen I2, er bräuchte aber die Bestätigung, dass das Geld aus der Schweiz herausgebracht worden sei, begegnete der Zeuge F6 sinngemäß mit den Worten, das werde man anders erledigen. Der Angeklagte A verstaute das erhaltene Geld in seiner Traveller-Aktentasche und verließ das Bankgebäude; dabei fragte ihn der Zeuge I2, ob er über Anlagemöglichkeiten verfüge und bot ihm insoweit seine Hilfe an. Der Angeklagte A äußerte sich zu diesem Angebot zunächst nicht, kam jedoch später auf das Anerbieten zurück.
380Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten A verfuhr er nach seiner Rückkkehr nach Köln mit dem Geld wie folgt: Er versteckte das Geld zunächst im Kofferraum eines ihm gehörenden Sportwagen (Spitfire), den er in einer angemieteten Garage an der S9-Straße im Agnesviertel – der sog. Q9-Garage – geparkt hatte. Die Garage war durch ein spezielles Stahlschloss gesichert. Der Angeklagte A zog nach seiner Einlassung diese Form der Geldaufbewahrung damals der zinsbringenden Anlage bei einer Bank vor, weil er nicht gewohnt war „mit solchen Summen umzugehen“. Den Anlageempfehlungen des Zeugen J4, der ihn auf Monaco und Jersey hingewiesen hatte, traute er nicht. Auf das Hilfsangebot des Zeugen I2 hatte er sich auch noch nicht einlassen wollen und vermutete zudem, dass man auch bei großen Banken - selbst mit solchen Summen - nur wie „eine laufende Nummer“ behandelt würde. Gegenüber Treuhändern hatte der Angeklagte A zudem ein unbestimmtes, durch Gerüchte geschürtes Misstrauen, so dass er zunächst abwarten wollte, bis er einen vertrauensvollen Partner für mögliche Anlagegeschäfte gefunden hatte. Es ging dem Angeklagten A damals darüber hinaus weniger darum, das erhaltene Geld zu mehren; es reichte ihm schon, sich auf diese Weise ein finanzielles „Polster“ anzulegen.
381Kurze Zeit später erhielt der Angeklagte A einen Anruf des Zeugen I2, der ihm mitteilte, es sei wieder „Zeit für ein Treffen“. Gemeint war damit, dass erneut ein Teil der S5-Provisionszahlungen zur Auszahlung kommen solle. Diesmal wollte man sich in einem Lokal namens „W7“ inV7/Liechtenstein treffen. Der Angeklagte A, der etwas verwundert über den Anruf des Zeugen I2 war, unterrichtete den ZeugenF6 hierüber. Auch dieser wusste nichts Näheres zum Hintergrund des Anrufes, äußerte jedoch, A solle das angebotene Geld ruhig annehmen und gab ihm darüber hinaus zu verstehen, er sei der Ansicht, der Zeuge J4 hätte bereits genug Geld erhalten; schließlich erklärte er, er, der Zeuge F6, wolle in Zukunft nicht mehr an Zahlungen partizipieren. Tatsächlich hat der Zeuge F6 keine weiteren Zahlungen aus der Schmiergeldabrede erhalten.
382Der Angeklagte A nahm nach seiner unwiderlegten Einlassung die aus der ersten Schmiergeldzahlung erhaltenen 2 Mio. DM aus dem PKW in der Q9-Garage, und begab sich damit nach V7. Dort traf er wie verabredet den Zeugen I2 vor dem Lokal „W7“. Gemeinsam ging man zur in V7 ansässigen Liechtensteinischen Landesbank (im Folgenden: LLB) und führte dort ein längeres Gespräch mit einem der Vorstandsebene angehörenden Bankmitarbeiter. Der in Geldanlagedingen skeptische Angeklagte A gewann einen guten Eindruck von der LLB und entschloss sich daraufhin, das mitgeführte Geld bei diesem Institut anzulegen. Dementsprechend wurde am 31.10.1994 für ihn unter der Nummer ##### bei der LLB ein Konto mit verschiedenen Unterkonten - so u.a. einem DM-, einem CHF-, einem US$ und später auch einem €-Unterkonto - angelegt. Der Angeklagte A übergab dem Bankangestellten die mitgebrachten 2 Mio. DM in bar, der Zeuge I2 fügte weitere 1,2 Mio. DM dazu. Seitens der LLB wurde das Geld maschinell nachgezählt, was schwierig war, weil die Scheine noch neu waren und aneinander klebten. Von der Gesamtsumme von3,2 Mio. DM wurde am 31.10.1994 ein Betrag von 800.000 CHF auf dem CHF-Unterkonto ###.###.## und ein Betrag von 2.195.600,00 DM auf dem DM-Unterkonto ###.###.## eingezahlt; auf Vorschlag der LLB wählte der Angeklagte A als Anlageform eine Mischung aus Festgeld und Einzelaktien (SL 1200 ff.).
3832. Zahlungen im Jahr 1995
384Anfang 1995 teilte der Angeklagte Dr. B dem AngeklagtenA mit, es lägen wieder 2 Mio. DM für ihn bei dem Zeugen I2 bereit. Auf Nachfrage gab er an, es handele sich dabei um eine weitere Vorauszahlung für den demnächst geplanten Baubeginn der RMVA. Der Angeklagte Dr. B äußerte zudem die Meinung, diese Zahlung „passe gut ins P5-Konzept“, sie sei „Begleitmusik für Widerstände“. Tatsächlich war am 16.02.1995 auf dem bereits erwähnten P5-Konto bei der XXX/Q5 eine S5-Zahlung in Höhe von 2,7 Mio. DM eingegangen (SL 1402). Der Angeklagte A traf den Zeugen I2 am P5-Sitz in Q5 und erhielt dort nach einem gemeinsamen Mittagessen im Foyer des Hauses in einer Plastiktüte 2 Mio. DM; es waren vier Geldbündel zu je 500.000,00 DM, über deren geringe Größe er erstaunt war. Anfang März 1995 begab sich der Angeklagte A - diesmal ohne den Zeugen I2 - mit dem Geld zur LLB nach V7, um dort erneut mit dem ihm bereits bekannten Bankmitarbeiter zusammenzutreffen. Von dem mitgeführten Geld übergab er diesem knapp 1 Mio. DM zur Anlage auf dem DM-Unterkonto (SL 1264); den restlichen Betrag von ebenfalls 1 Mio. DM deponierte der Angeklagte A nach seiner unwiderlegten Einlassung in einem Safe mit der Nummer #### (vgl. = SL 1288), den er - wie festgestellt wurde - bei der LLB angemietetet hatte.
385Es blieb nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung offen, ob der Angeklagte A - seinen Angaben entsprechend - im Frühjahr oder Herbst 1995 dem Angeklagten C 1 Mio. DM in bar übergab. Offen blieb auch, ob der Angeklagte C von dem Angeklagten A oder auf andere Weise von der im Zusammenhang mit der Zuschlagserteilung für die RMVA Köln getroffenen Schmiergeldabrede aus dem Herbst 1993 und den anstehenden Zahlungen in Kenntnis gesetzt worden war.
3863. Zahlungen im Jahr 1996
387Im März 1996 kam Unruhe in die Abwicklung der Schmiergeldabrede, nachdem bei der Steuerfahndung Köln die Anzeige eines vermeintlichen„Dipl.-Ing. O10“ aus Düren (SL 1061) vom 14.03.1996 eingegangen war, der die Behörden über den Fluss von Bestechungsgeldern in Höhe von mindestens 70 Mio. DM im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA Köln informierte. Die tatsächlich hinter der Anzeige stehende Person konnte nicht ausfindig gemacht werden. Immerhin aber führte das anonyme Schreiben zu der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Köln (83 Js 144/96), in dem u.a. der Angeklagte Dr. B, der ZeugeL4 sowie der Zeuge Dr. T3 als Zeugen vernommen wurden, nachdem die Kriminalpolizei Köln zuvor bei dem Angeklagten A in Erfahrung gebracht hatte, dass letzterer im Zusammenhang mit der RMVA bei S5 vornehmlich mit den vorgenannten Personen Verhandlungen geführt hatte. Das Verfahren wurde im Jahr 1997 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
388Den Angeklagten A und Dr. B erschien aufgrund dieser Vorkommnisse eine Fortsetzung der Schmiergeldabwicklung über P5 zu riskant. Nachdem sie sich zuvor verschiedentlich bei geheimen Treffen auf Autobahnparkplatztreffen über das weitere Vorgehen beraten hatten, entschlossen sie sich im Juli 1996 zunächst, die weiteren Zahlungen nunmehr über N5 in derselben Weise wie bislang über P5 abzuwickeln. Ferner kam man dahin überein, dass der Zeuge J4 nicht mehr gleichberechtigt bei der Schmiergeldverteilung berücksichtigt werden sollte.
389Dem entsprechend einigte der Angeklagte Dr. B sich im August 1996 mit dem Zeugen J4 anlässlich eines Gespräches im Kölner P10-Hotel, an dem auch der Zeuge F6 teilnahm, dahin, dass der Zeuge J4 mit einer letzten Zahlung von 560.000,00 DM abgefunden werden sollte. Hierüber verhält sich die bereits erwähnte Vereinbarung vom 30.10.1996 (SL 604), mit der sämtliche Vertragsbeziehungen zwischen S5 und dem Zeugen J4 beendet werden sollten.
390Um die Verbindung zu P5 mit nach außen ordnungsgemäßem Anschein abzubrechen, vereinbarten der Angeklagte Dr. B unter Mitwirkung des Zeugen L4 sowie der Zeuge I2, den Konsortialvertrag zwischen S5 und P5 aufzulösen. Hierzu erstellte der Zeuge L4 einen fingierten Schriftverkehr, der u.a. eine fristlose Kündigung des Konsortialvertrages durch S5 enthielt. Unter dem 15.08.1996 wurde zwischen S5 und P5 zum Schein ein Aufhebungsvertrag geschlossen (SL 537), wonach das Vertragsverhältnis vom 18.03.1994 mit sofortiger Wirkung beendet und S5 zur Entrichtung einer „einmaligen Entschädigungsleistung“ von2,5 Mio. DM an P5 verpflichtet war; auch diese „Schlusszahlung“ sollte zur weiteren Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung herangezogen werden.
391Um die Schmiergeldzahlungen im Folgenden nach außen unentdeckt über N5 abwickeln zu können, bedurfte es einer vertraglichen Vereinbarung zwischen S5 und N5. Allerdings sollten in deren Rahmen - im Gegensatz zum „Konsortialvertrag“ mit P5 - nicht ausschließlich Schein-Rechnungen erstellt, sondern auch reale Leistungen erbracht werden. Da N5 aber bereits für die AVG als Auftraggeber im Bereich des Projektmanagements tätig war, bedurfte es der Zustimmung der AVG zu einer Unterbeauftragung von N5 durch S5; diese wurde mit Schreiben der AVG vom 14.05.1996 erteilt (SL 572). Sodann wurde am 03.09./07.09.1996 zwischen S5 und N5 ein auf Projektservice- und Koordinationsleistungen gerichteter Vertrag geschlossen (SL 564), in dessen Abwicklung tatsächlich zeitweise zwischen 12 und 18 N5-Mitarbeiter in Köln eingesetzt waren; später bediente sich S5 zum Zwecke der Verschleierung von Schmiergeldflüssen der Dienste von N5 auch im Zusammenhang mit den S5-Projekten K5-xxx und Xxx.
392Eine erste Zahlung von 4.564.000,00 DM - zumindest teilweise bezogen auf die Schmiergeldvereinbarung - hatte S5 bereits am 26.08.1996 auf das N5-Konto mit der Nummer #####/#### V bei der XXX/Zürich überwiesen (SL 580). Vom Angeklagten Dr. B hierüber unterrichtet, begab sich der Angeklagte A im September 1996 absprachegemäß mit dem Pkw nach Zürich und traf sich im Lokal „X6“ mit dem N5-Geschäftsführer, dem Zeugen J5. Dieser sollte ihm 3 Mio. in DM auszahlen, führte aber nur CHF mit sich, die nach einem gemeinsamen Mittagessen in DM umgetauscht wurden. Der Angeklagte A versteckte das Geld sodann wie üblich im Kofferraum seines PKW und brachte es nach seiner unwiderlegten Einlassung nach Deutschland, um es erneut in einer Kölner Garage zu deponieren, diesmal allerdings nicht in der Agnes-, sondern in der R9-Garage; diese war zunächst von der AVG angemietet und 1996 nach dem Umzug der AVG in die Geschäftsräume auf dem Gelände der RMVA an der Geestemünder Straße in Köln 1996 von dem Angeklagten A übernommen worden; sie erschien ihm nach seinen Angaben im Vergleich zur Q9-Garage sicherer und anonymer und daher besser zur Aufbewahrung des Geldes geeignet; sie diente dem Angeklagten A bereits seit 1996 zur Aufbewahrung von Bargeld. Mitte 1999 gab der Angeklagte A die Q9-Garage auf.
393Ebenfalls im August 1996 hatte S5 die vereinbarte „Schlusszahlung“ von 2,5 Mio. DM an P5 veranlasst, die auf dem dortigen Konto bei der XXX am 29.08.1996 gutgeschrieben wurde (SL 1415). Hiervon wurde dem Angeklagten A ein Betrag von 2,2 Mio. DM im Oktober 1996 in Zürich durch den Zeugen I2 ausgehändigt. Der Zeuge I2 hatte den Angeklagten A zuvor angerufen und gesagt: "Denken Sie an 22!", was für den Angeklagten A bedeutete, dass 2,2 Mio. DM zur Auszahlung anstanden. Nach einem Treffen im J10-Hotel holte der Zeuge I2 das Geld – fünf Bündel in einer Plastiktüte - aus dem Kofferraum seines weißen Citroen und übergab es dem Angeklagten A.
394Es blieb nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen, ob der Angeklagte A - seinen Angaben entsprechend - von Zürich aus unmittelbar nach Gummersbach fuhr und die 2,2 Mio. DM sowie weitere, zunächst in Köln deponierte und von ihm nach Zürich mitgeführte 200.000,00 DM dem Angeklagten Dr. B in dessen Büro übergab.
395Allerdings erhielt der Angeklagte Dr. B entweder im Frühjahr 1995 oder im Herbst 1996 von dem Angeklagten A einen Betrag von mindestens 1 Mio. DM. Bei diesem Geld handelte es sich um einen Teil der im Herbst 1993 vereinbarten Schmiergeldzahlungen, an denen der Angeklagte Dr. B nach dem Ausscheiden des Zeugen F6 aus dem Kreis der Zahlungsempfänger und der „Abfindung“ des ZeugenJ4 nun auch beteiligt werden wollte, weil sonst der Anteil des Angeklagten A zu groß werde.
396Auf einem Konto des Angeklagten Dr. B bei der Xxx-Bank mit der Bezeichnung „V6“ (benannt nach dem Sohn des Angeklagten Dr. B), das er unter Mithilfe des Zeugen X1 - eines Jugendfreundes, seines Zeichens Vorstandsmitglied der SparkasseYy - errichtet hatte, ging am 28.03.1995 eine Einzahlung von 985.000,00 DM ein (SL 1175). Es blieb nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen, ob es sich dabei um Geld handelte, das der AngeklagteA aufgrund der Schmiergeldabrede an den Angeklagten Dr. B gezahlt hat.
397Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung blieb weiterhin offen, ob der Angeklagte A - seiner Einlassung entsprechend - kurze Zeit nach der Rückkehr aus Zürich im Herbst 1996 im Kölner Café Q10 einen Betrag von 2,4 Mio. DM an den Zeugen J4 auszahlte.
3984. Zahlungen in den Jahren 1998/99
399Nachdem im Jahr 1997 keine Schmiergeldzahlungen erfolgt waren, gab es Anfang 1998 im Vorfeld der Einweihung der RMVA zwischen den Angeklagten A und Dr. B zahlreiche Gespräche, in deren Rahmen man sich auch über die noch offene restliche Schmiergeldforderung unterhielt. Gegenstand dieser Unterredungen war auch die seitens der AVG noch ausstehende Schlusszahlung, denn die AVG hatte bislang einen Betrag von ca. 30 Mio. DM zurückgehalten. Der Angeklagte Dr. B befand sich in einer schwierigen Situation, weil zu dieser Zeit S5 von T5 aufgekauft zu werden drohte. Die Angeklagten A und Dr. B waren sich einig, dass der Zeuge J4 keine weiteren Zahlungen erhalten sollte. Es wurde vereinbart, dass im Rahmen der ursprünglichen Schmiergeldabrede vom Herbst 1993 im Jahr 1998 eine letzte Zahlung in Höhe von 4 Mio. DM an den Angeklagten A gehen sollte. Dieser Vereinbarung vorangegangen war eine Unterredung des Angeklagte A mit dem Zeugen L4, anlässlich derer der Angeklagte A sich darüber beschwerte, dass „die eigentlichen Macher“ der RMVA doch letztlich zu kurz kämen und dem Zeugen L4 deutlich machte, dass er für sich weitere Zahlungen im Rahmen des ursprünglich vereinbarten Gesamtschmiergeldbudgets erwarte. Über diese Erwartung hatte der Zeuge L4 den Angeklagten Dr. B unterrichtet. Da der Zeuge L4 bei dem Gespräch mit dem Angeklagten A nicht sogleich weitere Zahlungsflüsse ankündigte, wandte sich der Angeklagte A an den Angeklagten Dr. B mit der Bemerkung, der Zeuge L4 sei wohl „auf diesem Ohr taub“.
400Im Januar oder Februar 1998 kam es zu einem Treffen des Angeklagten A mit dem Zeugen L4 bei der AVG, in dem dieser mitteilte, die erste Hälfte der noch ausstehenden Zahlung läge für den Angeklagten A bei N5 bereit und solle ihm durch einen N5-Mitarbeiter in Zürich übergeben werde. Der Angeklagte A vereinbarte mit diesem ihm bislang unbekannten N5-Mitarbeiter ein Erkennungszeichen und fuhr wenige Tage später nach Zürich, wo er die 2 Mio. DM in 100.000,00-DM-Bündeln erhielt. Der Angeklagte A machte daraus 500.000,00-DM-Pakete und deponierte diese nach seiner unwiderlegten Einlassung wiederum in der R9-Garage.
401Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte A im Frühjahr 1998 aus der R9-Garage einen Betrag von 1 Mio. DM entnahm und dieses Geld dem Angeklagten C übergab.
402Weitere Zahlungen an den Angeklagten A im Winter 1998/Frühjahr 1999 wurden über die schweizer Firma Y3, P4 & Associates inZürich (im Folgenden: Y3 & P4) abgewickelt. Die Einschaltung dieser weiteren Firma diente erneut der Verschleierung der Zahlungsflüsse. S5 und die Tochterfirma T7 unterhielten bereits seit 1993 Geschäftsverbindungen mit Y3 & P4, in deren Rahmen Y3 & P4 - zunächst für T7 im Bereich Abgasbehandlung - Lizenznehmer in Japan suchte. Im Herbst 1996 wurden auch mit S5 drei Lizenzverträge abgeschlossen, für die Y3 & P4 jeweils eine einmalige Provision von 15 % des sog. Downpayments der Lizenznehmer erhalten sollte. Diese bestehenden Verträge boten sich nun 1998 für die verdeckte Abwicklung der restlichen Zahlungen an den Angeklagten A an. Dem entsprechend vereinbarten S5 (unter Federführung des Zeugen L4) und Y3 & P4 in einem zu Verschleierungszwecken auf den 12.06.1997 zurückdatierten Vertragszusatz eine Zahlung von 3 Mio. DM als nachträgliche Zusatzleistung für entgangene Lizenzanteile. Um sich die auf diese Weise an Y3 & P4 geflossenen Geldmittel zur Verteilung im Rahmen der Schmiergeldvereinbarung wieder verfügbar zu machen, vereinbarten der Zeuge L4 und der Firmenmitinhaber, der Zeuge Y3, dass Y3 & P4 die Zahlungen - abzüglich einer Provision - auf Schein-Rechnungen hin an die Firma Q4 in Guernsey/Großbritannien weiterleiten sollte.Q4 war seitens des Zeugen Y3 vorgeschlagen worden. Diesem Plan entsprechend, stellte Y3 & P4 am 24.11.1998 und 07.01.1999 (SL 585 + 588) S5 jeweils einen Betrag von 1 Mio. DM in Rechnung. Aufgrund zweier S5-Zahlungsaufträge vom 03.12.1998 bzw. 21.01.1999 (SL 589 + 590) wurden diese Beträge am 07.12.1998 und 26.01.1999 (SL 594 + 597) dem Konto von Y3 & P4 bei der YYY inZürich gutgeschrieben. Die Firma Y3 & P4 wiederum beglich zwei Rechnungen von Q4 vom 02.12.1998 und 04.01.1999 (SL 595 + 598 sowie SL 1444 + 1445 - Übersetzungen) über jeweils 848.000,00 DM; die Beträge wurden dem Konto der M8 bei der L8-Bank AG, Frankfurt am Main, mit der Angabe „Ref. Q4 Consulting and Engeneering Ltd., C.I.“ am 10.12.1998 sowie - nach eine Aufsplittung der zweiten Zahlung - am 02.02. und 07.04.1999 gutgeschrieben (SL 596, 599, 600). Der AngeklagteDr. B wusste von all diesen Absprachen.
403Es konnte nicht festgestellt werden, auf welchem Wege der Zeuge L4 in den Besitz der an Q4 geleisteten Zahlungen gelangte. Jedenfalls aber kam es zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 1999 zu weiteren Treffen des Angeklagten A mit dem Zeugen L4 in Zürich und V7, bei denen der Angeklagte A Zahlungen von insgesamt ca. 1,89 Mio. DM - mal in DM, mal in CHF - erhielt. Eine Einzahlung des Angeklagten A auf seinem DM-Unterkonto bei der LLB vom 12.02.1999 über 2.295.400,00 DM (SL 1280) setzte sich nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten aus diesen sowie einem Teil der noch in der R9-Garage lagernden Gelder zusammen.
404Aufgrund der Ermittlungen gegen den Zeugen Dr. K1, bei dem es - ähnlich wie bei der BUA - im Lauf des Jahre 1999 auch zu Hausdurchsuchungen gekommen war, sah der Angeklagten A davon ab, die nach seiner unwiderlegten Einlassung noch in der R9-Garage lagernden Gelder in Höhe von 1,4 Mio. DM nach Schaan zu verbringen, sondern beschloss, sie- gemeinsam mit den Anfang 1999 über den Zeugen L4 erhaltenen1,89 Mio. DM - auf seinem Konto bei der LLB einzuzahlen. Hierzu bedurfte er erneut der Unterstützung des Zeugen I2, da es sich um Beträge von über 1 Mio. DM handelte und die LLB bei diesen Größenordnungen dem Angeklagten A allein skeptisch gegenübertrat. Am 12.02.1999 kam es zu einer Einzahlung von 2.295.400,00 DM auf das Konto des Angeklagten A bei der LLB (SL 1280). Dort hatten sich zu diesem Zeitpunkt insgesamt 9.160.382,00 DM angesammelt; den restlichen Betrag von ca. 900.000,00 DM legte der Angeklagte A nach seiner unwiderlegten Einlassung in seinen Safe bei der LLB.
405Eine letzte Zahlung von ca. 250.000,00 DM erhielt der Angeklagte A zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 1999 von dem Zeugen L4. Nach der ebenfalls unwiderlegten Einlassung des Angeklagten A deponierte er dieses Geld sowie die restlichen „Garagen-Gelder“ in seinem Safe bei der LLB.
406Damit hatte der Angeklagte A aus der Schmiergeldvereinbarung von 1993 insgesamt 14,29 Mio. DM erhalten. Zu seinen Gunsten ist davon auszugehen, dass er hiervon in den Jahren 1995, 1996 und 1998 insgesamt 6,8 Mio. DM an die Angeklagten Dr. B und C sowie den Zeugen J4 weiterleitete, so dass mindestens 7,49 Mio. DM bei ihm verblieben.
4075. Schaden der AVG
408Unabhängig von der Höhe der ausgezahlten Schmiergelder entstand der AVG bereits durch den Abschluss des Werkvertrages ein Schaden in Form einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung, dessen Höhe der Betrag ausmacht, um den der an S5 aufgrund des Vertrages vom 28.01.1994 zu entrichtende Werklohn für die Errichtung der RMVA sich wegen der einkalkulierten Schmiergeldzahlungen erhöht hat. Dieser Schaden beläuft sich auf insgesamt mindestens 24.434.344,00 DM und setzt sich wie folgt zusammen:
409Der in der S5-Kalkulation im oben beschriebenen Umfang enthaltene Schmiergeldzuschlag von 3% wirkte sich zunächst im S5-Angebot jedenfalls bei den Losen aus, bei denen der Angeklagte Dr. B die kalkulierten Preise im Rahmen der endgültigen Preisfestlegung für das (unmanipulierte) Angebot vom 03.12.1993 nicht weiter absenkte, als sie zuvor wegen des Schmiergeldes erhöht worden waren. Bei diesen Losen führte der kalkulierte Schmiergeld-Zuschlag indes nur dann zu einem Schaden, wenn das S5-Angebot letztendlich preisbestimmend wurde und der Endpreis des jeweiligen Loses im Werkvertrag nicht weiter abgesenkt wurde, als er zuvor wegen des Schmiergeldes erhöht worden war. Ein Schaden ist also nicht entstanden, wenn wegen des Idealfirma-Modells günstigere Angebote anderer Bieter für die Aushandlung des Werklohnes preisbestimmend waren.
410Hinzuzurechnen ist sodann die Erhöhung des Loses Abgasbehandlung im Rahmen der Manipulationen vom 04.-06.12.1993 um 20 Mio. DM.
411Wie sich danach der Schaden berechnet, zeigt folgende Tabelle. Zur Erläuterung: SK II TW sind die durch die Zeugin E2 ermittelten Selbstkosten II zum Tageswert, zu denen in dem oben beschriebenen Umfang 3% Schmiergeld und weitere Zuschläge hinzugerechnet wurden, was letztlich den in der Spalte „GU“ ermittelten Preis ergab. Anhand dieses Preises wurde der Angebotspreis für den 03.12.1993 festgelegt. Die folgende Spalte weist den Endpreis laut Werkvertrag für die Lose aus, bei denen das S5-Angebot preisbestimmend war. Aus der letzten Spalte ergibt sich, inwieweit ein Zuschlag für Schmiergeld („NA“) im Endpreis noch enthalten ist.
412 413Der Schaden in Höhe von 24.434.344,00 DM hat sich auch realisiert, da die AVG – mit Ausnahme einiger Reduktionen, die den Schmiergeldanteil aber nicht betrafen - den gesamten Werklohn, in dem das Schmiergeld enthalten war, bis August 2000 an S5 gezahlt hat.
414Außer Ansatz blieben bei dieser Schadensberechnung etwaige Auswirkungen der Preisgleitklausel sowie die entstandene Finanzierungskosten.
4156. Verbleib der Schmiergeldzahlungen
416a)
417Das bei dem Angeklagten A verbliebene Schmiergeld von mindestens 7,49 Mio. DM wurde von diesem wie folgt verwandt:
418Nach der Auszahlung der weiter unten näher behandelten sog. F6-Verwahr-Gelder an den Zeugen F6 befand sich auf dem Konto des Angeklagten A bei der LLB - inklusive aller Unterkonten - im Jahr 2002 noch ein Betrag von insgesamt ca. 4.160.382,00 DM. Im Safe des Angeklagten A bei der LLB befanden sich nach seinen unwiderlegten Angaben von den restlichen Schmiergeldern zunächst noch ca.900.000,00 DM. Von diesen 900.000,00 DM zahlte der AngeklagteA am 20.12.2000 einen 130.975,77 € entsprechenden Betrag - also ca. 256.000,00 DM - auf sein Konto bei der LLB ein (SL 1239). Weitere 100.000,00 DM entnahm er dem Safe am 18.06.2001 als Anzahlung auf den Kaufpreises für den Erwerb eine Wohnhauses in W8 von den Eheleute R10; dieser Kaufvertrag wird - da nicht der wirklich vereinbarte Kaufpreis noteriell beurkundet wurde - rückabgewickelt; die Eheleute X8 haben eine Rückzahlungsverpflichtung von 536.856,47 € im Rahmen ihrer seitens des Finanzamts erwirkten Drittschuldnererklärung anerkannt. Ferner zahlte der Angeklagte A weitere 100.000,00 CHF am 14.01.2002 auf sein Konto bei der LLB ein (SL 1229). Im Safe verblieb zum einen ein Betrag von 100.000,00 US$. Das restliche Geld verwandte der Angeklagte A für Urlaubsreisen sowie die Anschaffung von Jagdgewehren und ähnlichem.
419Aufgrund eines Antrags der Staatsanwaltschaft des FürstentumsLiechtenstein vom 13.06.2002 wegen des Verdachts der Geldwäscherei ordnete das Fürstliche Landgericht gegenüber der LLB mit Beschluss vom 13.06.2002 die Herausgabe sämtlicher Unterlagen betreffend das Konto des Angeklagten A sowie aller in dessen Safe befindlicher Gegenstände und Urkunden und zugleich deren Beschlagnahme an. Zudem sperrte das Fürstliche Landgericht alle sich auf dem Konto des Angeklagten A befindenden Vermögenswerte. Zu dieser Zeit befanden sich auf dem Konto des Angeklagten A ca. 3,6 Mio. CHF.
420Das Safe enthielt folgende geldwerte Gegenstände:
421- 100.000,00 US$ Banknoten,
422- 1 Stoffsack blau mit 1 Armbanduhr Marke Rado und 1 Armbanduhr Marke Baume Mercier, Ersatzband in Leder und Ersatzgelenke für eine Armbanduhr,
423- 1 Silberschatulle mit Ziffernblatt in Gold und Ersatzgelenk für Armbanduhr,
424- 1 Originalbrief von einem Kunstmaler,
425- 1 Lieferschein über diverse Ölgemälde,
426Am 01.07.2002 kam die LLB der Anordnung des Fürstlichen Landgerichts nach, indem sie die beschlagnahmten Unterlagen herausgab und das Konto mit einem gerichtlichen Verfügungsverbot belegt wurde. Gegen diesen Beschluss legte der Angeklagte A durch einen Rechtsvertreter am 19.07.2002 Beschwerde ein, der - ebenso wie der Beschwerde der AVG in selber Sache - mit Beschluss des Fürstlichen Obergerichtes des Fürstentum Liechtenstein vom 07.08.2002 stattgegeben wurde. Hintergrund der Beschwerde der AVG war der Umstand, dass der Angeklagte A im Juni 2002 seine Ansprüche gegenüber der LLB zur Sicherung der Ansprüche der AVG gegen ihn im Zusammenhang mit den geleisteten Schmiergeldzahlungen an die AVG abgetreten hatte. Ein Betrag von 2.122.969,90 € ist für die AVG auf einem Anderkonto des Notars Dr. X in Köln hinterlegt.
427Im Wege des dinglichen Arrestes, angeordnet durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 25.02.2002 (503 Ds 801/02) und aufrechterhalten durch Beschluss der Kammer vom 07.08.2003, erfolgten folgende Pfändungsmaßnahmen gegen den Angeklagten A, die zur Sicherstellung von Vermögenswerten von mindestens 1,3 Mio. € führte:
428a) in das bewegliche Vermögen:
429- 14.500,00 € aus dem Verkauf von 12 Jagdgewehren
430- 2.250,00 CHF
431- 6.230,00 €
432- 2 Rolex Armbanduhren,
433- 1 Bugari Armbanduhr,
434- 1 Tischuhr (Marke Cartier),
435b) Forderungspfändungen:
436- Kredit- und Volksbank eG, R8: Guthaben von462.145,46 €; teilweise Freigabe in Höhe von 498,00 € am 25.06.2002;
437- XX7, Düsseldorf: Guthaben von 248.660,89 €;
438- ca. 5.500,00 € aus der Verwertung einer Grundschuld zu Gunsten der I9-Bank Köln (Rückgewähransprüche aus einer Grundschuld, im Grundbuch von T8, Blatt ####, Abt. III, Nr. 1 über 153.387,56 €);
439- H9-Bank Köln: Guthaben von 2.040,19 €;
440- Mietforderungen gegen S10 von monatlich332,34 €, T10 von monatlich 575,00 € und U10 in Höhe von monatlich 575,00 €, jeweils seit dem 26.03.2002;
441- Anspruch gegen das Land NW auf Herausgabe der im vorliegenden Verfahren als Kautionsleistung sichergestellten 538.257,44 €;
442c) Immobiliarvollstreckungen:
443- Arresthypothek über 153.000,00 €, Grundbuch von T8, Bl. ####,
444- Arresthypothek über 10.000,00 €, Grundbuch von T8, Bl. ####,
445- Arresthypothek über 55.000,00 €, Grundbuch von T8, Bl. ####
446- Arresthypothek über 153.000,00 €, Grundbuch von U8, Bl. ####
447- Pfändung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung am Grundstück, Grundbuch von W8, Gemarkung V8, Flur 23, nebst eingetragener Vormerkung von 4.200.000,00 DM sowie die eventuellen Ansprüche bei Rückabwicklung des Kaufvertrages.
448b)
449Der Angeklagte Dr. B hat gegenüber S5 wegen der aus dem Schmiergeld erhaltenen Anteil von 1 Mio. DM ein notarielles Schuldanerkenntnis abgegeben, aus dem der Insolvenzverwalter jedoch nicht vollstreckt hat. Der Angeklagte Dr. B meint, im Rahmen des Insolvenzverfahrens mit seinen offenen Tantiemenansprüchen gegen die titulierte Forderung aufrechnen zu können.
4507. wirtschaftlicher Abschluss des Projektes bei S5
451Das Projekt RMVA Köln wurden im Jahr 2001 - nach der Übernahme von S5 durch die T51 GmbH - endgültig abgerechnet. Im Ergebnis hatte sich der auf S5 entfallende Teil des Gesamtvorhabens von einem vorläufigen Gewinn in Höhe von ca. 8 bis 9 Mio. € zum Zeitpunkt der Übernahme durch T5 in den negativen Bereich entwickelt. Es war schlussendlich ein Verlust von ca. 688.000,00 € entstanden, der u.a. im Zusammenhang mit der Erbringung von Gewährleistungsarbeiten stand.
VI. weitere Zahlungsflüsse betreffend den Angeklagten A
452Neben den bereits erwähnten Zahlungen kam es unter Beteiligung des Angeklagten A im Zusammenhang mit der Schmiergeldabrede vom Herbst 1993 zu folgenden weiteren Geldtransfers:
4531. BUA-Vertrag
454Im Frühjahr 1995 trafen sich die Angeklagten A und Dr. B im S5-Gästehaus mit dem Zeugen Dr. K1. Es ging bei diesem Zusammentreffen um die Anbahnung eines Beratervertrages des Angeklagten A mit der Firma Baupromotion Umweltschutz AG in Zug/Schweiz (im Folgenden: BUA), für die der Zeuge Dr. K1 als Rechtsanwalt tätig war. Es sollten Beratungsleistungen im Zusammenhang mit einem Projekt inBerlin erbracht werden. Der Zeuge Dr. K1, der sich gerne als Honorarkonsul des Südseestaates Vanuatu vorstellte, war in der Anlagebaubranche als ein in Angelegenheiten der Geldwäsche erfahrener Geschäftsmann aus Zürich bekannt; er hatte - wie der Angeklagte Dr. B formulierte - „einen Ruf in der Industrie. Jeder kannte ihn“. Die Angeklagten A und Dr. B hatten den Zeugen Dr. K1 regelmäßig seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre auf der Entsorgermesse getroffen, auf der er sich stets geschäftig umhertrieb.
455Der Beratervertrag mit der BUA, der zwischen dem Angeklagten A und dem Zeugen Dr. K1 im Laufe des Jahres 1995 rückwirkend zum Jahresbeginn 1995 geschlossen wurde, hatte ursprünglich eine Laufzeit von fünf Jahren und sollte mit jährlich 200.000,00 DM dotiert werden. Er war seinem Inhalt nach zwar auch auf die Erbringung tatsächlicher Beraterleistungen gerichtet, sollte aber auch der Weiterleitung von Schmiergeldzahlungen an den Angeklagten A dienen; er wurde insofern als "Mischvertrag“ verstanden. Seitens der AVG erhielt der Angeklagte A für die aufgrund dieses Vertrages anfallenden Beratertätigkeiten eine Nebentätigkeitsgenehmigung.
456Der BUA-Vertag stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schmiergeldvereinbarung bzgl. der RMVA Köln, ohne die er nicht zustande gekommen wäre. Die im Rahmen des Vertrages anfallenden Zahlungen sollten von S5 geleistet werden. Da der Angeklagte Dr. B allerdings ein Interesse daran hatte, dass S5 in diesem Zusammenhang nach außen nicht in Erscheinung trat, sollte zur Verschleierung der Zahlungswege eine weitere Firma einbezogen werden. Zu diesem Zwecke stellte der Zeuge Dr. K1 die schweizer Aktiengesellschaft für Industrieförderung AG, Hauptstraße 33a in Glarus (im Folgenden: QQQ) zur Verfügung, ein dem Zwecke der Geldwäsche dienendes Institut, für das der Zeuge Dr. K1 ebenfalls als Rechtsanwalt tätig war. S5 sollte die Zahlungen an QQQ entrichten, die das Geld über dieBank Ltd., (im Folgenden: BBB), die ein Konto bei der R7 Bank (Schweiz) AG in Zürich (im Folgenden: R7 Bank) unterhielt, an BUA zur Auszahlung an den Angeklagten A weiterleiten. Bei der BBB handelt es sich um eine Aktiengesellschaft nach dem Recht von Vanuatu, die in Port Vila, Vanuatu, eine Postfachadresse unterhält. Alleiniger Aktionär ist der Zeuge Dr. K1, der die Gesellschaft gegründet hat, um sein eigenes Vermögen zu verwalten.
457Gemäß diesem Vorhaben veranlasste der Angeklagte Dr. B zunächst am 25.08.1995 eine Zahlung von 990.000,00 DM an QQQ, der eine Schein-Rechnung der QQQ vom 16.08.1995 (SL 627 f.) hinsichtlich eines Projektes in Großbritannien (Tysely) zugrunde lag. Aus dem BUA-Vertrag hat der Angeklagte A 1995 insgesamt 200.000,00 DM erhalten. Der nicht für den Angeklagten A verwandte Restbetrag wurde später anderweitig zwischen QQQ und S5 abgerechnet.
458Allerdings kündigte der Angeklagte A das Vertragsverhältnis mit der BUA im Frühjahr 1996 fristlos. Beigetragen zu diesem Entschluss hatte die bereits erwähnte anonyme Anzeige vom 14.03.1996, die bei dem Angeklagten A zu einiger Verunsicherung führte. Denn zwar war der BUA-Vertrag „offiziell“ - d.h. die daraus erhaltenen Einnahmen wurden versteuert - und mit Nebentätigkeitsgenehmigung geschlossen worden, der Angeklagte A fürchtete aber, dass möglicherweise ein Zusammenhang mit dem Gegenstand der anonymen Anzeige hergestellt werden könnte. Daher stellten er und der Zeuge Dr. K1 einen fingierten Schriftverkehr zusammen, der den Anschein entstehen ließ, als sei der BUA-Vertrag von Beginn an nur für ein Jahr geschlossen worden.
4592. „Beteiligung H12“
460Nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses zur BUA hatte der Angeklagte Dr. B dem Angeklagten A in Aussicht gestellt, anderweitig für einen Ersatz der nun nicht mehr über diesen Vertrag abzuwickelnden Gelder sorgen zu wollen. Dieser Kompensation diente die „Beteiligung H12“, bei der es um die Erstellung einer Großanlage zur Lupinen-Verarbeitung in Deutschland ging.
461Der Angeklagte Dr. B hatte den Angeklagten A darauf hingewiesen, der Zeuge Dr. K1 verfüge über die Möglichkeit, ihm einen Gewinn aus der Beteiligung an einer schweizer Gesellschaft zu verschaffen. Daraufhin von dem Angeklagten A angesprochen, vermittelte der Zeuge Dr. K1 ihm Anfang 1997 die „Beteiligung H12“. Nach Angaben des Zeugen Dr. K1 gegenüber dem Angeklagten A sollte die Kapitalanlage bei H12 über die Firma H12 Anlagenbau GmbH D12 (im Folgenden: H12) erfolgen, die vorgab, mehr als zehnjährige Forschungsarbeiten in ein Baukonsortium für eine Lupinen-Verarbeitungsanlage einzubringen und hierfür auf der Suche nach zusätzlichem Eigenkapital zu sein.
462Gefragt nach Sicherheiten für eine solche Kapitaleinlage gab der Zeuge Dr. K1 dem Angeklagten A zu verstehen, dass hinter der „Beteiligung H12“ eine Refinanzierung durch S5 stehe. Zwischen dem Zeugen Dr. K1 und dem Angeklagten Dr. B war vereinbart worden, dass der an den Angeklagten A auszukehrende "H12-Gewinn" von S5 zur Verfügung gestellt werden sollte.
463Der Angeklagte A entschied sich für eine Beteiligung mit 100.000,00 DM aus Eigenmitteln; darüber hinaus gewährte ihm die BBB ein Darlehen über weitere 100.000,00 DM, über das sich ein Vertrag vom 09.05.1997 (SL 1328) verhält. Beide Beträge wurden im Oktober 1997 auf dem Konto ######## des Zeugen Dr. K1 bei der R7 Bank mit der Zusatzbezeichnung „Beteiligung H12“ eingezahlt (SL 1318), hinsichtlich dessen bereits im Mai 1997 der Angeklagte A als wirtschaftlicher Berechtigter eingetragen worden war.
464Ende 1997 entschied sich der Angeklagte A für einen Ausstieg aus der „Beteiligung H12“ und teilte dies dem Zeugen Dr. K1 mit. Dieser leitete daraufhin eine "Gewinnauszahlung" von 400.000,00 DM an den Angeklagten A in die Wege. Die Auszahlung des Betrages erfolgte teilweise über Konten des Bruders des Zeugen Dr. K1 in Deutschland, da der Angeklagte A auf diese Weise Bankgebühren im Auslandsverkehr sparen wollte. Die Zahlungen an den Angeklagten A wurden später in nicht näher festgestelltem Umfang gegenüber dem Zeuge Dr. K1 durch S5 kompensiert.
465Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Ausgleich seitens S5 ebenfalls- wie hinsichtlich der BUA-Abwicklung - über QQQ lief. Jedenfalls aber wurden 1997 zwei weitere Zahlung von S5 an QQQ über je 425.000,00 DM geleistet, denen Schein-Rechnungen von QQQ hinsichtlich zweier Projekte in Taiwan (Li Tse und Kee Lung) (SL 624 f.) - basierend auf einer Ergänzungsvereinbarung vom 07.10.1997 zu einer entsprechenden Rahmenvereinbarung aus dem Jahr 1995 (SL 626) - zugrunde lagen. Ein der Höhe nach nicht näher bezifferbarer Restbetrag von unter 100.000,00 DM wurde 1997 durch den Zeugen L4 bei dem Zeugen Dr. K1 in Zürich abgeholt.
4663. F6-Verwahr-Gelder
467a)
468Der Zeuge F6 hatte den Angeklagte A zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor 1998 gebeten, u.a. mit Blick auf die geplante Gründung der F6 Schweiz AG in der Schweiz für ihn ca. 5 Mio. DM anzusammeln. Anlass hierfür war, dass der Zeuge F6 aus einem gesunden Misstrauen heraus nicht mehr alleine dem die „Kriegskasse“P5 verwaltenden Zeugen I2 diese Aufgabe übertragen wollte. Daher erhielt der Angeklagte A in der Folgezeit über den Zeugen I2 sog. F6-Verwahr-Gelder von insgesamt 5 Mio. DM. Es handelte sich um Gelder, die von verschiedenen Firmen der F6-Gruppe aufgrund von Schein-Rechnungen an P5 geflossen und dem Angeklagten A seitens des Zeugen I2 in Teilbeträgen bar oder per Scheck zur Verfügung gestellt worden waren.
469Der Zeuge F6 ließ dem Angeklagten A bei der Verwaltung dieser Gelder völlig freie Hand. Dahinter stand seine Überlegung, dass weder der Zeuge I2 noch der Angeklagte A die Gelder würden veruntreuen können, da jeweils der andere Kenntnis von den entsprechenden Geldflüssen hatte. Es war nicht vereinbart, dass der AngeklagteA für seine Treuhändertätigkeit eine Vergütung erhalten sollte. Er sollte allerdings einen nach Anlage des Geldes verbleibenden Überschuss für sich behalten dürfen. Bei seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung darauf angesprochen, was der Zeuge F6 denn - angesichts fehlender Quittungen - gemacht hätte, wenn das Geld nicht zurückgezahlt worden wäre, antwortete der Zeuge F6: „Dann wäre es eben weg gewesen!“, wohl wissend, dass eine solche Frage aus einem Beamtenblickwinkel sich ihm damals nicht wirklich gestellt hatte.
470Die in bar erhaltenen Teilbeträge - ca. 2 Mio. DM, die er nach seiner unwiderlegten Einlassung bis Mai 1998 in der R9-Garage in Köln angesammelt hatte, sowie weitere 700.000,00 DM insgesamt ca. 2,7 Mio. DM - leitete der Angeklagte A an den Zeugen Dr. K1 zur Einzahlung bei der R7 Bank weiter. Denn der Zeuge Dr. K1 hatte dem AngeklagtenA versichert, das Geld könne dort wegen seiner Stellung als Honorarkonsul von Vanuatu niemals Gegenstand von Rechtshilfeersuchen werden. Der Zeuge Dr. K1 zahlte von diesen ca. 2,7 Mio. DM in den Jahren 1998 und 1999 insgesamt 1,95 Mio. DM gestückelt auf einem im Juli 1998 unter Beteiligung des R7 Bankmitarbeiters E5 für die BBB bei der R7 Bank eingerichteten Konto „W6“ (angelehnt an den Namen eines Jagdhundes des Angeklagten A) mit der Nummer Z422849 (SL 1292 ff.) - geführt als DM- und CHF-Konto - ein. Die Einrichtung eines Kontos der BBB mit dem Angeklagten A als wirtschaftlich Berechtigtem diente auf Anraten des Zeugen Dr. K1 dem „erhöhten Namensschutz“, also erneut der Verschleierung von Zahlungsflüssen. Der Erhalt des Geldes wurde vom Zeugen Dr. K1 nicht quittiert.
471Einen weiteren Teil der F6-Verwahr-Gelder von ca. 2,6 Mio. DM erhielt der Angeklagte A im Mai 1998 über den Zeugen I2 in Form eines Schecks. Auch diesen wollte er zunächst über den Zeugen Dr. K1 bei der R7 Bank einzulösen, nahm hiervon aber Abstand, als ihm klar wurde, dass dann der Zeuge I2 den Verbleib des Geldes hätte nachvollziehen können; dies wollte er verhindern. Daher brachte er den Scheck zur LLB nach V7; der Betrag wurde am 26.05.1998 seinem Konto gutgeschrieben.
472Nachdem der Angeklagte A den Zeugen F6 davon unterrichtet hatte, dass die Summe von 5 Mio. DM angesammelt worden war, bat dieser darum, das Geld einstweilen liegen zu lassen, bis er es benötige. Dies sollte - wie noch darzustellen sein wird - erst im Jahr 2000 der Fall sein.
473b)
474Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 1999 berichtete der Zeuge Dr. K1 dem Angeklagten A über Ermittlungen, die auch gegen ihn - im Zusammenhang mit einem seitens der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen Verantwortliche von V5 geführten Ermittlungsverfahren, auf das noch näher einzugehen sein wird, in der Schweiz geführt wurden; in diesem Zusammenhang war es im Dezember 1998 zu einer Durchsuchung in der Kanzlei des Zeugen Dr. K1 in Zürich gekommen. Der Zeuge Dr. K1 schlug dem Angeklagten A daher vor, das Konto mit denF6-Verwahr-Geldern bei der R7 Bank sicherheitshalber aufzulösen und das Geld zu einer Bank nach Schaan in Liechtenstein zu verlagern, zu der er, der Zeuge Dr. K1, vorgab, gute Kontakte zu haben; die Angelegenheit könne dort „diskret“ geregelt werden.
475Daraufhin beauftragte der Angeklagte A den Zeugen Dr. K1 am 06.10.1999 gegenüber der R7 Bank schriftlich mit der Auflösung des Kontos „W6“ und wies die R7 Bank an, dem Zeugen Dr. K1 den Schlüssel des dort am 25.06.1998 für die BBB („Sub Acc. W6“) bzw. den Angeklagten A (SL 1685) eingerichteten Safe auszuhändigen (SL 1690). Mit Schreiben vom 29.11.1999 erstellte der AngeklagteA der BBB eine „Saldoquittung“, mit der er bestätigt, dass „W6 und BBB (...) per heute gegenseitig keine offenen Positionen“ haben (SL 1293). Am selben Tag bevollmächtigte der Angeklagte A den Zeugen Dr. K1 zudem zur Entgegennahme „sämtlicher banklagernder Dokumente“.
476Folgende Beträge kamen im November 1999 von dem Konto „W6“ bei der R7 Bank zur Auszahlung:
477Datum |
Betrag |
Zahlungsweg |
Empfänger |
02.11.1999 = SL 1309, 1838 |
900.000 CHF |
Barauszahlung |
Dr. K1 |
10.11.1999 = SL 1324 |
170.026,19 US$ |
Überweisung |
I12 Liechtenstein |
18.11.1999 = SL 1314 |
265.897,00 € |
Überweisung |
I12 Liechtenstein |
29.11.1999 = SL 1309 |
738.548,00 CHF |
Barauszahlung |
Dr. K1 |
Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte A von dem Zeugen Dr. K1 zumindest einen Teilbetrag der an ihn gezahlten F6-Verwahr-Gelder zurückerhalten hat. Den Betrag von 738.548,00 CHF jedenfalls hat der Zeuge Dr. K1 behalten.
479Im Jahr 2000 kam es zu einem Treffen des Angeklagten A mit dem Zeugen Dr. K1 in der Schweiz, an dem auch der Zeuge F6 teilnahm. Ob anlässlich dieses Treffens auch über den Verbleib der F6-Treuhand-Gelder gesprochen wurde, konnte nicht festgestellt werden.
480c)
481Im August 2000 wurde auf Veranlassung des Angeklagten A ein dessen Konto bei der LLB belastender Scheck über 3 Mio. DM an den Zeugen Dr. V3 übergeben; einen weiteren Scheck über 2 Mio. DM erhielt der Zeuge Dr. V3 von dem Angeklagten A im Dezember 2000. Beide Schecks wurden zunächst auf ein Konto bei der XX7 Frankfurt bezogen, der weitere Verbleib des Geldes konnte nicht festgestellt werden. Auch die Wahl dieses Geldweges diente der Verschleierung von Zahlungsflüssen. Der Angeklagte A zitierte insoweit als Äußerung des Zeugen Dr. V3: "Die Schecks müssen noch eine Runde drehen."
482Die Auszahlung an den Zeugen Dr. V3 beruhte auf einer entsprechenden Anweisung des Zeugen F6 an den AngeklagtenA; es handelte sich bei dem Geld um einen Teil der sog.F6-Verwahr-Gelder. Nach der Auszahlung an den Zeugen Dr. V3 verblieb auf dem Konto des Angeklagten A bei der LLB ein Betrag von ca. 4.160.382,00 DM.
483Der Aushändigung der Schecks an den Zeugen Dr. V3 war ein Treffen der Angeklagten A und Dr. B sowie des Zeugen F6 und des Zeugen I2 mit dem Zeugen Dr. V3 am 18.07.2000 in Zürich vorangegangen. Dies hatte folgenden Hintergrund:
484Im Jahr 2000 waren, wie schon erwähnt, bei den Staatsanwaltschaften Mannheim (613 Js 23434/97) und Stuttgart (140 -151/163- Js 66570/99) bereits Ermittlungsverfahren u.a. gegen Verantwortliche der V5-Firmengruppe wegen des Verdachts der Korruption im Zusammenhang mit der Errichtung verschiedener Müllverbrennungsanlagen, u.a. derjenigen in Xxx, anhängig, in deren Rahmen auch in der Schweiz bei der P5 sowie in Deutschland bei der F6 AG und bei V5 Durchsuchungen stattgefunden hatten. Beschuldigter in dem Verfahren der StaatsanwaltschaftStuttgart ist u.a. auch der Angeklagten Dr. B. Der Zeuge I2 hatte daraufhin dem Zeugen F6 den ihm schon seit Jugendzeiten bekannten Rechtsanwalt Dr. V3 aus Zürich als jemanden empfohlen, der insbesondere in Rechtshilfeangelegenheiten äußerst bewandert sei. Der Angeklagte Dr. B fürchtete, dass das Bundeskriminalamt anlässlich der Durchsuchungen auch in den Besitz von Unterlagen betreffend die RMVA Köln gelangt sein könnte; auch der Angeklagten A hegte wegen der erfolgten Durchsuchungen entsprechende Befürchtungen.
485Hilfe versprach man sich in dieser Situation von dem Zeugen Dr. V3, der sogleich eine „umfassende wirtschafts- und unternehmensrechtliche Beratung“ anbot und seine Kanzlei als „besonders erfahren, gerade auch im Gebiet der schweizer Rechtshilfe“ darstellt. Gesprächsthema dieses und weiterer Treffen, an denen auch der Angeklagte Dr. B teilnahm, waren in erster Linie Fragen im Zusammenhang mit den erfolgten Durchsuchungen und den befürchteten Rechtshilfeersuchen deutscher Ermittlungsbehörden an die Schweiz. Bei späteren Treffen mit dem ZeugenDr. V3, die teilweise der Angeklagte A für den ZeugenF6 wahrnahm, ging es darüber hinaus um die Tätigkeit des Zeugen Dr. V3 im Rahmen der Gründung der F6 Schweiz AG; in diesem Zusammenhang war auch Gegenstand der Gespräche, dass der Zeuge Dr. V3 ggf. an der Beeinflussung schweizer Entscheidungsträger mitwirken sollte.
486Anlässlich des Treffens am 18.07.2000 unterbreitete der ZeugeDr. V3 den Versammelten auf einem handgeschriebenen Zettel seinen Honorarvorschlag, der sich auf zehn Mio. CHF pauschal für eine Tätigkeit über einen längeren Zeitraum belief. Der Zettel wurde alsbald dem Zeugen F6 zugeschoben. Eine entsprechende, allerdings nicht schriftlich fixierte Einigung wurde kurze Zeit später zwischen dem Zeugen F6 und Dr. V3 getroffen. Der Zeuge Dr. V3 sollte über fünf Jahre hinweg zum einen die Herausgabe von Daten an deutsche Ermittlungsbehörden im Rahmen von Rechtshilfeersuchen verhindern und zum anderen im Zusammenhang mit der Gründung der F6 Schweiz AG tätig werden. Die bereits erwähnten Scheckzahlungen von insgesamt 5 Mio. DM stellten einen Teil der vereinbarten Entlohnung dar. S5 leistete in diesem Zusammenhang keine Zahlungen an den Zeugen Dr. V3.
487Der Zeuge Dr. V3 wurde später - neben dem Zeugen I2 - Verwaltungsrat der F6 Schweiz AG.
4884. Firma M1 Umwelttechnik
489Die Firma M1 Umwelttechnik, für die der Angeklagte A in der Zeit nach seinem Ausscheiden bei der AVG u.a. als Berater tätig war, war 1995 seitens S5 nach Rücksprache mit der AVG mit der sog. übergeordneten Baureifmachung des Geländes, auf dem die RMVA errichtet werden sollte, betraut worden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass es sich hierbei um eine „Doppelbeauftragung“ handelte, d.h. dass dieselben Arbeiten bereits Gegenstand anderer Aufträge von S5 gewesen wären. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass es sich bei den an die Firma M1 Umwelttechnik geleisteten Zahlungen zumindest teilweise um solche handelte, die verdeckt als weitere unrechtmäßige Provisionszahlungen an den AngeklagtenA weitergeleitet wurden. Nicht einmal ein konkretisierter Verdacht hat sich insoweit ergeben.
490VII.Q6-Wartungsvertrag
491Die AVG undQ6 schlossen am 22.08.1997 einen zunächst auf zehn Jahre befristeten Werkvertrag über die Erbringung von Instandhaltungsleistungen für die RMVA Köln, beginnend mit dem 01.10.1997 (SL 1126 ff.). In einer klarstellenden Zusatzvereinbarung vom 09.11.1998 (SL 1144) kamen die Parteien überein, die im Ursprungsvertrag enthaltene Klausel, wonach eine Verlängerung um fünf Jahre bei zufriedenstellender Leistung der Q6 erfolgen solle, dahin zu konkretisieren, dass der Vertrag nach Ablauf des 30.09.2007 nur dann nicht verlängert werden sollte, wenn „dauerhaft schwerwiegende, berechtigte Beanstandungen“ an den Leistungen der Q6 festgestellt werden könnten, die eine Kündigung aus wichtigem Grunde rechtfertigen würden.
492Die der Q6 zu entrichtende Vergütung orientierte sich nach dem Vertrag an der angenommenen Abfallmenge und wurde zunächst für die Zeit vom 01.10.1997 bis 31.12.1999 auf 44,85 DM je Tonne angenommenen Abfalls festgelegt. Damit wurde für die ersten zehn Vertragsjahre und einer jährlichen Annahmemenge von nur 421.000 t ein Auftragsvolumen vonca. 257,5 Mio. DM vereinbart. Der Zeuge F6 errechnete sich hierbei eine Ergebniserwartung von ca. 75 Mio. DM. Die Gesellschaftsgremien der AVG waren über den Abschluss des Wartungsvertrages mit Q6 lediglich nachträglich beiläufig unterrichtet worden; eine ernsthafte Diskussion darüber, an wen der vom Finanzvolumen her besonders werthaltige und auch für den erfolgreichen Betrieb der RMVA wichtige Vertrag vergeben werden sollte, fand nicht statt. Es gab auch keine vertiefte Auseinandersetzung über die Frage, ob und warum dieser Vertrag an ein Unternehmen derF6-Gruppe vergeben werden sollte.
493Die AVG hatte sich für einen Vertragsabschluss mit Q6 entschieden, obwohl auch einige der am Bau der RMVA beteiligten Firmen - allen voran S5, aber auch T5 - Interesse an einem Einstieg in die Wartung bekundet hatten. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war letztlich, dass der Angeklagte A bei einer Vergabe an S5 Schwierigkeiten hinsichtlich der Abgrenzung von Gewährleistungsfällen und reinen Reparatur- und Wartungsleistungen befürchtete und damit rechnete, dass S5 sich auf diese Weise zu Lasten der AVG aus der Gewährleistungsverantwortung stehlen würde.
494Gegenüber den Interessenten aus dem Bereich der Anlagebauer hatte der Angeklagte A sich zunächst nicht über seine Vergabeabsichten geäußert. Erst als während der Verhandlungen der AVG mit Q6 über den Wartungsvertrag der Angeklagte Dr. B bei ihm intervenierte, sprach der Angeklagte A den hinter der Q6 stehenden Zeugen F6 darauf an, ob nicht eine Einbindung von S5 als Subunternehmer denkbar wäre. Es kam daraufhin zu Verhandlungen zwischen dem bei Q6 verantwortlich tätigen Zeugen M4 und dem Zeugen F6 mit S5.
495Die Verhandlungen führten nicht zu einem Erfolg. Allerdings wurde S5 seitens der F6 GmbH in einem am 21.01.1998 an den Angeklagten Dr. B gerichteten und von dem Zeugen F6 persönlich unterzeichneten Schreiben (SL 1636) zugesichert, dass S5 an dem Q6-Wartungsvertrag betreffend die RMVA vom 22.08.1997 „mit einem Auftragsumfang von 25 bis 30 % im Jahresdurchschnitt der Laufzeit des Vertrages“ beteiligt werde; näheres sollte vertraglich geregelt werden. Das Original dieses Schreibens befand sich nach der Festnahme des AngeklagtenDr. B nicht in den Geschäftsunterlagen der S5, sondern bei der Verteidigerin des Angeklagten Dr. B, die es im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten Dr. B vorlegte. Gefragt danach, warum sich das Schreiben nicht in den Akten von S5 befand, gab der Angeklagte Dr. B in der Hauptverhandlung an, das Schreiben sei ja an ihn persönlich adressiert gewesen; zudem habe er später dem Zeugen E3 eine Kopie zukommen lassen.
496Am 29.06.1998 wurde seitens derQ6 ein auf eines ihrer Geschäftskonten bezogener Scheck über 4.780.000,00 DM zu Gunsten einer Fa. W10 & Company Ltd. (im Folgenden: W10) ausgestellt (SL 1375). BeiW10 handelt es sich um eine Firma in Kingston/Großbritannien, deren sich S5 als Vertretung bediente, wenn sie in Großbritannien auftrat. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dieser Scheck in den Besitz vonW10 gelangte; jedoch war festzustellen, dass der Scheck am 16.07.1998 durch den Verwaltungsrat der Fa. X10 AG mit Sitz in V7 (im Folgenden: X10), Dr. Y10, bei der ebenfalls in V7 ansässigen Verwaltungs- und Privat-Bank AG eingelöst und dort einem Konto vonX10 gutgeschrieben wurde (SL 1372). Dem Scheck zugrunde lag eine Rechnung von W10 an die Q6 betreffend ein Softwarepaket vom 02.02./08.05.1998 über 4.780.000,00 DM. Diese Rechnung hatte keinen wirklichen Leistungshintergrund, sondern war seitens der Zeugen Z10 und L4 fingiert worden.
497Weder der reale Hintergrund der Zahlung von 4.780.000,00 DM noch irgendeine etwaige Verbindung zum Vorgang um den Q6-Wartungsvertrag konnten abschließend festgestellt werden. Es blieb insbesondere unklar, ob sie auf dem Erbieten des Angeklagten Dr. B gegenüber dem Zeugen F6 beruhte, ihm einen Weg für eine weitere Zahlung an den Angeklagten A für den Abschluss des Q6-Wartungsvertrages zur Verfügung zu stellen (so der Angeklagte Dr. B), ob sie Teil einer „Geldverschiebe-Aktion“ innerhalb verschiedener Firmen der F6-Unternehmensgruppe war (so der Zeuge L4), ob es sich um eine verdeckte Ausgleichszahlung an S5 wegen der Nicht-Beteiligung am Wartungsvertrag handelte oder ob das Geld an den Angeklagten Dr. B ging. In gleicher Weise ließ sich nicht feststellen, dass der Zeuge Dr. K1, wie er behauptet, von dieser Summe einen Betrag von 4 Mio. DM erhalten und hiervon 2 Mio. DM an den Zeugen F6 übergeben hat; der Zeuge Dr. K1 berief sich zum Beleg dieser Behauptung auf zwei Quittungen des Zeugen F6 aus Juli 1998, von denen er - um deren Vorlage gebeten ‑ jedoch nur eine gefunden haben will; bei dieser Quittung handelte es sich wiederum lediglich um eine Kopie, die eine Unterschrift mit dem Namenszug „F6“ aufwies, die erheblich von der sonst bekannten Unterschrift des Zeugen F6 abweicht. Festgestellt werden konnte insoweit lediglich, dass 10 Tage nach Gutschrift des Schecks von dem Konto von X10 unter anderem ein Betrag von 1 Mio. DM auf ein Konto der BBB- die, wie oben festgestellt, dem Zeugen Dr. K1 gehörte - bei der XXX/Luxemburg, überwiesen wurde. Im gleichen zeitlichen Zusammenhang erfolgten zwei Barabhebungen von insgesamt über 1,53 Mio. DM sowie Überweisungen von 1 Mio. DM auf ein Konto bei der KreisparkasseD12, dessen Inhaberin eine Firma E12 Ltd. mit Sitz in Port Vila/Vanuatu war, und von 1,1 Mio. DM auf ein Konto der Firma X10 International Ltd./Dublin bei der F12 Bank, Dublin. Am 09.12.1998 überwies X10 weitere 140.000,00 DM an den Zeugen Dr. K1. Der weitere Verbleib dieser Gelder konnte in der Hauptverhandlung nicht geklärt werden.
498VIII. Rolle des Angeklagten C
4991. Widerstand in der ###3
500Der Angeklagte C war nicht erst nach seiner Wahl zum ###3-Fraktionsvorsitzenden im Rat der Stadt Köln im April 1998 ein wichtiger Mann; auch schon in den davor liegenden Jahren ab 1992, während seiner Zeit als ###3-Geschäftsführer, hatte er eine herausragende Stellung innerhalb der Kölner ###3. Diese beruhte nicht zuletzt auf seiner Persönlichkeit. Der Angeklagte C war ein machtvoll und äußerst bestimmend auftretender Politiker, von dem etwa der Zeuge S3 äußerte: „Der Dicke polterte gern!“. Andererseits galt er aber persönlich in finanziellen Dingen nicht als großzügig: "er gab nicht gerne eine Runde aus." Darüber hinaus war er ein enger Vertrauter des damaligen Fraktionsvorsitzenden Dr. G2; mit diesem und dem Vorsitzenden des Finanzausschusses M6 gemeinsam war der Angeklagte C tonangebend innerhalb der Partei. Wie der Zeuge Dr. G2 und Herr M6 war er zudem ein Befürworter der RMVA.
501Bereits als Fraktionsgeschäftsführer bemühte sich der Angeklagte C, den Widerstand gegen die RMVA innerhalb der ###3 kleinzuhalten. Insbesondere unter den ###3-Mitgliedern, die in den Bezirksvertretungen und Ortsvorständen der von der RMVA am stärksten betroffenen nördlichenKölner Stadtteile Chorweiler und Nippes aktiv waren, trat Mitte der 1990er Jahre Kritik vor allem hinsichtlich der Dimensionierung der RMVA auf. Wie schon erwähnt, wurde heftig diskutiert, ob tatsächlich eine vierte Verbrennungslinie erforderlich war.
502Ein herausragender Kritiker der RMVA war der damalige ###3-Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung Nippes, der Zeuge E1, der u.a. Mitglied der XXXX war. Der Angeklagte C versuchte bereits Mitte der 1990er Jahre verschiedentlich, auf Mitglieder dieser Bezirksvertretung, die - wie er selber - dem sog. rechten Kreis innerhalb der Kölner ###3 angehörten, dahin einzuwirken, dass der Zeuge E1 sich mit seiner ablehnenden Haltung nicht durchsetzen konnte. Der Zeuge E1 bekam dies insbesondere im Kommunalwahlkampf 1999 zu spüren, als der Angeklagte C - allerdings im Ergebnis erfolglos - die betreffenden Mitglieder der Bezirksvertretung dazu zu bringen versuchte, eine erneute Kandidatur des RMVA-Kritikers E1 um das Amt des Fraktionsvorsitzenden zu verhindern. Der Angeklagte C äußerte in Gesprächen mit diesen Angehörigen des „rechten Kreises“ u.a., dass er über den Zeugen E1 eine „schwarze Akte“ angelegt habe, ohne dass deren Existenz im Rahmen der Hauptverhandlung positiv festgestellt werden konnte.
503Dem Zeugen S3, der als Mitglied des ###3-OrtsvereinsWeidenpesch/Mauenheim/Niehl trotz seiner Zugehörigkeit zum „rechten Kreis“ ein Gegner der RMVA war und diese Ansicht u.a. einmal gemeinsam mit anderen Mitgliedern seines Ortsvereins mit Transparenten vor der Kölner Bezirksregierung deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, wurde seitens des Angeklagten C gar mit dem Parteiausschluss gedroht, wenn er nicht „in das gemäßigte Lager“ zurückkehrte, d.h. seinen Widerstand gegen die RMVA aufgebe. Der bei den Kölner Verkehrsbetrieben beschäftigte Zeuge S3 wurde auch an seiner Arbeitsstätte von Vorgesetzten darauf hingewiesen, dass die Errichtung der RMVA doch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zu begrüßen sei; auch diesen Hinweis empfand der ZeugeS3 als unangenehme und bedrängende Einflussnahme.
504Die Einwirkungsversuche, die sowohl von dem Angeklagten C als auch von dem Vorsitzenden des Finanzausschusses M6 ausgingen, hinterließen bei den betroffenen ###3-Mitgliedern einen nachhaltigen Eindruck.
505Auch innerhalb der Stadtratsfraktion machte der Angeklagte C seinen Einfluss geltend, insbesondere wenn es um die Weitergabe der Parteimeinung bzgl. der RMVA an die ###3-Aufsichtsratsmitglieder der AVG ging. Die Meinungsbildung wurde schwerpunktmäßig vollzogen in einem Arbeitskreis, dem der Angeklagte C angehörte und an dem auch der Angeklagte A regelmäßig teilnahm. In der wöchentlichen Fraktionssitzung bestand zwar Gelegenheit zum Vorbringen von konträren Argumenten im Zusammenhang mit der RMVA, nach deren Austausch allerdings in der Regel der Angeklagte C die nach außen zu vertretende Fraktionsmeinung vorgab.
5062. Personalvermittlung zur AVG
507Des weiteren setzte sich der Angeklagte C gegenüber dem Angeklagten A verschiedentlich dafür ein, dass bei der AVG Personen aus dem Bereich der Kölner ###3 eingestellt wurden. So wurde etwa auf seine Vermittlung hin der der ###3 angehörende Zeuge N3 zum 01.01.1998 bei der AVG als Bote beschäftigt. Er war zuvor 33 Jahre bei der Bundesbahn in Köln tätig gewesen; seine Dienststelle sollte 1997 nach Dortmund verlegt werden. Auch die Zeugin L5, die dem „linken Flügel“ der ###3 angehörte und der RMVA kritisch gegenüber stand, erhielt zum 18.03.1996 eine Anstellung als Sekretärin bei der AVG, nachdem sie sich auf Anraten des Angeklagten C dort beworben hatte. Ferner wurde die Ehefrau des Zeugen D3, der seit November 1994 Vorsitzender des Ausschusses für Abfall und Umwelt im Rat der Stadt war, auf dessen gegenüber den Angeklagten C und A geäußerte Bitte 1998 bei der AVG angestellt. Schließlich wurde der Zeuge und damalige stellvertretende Vorsitzende des Naturschutzbundes Köln-Chorweiler W3, ein der RMVA ebenfalls kritisch gegenüberstehendes Mitglied, das eher dem „rechten Flügel“ derKölner ###3 zuzurechnen und seit 1994 arbeitslos war, auf Vermittlung des Angeklagten C zunächst bei der KVK als Sortierer und ab 1998 bei der AVG angestellt; dieser Einsatz sollte dazu dienen, Bedenken des Zeugen W3 zu zerstreuen.
508Auch die - bereits erwähnte - Vermittlung der Beiratsmandate für den Zeugen L2 in den AVG-Untergesellschaften beruhte auf einer Initiative des Angeklagten C, der den Angeklagten A gebeten hatte, den Zeugen F6 in diesem Sinne anzusprechen. Hintergrund hierfür war, dass der Zeuge L2 damals mit teilweise provisionsabhängigem Gehalt bei der Firma E11 in Köln, die sich aufgrund des zurückgehenden PKW-Absatzes in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, beschäftigt war. Wie der Zeuge L2 kamen auch die ###3-Mitglieder F11 und G11 auf diesem Wege zu Beiratsmandaten in Firmen der F6-Unternehmensgruppe.
509In diesem Zusammenhang ist weiter zu erwähnen, dass auch der Sohn des ###5-Ratsherren H11 auf Vermittlung des Angeklagten A eine Anstellung bei der AVG erhielt.
510In der Hauptverhandlung hat sich nicht ergeben, dass die zur AVG vermittelten Personen ihren Aufgaben nicht gewachsen gewesen wären.
5113. Spendeneinwerbung („Dankeschön-Spenden“)
512Eine weitere Aktivität des Angeklagten C bestand im Einwerben von Spenden für die Kölner ###3, die er der Partei teilweise unter Verstoß gegen das Parteiengesetz gestückelt zukommen ließ.
513Der Angeklagte C hatte von seinem Vorgänger im Amt des Fraktionsgeschäftsführers, I11, mit auf den Weg bekommen, dass man von ihm in seiner neuen Funktion das Akquirieren von Spenden für die Partei erwarte. I11 hatte ihn auch darauf hingewiesen, dass es zu diesem Zwecke dienlich sei, in Köln ansässige Unternehmen anzusprechen oder ansprechen zu lassen. Der Angeklagte C setzte diesen Rat verschiedentlich um und prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des Einwerbens von „Dankeschön-Spenden“. Dabei handelte es sich um zumeist quittungslose Geldzuwendungen von Firmen an die Kölner ###3, die bei der Vergabe von Aufträgen aus dem städtischen Raum berücksichtigt worden waren. Der Angeklagte C warb als Fraktionsgeschäftsführer und -vorsitzender ca. 30 solcher Spenden ein.
514Um in den Genuss einer „Dankeschön-Spende“ von S5 zu gelangen, bat der Angeklagte C Anfang 1995 den Angeklagten A darum, ihm einen Kontakt zum Angeklagten Dr. B zu vermitteln. Er hatte dem Angeklagten A zuvor zu verstehen gegeben, dass die Kölner ###3 auch von ihm als Parteimitglied einen erheblichen Einsatz beim Einwerben von Spenden für die Arbeit der Partei - insbesondere mit Blick auf die anstehenden Wahlkämpfe - erwarte; der Angeklagte A sollte Spenden in Höhe von 1,5 Mio. DM - vorwiegend von den am Bau der RMVA beteiligten Unternehmen - beschaffen. Wenig später kam es daraufhin zu einem Treffen der drei Angeklagten im Kölner Restaurant „J11“. Der Angeklagte A hatte dem Angeklagten Dr. B zuvor zu verstehen gegeben, dass die Kölner ###3 für seine Berücksichtigung bei der Zuschlagserteilung hinsichtlich der RMVA eine beträchtliche Spende erwarte. Während des Essens sprach der Angeklagte C den Angeklagten Dr. B auf eine Zuwendung von 150.000,00 DM für die Kölner ###3 an. Der Angeklagte Dr. B, der einen unmittelbaren Bezug zwischen diesen Begehren sah und der auch wusste, dass das Projekt RMVA sowohl in der Bevölkerung als auch innerhalb der ###3 nach wie vor umstritten war, sagte eine entsprechende Zahlung zu. Dabei hatte er den Hintergedanken, dass Geld bekanntlich gefügig mache; auf diese Weise wollte er den Angeklagten A bei dessen Einwerben von Spenden für die Kölner ###3 unterstützen. Der Angeklagte Dr. B wollte diese Zuwendung aber nicht offiziell über die S5-Buchhaltung laufen lassen und plante daher, die Spende aus einer Zusatzforderung von S5 aus einem Auftragsverhältnis mit der Zürcher Firma T9 zu generieren; das Geld sollte dort dem Angeklagten C ausgezahlt werden sollte.
515Im April 1995 reisten die Angeklagten Dr. B und C gemeinsam nach Zürich und suchten die Geschäftsräume der Firma T9 auf. Zu der geplanten Geldübergabe kam es jedoch nicht. Daher fuhr der Angeklagte C am 18.07.1995 erneut nach Zürich und traf sich dort mit dem Zeugen Dr. K1 in dessen Rechtsanwaltskanzlei, der ihm ausführlich über seine Kontakte zum Inselstaat Vanuatu berichtete und ihm einen zugeklebten Umschlag überreichte, in dem sich 150.0000,00 DM befanden; es handelte sich um das von S5 zugedachte Geld. Der Angeklagte C quittierte den Erhalt mit verstellter Unterschrift, verließ die Kanzleiräume und musste sich sodann nach seiner unwiderlegten Einlassung übergeben, weil er realisierte, dass er nun „in der größten Scheiße drin steckte“. Nach einem erneuten kurzen Treffen mit dem Zeugen Dr. K1 in einem Brauhaus begab sich der Angeklagte C mit dem Geld auf den Rückweg nach Köln; im Elsaß unternahm er einen Spaziergang durch die Weinberge, ließ dabei das Geld im Kofferraum seines PKW und dachte: „Sollen sie es doch ruhig klauen.“ In Köln angelangt, deponierte er das Geld zunächst im Tresor der ###3-Fraktion.
516In den dann folgenden Sommerferien kam dem Angeklagten C die Idee, mit den 150.000,00 DM als Grundstock eine „schwarze Kasse“ für die ###3 zur Bestreitung der Kosten im anstehenden Wahlkampf 1998/99 aufzubauen. Ihm war klar, dass es schwierig sein würde, die nicht deklarierte „Dankeschön-Spende“ von S5 in den offiziellen Finanzkreislauf der Partei einzubringen. Schon von seinem Vorgänger I11 hatte der Angeklagte C von der Existenz eines „Sondervermögens“ der ###3-Fraktion erfahren, das noch aus den späten 1970er Jahren stammte und sich aus nicht verbrauchten Zuwendungen an die Fraktion sowie aus Abgaben von Ratsmitgliedern im Zusammenhang mit Wahlkämpfen der 1970er und 1980er Jahre speiste. Diese bereits existente „schwarze Kasse“, aufbewahrt in einem Tresor der Fraktion, wurde geführt von dem Zeugen Dr. G2 als Fraktionsvorsitzendem, ihre Verwaltung oblag dem Fraktionsgeschäftsführer C. In sie flossen auch Erlöse aus Festgeldern und Inhaberschuldverschreibungen von einem Konto der Fraktion, das von der Zeugin L1 verwaltet wurde, die auf Anweisung des Angeklagten C die betreffenden Kontoauszüge in ihrer Privatwohnung aufbewahrte. In diese „schwarze Fraktionskasse“ verbrachte der Angeklagte C auch die S5-Spende.
517Eine weitere „Dankeschön-Spende“ über 70.000,00 DM erbrachte S5 im September 1998an den Angeklagten C. Diese wurde - ebenfalls unter Einschaltung des Zeugen Dr. K1 - durch den Zeugen L4 abgewickelt, der dem Angeklagten C den Betrag in bar in dem Zürcher Café K11 in einem Umschlag übergab. Auch dieses Geld floss teils in die „schwarze Fraktionskasse“, teils unmittelbar an den Zeugen G1.
518Beide S5-Spenden wurden bei S5 im Zusammenhang mit zwei China-Aufträgen über ca. 400.000,00 DM verbucht.
519Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung wurde die Einlassung des Angeklagten C nicht bestätigt, er habe - was vom AngeklagtenDr. B bestritten wird - von S5 am 10.04.1997 eine weitere „Dankeschön-Spende“ über 100.000,00 DM erhalten. Weshalb der Angeklagte C den Erhalt einer dritten Spende durch S5 behauptet hat, blieb offen. Dass er im April 1997 eine weitere Spende für die ###3 von 100.000,00 DM erhalten hat, steht allerdings fest.
520Unter Einschaltung des Angeklagten A gelang es dem Angeklagten C zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 1999 und am 31.05.1999 darüber hinaus, von dem Zeugen F6 zwei Spenden von einmal 50.000,00 DM und einmal 100.000,00 DM zur Finanzierung des Kommunalwahlkampfes zu erhalten. Diese Gelder wurde dem Angeklagten C von dem Zeugen F6 im Büro der ###3-Fraktion in verschlossenen Umschlägen in bar und ohne Quittung übergeben. Die Spendenbereitschaft des Zeugen F6 wurde dadurch hervorgerufen, dass er sich so bessere Chancen im Zusammenhang mit der anstehenden Teilprivatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH & Co KG (im Folgenden: AWB), die u.a. für die Verbringung des Hausmülls zur RMVA Köln zuständig sind, sichern wollte. Der Zeuge F6 hatte sich bereits seit Anfang der 1990er Jahre für dieses damals rein städtische Unternehmen interessiert, war aber 1997 nicht zum Zuge gekommen, weil seinerzeit das Projekt der Teilprivatisierung der AWB - nicht zuletzt wegen des Widerstandes der Gewerkschaften - insgesamt gescheitert war.
521Hinter den F6-Spendengeldern im Frühjahr 1999 stand - wie von dem Angeklagten C erkannt - die Aufforderung, sich für eine entsprechende Beteiligung des Zeugen F6 an den AWB einzusetzen und insbesondere partei- und fraktionsinterne Widerstände gegen die Privatisierung auszuschalten. Dem entsprechend bat der Angeklagte C, der ursprünglich selber ein Gegner der Teilprivatisierung gewesen war, den Angeklagten A im Frühjahr 2000 nach dessen Ausscheiden aus der AVG darum, vor dem Rat aus „abfalltechnischer Sicht“ die Gründe für eine Beteiligung des Zeugen F6 an den jedenfalls teilweise zu privatisierenden AWB zu referieren. Der Angeklagte A kam dieser Bitte nach.
522Tatsächlich wurde die F6 AG im Jahr 2000 (Mit-)Gesellschafter der privatisierten AWB. Geschäftsführer wurden Herr W9, ein früherer Mitarbeiter der Stadt Köln, und Herr V9, der sich noch 1997 als Gewerkschafter vehement gegen die Teilprivatisierung der AWB ausgesprochen hatte. Im Mai 2001 zahlte der Zeuge F6 an Herrn W9 eine Prämie von 50.000,00 DM und an Herrn V9 - ab 01.07.2001 zudem neben dem Zeugen H2 Geschäftsführer der AVG - eine solche von 100.000,00 DM als „herzlichen Dank für Ihren großartigen Einsatz“. Die Prämie stand im Zusammenhang mit der Übernahme von städtischen Geschäftsanteile der AVG durch die F6-Gruppe und dem „Vorgang mit der AWB“, d.h. deren (teilweisen) Übernahme (SL 1842 ff.).
523Dem von dem Zeugen K2 als „Unternehmermelken“ bezeichneten Spendeneinwerben sahen sich u.a. auch Xxx und Y5 ausgesetzt, die- wie der nachstehenden Aufstellung zu entnehmen ist - ebenfalls, im Falle von Xxx gestückelt, die „schwarzen Kassen“ des Angeklagten C füllten.
524Insgesamt hat der Angeklagte C in den Jahren 1994 bis 1999 folgende „Dankeschön-Spenden“ - jeweils ohne Ausstellen von Quittungen - eingeworben, die er gestückelt der Kölner ###3 zukommen ließ:
525Zeitpunkt |
Betrag in DM |
„Spender“ |
März/April 1994 |
50.000 |
Xxx/K2 |
Frühjahr 1994 |
30.000 |
L11, Gastronom |
18.07.1995 |
150.000 |
S5/Dr. K1 |
10.04.1997 |
100.000 |
unbekannt |
15.09.1998 |
70.000 |
S5/L4 |
21.01.1997 |
30.000 |
M11 |
23.01.1997 |
30.000 |
Fa. M1 |
04.02.1997 |
50.000 |
Fa. M5/J5 |
15.05.1998 |
40.000 |
N11/O11 |
26.05.1998 |
30.000 |
Fa. M1 |
03.06.1998 |
50.000 |
F6 |
16.12.1998 |
50.000 |
Y5/G3 |
Frühjahr 1999 |
50.000 |
F6 |
31.05.1999 |
100.000 |
F6 |
Insgesamt |
830.000 |
Von diesen Spenden überführte der Angeklagte C einen nicht näher feststellbaren Anteil in die „schware Fraktionskasse“; weitere der Größe nach nicht näher bezifferbaren Anteile stellte er dem Zeugen G1 für die allgemeine Parteiarbeit bzw. dem Zeugen Dr. G2 zur Finanzierung des Wahlkampfes 1999 zur Verfügung.
527Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte C Anfang 1999 mit unrechtmäßig erhaltenen Geldern eine Deckungslücke von ca. 300.000,00 DM im Wahlkampf-Haushalt der Kölner ###3 auffüllte, um die notwendigen Kosten zur Finanzierung des Einsatzes der Werbeagentur G12 im Kommunalwahlkampf 1998/99 aufzubringen. Die Rechnungen von G12, die den größten Teil des finanziellen Wahlkampfaufwandes ausmachten, wurden jedenfalls über ein offizielles ###3-Konto beglichen.
5284. Aufsichts- und Verwaltungsratsmandate des Angeklagten C
529Der Angeklagte C hatte während seiner Zeit als Ratsmitglied die nachfolgenden Aufsichts- und Verwaltungsratsmandate inne:
530- Verwaltungsrat: H9-Bank Köln (jährliche Bezüge: ca. 15.000,00 €)
531- Aufsichtsrat: XX5, XX6, XX8 AG, XX9 köln, XX10, XX11 Köln (jährliche Bezüge: ca. 25.000,00 € insgesamt, davon 7.000,00 € als Sonderbeiträge an die ###3 weitergeleitet)
532IX. weitere Feststellungen betreffend den Zeugen F6
5331. Beraterverträge etc.
534a)
535Im Frühjahr 2000 beabsichtigte der Zeuge F6, dem Angeklagten C, der bereits seit 1998 Beiratsvorsitzender der Baustoff-Handel und-Recycling Köln GmbH (BuR) war, seine diesbezüglichen Bezüge jedoch über die F6-dominierte BAV erhielt, einen Beratervertrag mit dem Institut für Wasser- und Abfallwirtschaft der RWTH Aachen zu verschaffen. Institutsdirektor war der Zeuge Prof. Dr. J1, den der ZeugeF6 in seiner Funktion als Präsident des Verbandes der Entsorgungswirtschaft kennen gelernt hatte. Der Angeklagte C, der nach seinem Einzug in den Düsseldorfer Landtag im Mai 2000 aus parteiinternen Gründen erwog, sein ihm jährlich ca. 70.000,00 DM eintragendes Amt als Fraktionsvorsitzender niederzulegen und sich deshalb um eine neue finanzielle Perspektive bemühen wollte, sollte aufgrund dieses Vertrages eine jährliche Entlohnung von 50.000,00 DM bis 100.000,00 DM erhalten. Dieses Geld sollte dem Institut für Wasser- und Abfallwirtschaft seitens des Zeugen F6 zur Verfügung gestellt werden.
536Bei dem Beratervertrag mit dem Zeugen Prof. Dr. J1 bzw. dem Institut für Wasser- und Abfallwirtschaft sollte es sich allerdings lediglich um einen pro-forma-Vertrag handeln; eine reelle Gegenleistung des Angeklagten C, der vorgeblich dem universitären Forschungsinstitut umweltpolitische Informationen aus dem Landtag vermitteln sollte, wurde nicht erwartet. Allen Beteiligten war klar, dass es sich um einen finanziellen Ausgleich für den Angeklagten C handeln sollte.
537Der Angeklagte C nahm aber letztlich vom Abschluss des Vertrages Abstand, nachdem er erfahren hatte, dass er als Mitglied des Landtages gehalten war, seine Bezüge offen zu legen.
538b)
539Der Zeuge F6 - bzw. die F6 AG - schloss am 01.01.2002 mit dem Zeugen Dr. Ulrich R3 einen bis zum 31.12.2006 laufenden Beratervertrag, aufgrund dessen der Zeuge Dr. R3 für die Beratung derF6 AG in „Fragen der kommunalpolitischen Abfallwirtschaft in der BRD, deren Organisationsformen und abfallpolitische Fragestellungen“ eine laufende feste Jahresvergütung von 360.000,00 DM erhält (SL 1756 ff.). Der Zeuge Dr. R3 war vom 01.01.1994 bis zum 31.12.2001 Umweltdezernent der Stadt Köln.
540c)
541Auch der Nachfolger des Angeklagten A als Geschäftsführer der AVG, der Zeuge H2, erhielt Zahlungen des Zeugen F6. Der Zeuge H2 war vor seiner Tätigkeit bei der AVG, der er zunächst vom 01.07.1992 bis zum 30.04.1996 und sodann wieder seit dem 01.10.1997- seit dem 01.05.2000 als Geschäftsführer - nachging, in einem Unternehmen der F6-Gruppe beschäftigt; sein Wechsel zur AVG entsprach einem Wunsch des Zeugen F6. Da man ihm seitens der AVG das zuvor bei F6 bezogene Gehalt nicht in gleicher Höhe zahlen konnte, erklärte der Zeuge F6 sich zu „Zusatzleistungen“ an den Zeugen H2 bereit: so erhielt der Zeuge H2 während seiner Tätigkeit bei der AVG in den Jahren 1992 bis 1996 jährlich zwischen 105.000,00 DM (SL 1779) und 120.000,00 DM seitens des Zeugen F6; seit 1997 erhielt er von diesem jährliche Tantiemen, die sich in den Jahren 1997 bis 1999 auf75.000,00 DM und in den Jahren 2000 und 2001 auf 150.000,00 DM beliefen. Nach der Übertragung der F6-Geschäftsanteile an die A13im Jahr 2002 wurden diese Zahlungen nicht fortgesetzt.
5422. Übernahme der städtischen AVG-Geschäftsanteile
543Aufgrund eines Ratsbeschlusses vom 14.12.2000 wurden die städtischen Anteile an der AVG, deren Stammkapital in der seit ihrer Gründung verstrichenen Zeit verschiedentlich erhöht worden war, von 8.517.000,00 DM zu 50,5 % (= 4.301.000,00 DM) auf die XX5 übertragen; der restliche Anteil von 4.216.000,00 DM wurde an die F6 Köln GmbH & Co.KG verkauft; die Anteile des Zeugen F6 sind zwischenzeitlich auf die A13AG (25,1 %) und die A13Köln GmbH & Co.KG (24,8 %) übergegangen. Damit sind Anteilseigner der AVG die XX5 mit insgesamt 50,1 % und RWE mit 49,9 %.
544Der für die Veräußerung der Geschäftsanteile festzustellende Unternehmenswert der AVG wurde durch ein Gutachten der KPMG vom 17.11.2000 ermittelt. Das Gutachten gelangt - ausgehend u.a. von den Jahresabschlüssen 1997 bis 1999 - zu einem Gesamt-Unternehmenswert zum Bewertungstag 01.01.2001 von 104.300.000,00 DM. Der Wert war nach der Ertragswertmethode berechnet worden: Die Überschüsse der Erträge über die Aufwendungen in den nächsten Jahren wurden über Plandaten ermittelt und zum Bewertungstag abgezinst. Dabei ging man für die Jahre ab 2006 von stetig sinkenden Erlösen aus. Grundlage des Gutachtens waren die Jahresabschlüsse 1997 - 1999, die Entgeltkalkulation und der Wirtschaftsplan 2000, das Anlagenverzeichnis mit Abschreibungsfortschreibung bis 2009, das Darlehensverzeichnis und die bestehenden Verträge mit der Stadt Köln, den Unternehmen der F6-Gruppe und den Beteiligungen der AVG.
545In der dem Rat am 14.12.2000 zur Entscheidung vorgelegten Vertragsfassung wurde der Kaufpreis für den Zeugen F6 mit 25.886.400,00 DM zuzüglich des anteiligen Gewinnanteils beziffert, im notariellen Kaufvertrag mit 25.886.157,94 DM. Dieser Preis setzt sich zusammen aus dem o.g. anteiligen Wert und dem anteiligen Jahresgewinn 2000 in Höhe von19.757,94 DM, der - wie die nachfolgende Aufstellung zeigt - im Vergleich zu dem der Vor- und Folgejahre erheblich geringer ausfiel:
546Jahr |
Überschuss in DM |
1997 |
312.145 |
1998 |
190.928 |
1999 |
430.219 |
2000 |
79.669 |
2001 |
1.661.200 |
2002 |
3.113.000 |
2003 |
4.679.700 |
X. Steuerdelikte des Angeklagten A
548Der Angeklagte A gab für die Jahre 1995 bis 1998 Einkommensteuererklärungen ab, in denen er jeweils erhebliche Teile seines Einkommens verschwieg. Er verschwieg Einkünfte aus Kapitalvermögen und die sonstigen Einkünfte, die er - abgesehen von den Einkünften aus dem BUA-Vertrag und der „Beteiligung H12“ - durch an ihn im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA erfolgte Schmiergeldzahlungen erzielte. Im einzelnen handelte es sich in den Jahren 1995 bis 1998 um die folgenden Einkünfte:
549Fälle |
1 |
2 |
3 |
4 |
Einkünfte |
1995 |
1996 |
1997 |
1998 |
Schmiergeld- zahlungen in DM (= sonstige Einkünfte) |
1.000.000,00 |
400.000,00 |
---- |
1.890.000,00 |
Kapitalvermögen in DM |
156.442,00 |
216.512,00 |
161.800,00 |
175.317,00 |
Insgesamt (in DM) |
1.156.442,00 |
626.512,00 |
161.800,00 |
2.065.317,00 |
Auf diese Weise gelang es ihm, insgesamt Steuerbeträge von2.235.380,90 DM (= 1.142.927,90 €) in folgenden Einzelbeträgen für die jeweiligen Jahren zu hinterziehen (ohne auf die Steuern entfallende Zinsen):
551Fälle |
1 |
2 |
3 |
4 |
1995 |
1996 |
1997 |
1998 |
|
Einkommensteuer in DM |
612.926,00 |
320.888,00 |
77.330,00 |
1.088.532,00 |
Soli-Zuschlag in DM |
45.969,45 |
24.066,60 |
5.799,75 |
59.869,26 |
SUMME (in DM) |
658.895,45 |
344.954,60 |
83.129,75 |
1.148.401,20 |
Seitens der Finanzbehörden wird - nach jeweils erklärtem Rangrücktritt der Staatsanwaltschaft - in folgende bei dem Angeklagten A sichergestellten Vermögenswerte vollstreckt:
553- Guthaben bei der XX7 Düsseldorf von 248.660,89 €;
554- Guthaben bei der H9-Bank Köln von 2.040,19 €;
555- Guthaben bei der Kredit- und Volksbank R8 von 462.145,46 €;
556- Anspruch des Angeklagten gegen die Eheleute X8 aus der Abwicklung eines Grundstücks-(„Schwarz“-)Geschäftes von 536.856, 47 € (von diesen in dieser Höhe anerkannt)
557- Kautionsforderung 538.257,44 €
558insgesamt: 1.798.960,40 €.
559Der Steuerbescheid 1995 erging am 15.07.1997. Nach dem Erlass zweier Änderungsbescheide vom 03.02.1999 und 15.03.2000 wurde im dritten Änderungsbescheid vom 18.11.2002 erstmalig eine Schmiergeldzahlung von 1 Mio. DM berücksichtigt; keiner der Änderungsbescheide hatte Auswirkungen auf die Progressionsstufe des Angeklagten.
560Der Steuerbescheid 1996 erging am 18.11.1997. Erneut wurden unter dem 11.02.1998, 04.03.1998 und 03.02.1999 Änderungsbescheide erlassen, die die Progressionsstufe des Angeklagten A nicht tangierten. Ein vierter Änderungsbescheid vom 18.11.2002 berücksichtigt erstmalig die 1996 beim Angeklagten A verbliebene Schmiergeldzahlung von 400.000,00 DM.
561Der Steuerbescheid 1997 erging am 10.03.1999. Ein erster Änderungsbescheid vom 12.04.1999 erfasste eine nicht berücksichtigte Spende, der zweite Änderungsbescheid vom 30.01.2002 die bislang nicht berücksichtigten Einkünfte aus der „Beteiligung H12“, ein dritter Änderungsbescheid vom 09.12.2002 bislang nicht berücksichtigte ausländische Kapitalzinsen; ein vierter Änderungsbescheid vom 16.01.2004 enthielt erneut eine Korrektur bzgl. der „Beteiligung H12“. Erneut wurden die Progressionsstufen nicht berührt.
562Der Steuerbescheid 1998 erging am 28.03.2000. Der Änderungsbescheid vom 18.11.2002 berücksichtigte die im Jahr 1998 an den Angeklagten A geflossenen Schmiergeldzahlungen von 3 Mio. DM; dieser wurde am 20.01.2004 bzgl. der Schmiergeldzahlungen unter Berücksichtigung eines Betrages von nur 1,89 Mio. DM erneut geändert. Eine Änderung der Progressionsstufe erfolgte nicht.
563Der erste gegen den Angeklagten A gerichtete Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts U8, der sich auch auf steuerstrafrechtliche Vorwürfe bezog, erging am 09.11.2000.
564Zwar hat auch der Angeklagte A eingeräumt, die vorgenannten Beträge nicht zur Einkommensteuer angemeldet zu haben. Entsprechende Angaben erfolgten jedoch erst, nachdem der Zeuge L4 in seiner Vernehmung vom 22.02.2002 umfangreich zu den Schmiergeldvorgängen und den in diesem Zusammenhang geflossenen Zahlungen bekundet hatte und die Ermittlungsbehörden daher bereits auf die Steuerdelikte des Angeklagten A aufmerksam geworden waren.
565XI. weitere Feststellungen betreffend den Angeklagten A
5661. Ausscheiden des Angeklagten A aus der AVG
567Nach der Kommunalwahl im September 1999 wurde die bis dahin von der ###3 dominierte Herrschaft im Rat der Stadt Köln durch eine Koalition aus ###5 und ###7/###1 abgelöst. Zum Oberbürgermeister wurde der ###5-Ratsherr K6 gewählt. Zu diesem hatte der Angeklagte A bereits seit Anfang der 1990er Jahre ein gespanntes Verhältnis:
568Unmittelbar nach Gründung der AVG interessierte sich der damalige Ratsherr K6 für das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden und wollte gegen den Zeugen Dr. O3 kandidieren. K6 verfügte aber für dieses Vorhaben nicht einmal über die notwendige Unterstützung aus der eigenen Fraktion, wie der Angeklagte A von dem damaligen ###5-Fraktionsvorsitzende R3 erfahren hatte. Der Angeklagte A, der eine aussichtslose Kampfkandidatur um den Aufsichtsratsvorsitz vermeiden wollte, beriet sich mit dem Zeugen F6, woraufhin K6 auf eine Kandidatur verzichtete und einen Posten bei der GVG erhielt.
569Hinzu kam ein weiteres: Der damalige Ratsherr und Immobilienmakler K6 hatte den Angeklagten A 1992 im Vorfeld der Errichtung der RMVA Köln zu einem Treffen in sein Privathaus nach Köln-Sürth gebeten und ihn dort auf die Kosten des geplanten Projektes angesprochen. Bei dieser Gelegenheit stellte K6 dem Angeklagten A ein Immobilienleasing („cross border leasing“) als einzig sinnvolle Finanzierungsweise für die RMVA dar, für das er bereits ein Modell mit einem Volumen von 1,2 Mrd. DM ausgearbeitet hatte; K6 erklärte sich bereit, die notwendigen Kontakte herzustellen. Ohne dass die Frage der Entgeltlichkeit seines Einsatzes ausdrücklich angesprochen wurde, ging der Angeklagte A davon aus, dass K6 eine Entlohnung beanspruchen würde, da er damals noch als Makler tätig und das Entrichten eines Honorars daher üblich war. Obwohl der Vorschlag K6s dem Angeklagten A aus verschiedenen Gründen nicht zusagte, stellte er ihn dennoch - mit ablehender Stellungnahme - dem damaligen Aufsichtsratvorsitzenden der AVG und dem Kämmerer der Stadt Köln, dem Zeugen O1, vor. Auch dort fand das von K6 vorgeschlagene, für die Kommunen aus wirtschaftlicher Sicht bekanntermaßen äußerst bedenklich Finanzierungsmodell, bei dem einem kurzfristigen sog. Bargeldvorteil drückende langfristige Verpflichtungen gegenüberstehen, jedoch keine Akzeptanz, so dass es nicht verwirklicht wurde.
570Der Angeklagte A hatte sich allerdings nicht dem Vorhaben widersetzt, die zahlreichen Versicherungen für die RMVA über eine Versicherungsagentur L6 abzuschließen, zu der ihm der Vorsitzende des Finanzausschusses und ###3-Ratsherr M6 einen Kontakt vermittelt hatte. Hintergrund war, dass der Ratsherr M6 unerwartet Bedenken gegen die RMVA erhob und der Angeklagte A den Eindruck gewonnen hatte, dass diese Bedenken damit zusammenhingen, dass er den Vorsitzenden des Finanzausschusses hinsichtlich des Abschlusses der Versicherungen nicht einbezogen hatte. Nachdem die AVG dem Rat M6s folgend dann die Versicherungen tatsächlich über die Agentur L6 abschloss - wobei der Angeklagte A nach seiner unwiderlegten Einlassung allerdings stets darauf achtete, dass diese die günstigsten Angebote unterbreitete - wurden die Bedenken des Ratsherren M6 gegenstandslos.
571Aufgrund der geschilderten Vorkommnisse hielt der Angeklagte A es für sehr wahrscheinlich, dass sich seine Zusammenarbeit als Geschäftsführer der AVG mit dem nunmehrigen Oberbürgermeister K6 schwierig gestalten würde. So verwunderte es ihn nicht sehr, als er kurz nach der Wahl K6s zum Oberbürgermeister von diesem in einem persönlichen Gespräch gefragt wurde, ob er nicht „sehr müde“ sei, nachdem er nun bereits 38 Jahre für die Stadt gearbeitet und erhebliche Anstrengungen im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA auf sich genommen habe. Der Angeklagte A verstand dies sogleich zutreffend als die Aufforderung, sein Ausscheiden aus der AVG ohne das Erfordernis einer Kündigung in die Wege zu leiten. Er wandte sich an den ###5-Ratsherren Dr. J6, der ihm bestätigte, „J6“ - gemeint war der Oberbürgermeister K6 - „habe sich eben geärgert“; A sollte aus der AVG ausscheiden. Dr. J6 riet dem Angeklagten A, sich selbständig zu machen und bot ihm an, ihm die ersten Beraterverträge zu besorgen - ein Angebot, auf das der Angeklagte A jedoch nicht zurückkam. Anlässlich einer auf Anraten K6s bei dem Angeklagten A durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung wurde dann ein Wirbelsäulenleiden (herausgesprungener Rückenwirbel im unteren Bereich) diagnostiziert, als dessen Folge der Arbeitsvertrag des Angeklagten A mit der AVG am 13.04.2000(SL 1652 ff.) einvernehmlich zum 01.05.2000 aufgehoben und dem Angeklagten A eine Betriebsrente entsprechend der Regelung im Anstellungsvertrag (SL 1640 ff.) zugebilligt wurde.
5722. Beratertätigkeit des Angeklagten A
573a)
574Bereits während seiner Tätigkeit bei der AVG, für die der AngeklagteA ein Jahresgehalt von 220.000,00 DM brutto erhielt, war er verschiedentlich als Berater tätig geworden; ihm war - wie bereits erwähnt - seitens der AVG 1994 eine weit gefasste Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt worden. Zu diesen Tätigkeiten zählte u.a. der ebenfalls dargestellte und zu ca. 50 % reale Leistungen enthaltende Beratervertrag mit der C13. Daneben war der Angeklagte A vornehmlich für die Firma B13 für Kommunalwirtschaft GmbH mit Sitz in xxx tätig, die derF6-Firmengruppe zuzurechnen ist; dass der Angeklagte A dies bei der Aufnahme seiner Tätigkeit wusste, konnte nicht festgestellt werden. Ferner unterhielt der Angeklagte A einen Beratervertrag mit einer Flughafenbetreibergesellschaft in xxx und derNeubrandenburgischen Abfallverwertungsgesellschaft.
575Aus diesen Beraterverträgen erzielte der Angeklagte A folgende Einkünfte:
576Jahr |
Unternehmen |
Betrag in DM |
1994 |
B13 Berlin |
185.000 |
1995 |
B13Berlin |
385.000 |
1995 |
C13 Berlin |
200.000 |
1996 |
B13 Berlin |
192.000 |
1997 |
B13 Berlin |
146.000 |
1998 |
B13 Berlin |
16.250 |
1998 |
Flughafenbetreibergesellschaft |
195.000 |
1999 |
Neubrandenburgische Abfallverwertungsgesellschaft |
45.000 |
b)
578Nach seinem Ausscheiden aus der AVG gründete der Angeklagte A im April 2000 die Firmen P8 GmbH mit Sitz in R8 undQ8 GmbH mit Sitz in S8; beide Firmen erbringen Beratungsdienstleistungen; ihr Geschäftsführer wurde der Angeklagte A. Diese Firmen schlossen folgende Beraterverträge:
579Jahr |
Vertragspartner |
Betrag in DM |
2000 |
F6 AG |
100.000 |
U6 |
105.000 |
|
R6 |
120.000 |
|
S6 Tiefbau |
140.000 |
|
Fa. M1/Deponiegesellschaft T6 |
236.000 |
|
Insgesamt |
681.000 |
|
2001 |
F6 AG |
150.000 |
U6 |
180.000 |
|
R6 |
180.000 |
|
S6 Tiefbau |
210.000 |
|
Q6 |
650.000 |
|
Fa. M1 |
118.000 |
|
Nachfolger Fa. M1 |
236.000 |
|
Insgesamt |
1.724.000 |
|
2002 |
F6 AG |
12.500 |
U6 |
15.000 |
|
R6 |
15.000 |
|
S6 Tiefbau |
17.500 |
|
Q6 |
54.200 |
|
Fa. M1 |
29.500 |
|
Insgesamt |
143.700 |
Die Beraterverträge von P8 mit den Firmen F6 AG,Q6, S6 und U6 wurden nach der Inhaftierung des Angeklagten A sämtlich seitens der Vertragspartner aus wichtigem Grund gekündigt. Unter dem 12.04.2004 trafen deren Geschäftsführer mit dem Angeklagten A eine Vereinbarung, wonach die Beraterverträge einvernehmlich mit Wirkung vom 28.02.2004 unter Verzicht auf alle wechselseitigen Ansprüche beendet wurden; ein restlicher Honoraranspruch aus dem Beratervertrag von P8 mit der F6 AG vom 30.08.2001 über ein Gesamtvolumen von 4,9 Mio. DM wurde als Einmalzahlung ausgekehrt und teilweise mit den noch offenen Raten aus einem P8 am 16.07.2001 von der F6 AG über 950.000,00 DM (SL 1481) zu den marktüblichen Konditionen und einem Zinssatz von 5 %, gewährten Darlehen verrechnet; das Darlehen war in zwei Tranchen im Juli 2001 und Januar 2002 ausgezahlt worden (Anlage II zum Protokoll vom 09.01.2004).
581c)
582Die Firmen des Angeklagten A hatten ihrerseits folgende Beraterverträge an den Zeugen Z1 vergeben, einen ehemaligen Mitarbeiter des Angeklagten A aus seinen Zeiten bei der AVG, den der Angeklagte A fachlich besonders schätzte und den er beruflich fördern wollte:
583Firma |
Jahr |
Betrag in DM |
P8 |
2000 |
51.000 |
2001 |
102.000 |
|
2002 |
85.000 |
|
Q8 |
2001 |
62.500 |
2002 |
8.750 |
Der Zeuge Z1 hatte für diese Tätigkeit eine Nebentätigkeitsgenehmigung der AVG erhalten.
5853. Aufsichtsrats- und Beiratsmandate
586Der Angeklagte A erzielte in den Jahren 1993 bis 1999 aus Beirats- und Aufsichtsratstätigkeiten in Unternehmen der F6-Gruppe folgende Einkünfte:
587Jahr |
Firma |
Betrag in DM/a |
1993 - 1996 |
Firma Baustellenabfallaufbereitungsgesellschaft mbH Köln |
45.000 |
1997 |
Fa. Automobilrecycling |
65.000 |
1998/99 |
Fa. GmbH |
20.000 |
XII. weitere Feststellungen zum Angeklagten Dr. B
5891. Das „China-Geschäft“
590Im Jahr 1993 hatte sich S5 neben T5 und der Firma xxx (heute: xxx) sowie zahlreichen ausländischen Bietern um den Bau zweier Dampferzeugungsanlagen in Yang Liu Quin/China beworben. Um nach Möglichkeit einem deutschen Unternehmen den Zuschlag zu sichern, trafen der Angeklagte Dr. B, Herr P11 (T5) sowie der Zeuge K4 (EVT) eine Absprache, nach der die Angebote der drei Konkurrenten so abgegeben werden sollten, dass S5 zum Zuge käme; T5 und EVT sollten sodann bei der Vergabe von Folgeaufträgen berücksichtigt werden. Als absehbar war, dass die Chinesischen Auftraggeber T5 gegenüber S5 vorzogen und der Zuschlag an T5 gehen würde, vereinbarten der Angeklagte Dr. B sowie Herr P11 und der Zeuge K4, dass seitens T5 dafür gesorgt werden sollte, dass jeder von ihnen aus diesem Geschäft eine persönliche Zahlung von 2 Mio. DM erhalten würde; es war den Beteiligten klar, dass dies zu Lasten von T5 gehen sollte.
591In der Hauptverhandlung befragt nach dem Motiv für das „China-Geschäft“, gab der Angeklagte Dr. B an, er, der Zeuge K4 und Herr P11 hätten sich damals Gedanken über ihre berufliche Zukunft angesichts erwarteter Fusionen oder Übernahmen ihrer jeweiligen Firmen durch andere Gesellschaften gemacht; es habe das Risiko einer fristlosen Kündigung nach der Übernahme von S5 bestanden; eine solche Kündigung hätte nach seinem Arbeitsvertrag den Verlust seiner vertragliche Altersvorsorge nach sich gezogen; für einen solchen Fall habe er Vorsorge treffen wollen. Der Angeklagte Dr. B verfügte in den Jahren seit 1993 während seiner Tätigkeit bei S5 über ein jährliches Festgehalt von über 500.000,00 DM; zudem erhielt er eine Gewinnbeteiligung von 2 % des Nettounternehmensgewinns; diese betrug z.B. im Jahr 1997 ca. 758.000,00 DM; es gab auch Jahre, in denen keine Gewinnbeteiligung ausgezahlt wurde.
592Um die vereinbarte Summe generieren zu können und den Zahlungsweg bei der Verteilung der Gelder zu verschleiern, wurde - unter Einschaltung des Zeugen Dr. K1 - von Herrn P11 in Absprache mit dem Angeklagten Dr. B und dem Zeugen K4 ein Provisionsvorgang fingiert, aufgrund dessen QQQ am 29.08.1994 T5 für angebliche Provisionsleistungen im Zusammenhang mit dem Projekt Yang Liu Quin eine „Erfolgspauschale“ von 6 Mio. DM in Rechnung stellte (SL 1674). Mit diesem Betrag wurde das Konto der T5 bei der XX7 in Essen am 05.09.1994 belastet (SL 1678), er wurde einem Konto der QQQ gutgeschrieben. Auf Veranlassung des Zeugen Dr. K1 wurde dem Angeklagten Dr. B am 18.10.1994 über X10 ein Betrag von 2.878.000,00 Mio. DM auf dem Namens-Konto „V6“ bei der Xxx-Bank in Zürich (SL 1170) gutgeschrieben, hiervon übergab er nach seiner unwiderlegt gebliebenen Einlassung am 26.10.1994 einen Betrag von 962.000,00 DM an Herrn P11.
593Betreut wurde der Angeklagte Dr. B bei der Royal Bank ofScotland Bank durch den Zeugen Y4, der nach der Übernahme dieser Bank durch ein anderes Institut zur D13-Bank/Schweiz wechselte; der Angeklagte Dr. B „folgte“ dem Zeugen Y4 und übertrug sein Guthaben von der Xxx-Bank auf ein bei der D13-Bank errichtetes Konto. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der AngeklagteDr. B noch über weitere ausländische Konten verfügte.
594Bei der Eröffnung des Kontos bei der Xxx-Bank hatte der Angeklagte Dr. B dort bereits 398.000,00 DM eingezahlt, die er nach seiner unwiderlegten Einlassung aufgrund einer Provisionsvereinbarung mit dem EVT-Mitarbeiter und Zeugen K4 hinsichtlich eines weiteren China-Projektes erhalten hatte. Es konnte nicht festgestellt werden, ob diesem Geschäft eine unlautere Absprache zu Lasten Dritter zugrunde lag.
595Im April 2002 erstattete der Angeklagte Dr. B im Rahmen seiner Vernehmungen im Ermittlungsverfahren hinsichtlich der steuerlichen Nichtangabe der Zahlung aus dem China-Projekt im Jahr 1994 Selbstanzeige; die Tat war zu diesem Zeitpunkt noch nicht entdeckt.
5962. Ermittlungsverfahren Xxx
597Gegen den Angeklagten Dr. B ist - wie bereits angesprochen - ebenfalls im Zusammenhang mit der Errichtung der MVA Xxx ein Strafverfahren anhängig, das aus dem bei der Staatsanwaltschaft Mannheim geführten Verfahren (613 Js 23434/97) hervorging und bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart unter dem Aktenzeichen 140 (151/163) Js 66570/99 geführt wird. Die dortige Anklage vom 30.05.2003 erhebt gegen den Angeklagten Dr. B den Vorwurf, einem Amtsträger - dem ebenfalls angeklagten und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten Q11 - einen Vorteil als Gegenleistung dafür angeboten, versprochen und gewährt zu haben, dass dieser eine Diensthandlung künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt, indem er ihn zu bestimmen versucht habe, dass er, soweit die Handlung in seinem Ermessen stand, sich bei der Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen gelassen habe. Der Angeklagte Dr. B soll auf Kosten von S5 an den dortigen Mitangeklagten Q11 zwischen Frühjahr 1997 und Frühjahr 1998 400.000,00 DM in bar ausgezahlt haben; Hintergrund soll eine rechtswidrige „Provisionsabsprache“ zwischen dem Mitangeklagten Q11 und dem Vorgänger des Angeklagten Dr. B bei S5, dem hiesigen Zeugen Dr. W5, gewesen sein, aufgrund derer Q11 pflichtwidrig dafür gesorgt haben soll, dass S5 den Zuschlag zum Bau der MVA Xxx erhielt.
598Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat der Verteidigerin des Angeklagten Dr. B, Rechtsanwältin Dr. H8, mitgeteilt, dass einer Erledigung des dortigen Verfahrens nach § 154 StPO nicht zugestimmt würde, wenn im vorliegenden Verfahren gegen den Angeklagten Dr. B eine zur Bewährung ausgesetzt Freiheitsstrafe verhängt werde.
5993. Steuerhinterziehung
600Der Angeklagte Dr. B unterließ es, die feststehende Schmiergeldzahlung von 1 Mio. DM, die er 1995 oder 1996 von dem AngeklagtenA im Wege des sog. kick-back erhalten hat, bei der Erklärung seiner Einkommensteuer mitanzugeben. Er hat diesen Umstand im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 08.04.2002 eingeräumt. Zu diesem Zeitpunkt war es im Zuge von Ermittlungsmaßnahmen zur Beschlagnahme von Unterlagen bei T5 gekommen, die die Überweisung des "Provisionsbetrages" aus dem o.g. China-Geschäft auf ein Konto der QQQ belegten. Der Angeklagte Dr. B rechnete damit, dass man in diesem Zusammenhang später auch auf Unterlagen betreffend das Konto „V6“ stoßen würde, da dieser Betrag durch Überweisung seitens der X10 auf das Konto "V6" gelangt und in Insiderkreisen allgemein bekannt war, dass der Zeuge Dr. K1 sowohl in Verbindung mit QQQ als auch mit X10 stand.
601Der Steuerbescheid für das Jahr 1995 datiert vom 20.12.1996, der Änderungsbescheid vom 15.07.2002. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erstreckten sich auf den Verdacht der Steuerhinterziehung aus dem Jahr 1995 erstmalig, nachdem der Angeklagte Dr. B in seiner Vernehmung vom 08.04.2002 hierzu Angaben gemacht und zugleich eine Selbstanzeige erstattet hatte. Zum Zeitpunkt des vorher erlassenen Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Köln vom 13.02.2002 waren die Ermittlungsbehörden auf diesen Sachverhalt noch nicht gestoßen.
602Dem Angeklagten B wurde seitens der Steuerfahndung keine Frist nach § 371 Abs. 1 AO gesetzt.
603XIII. Feststellungen zum Verfahrensablauf
6041. Unvollständigkeit der Verfahrensakte
605In der Hauptverhandlung vom 16.03.2004 stellt sich im Rahmen der Befragung des Zeugen Kriminalhauptkommissar Y1 durch den Verteidiger des Angeklagten C, Rechtsanwalt J8, heraus, dass ein Schreiben des den Zeugen U3, F5, vertretenden Zürcher Rechtsanwalt Dr. I3 vom 31.01.2003 (Anlage VI zum Protokoll vom 16.03.2004) nicht zu den hiesigen Verfahrensakten gelangt war. In diesem Schreiben - gerichtet an den Zeugen Y1 - beantwortet Rechtsanwalt Dr. I3 unter Bezugnahme auf ein vorangegangenes Schreiben des Zeugen Y1 vom 26.11.2002 eine Reihe von Fragen, die sich u.a. auf den AngeklagtenA und die AVG, aber auch auf Vorgänge um den Zeugen Dr. H3 und die Firma F5 AG beziehen. Hintergrund der schriftlichen Befragung des Zeugen U3 durch den Zeuge Y1 über Rechtsanwalt Dr. I3 war, dass der Zeuge U3 im Nachgang zu seiner Zeugenvernehmung in dem bereits erwähnten Steuerstrafverfahren gegen den Zeugen Dr. H3 vor dem Landgericht Hamburg mehrere Schriftstücke zu den Akten gereicht hatte, das mit der Überschrift „F5 Dossier für Zeugeneinvernahme R. U3 durch Bezirksstaatsanwaltschaft IV, Zürich am 08.11.2000“ zur hiesigen Verfahrensakte gelangt und u.a. dem Zeugen N2 im Rahmen seiner Vernehmung in der hiesigen Hauptverhandlung vorgehalten worden war. Inhalt des „F5 Dossiers“ ist u.a. die Behauptung, dem Angeklagten A sei auf Veranlassung von T5 im Zusammenhang mit der Errichtung von Müllverbrennungsanlagen in P7 und xxx über die F5 AG ein Betrag von 2,4 Mio. DM zugeflossen. Nach Angaben des Zeugen Dr. H3 soll es sich dabei um den Betrag handeln, den man ihm im Rahmen des Hamburger Steuerstrafverfahrens fälschlicherweise zugeordnet hat.
606Der in der Schweiz lebende schweizer Zeuge U3 hatte dem Zeugen Y1 im November 2002 auf eine telefonische Kontaktaufnahme hin mitgeteilt, er sei nicht bereit, zu einer Vernehmung nach Deutschland zu kommen; weiter hatte er angegeben, die Geldflüsse über die F5 AG habe dort sein inzwischen verstorbener Mitarbeiter R11 organisiert. Telefonisch hatte der Zeugen U3 gegenüber dem Zeugen Y1 anlässlich dieses Gespräches aber wiederholt, dass die genannten 2,4 Mio. DM in drei Tranchen von dem Angeklagten A in Begleitung eines niederländischen Staatsbürgers bei der Bodenkreditanstalt V7/Liechtenstein abgeholt worden seien; der Name des Niederländers, der sich gegenüber der Bodenkreditanstalt habe ausweisen müssen, sei dort nicht notiert worden.
607Das Schreiben des Zeugen Y1 an den Zeugen U3 vom 26.11.2002 - verfasst im Rahmen des Ursprungsverfahrens 114 Js 531/00, aus dem mit Verfügung vom 20.03.2003 im Zuge der Anklageerhebung das hiesige Verfahren 114 Js 29/03 gegen die Angeklagten A, Dr. B und C sowie die gesondert Verfolgten F6 und J4 ausgetrennt wurde - enthielt u.a. folgende Fragen:
6081. Kennen Sie Herrn A von der AVG, Köln?
6092. Welchen Kontakt hatten Sie mit ihm und was haben Sie mit ihm vereinbart?
610Der Zeuge U3 hat im hiesigen Verfahren unter Berufung auf seine Rechte aus § 55 StPO der Zeugenladung der Kammer nicht Folge geleistet.
611Auf Nachfrage von Rechtsanwalt J8 nach den Gründen für das Fehlen des Schreibens des Zeugen Dr. I3 in den hiesigen Hauptakten gab der Zeuge Y1 am 16.03.2004 sinngemäß zur Antwort, das könne er nicht sagen, es gäbe aber wohl Gründe dafür.
612In der Hauptverhandlung vom 18.03.2004 verlas der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Staatsanwalt D2, die nachfolgende gemeinsam mit dem weiteren Sitzungsvertreter, Staatsanwalt D1, verfasste Erklärung (Anlage I zum Protokoll vom 18.03.2004):
613„Über folgenden Sachverhalt wurde der Vors. Richter am Landgericht Köln - Herr S11 - am Abend des 17.03.2004 fernmündlich von den Unterzeichnern unterrichtet:
614Am 17.03.2004 nahmen die Unterzeichner fernmündlich Rücksprache mit der Kriminalpolizei Köln - KK 45 - KHK P3 um den Verbleib der durch Rechtsanwalt J8 am letzten Hauptverhandlungstag (16.03.2004) überreichten Schriftstücke (Fragen an den Zeugen U3 und dessen Antwort hierauf) zu klären.
615Dabei vermittelte KHK P3 den Eindruck, sich erinnern zu können, seitens der Staatsanwaltschaft sei nach Eingang der Schriftstücke entschieden worden, diese nicht zu den Akten zu nehmen, da dadurch die Glaubwürdigkeit der Einlassung des Angeklagten A beeinträchtigt würde. Beide Unterzeichner wiesen KHK P3 sofort daraufhin, daß dies nicht den Tatsachen entspreche. Eine Anweisung vor diesem Hintergrund habe es nie gegeben.
616In einem anschließenden Telefonat zwischen Staatsanwalt D1 und den Herren KHK P3 und KOK F1 erklärteKHK P3, er meine sich erinnern zu können, (auch) mit Staatsanwalt D1 über diese Frage gesprochen zu haben. Dabei erklärte KOK F1, er habe Staatsanwalt D2 seinerzeit angerufen und diesen gefragt, ob das Schreiben denn in dem Verfahren um die MVA E13 verwendet werden könne, woraufhin Staatsanwalt D2 entgegnet habe: "besser nicht".
617Staatsanwalt D1 wies in dem Telefonat mit KHK P3 und KOK F1 daraufhin, daß sehr wohl in dem Verfahren um die MVA E13 die Glaubwürdigkeit der Aussagen H3/U3 zwischen ihm und der Kriminalpolizei diskutiert worden und ob eine Durchsuchung bei der F5 AG erforderlich sei. Staatsanwalt D1 wies weiter daraufhin, daß Gegenstand dieser Diskussion jedoch nicht das Schreiben des Zeugen U3 gewesen sei.
618Sowohl bei dem gestrigen ersten als auch bei dem zweiten Telefonat mit der Kriminalpolizei wurde weiterhin darüber gesprochen, daß diese Schreiben Herrn KHK T11 (LKA Düsseldorf) im Verfahren um die T5 zur Verfügung gestellt wurden. Zu diesem Zweck hat es tatsächlich ein Telefonat zwischen KHK P3 und Staatsanwalt D2 gegeben. KHK P3 hatte seinerzeit mitgeteilt, daß KHK T11 um Übersendung dieser Schreiben gebeten hatte und weiter mitgeteilt, er wolle einen Vermerk darüber fertigen, daß diese Schreiben bislang aus ermittlungstaktischen Gründen zurückgehalten worden wären, um die Ermittlungen im Verfahren T5 und P7 nicht zu gefährden.
619Es ist nicht auszuschließen, daß seitens der Kriminalpolizei mit den Unterzeichnern über das Schreiben des Zeugen U3 gesprochen wurde. Die Unterzeichner schließen jedoch aus, daß sie direkt oder indirekt die Anweisung erteilt haben, das Schreiben nicht zu den hiesigen Akten zu nehmen, um die Glaubwürdigkeit der Einlassung des Angeklagten A nicht zu gefährden. Der Inhalt dieses Schreibens ist nämlich den Unterzeichnern erstmalig anläßlich der Vernehmung des Zeugen Y1 bekannt geworden.
620Vorsorglich weisen die Unterzeichner darauf hin, daß bei der Kriminalpolizei noch verschiedene Schriftstücke (Strafanzeigen, anonyme Anzeigen, Zuschriften) verwahrt werden, die im Laufe des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei eingegangen sind. Die Unterzeichner haben die eingegangene "Flut" von Schriftstücken jeweils bewertet, ob sie Beweisrelevanz für das hiesige Verfahren haben. War dies der Fall, sind sie unmittelbar zu dem Vorgang genommen worden. Soweit sich aus den Schriftstücken oder Strafanzeigen der Anfangsverdacht einer Straftat ergab, wurden entsprechende Ermittlungen aufgenommen und dauern diese teilweise noch an.“
621Ferner verlas Staatsanwalt D2 nachfolgende, nur von ihm unterzeichnete Erklärung:
622„Zu dem Telefonat zwischen KHK P3 und Staatsanwalt D2 zwecks Aushändigung der Schriftstücke (Fragen an den Zeugen U3 und dessen Antwort hierauf) an KHK T11 (LKA Düsseldorf) im Verfahren T5 ist dem Unterzeichner lediglich erinnerlich, daß ein solches Telefonat stattgefunden hat. Weitere Einzelheiten über Zeitpunkt sowie den Inhalt dieses Gesprächs, insbesondere über eine Zurückhaltung dieser Schreiben aus ermittlungstaktischen Gründe und den Hintergrund hierfür, sind dem Unterzeichner nicht mehr in Erinnerung. Ebensowenig ist dem Unterzeichner noch in Erinnerung, ob überhaupt über den Inhalt dieser Schreiben oder lediglich über die Befugnis zur Weiterleitung an das LKA Düsseldorf für das dortige Verfahren gesprochen worden ist.
623In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß bei der Menge der damals und auch noch heutigen anhängigen Verfahren im Zusammenhang mit der MVA Köln, MVA E13 u.a. eine Vielzahl von Telefonaten mit der Kriminalpolizei (EG Niehl, EK U11), Anzeigeerstattern und Rechtsanwälten stattgefunden haben, deren genaue Details nicht im Gedächtnis haften geblieben sind.“
624Auf Nachfragen des Vorsitzenden und der Verteidigung des Angeklagten A teilten die Staatsanwälte D2 und D1 mit, dass sie das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 wie auch den an den Zeugen U3 gerichteten Fragenkatalog des Zeugen Y1 vor dem 16.03.2004 noch nie gesehen hätten; es sei ihnen aber aufgrund der Information durch die Kriminalpolizei bekannt gewesen, dass es das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 gegeben habe und daraus hervorgehe, dass der Zeuge U3 inhaltlich seine und des Zeugen Dr. H3 Angaben vor dem Landgericht Hamburg betreffend die vermeintlichen Zahlungen von T5 über die F5 AG an den Angeklagten A bestätigt habe. Es sei ihnen auch bekannt gewesen, dass dieses Schreiben an das LKA in Düsseldorf zu dem dort gegen Verantwortliche der T5 geführten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der MVA P7 weitergeleitet worden sei. Dies sei- so Staatsanwalt D2 - Ende 2003/Anfang 2004 geschehen, jedenfalls aber nach der am 20.03.2003 erfolgten Anklageerhebung im hiesigen Verfahren. Er habe nicht veranlasst, dass das Schreiben nunmehr zur hiesigen Akte genommen werde.
625Tatsächlich war das Schreiben mit weiteren Unterlagen seitens des Zeugen P3 am 12.02.2004 an das LKA Düsseldorf weitergeleitet worden.
626Die Staatsanwälte D2 und D1 gaben weiter an, heute der Ansicht zu sein, das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 hätte auch zu dem Verfahren 114 Js 29/03 genommen werden müssen.
627Auf die Nachfrage des Vorsitzenden, ob die Ausführungen in der dienstlichen Erklärung: "Der Inhalt dieses Schreibens ist nämlich den Unterzeichnern erstmalig anlässlich der Vernehmung des Zeugen Y1 bekannt geworden" so zu verstehen sei, dass die Staatsanwälte von der Existenz dieses Schreibens erst anlässlich der Vernehmung des Zeugen Y1 erfahren hätten, antworteten Staatsanwalt D1 und Staatsanwalt D2, die Ausführungen in der dienstlichen Erklärung seien so zu verstehen, dass sie das Schreiben nicht selbst in Händen gehalten hätten, jedoch nicht ausschließen könnten, von dessen wesentlichen Inhalt seitens der Kriminalpolizei nach dessen Eingang zeitnah unterrichtet worden zu sein.
628Sie konnten nach ihren Angaben ferner nicht ausschließen, dass es zeitnah zum Eingang dieses Schreibens ein „allgemeines“ Gespräch mit der Kriminalpolizei über dessen Behandlung gegeben habe; ein gezielter Hinweis, das Schreiben gerade wegen der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A nicht zur hiesigen Akte zu nehmen, sei jedoch nicht erteilt worden.
629Der Vorsitzende nahm sodann Bezug auf den Satz aus der gemeinsamen dienstlichen Erklärung der Staatsanwälte: "Die Unterzeichner schließen jedoch aus, dass sie direkt oder indirekt die Weisung erteilt haben, das Schreiben nicht zu den hiesigen Akten zu nehmen, um die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A nicht zu gefährden." und fragte, ob der Konsekutivsatz gestrichen werden könne, ohne die inhaltliche Richtigkeit des übrigen Satzes in Frage zu stellen. Hierauf erwiderten beide Staatsanwälte, dies sei nicht der Fall. Sie hätten in der dienstlichen Erklärung nur betonen wollen, keine Weisung zur Aktenführung gerade im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A erteilt zu haben. Es sei jedoch möglich, dass ein Hinweis an die Kriminalpolizei ergangen sei, das Schreiben nicht zur Akte zu nehmen.
630Eine Vernehmung der Zeugen P3, F1 und Y1 ergab allerdings, dass diese die Äußerungen der Staatsanwälte D2 und D1 zum Verbleib des Schreibens des Rechtsanwaltes Dr. I3 im Januar 2003 übereinstimmend dahin verstanden hatten, dass dieses eine mögliche Gefährdung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A darstelle und deshalb nicht zur Hauptakte des gegen diesen geführten Verfahrens genommen werden sollte. Anders kann auch die Äußerung des ZeugenP3 gegenüber dem Zeugen D1 in dem in der ersten dienstlichen Erklärung erwähnten Telefonat vom 17.03.2004 nicht verstanden werden.
631Der Zeuge P3 hat in der Hauptverhandlung erklärt, bei dem besagten Telefonat mit Staatsanwalt D1 habe er, als das Gespräch auf das nicht bei den Akten befindliche Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 gekommen sei, Herrn Staatsanwalt D1 erklärt, Staatsanwalt D1 selbst habe doch entschieden gehabt, dass das Schreiben nicht zur vorliegenden Akte genommen werden solle. Als Staatsanwalt D1 dies am Telefon verneint habe, habe er, der Zeuge P3, erklärend ergänzt, das sei doch damals „die Situation mit der Glaubwürdigkeit des A“ gewesen. Der Zeuge P3 hat weiter bekundet, er habe bei dem Telefonat jedoch nicht gesagt, die Staatsanwaltschaft habe angeordnet, das Schreiben nicht zu den Akten zu nehmen, um die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A nicht zu gefährden. Soweit in der dienstlichen Erklärung des Staatsanwalts D1 etwas anderes angeführt werde, müsse es sich um ein Missverständnis handeln ("So, wie das festgehalten ist, wollte ich das nicht rüberbringen"). Richtig sei, dass zu dem Zeitpunkt, als das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. I3 bei der Kripo eingegangen sei, die Staatsanwaltschaft sich - auch gegenüber den Angehörigen der EG Niehl - entschieden gehabt habe, den Angaben des Angeklagten A zu den Geldflüssen, die bis zuletzt in der EG Niehl kontrovers diskutiert worden seien, zu folgen und nunmehr Anklage zu erheben. Richtig sei auch, dass das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 Punkte behandele, die die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A beträfen. Man habe das Schreiben zur Akte P7, die von der EG U11 bearbeitet worden sei, genommen, weil in dem Schreiben auch Ausführungen gemacht worden seien, die für das dortige, damals noch verdeckt geführte Verfahren Bedeutung gehabt hätten.
632Diese Aussage, die sich in den entscheidenden Teilen mit den Bekundungen der Zeugen Y1 und F1 deckt, soweit diese sachdienliche Angaben machen konnten, belegt im Zusammenhang mit den dienstlichen Erklärung der Staatsanwälte D1 und D2 und den diese modifizierenden mündlichen Erläuterungen, die sich nach dem Wortsinn der geschriebenen Erklärungen nicht gerade aufgedrängt hätten - betreffend die Frage der Kenntnis vom Inhalt des Schreibens und die Frage, ob überhaupt eine Weisung erteilt worden ist, das Schreiben nicht zur vorliegenden Akte zu nehmen -, dass unzweilfelhaft seitens der Staatsanwaltschaft die Weisung erteilt worden ist, das Schreiben nicht zur vorliegenden Akte zu nehmen. Es steht zwar nicht fest, dass dies mit dem Ziel erfolgt ist, die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A nicht zu gefährden. Die Kriminalpolizei hatte dies jedoch in diesem Sinne verstanden, nämlich gerade so, wie es der Zeuge P3 Herrn Staatsanwalt D1 am Telefon vorgehalten hat. Die Äußerung ist mitnichten so zu verstehen, als ob die Polizei versucht habe, den "Schwarzen Peter" an die Staatsanwaltschaft weiterzureichen, nachdem das Fehlen des Schreibens zum Thema im Verfahren geworden war. Die Ausgangssituation legte es für die Kriminalpolizei nahe, dass neuer Sand im Getriebe seitens der Staatsanwaltschaft nicht erwünscht war. Diese hatte zwar in langen Vernehmungen die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A immer wieder auf die Probe gestellt und kritisch hinterfragt, war dann aber schließlich zu dem der EG Niehl bekannten Ergebnis gelangt, die Einlassung des Angeklagten sei auch zur Frage der Geldflüsse glaubhaft. Von daher passte ein Schreiben, mit dem ein bekannter schweizer Geldwäscher über seinen Anwalt den Angeklagten A entgegen dessen eigener Einlassung bezichtigte, auch anderweitig erhebliche Summen an Schmiergeld bezogen zu haben, nicht zu dem mühsam gewonnen Ergebnis der bisherigen Ermittlungen. So waren die ermittelnden Staatsanwälte nicht unglücklich darüber, als sie erfuhren, dass in dem Schreiben mehrfach der Name"P7" fiel. Von daher kam man mit der Kriminalpolizei überein, das besagte Schreiben - wie auch weitere Aktenbestandteile, beispielsweise einen Vermerk des Zeugen Y1 über ein Telefonat mit dem ZeugenU3 - nicht zur hiesigen Akte, sondern zum Verfahren betreffend die MVA P7 zu nehmen, das seinerzeit noch verdeckt geführt wurde.
633Hierzu wiederum hat der Zeuge F1, der seinerzeit die Aktenführung unter sich hatte, bekundet, das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 nebst weitere Unterlagen zu diesem Themenkomplex habe man zur Spur 7 des Verfahrens P7 (114 Js 22/03, Staatsanwaltschaft Köln) genommen, da dieses Verfahren im Gegensatz zu dem vorliegenden noch verdeckt geführt worden sei und die Sorge bestanden habe, dass die Verteidigung in dem Verfahren P7 über Informationen aus dem vorliegenden Verfahren der EG Niehl Kenntnis von diesen Vorgängen bekommen würden. Auf Nachfrage des Gerichts räumte der Zeuge F1 allerdings ein, das o.g. Schreiben des Rechtsanwalts Dr. I3 enthalte eigentlich nichts, was in dem Verfahren P7 den dortigen Verfahrensbeteiligten nicht ohnehin bekannt gewesen sei, so dass er im nachhinein auch nicht mehr nachvollziehen könne, weshalb das Schreiben nur zur Spurenakte 7 des Verfahrens P7 genommen werden sollte.
634In dieses Bild passt auch, dass der Zeuge F1 bekundet hatte, Staatsanwalt D2 habe auf Nachfrage Ende Juli 2003, als das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13.06.2002 bei der Kriminalpolizei eingegangen sei, auf F1s Nachfrage, ob dieses Urteil auch zur Akte der EG Niehl genommen werden solle, geäußert: "Besser nicht." - ein Vorgang, den Staatsanwalt D2 nicht in Zweifel gezogen hat. In diesem Urteil taucht der Name des Angeklagten A zwar nicht auf; das Urteil lenkt den Blick jedoch wieder auf den Zeugen Dr. H3, der bei der Kriminalpolizei bekundet hatte, der Angeklagte A habe nach seinen Informationen, die er von dem Zeugen U3 erhalten habe, einen Großteil der Gelder erhalten, die das Landgericht Hamburg zu Unrecht ihm als Empfänger zugeschrieben habe.
635Es konnte weiter festgestellt werden, dass Fragen der Aktenführung im vorliegenden Verfahren seitens der Kriminalpolizei stets eng mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt wurden; wesentliche Aktenbestandteile wurden nicht ohne Rücksprache mit den ermittelnden Staatsanwälten bzw. ohne deren Kenntnis verwaltet. Die vernommenen Kriminalbeamten ebenso wie die Staatsanwälte D1 und D2 haben übereinstimmend angegeben, dass stets eine sehr enge Zusammenarbeit stattgefunden habe, was sich auch darin gezeigt habe, dass die Staatsanwälte sich häufig in die Diensträume der Polizei begeben hätten. Im Gegensatz zu Oberstaatsanwalt M2, der durch klassische Suggestivfragen die vernommenen Polizeibeamten zu der Aussage bewegen wollte, sie hätten die Staatsanwaltschaft nicht auf dem Laufenden gehalten, ist dies von den Staatsanwälten D1 und D2 gerade nicht bestätigt worden. Es hat sich nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die Kriminalpolizei etwa im Hinblick auf das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 oder sonstige Unterlagen, die der Kammer und der Verteidigung sowie dem Verfallsbeteiligten hätten offengelegt werden müssen, hinter dem Rücken der Staatsanwaltschaft agiert hätten oder insoweit nachlässig verfahren wäre.
636Ebensowenig hat sich irgendein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass etwa der Angeklagte A und/oder seine Verteidigung darauf hin gewirkt hätten, bestimmte Unterlagen vor anderen Verfahrensbeteiligten geheim zu halten. Es kann nicht einmal davon ausgegangen werden, dass ihnen die Existenz dieser Unterlagen bekannt war.
637In einer sich in der Hauptverhandlung am 18.03.2004 an die verlesenen Erklärungen der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft anschließenden grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Frage, welche Schriftstücke und Urkunden Aktenbestandteile eines Ermittlungsverfahrens sind, vertraten die Staatsanwälte D2 und D1 die Ansicht, wenngleich sie heute der Meinung seien, das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 vom 31.01.2003 habe zur Akte gelangen müssen, treffe dies nicht auf alle zum Ursprungsaktenzeichen 114 Js 531/00 eingehenden Schriftstücke zu, die irgend einen Bezug zum hiesigen ausgetrennten Verfahren hätten; allein der Umstand etwa, dass in solchen Unterlagen der Name eines der hiesigen Angeklagten auftauche, reiche hierfür nicht aus. Es sei sehr schwierig, näher zu bestimmen, was zur vorliegenden Akte gehöre oder was nicht. Letztlich sei dies aber allein Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die ja schließlich auch in eigener Verantwortung zu entscheiden habe, welche Asservate und Beweismittel sie bei Anklageerhebung an das Gericht übersende. Diese Ansicht wurde in der Hauptverhandlung vom 23.03.2004 von dem Leiter der Schwerpunktabteilung Bekämpfung der Korruption, Oberstaatsanwalt M2, geteilt.
638Noch am 18.03.2004 stellte sich ferner heraus, dass es neben dem Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 vom 31.01.2003 zahlreiche weitere Unterlagen und Urkunden gab, die zu dem fortgeführten Ursprungsverfahren 114 Js 531/00 eingegangen, nicht aber zu dem Verfahren 114 Js 29/03 betreffend u.a. die Angeklagten A, Dr. B und C gelangt waren. Nach den darauf hin abgegebenen Erklärungen der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft sind zur hiesigen Hauptakte nur solche Eingänge genommen worden, die nach ihrer Einschätzung und derjenigen der Kriminalpolizei Relevanz für das hiesige Verfahren gehabt hätten. Weitere Eingänge befänden sich - teilweise in Spurenakten - bei der Kriminalpolizei. Dass noch weitere Materialien bei der Staatsanwaltschaft vorhanden waren, wird auch weder in der Auflistung der Beweismittel in der Anklage vom 20.03.2003 noch in der Übersendungsverfügung an das Landgericht ausgeführt. Die Asservatenhefte waren nicht mitübersandt worden.
639Einen mit Blick auf das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 vom 31.01.2003 gestellten Antrag der Verteidigung des Angeklagten C auf Aussetzung des Verfahrens, dem sich die Verteidigung des Angeklagten Dr. B anschloss, wies die Kammer in der Hauptverhandlung vom 18.03.2004 mit der Begründung zurück, dass sich derzeit nicht erkennen lasse, welche (weiteren) verfahrensrelevanten Unterlagen nicht zur Akte gereicht worden seien; daher solle zunächst die Vernehmung der Kriminalbeamten am nächsten Verhandlungstag abgewartet werden, die insoweit weiteren Aufschluss bringen könne; es würden dann weitere Verhandlungstage aufgehoben, um den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben, das ggf. noch nachgereichte Aktenmaterial auszuwerten.
640Aufgrund der an die Staatsanwaltschaft gerichteten Aufforderung des Vorsitzenden, alle noch bei Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft befindlichen Unterlagen betreffend das hiesige Verfahren vorzulegen, gingen am 19.03.2004 27 Umzugskarton mit Urkunden und Unterlagen sowie die Bände 24 bis 27 der weitergeführten Hauptakte des Ursprungsverfahrens 114 Js 531/00 bei Gericht ein, die bislang bei der Kriminalpolizei bzw. der Staatsanwalt aufbewahrt worden waren. Darunter befanden sich u.a. folgende Schriftstücke, die nicht zur Akte 114 Js 29/03 gelangt waren:
641- Auswertungsvermerk des KOK P7 vom 19.03.2004 bzgl. von Unterlagen betreffend die Begleichung der Rechnungen der Werbeagentur G12 durch die ###3 Köln.
642KOK P7 hat auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden erklärt, die entsprechende Auswertung der Rechnungen vonG12 sowie des diesbezüglichen Wahlkampfkontos der ###3 bereits im Juni 2002 vorgenommen zu haben. Die Rechnungen von G12, die den Löwenanteil der Kosten des Wahlkampfs 1999 ausmachten, wurden - wie bereits festgestellt - nach dem Auswertungsvermerk ausnahmslos ordnungsgemäß über das offizielle Wahlkampfkostenkonto der ###3 bezahlt. Mag auch vom Ansatz her die Möglichkeit bestehen, dass auf dieses Konto wiederum gestückelte „Dankeschön-Spenden“ geflossen sind, so ist doch jedenfalls die im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen aufgeworfene Frage, wie denn wohl der Angeklagte C die Kosten von G12 bezahlt haben mag, nicht so im Dunkeln, wie in der Anklage dargestellt, in der weder die Asservierungen der vorgenannten Rechnungen noch die Auswertungen des ###3-Kontos mitteilt.
643- Vermerk des Wirtschaftsreferenten O7 betreffend die Einlassung des Angeklagten Dr. B, gefertigt vor der Austrennung des Verfahrens 114 Js 29/03;
644- weitere Zeugenvernehmung des Zeugen N2 (T5) vom 26.03.2003, in der auch die Auftragsvergabe RMVA Köln zur Sprache kommt;
645- Vermerk des Wirtschaftsreferenten O7 zu Rechtshilfeunterlagen aus der Schweiz, insbesondere zur Kundengeschichte P5 bei der UBS;
646- Schreiben des Rechtsanwaltes Prof. Dr. Y2 an die Staatsanwälte D1 und D2 vom 25.07.2003 betreffenden ergänzende Angaben des Angeklagten A betreffend den ZeugenL2 ;
647- Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. R4, Verteidiger des Zeugen und gesondert verfolgten I2, vom 25.02.2004, in dem dieser zum Ausdruck bringt, dass die gegenüber der Kammer zuvor erklärte Nichtentbindung des P5-Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters X3 für das Verfahren gegen I2 nicht bedeute, dass eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht „auf Dauer oder eine Teilentbindung im hiesigen oder zugrundeliegenden Verfahren ausgeschlossen“ werde;
648- Vernehmung des Zeugen O4 vom 12.03.2004 im Zusammenhang mit den Vorwürfen betreffend den Angeklagten C; der Zeuge O4 wurde ausdrücklich danach befragt, ob nicht der Angeklagte C unter Alkoholeinfluss Angaben über den Erhalt der ihm im hiesigen Verfahren zur Last gelegten Zahlungen gemacht habe; die Vernehmung betrifft ausschließlich den vorliegend angeklagten Lebenssachverhalt;
649- Vermerk des Zeugen H1 betreffend den Zeugen Dr. K1 und die Frage, ob dieser Gelder des Angeklagten A veruntreut habe (F6-Verwahr-Gelder);
650- Original-Protokoll einer Besprechung des gesondert Verfolgten F6 sowie der Zeugen I2 und I1 vom 03.02.2000 im Hotel V11 in Köln;
651- Beratervertrag des Zeugen Dr. R3 mit der F6 AG vom 01.01.2002;
652- Anstellungsvertrag AVG - V9 vom 28.11.2001;
653- Vereinbarung über eine Betriebliche Versorgung zwischen AVG und V9 vom 28.11.2001;
654- F6-Vorstand-Aktenvermerk „vertraulich“ vom 17.05.2001: Prämienversprechen an V9 und W9;
655- Schreiben F6 an V9 vom 18.05.2001: AVG-Anteile - Erfolgsprämie;
656- Schreiben F6 an W9 vom 17.05.2001: AVG-Anteile - Erfolgsprämie;
657- Schreiben W9/V9 an F6 vom 09.04.2001: Zusatzvergütung, Dank für Gratifikation;
658- Vermerk U9 (XX5) vom 12.02.2001: Jahresgehalt und Tantiemen 2000 für V9 und W9;
659- Vereinbarung AWB - V9: Altersversorgung, Beihilfe.
660- Rechtshilfeersuchen und deren Ergebnisse betreffend die Zahlungsflüsse von Y3 & P4 über Q4
661Neben dem Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3, das die Lawine auslöste, die zur Aushändigung der Akten des weitergeführten Ursprungsverfahrens sowie zahlreicher weiterer verfahrensbezogener Beweismittelordner, Asservate, Spurenakten und Firmeninfos führte, stellte sich auf Nachfrage der Kammer zudem heraus, dass - wie teilweise bereits aufgrund der Einlassung des Angeklagten A erkennbar war - dieser zwischenzeitlich in einer Vielzahl von anderweitigen Ermittlungsverfahren als Zeuge bzw. Mitbeschuldigter ausgesagt hatte; es handelte sich um Verfahren der Staatsanwaltschaft Köln, die wiederum einen Ansatz für die Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A durch Abgleichung seiner Angaben mit denjenigen von anderweitig Mitbeschuldigten bzw. den Bekundungen von in diesen Verfahren vernommenen Zeugen darstellen können; zu nennen ist beispielhaft aufgrund der Angaben des Angeklagten A seitens der Staatsanwaltschaft eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Kölner Ratsfraktion von ###2/###1 (114 Js 44/04), das nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
662Was die sog. Spurenakten angeht, so hat sich herausgestellt, dass eine Spur den gegen den Angeklagten A erhobenen Vorwurf betrifft, sich bei der Errichtung des Bauzauns betreffend die RMVA Köln zu Unrecht bereichert zu haben.
6632. Der Zeuge I2
664Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt wegen der Vorgänge im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA Köln auch gegen den schweizer Staatsangehörigen und Zeugen I2, Verwaltungsrat der P5. Die Ermittlungen wurden zunächst in dem Ursprungsverfahren 114 Js 531/00 geführt; ein gesondertes Verfahren gegen den Zeugen I2 wurde am 29.11.2002 aus diesem ausgetrennt und seither unter dem Aktenzeichen 114 Js 103/02 geführt. Sachbearbeiter dieses Verfahren waren zunächst ebenfalls die Staatsanwälte D2 und D1. Bereits am 14.10.2002 war gegen den Zeugen I2 durch Haftbefehl des Amtsgerichts Köln (503 Gs 3947/02) die Untersuchungshaft angeordnet (Anlage I zum Protokoll vom 06.05.2004) und der Zeuge international zur Festnahme ausgeschrieben worden. Dieser Haftbefehl, in dem dem Zeugen I2 zur Last gelegt, in der Zeit vom 07.03.1994 bis zum 26.01.1999 Beihilfe zur Bestechlichkeit und zur Bestechung geleistet zu haben, befand sich - trotz entsprechender Vollständigkeitserklärung der Staatsanwaltschaft - nicht nur nicht in der hiesigen Verfahrensakte, sondern auch nicht in den nach gereichten Bänden der fortgeführten Akte 114 Js 531/00. Konkret wurde dem Zeugen I2 in dem Haftbefehl vorgeworfen, die Angeklagten A undDr. B sowie den Zeugen F6 und J4 bei der Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung aus Herbst 1993 dadurch unterstützt zu haben, dass er seitens der P5 die bereits erwähnten gegenleistungslosen Schein-Rechnungen an S5 ausgestellt und das daraufhin bei P5 eingehende Geld dem Angeklagten A zur weiteren Verteilung ausgezahlt habe, nachdem er zuvor jeweils ca. 30 % der Summen als Vergütung für die Bereitstellung des Zahlungsweges für P5 einbehalten gehabt habe. Als Haftgründe nennt der Haftbefehl Flucht- und Verdunkelungsgefahr; in diesem Zusammenhang ist von einem u.a. unter Beteiligung des Zeugen I2 unterhaltenen Beziehungsgeflecht die Rede, das Strukturen der organisierten Kriminalität aufweise.
665Die Kammer hatte den in der Schweiz ansässigen Zeugen I2 für den 09.02.2004 zur Vernehmung geladen. Daraufhin hatte sich dessen Verteidiger Rechtsanwalt Dr. R4 am 06.02.2004 telefonisch bei dem Vorsitzenden gemeldet und angekündigt, dass der Zeuge I2 sich auf seine Rechte aus § 55 StPO berufe und der Ladung nicht Folge leisten werde; zugleich hatte Rechtsanwalt Dr. R4 mitgeteilt, dem Zeugen I2 sei seitens der Staatsanwaltschaft Köln als denkbarer Ausgang des gegen ihn gerichteten Verfahrens eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung in Aussicht gestellt worden. Seitens der Verteidigung sei man der Auffassung, der Beitrag des Zeugen I2 - der nach den Feststellungen zur Sache im vorliegenden Verfahren immerhin einen Betrag von fast 40 Mio. DM(ca. 27,6 Mio. DM aus Unternehmen der F6-Gruppe und 14,6 Mio. DM von S5) „gewaschen" hat - sei hiermit überbewertet worden. Mit Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. R4 vom 15.02.2004 erfolgte schriftlich die Berufung des Zeugen I2 auf § 55 StPO. Nach entsprechender Anfrage des Vorsitzenden folgte mit einem weiteren Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. R4 vom 26.02.2004 die Mitteilung, dass der Zeuge I2 auch der Bitte um Entbindung des in seinem Auftrag für die P5 tätigen Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters X3 aus Chur/Schweiz von der Verschwiegenheitspflicht nicht entsprechen werde.
666Die Bearbeitung des Verfahrens gegen den Zeugen I2 wurde am 22.03.2004 durch Staatsanwalt F2 übernommen, der bereits seit Anfang 2004 gegen Verantwortliche der Firmen Q6, Y6 und P6 wegen des Verdachtes der Untreue, begangen u.a. durch Zahlungen an P5 im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA Köln, ermittelte. In einer Besprechung am 22.03.2004 äußerten die Verteidiger des Zeugen I2, Rechtsanwälte Dr. R4 und W11, sie erstrebten die Aufhebung des Haftbefehls gegen den Zeugen I2 vom 14.10.2002 und regten eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO an. In diesem Gespräch äußerten sie ihre Enttäuschung darüber, dass nicht - wie erwartet - die Staatsanwälte D2 und D1, sondern Staatsanwalt F2 an der Besprechung teilnahmen und wiesen wiederholt darauf hin, der Zeuge I2 sei doch nur „ein Mann aus den Bergen“, der von wirtschaftlichen Dingen nicht viel verstehe; zudem seien „die Geschichten mit den Domizilgesellschaften“ legal und der Haftbefehl zu Unrecht erlassen worden. Staatsanwalt F2 machte deutlich, dass sich seiner Ansicht nach die gegen den ZeugenI2 erhobenen Vorwürfe nicht ohne weiteres für ein Verfahren nach § 153 a StPO eigneten und er sich darüber noch weitere Gedanken machen müsse; einen Vermerk über das Gespräch nahm er zur Handakte (SL 2512) und reichte ihn erst nach der o.g. Aufforderung des Vorsitzenden zur Aktenvervollständigung am 03.05.2004 zur Hauptakte des gegen den Zeugen I2 geführten ausgetrennten Verfahrens.
667Nachdem der Kammer in der Hauptverhandlung vom 25.03.2004 mit Blick auf die Vorgänge um das Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 vom 31.01.2003 und die weiteren vorgelegten Aktenbestandteile ihre nunmehrigen vorläufigen Überlegungen hinsichtlich des möglicherweise zu gewärtigenden Ausgangs des Verfahrens mitgeteilt und dabei zum Ausdruck gebracht hatte, dass Zweifel an der Glaubwürdigkeit des AngeklagtenA bestünden, soweit er die Mitangeklagten Dr. B und C in Bezug auf die diesen zugeschriebenen Zahlungen belaste, kündigten in der folgenden Hauptverhandlung vom 01.04.2004 die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Staatsanwälte D2 und D1, Beweisanträge zur Frage der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A an.
668Am 07.04.2004 kam es außerhalb der Hauptverhandlung zu einem Gespräch zwischen Staatsanwalt D2 und Rechtsanwalt Dr. R4, in dem letzterer mitteilte, im Falle einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO sei der Zeuge I2 möglicherweise zur Aussage und zur Entbindung des Steuerberaters X3 von der Verschwiegenheitspflicht bereit; allerdings wolle der Zeuge I2 lediglich als Beschuldigter in dem gegen ihn gerichteten Verfahren aussagen. Über dieses Gespräch verhält sich ein Vermerk des Staatsanwaltes D2.
669Am 19.04.2004 nahm Oberstaatsanwalt M2 telefonisch Kontakt mit Rechtsanwalt D7 auf. Er hatte zuvor von Staatsanwalt D2 erfahren, dass dieser die von der Verteidigung des Zeugen I2 zunächst angestrebte Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht befürworte, er eine Einstellung nach § 153 a StPO jedoch für denkbar halte, wenn der Zeuge I2 im Rahmen einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung zu wahrheitsgemäßen Angaben sowie zu einer Aussage vor der hiesigen Kammer als Zeuge unter Verzicht auf sein Recht aus § 55 StPO bereit sei. Telefonisch wurde seitens Oberstaatsanwalt M2 dem Verteidiger des Zeugen I2, Rechtsanwalt W11, bedeutet, dass die Möglichkeit bestünde, dem Zeugen I2 zum Zwecke der Vernehmung freies Geleit zuzusichern.
670Von Oberstaatsanwalt M2 auf das anstehende Gespräch mit der Verteidigung des Zeugen I2 angesprochen, erklärte Staatsanwalt D2 diesem, von diesen Vorgängen wolle er nichts wissen.
671Vereinbarungsgemäß kam es am 20.04.2004 bei der Staatsanwaltschaft zu einer Besprechung zwischen Rechtsanwalt D7 und OberstaatsanwaltM2, an der auch Staatsanwalt F2 teilnahm. Die VerteidigungI2 äußerte erneut das Bestreben, eine Aufhebung des Haftbefehls sowie eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO zu erreichen; Rechtsanwalt D7 gab zu erkennen, dass der Zeuge I2 umfassende Angaben machen könne und die bisherigen Ermittlungen zu den Zahlungsflüssen im Zusammenhang mit der RMVA Köln auf falschen Zahlen und Erkenntnissen beruhten. Oberstaatsanwalt M2 machte deutlich, dass eine Aufhebung des Haftbefehles derzeit nicht in Betracht käme; er wiederholte die Bereitschaft, dem Zeugen I2 bei bestehender Aussagebereitschaft freies Geleit zuzusichern; gegebenenfalls sei auch eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Auflage von 90.000,00 € denkbar; dies hinge jedoch vom Inhalt der Erklärungen des Zeugen I2 ab. Rechtsanwalt D7 kündigte zudem an, der Zeuge I2 werde gegebenenfalls umfassende Unterlagen zur Verfügung stellen.
672Gegenstand der Besprechung war auch, dass der Zeuge möglicherweise bereit sei, vor der Kammer im hiesigen Verfahren auszusagen. Insoweit legte Rechtsanwalt D7 jedoch Wert auf die Feststellung, dass dies erst nach Abschluss des gegen den Zeugen I2 geführten Verfahrens der Fall sein könne; dieser wolle einstweilen nur als Beschuldigter im eigenen Verfahren aussagen.
673Anlässlich dieser Besprechung wurde vereinbart, dass der Zeuge I2 zeitnah zur Beschuldigtenvernehmung nach Köln kommen werde; die Vernehmungsthemen wurden abgesprochen. Die Kammer wurde von diesen Plänen nicht unterrichtet; Staatsanwalt D2 hingegen hatte trotz seines Wunsches, hiervon lieber nichts zu wissen, Kenntnis von den anstehenden Vernehmungsterminen erlangt. Der - mit ihrem Behördencharakter unvereinbare - Plan der Staatsanwaltschaft, sich den Grundsatz zu nutze zu machen, dass die linke Hand nicht immer wissen müsse, was die rechte tut, war damit nicht aufgegangen. Auf die Frage des Vorsitzenden in der Sitzung vom 29.04.2004, ob er etwas zu Kontaktaufnahmen der Staatsanwaltschaft zu dem Zeugen I2 wisse, antwortete Staatsanwalt D2: "Nein, jedenfalls keine Einzelheiten. Ich will hiervon nichts wissen." In einem späteren Hauptverhandlungstermin nach der bekannt gewordenen staatsanwaltschaftlichen Vernehmung des Zeugen I2 auf seine vorgenannte Äußerung seitens des Vorsitzenden angesprochen, erklärte Staatsanwalt D2, seine o.g. Äußerung sei richtig gewesen, denn schließlich habe er ja zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, ob der Zeuge I2 zu dem vorgesehenen Vernehmungstermin erscheinen und auch aussagen werde. Gegenüber Oberstaatsanwalt M2 äußerte sich Staatsanwalt D2 dahingehend, er wolle sich nicht vom Kammervorsitzenden „auspressen lassen“.
674Der Wirtschaftsreferent O7, der an den noch zu schildernden Befragungen des Zeugen I2 am 29.04., 30.04. und 03.05.2004 aktiv teilgenommen hat, gab in der Sitzung vom 04.05.2004 auf Befragen des Vorsitzenden an, sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern zu können, was mit der Verteidigung des Zeugen I2 an den Vortagen Konkretes als Bedingung für eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO besprochen worden sei.
675Am 21.04.2004 beantragte die Staatsanwaltschaft außerhalb der Hauptverhandlung gegenüber der Kammer die Durchsuchung der Geschäfts-, Lager- und Nebenräume der Firma Y4 Portfolio Management, der Geschäfts-, Lager- und Nebenräume der Firmen U5 AG i.L. Oberhausen, T51 GmbH i.L. Oberhausen, U7 AGZürich, Bodenkreditanstalt V7, der Wohn- und Nebenräume nebst Personenkraftwagen der Zeugen N2 und U3 sowie der Geschäftsräume der XXX AG Q5. Sämtliche Anträge wies die Kammer durch Beschluss vom 22.04.2004, verkündet in der Hauptverhandlung am selben Tage, zurück. Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft vier Beweisanträge, gerichtet auf die Vernehmung der Zeugen T4, Y4 (Schweiz), X4 (Schweiz), W4 (Schweiz), E5 (Schweiz) sowie der namentlich benannten Berufsrichter der 18. großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg. Zwei weitere Beweisanträge der Staatsanwaltschaft gerichtet auf die Vernehmung der schweizer Zeugen U4 und V4 sowie der Zeugen Z4 und D5 folgten in der Hauptverhandlung vom 27.04.2004, in der die Kammer die Anträge auf Vernehmung der Zeugen T4,X4, W4 und E5 sowie der Hamburger Berufsrichter zurückwies.
676In der Hauptverhandlung vom 29.04.2004 verkündete die Kammer Zurückweisungsbeschlüsse betreffend die auf die Vernehmung der Zeugen U4, V4, Z4 und D5 gerichteten Beweisanträge.
677Ebenfalls am 29.04.2004 - wie auch am 30.04. und 03.05.2004 - wurde in den Räumen der Staatsanwaltschaft Köln der Zeuge I2 als Beschuldigter in dem gegen ihn gerichteten Verfahren vernommen. Es war der Staatsanwaltschaft bereits zu Beginn der Vernehmung klar, dass der Zeuge I2 nicht bereit sein würde, eine Aussage vor der Kammer im hiesigen Verfahren zu machen, bevor das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren in einem ihm genehmen Sinne abgeschlossen sein würde. Die Kammer wurde seitens der Staatsanwaltschaft bewusst nicht über die anstehende Vernehmung des Zeugen informiert; denn nach den Bekundungen des Staatsanwaltes F2 fürchtete man seitens der Staatsanwaltschaft - zu Recht -, dass die Kammer auch die anderen Verfahrensbeteiligten - also die Verteidiger der hiesigen Angeklagten sowie die Zeugen F6 und J4 - hiervon in Kenntnis setzen würde. Aus diesem Grunde war auch beabsichtigt, Staatsanwalt D2 nicht an der Vernehmung teilhaben zu lassen, damit dieser auf eine mögliche Befragung durch die Kammer nicht über diese Vorgänge Mitteilung machen müsse. Staatsanwalt D1 war zu diesem Zeitpunkt bekanntermaßen krankheitsbedingt nicht im Dienst.
678Die Vernehmung am 29.04.2004 führte Oberstaatsanwalt M2 in Anwesenheit der Zeugen H1 und F3 sowie von Wirtschaftsreferent O7 und Staatsanwalt F2 durch. Der Zeuge I2 wurde dahin belehrt, dass möglicherweise auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Untreue in Betracht komme. Die an den Zeugen gerichteten Fragen waren vornehmlich von dem Wirtschaftsreferenten O7, der auch im hiesigen Verfahren seit Jahren umfangreich tätig war, erarbeitet worden. Da Oberstaatsanwalt M2 - nach den Worten der Verteidigung des Zeugen I2 der „Staatsanwalt des Vertrauens“ - an den folgenden Vernehmungstagen urlaubsabwesend war, erfolgten diese Vernehmungen durch den Staatsanwalt F2. Wiederum wurden die Fragen vornehmlich seitens des Wirtschaftsreferenten gestellt; wie am vorangegangenen Vernehmungstag war Gegenstand der Befragung in erster Linie das hiesige Verfahren, das seitens des Staatsanwaltes F2 geführte Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Firmen Q6, P6, Y6 etc. spielte hingegen keine Rolle. Am Nachmittag des 30.04.2004 wurden die Vernehmung des Zeugen I2 durch die Staatsanwaltschaft Bonn wegen des dort im Zusammenhang mit der Errichtung der F13 geführten Verfahrens fortgeführt.
679Nach den beiden ersten Vernehmungstagen bestand nach Ansicht von Staatsanwalt F2 aufgrund der Angaben des Zeugen I2, denen er ein Geständnis der ihm zur Last gelegten Taten nicht entnehmen konnte, keinerlei Veranlassung zu einer Aufhebung des Haftbefehls. Im Rahmen seiner Vernehmung vor der Kammer beschrieb Staatsanwalt F2 die Situation mit den Wort, er habe sich damals nicht „verschaukeln“ lassen wollen. Da er diese Einschätzung dem Zeugen und seinen Verteidigern gegenüber deutlich zum Ausdruck brachte, rechnete Staatsanwalt F2 damit, dass der Zeuge I2 am 03.05.2004 möglicherweise nicht mehr zur Vernehmung erscheinen werde.
680Am Morgen des 03.05.2004 suchte Rechtsanwalt D7 vor Beginn der Vernehmung Staatsanwalt F2 auf, um sich danach zu erkundigen, ob dieser sich noch an die „Zusagen“ des Oberstaatsanwaltes M2 - gemeint war dessen Einschätzung der Situation im Hinblick auf das bereits dargestellte Vorgehen nach § 153 a StPO - gebunden fühle. In der anschließenden Vernehmung kam Staatsanwalt F2 erstmals dazu, dem ZeugenI2 auch Fragen zu stellen, die die von ihm bearbeiteten Verfahren gegen die Verantwortlichen der Firmen Q6, Y6 und P6 betrafen. Er hatte geradezu darauf drängen müssen, diese Fragen noch an den Zeugen richten zu können, nachdem - so Staatsanwalt F2 - bereits „das Zeitfenster eng geworden“ war.
681Wegen des wesentlichen Inhalts der Bekundungen des Zeugen I2 bei seinen staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen wird auf die entsprechenden Ausführungen in der Beweiswürdigung Bezug genommen.
682Aufgrund eines schon in Vorbereitung der Vernehmung für den Fall des Scheiterns einer einvernehmlichen Lösung übersandten Antrages der Verteidigung des Zeugen I2 vom 20.04.2004 auf Aufhebung des Haftbefehls vom 14.10.2002 (SL 2433 ff.) wurde der Zeuge I2 am Nachmittag des 03.05.2004 beim Amtsgericht Köln in Anwesenheit von Staatsanwalt F2 richterlich vernommen. Dabei gab er an, für die P5 in größerem Umfang Schein-Rechnungen an S5 erstellt zu haben; es habe sich um Vorgänge der „Steueroptimierung“ gehandelt; er sei davon ausgegangen, dass die zugrunde liegenden Leistungen in Deutschland erbracht worden seien, und dass die von ihm an den Zeugen F6 ausgezahlten Beträge von diesem als wirtschaftlich Berechtigtem für Investitionen in der Schweiz, Deutschland und anderen Ländern verwandt worden seien. Die ausdrückliche Frage, ob er gewusst habe, dass es sich bei den Zahlungen an P5 um "Provisionszahlungen" gehandelt habe, beantwortete der Zeuge mit: „Nein“; lediglich hinsichtlich eines Betrages von 5,2 Mio. DM aufgrund des Q6-Vertrages habe er von dem Zeugen F6 erfahren, dass es sich um eine solche gehandelt habe. Weiter bestritt der Zeuge I2, an einem Treffen mit dem Angeklagten A sowie den ZeugenF6 und J4 (im September 1994) am Flughafen Zürich teilgenommen zu haben.
683Im Anschluss an die richterliche Vernehmung beantragte StaatsanwaltF2 u.a. unter Hinweis darauf, dass der Zeuge umfangreiche Angaben zur Sache gemacht und sich „im Wesentlichen geständig“ eingelassen habe die Aufhebung des Haftbefehls; das Amtsgericht entsprach diesem Antrag. In seiner Vernehmung vor der Kammer darauf angesprochen, inwieweit denn ein Geständnis des Zeugen I2 vorgelegen habe, zog der Zeuge Staatsanwalt F2 sich darauf zurück, es habe sich eben bei seiner Einschätzung am 03.05.2004 um eine „Momentaufnahme“ gehandelt.
684Im Hinblick auf eine mögliche Beendigung des Verfahrens gegen den Zeugen I2 ist seitens der Staatsanwaltschaft eine Einstellung nach§ 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 90.000,00 € im Gespräch. Eine Entscheidung ist bis zum Ende der Hauptverhandlung noch nicht gefallen. Allerdings hielt Oberstaatsanwalt M2 es in der Hauptverhandlung vom 06.05.2004 für schwierig, dem Zeugen I2 überhaupt noch einen Vorwurf zu machen. Soweit der Haftbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft betreffend den Zeugen I2 Ausführungen zu einem Fluchtanreiz aufgrund einer hohen Straferwartung enthalte, habe es sich nur um „so eine Floskel“ gehandelt. Die Vernehmung des Zeugen I2 in den Tagen ab dem 29.04.2004 habe jedenfalls mit dem hiesigen Verfahren „nichts zu tun“; insoweit hat der Zeuge Oberstaatsanwalt M2 bewusst wahrheitswidrig -zudem unter Eid, da nicht allseits auf die Vereidigung verzichtet worden ist - ausgesagt.
6853. Aussetzungsanträge
686An den Hauptverhandlungstagen nach dem 19.03.2004 wurde seitens der Verteidigung aller Angeklagter - insbesondere jedoch der Angeklagten A und Dr. B - verschiedentlich die Frage diskutiert, ob angesichts der zahlreichen Unterlagen, die nach dem 19.03.2004 seitens der Staatsanwaltschaft zu den Akten gereicht wurden, die Aussetzung des Verfahrens beantragt werden sollte. Im Ergebnis wurde auf das Stellen entsprechender Anträge verzichtet.
6874. Strafmaßüberlegungen im Vorfeld der verantwortlichen Vernehmung des
688Angeklagten A
689Das Verfahren war zunächst bei der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Köln anhängig. Im Rahmen der damals anstehenden Prüfung der Haftfragen fanden betreffend die Angeklagten A, Dr. B und C sowie die Zeugen F6 und J4 Gespräche zwischen
690der jeweiligen Verteidigung und der Staatsanwaltschaft statt. Betreffend den Angeklagten A gab es vor dessen verantwortlicher Vernehmung zudem ein Gespräch, an dem die Staatsanwälte D1 und D2, die Verteidiger des Angeklagten A, Rechtsanwälte Prof. Y2 und Dr. G5, sowie der damalige Vorsitzende der 9. großen Strafkammer, Vorsitzender Richter am Landgericht I5, und ein Beisitzer, Richter am Landgericht H5, teilnahmen. Gegenstand dieser Besprechung, in die sich auch die Richter aktiv einbrachten, war u.a. eine eventuelle Straferwartung für den Angeklagten A. Die Staatsanwaltschaft äußerte die Vorstellung, im Falle einer geständigen Einlassung komme für den Angeklagten A eine Freiheitsstrafe von „zehn Jahren minus X“ in Betracht, wobei die Variable vom Gewicht der Strafmilderungsgründe (z.B. Geständnis und Umfang der Schadenswiedergutmachung) abhänge und bis zu einer Höhe von drei Jahren gehen könne. Dies erschien der Verteidigung ein gangbarer Weg, allerdings mit der ausdrücklichen Einschränkung, dass die rechtliche Einordnung der Tat als Amtsträgerbestechung zur Überprüfung gestellt werden solle. Seitens der Mitglieder der 9. großen Strafkammer wurde darauf hingewiesen, dass diese Formel nicht als bindende Absprache zu verstehen sei, da nicht bekannt sei, in welcher Besetzung die Kammer eine mögliche Hauptverhandlung durchführen werden; das Maß der Schuld könne erst in einer Hauptverhandlung endgültig festgestellt werden; dies gelte auch für die Beurteilung der Qualität eines Geständnisses.
691C.
692Beweiswürdigung:
693I. Allgemeines
694Diese Feststellungen beruhen auf der nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der geständigen Einlassung des Angeklagten A sowie der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten Dr. B und der Einlassung des Angeklagten C, soweit ihnen gefolgt werden konnte.
695Soweit die Feststellungen auf Angaben der Angeklagten A,Dr. B und C beruhen, die sie im Rahmen ihrer Vernehmungen im Ermittlungsverfahren gemacht haben, wurden die protokollierten Äußerungen den Angeklagten vorgehalten und inhaltlich von ihnen als richtig protokolliert bestätigt.
696U.a. die Zeugen F6, J4, K4, L4, I2, O2, Dr. G2, Q3, Dr. F4, M4, H4, Dr. H3, V1 und Dr. S2 haben unter Berufung auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO keine Aussage gemacht. Auf die Vernehmung der Zeugen ist, nachdem sie ernsthaft und endgültig erklärt hatten, im Hinblick auf§ 55 StPO keine Aussage machen zu wollen, allseits verzichtet worden, da nicht ersichtlich war, welche sachdienliche Frage an sie gestellt werden könnte, zu deren Beantwortung sie verpflichtet wären.
697Zum Teil sind die Zeugen, soweit es sich um Auslandzeugen handelt, nicht in der Hauptverhandlung erschienen, wie etwa die Zeugen I2, X3, Dr. V3, Dr. K1 und W2.
698Die Bekundungen der Zeugen F6, J4, L4, Q3, Y3, Dr. K1, Dr. G2, Dr. H3, Q3 und Dr. V3 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurden durch die Vernehmung von Zeugen, die den jeweiligen Vernehmungen beigewohnt haben, in die Hauptverhandlung eingeführt. Im einzelnen handelt es sich um die Zeugen Oberamtsanwalt T2 (betreffen die Zeugen F6, J4, L4, Dr. K1 und Dr. V3), Kriminalhauptkommissar F3 (betreffend den Zeugen J4), Kriminaloberkommissar H1 (betreffend die Zeugen L4, Dr. K1, Y3, Dr. G2), Steueramtmann P1 (betreffend den Zeugen Q3) und Kriminaloberkommissar Y1 (betreffend den Zeugen Dr. H3). Die Zeugen Oberstaatsanwalt M2 und StaatsanwaltF2 haben zu den Beschuldigtenvernehmungen des Zeugen I2 bekundet. Die jeweiligen Vernehmungen wurden mit den Zeugen im einzelnen durchgegangen.
699U.a. die Zeugen F6, J4, L4, Q3, Y3, Dr. V3 und Dr. K1 wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens als Beschuldigte vernommen. Soweit im Folgenden auf ihre Bekundungen abgestellt wird, handelt es sich um die damaligen Beschuldigteneinlassungen, die – wie erwähnt - über die Vernehmungsbeamten in die hiesige Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Soweit im Folgenden von Bekundungen dieser Zeugen die Rede ist, wird damit auf ihre Zeugenrolle im vorliegenden Verfahren abgestellt. Es wird aber nicht verkannt, dass es sich um Beschuldigtenvernehmungen handelt, deren Inhalt durch Vernehmung der Verhörspersonen in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.
700Die Zeugen N2 und G1 haben vor der Kammer ausgesagt. Die Aussage der Zeugen N2 stimmt überein mit seinen Bekundungen im Rahmen seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren vom 28.11.2002, die durch die Vernehmung des Zeugen T2 in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Die Aussage des Zeugen G1 stimmt überein mit dessen Einlassung in dem seitens der Staatsanwaltschaft Köln gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren (114 Js 13/02), die ebenfalls durch die Vernehmung des Zeugen T2 in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.
701Alle im Folgenden aufgeführten Urkunden, auf denen die Feststellungen u.a. beruhen, wurden entweder gemäß § 249 Abs. 2 StPO oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Soweit auf die Blattzahl in den das Selbstleseverfahren (SL) betreffenden Anlagebänden oder der Hauptakte sowie auf Anlagen aus dem unabhängig von Hauptakte und Selbstleseverfahren geführten Anlageband zum Hauptverhandlungsprotokoll oder den nicht foliierten Teil des Selbstleseverfahrens (SL II) hingewiesen wird, handelt es sich lediglich um Hinweise und nicht um eine ergänzende oder ersetzende Bezugnahme, soweit die Urkunden diesem Urteil nicht als Anlagen beigefügt sind.
702Die Feststellungen beruhen auf einer umfassenden Auswertung aller in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel. Soweit im Folgenden Beweismittel ausdrücklich erwähnt werden, handelt es sich um solche, auf die die Kammer sich bei der Gewinnung ihrer Überzeugung vom festgestellten Sachverhalt in besonderer Weise stützt, nicht aber um eine abschließende Aufzählung.
703II. Feststellungen zur Person
704Die Feststellungen zur Person der Angeklagten - insbesondere zu ihrem beruflichen Werdegang und (soweit festgestellt) politischen Engagement - beruhen auf den jeweiligen und insoweit glaubhaften Einlassungen der Angeklagten sowie auf den ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen, mit den Angeklagten erörterten und von diesen als richtig anerkannten Auszügen aus dem Bundeszentralregister vom 16.03.2004.
705Hinsichtlich des Angeklagten A beruhen sie darüber hinaus - vor allem in Bezug auf seine Persönlichkeit und sein Auftreten - insbesondere auf den Bekundungen der Zeugen D3, L4 und R2 sowie der Zeuginnen X2 und L3. Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des Angeklagten A zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der AVG beruhen zudem auf der seitens des Angeklagten A bestätigten amtsärztlichen Begutachtung durch den Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Köln, Herrn Dr. med. Z6, vom 08.02.2000 (SL 1647).
706Die Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten A beruhen - neben seiner Einlassung - auf einem Vermerk der AVG vom 17.03.2000 zur Anrechnung von Erwerbseinkommen auf das Ruhegehalt des Angeklagten A (SL 1649), dem Aufhebungsvertrag zwischen der AVG und dem Angeklagten A vom 13.04.2000 (SL 1652) sowie den AVG-Verdienstberechnungen des Angeklagten A für April und Mai 2000 (SL 1656 f.).
707Die Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten Dr. B beruhen auf dessen Einlassung. Hinsichtlich des zu leistenden Unterhaltes für seine Ehefrau und die beiden Kinder sowie den negativen Mieteinkünften beruhen sie auf seiner Schätzung, die die Kammer nachvollzogen hat.
708Die Feststellungen zur Persönlichkeit des Angeklagten C und zu seinem Auftreten beruhen insbesondere auf den glaubhaften Bekundungen der Zeugen L2, E1 und S3 sowie der Zeuginnen L5, L1 und Q1.
709III. Feststellungen zur Sache, die Umstände betreffen, welche nach dem
710Ergebnis der Beweisaufnahme von den Verfahrenbeteiligten
711einheitlich gesehen wurden
712Im Verlauf der Hauptverhandlung hat sich herausgestellt, dass wesentliche Teile des festgestellten Sachverhaltes auf den übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten - bestätigt durch zahlreiche Zeugenaussagen sowie eine große Anzahl von Urkunden - beruhen.
713Um den Blick auf die umstrittenen Punkte zu schärfen, wird vorab ein Überblick hinsichtlich derjenigen Feststellungen gegeben, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht Gegenstand kontroverser Erörterungen waren.
714Im Einzelnen handelt es sich um folgende Feststellungen:
7151. Gründung der AVG
716a)
717Die Feststellungen betreffend die Vorüberlegungen zur Gründung der AVG, den eigentlichen Gründungsvorgang, die Auswahl der AVG-Gesellschafter und ihre rechtlichen Einflussmöglichkeiten innerhalb der AVG beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie den diese bestätigenden und insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen F6, Z1, D3, U1, J3, K3, O1, Dr. R3,E4, Q2 und I4; bei den Zeugen E4, Q2 und I4 handelt es sich um Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Köln, die an der Erstellung des Berichtes über die Ordnungsmäßigkeits- und Verfahrensprüfung im Zusammenhang mit der Gründung der AVG sowie mit dem Bau der RMVA Köln vom 25.04.2003 befasst waren.
718Sie beruhen darüber hinaus auf folgenden Urkunden:
719- Abfallwirtschaftskonzept der Stadt Köln vom 13.12.1988(SL 633 ff., siehe auch Anlage I zum Urteil),
720- Beschluss des Rates der Stadt Köln vom 30.08.1990 zur Vorbereitung der Gründung der AVG (SL 775 ff.),
721- Beschluss des Rates der Stadt Köln vom 07.03.1991 (SL 779 ff.),
722- Beschluss des Rates der Stadt Köln vom 14.02.1992 zur Gründung der AVG (SL 810 ff.),
723- Auszüge aus dem bei dem Amtsgericht xxx geführten Handelsregister betreffend die Firmen F6 Entsorgung GmbH, F6 GmbH, G6 entsorgung GmbH, F6 AG,
724- Protokoll der Sitzung der Projektgruppe 7000 vom 19.02.1992 (SL 753 ff.),
725- Gesellschaftsvertrag der AVG Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Köln mbH in Köln (SL 871 ff., Anlage II zum Urteil),
726- Entwurf des Gesellschaftsvertrages (SL 769 ff., 794, siehe auch Anlage III zum Urteil),
727- AVG-Wirtschaftsplan für das Jahr 1997 (SL 1526, 1528 - 1553, siehe auch Anlage IV zum Urteil).
728b)
729Die Feststellungen betreffend die Gründung der Untergesellschaften der AVG und die im Zusammenhang mit der Gründung der AVG entworfenen und geschlossenen Verträge sowie die Auseinandersetzungen zwischen der AVG und der Stadt Köln im Zusammenhang mit der Aufhebung des Anschluss- und Benutzungszwanges für die Entsorgung der Inhalte von Öl-, Benzin- und Fettabscheidern u.a. beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie den diese bestätigenden und insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen F6, O1 und J3.
730Ferner beruhen sie auf folgenden Urkunden:
731- Beschluss des Rates der Stadt Köln vom 14.02.1992 zur Gründung der AVG (SL 810 ff.),
732- Gesellschaftsvertrag der AVG Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Köln mbH in Köln (SL 871 ff., Anlage II zum Urteil),
733- Protokoll der konstituierenden Sitzung des AVG-Aufsichtsrates vom 08.07.1992,
734- Protokoll der Sitzung des AVG-Aufsichtsrates vom 07.10.1992 zur Gründung des Ausschusses für Finanz- und Personalangelegenheiten,
735- Konsortialvertrag zwischen der Stadt Köln, der F6 Entsorgung GmbH und den XX5n Köln vom 15.05.1992 nebst Anlage zu § 2 (SL 933 ff., Anlage V zum Urteil),
736- Entsorgungsvertrag zwischen der Stadt Köln und der AVG vom 27.05.1992 (SL 942 ff., Anlage VI zum Urteil),
737- Änderungsvertrag zum Entsorgungsvertrag vom 04.05.1995 (SL 954 f.),
738- Gesellschaftsvertrag der KVK Kompostierung und Verwertung Gesellschaft Köln GmbH in Köln vom 02.11.1992 (SL 969 ff.),
739- Gesellschaftsvertrag der GVG Gewerbeabfallsortierung und Verwertung Gesellschaft Köln mbH in Köln vom 02.11.1992 (SL 997),
740- Gesellschaftsvertrag der BAV Baustellenabfall-Verwertung GmbH vom 28.04.1993 (SL 1024 ff.),
741- Abfallsatzung der Stadt Köln vom 29.12.1994 (SL 1878 ff.),
742- Abfallsatzung der Stadt Köln vom 23.12.1996 (SL 1790 ff.),
743- Vermerk der AVG vom 24.04.1995 zur „Entsorgung der Inhalte aus Öl-, Benzin- und Fettabscheidern auf dem Gebiet der Stadt Köln, hier: Vergabe des Unterauftrages an die Fa. R6“ (SL 1594 ff.),
744- Vertrag zwischen der Stadt Köln und der AVG vom 31.08./09.09.1997 betreffend die Aufhebung der Satzung der Stadt Köln über die Entsorgung der Inhalte aus Öl-, Benzin- und Fettabscheidern auf dem Gebiet der Stadt Köln (SL 956 f.),
745Satzung der Stadt Köln vom 09.07.1997 (SL 1630).
7462. Entscheidungsfindung innerhalb der AVG-Gesellschaftsgremien und
747Einflussnahme der Stadt Köln auf die Geschäfte der AVG
748Die Feststellungen betreffend die Entscheidungsfindung innerhalb von AVG-Aufsichtsrat und AVG-Gesellschafterversammlung beruhen auf den glaubhaften Einlassungen des Angeklagten A sowie den glaubhaften Bekundungen der Zeugen D3, F6 und Q2 sowie der Zeugin X2.
749Die Feststellungen beruhen zudem auf den Niederschriften über die Sitzungen des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung der AVG aus den Jahren 1992 bis 1998 (SL II).
750Auf den Bekundungen des Zeugen Dr. 03 beruhen die Feststellungen in diesem Urteil nicht. Der Zeuge ist der Beantwortung fast aller Fragen ausgewichen, indem er vorgab, sich nicht konkret erinnern zu können. Dies betraf auch durchweg Fragen, hinsichtlich derer zumindest eine Resterinnerung verblieben sein müsste, wie etwa die Fragen, weshalb ein Unternehmen des Zeugen F6 Mitgesellschafter der AVG geworden ist, und welche Überlegungen der Festlegung der Dimensionierung der RMVA zugrunde gelegen hatten. Während einer über mehrere Stunden dauernden Vernehmung, die für den Zeugen nicht überraschend war, war er in der Regel nur auf Vorhalt bereit, überhaupt etwas Greifbares zu bekunden; wenn dann jedoch eine konkretere und detaillierte Aussage zu erwarten gewesen wäre, zog er sich immer wieder darauf zurück, er wisse „das alles“ nicht mehr.
751Dies war eine bewusste Falschaussage. Denn der Zeuge Dr. 03 war in seiner Eigenschaft als Oberstadtdirektor der Stadt Köln und langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender der AVG in der gesamten Zeit der Gründung der AVG sowie der Planung und des Baus der RMVA über Jahre mit diesem Projekt, das auch immer wieder im Mittelpunkt des öffentliches Interesses stand, in verantwortlicher Stellung betraut. Die angeblichen Erinnerunglücken beruhen nicht auf schlechtem Gedächtnis. Der Zeuge Dr. 03 wurde von dem ###3-Ratsherren und Zeugen D3, der aufgrund seiner langjährigen Ratstätigkeit zahlreiche Kontakte zu dem ZeugenDr. 03 hatte und zu ihm nicht in einem feindschaftlichen Verhältnis steht, als „extrem guter Verwaltungschef“ beschrieben, der „pingelig“ gewesen sei und „Zahlen jahrelang zurückverfolgen konnte“; der ZeugeDr. 03, der Gedächtnislücken nie habe erkennen lassen, sei - so der Zeuge D3 - stets über jedes Detail und jede Kleinigkeit informiert gewesen und habe den „totalen Überblick“ gehabt; man habe den Eindruck gewonnen, er habe fast jeden seiner ca. 19.000 Mitarbeiter gekannt. Auch der Zeuge Dr. I6, der als früherer Regierungspräsident über einen langen Zeitraum mit dem Zeugen Dr. 03 dienstlich zu tun hatte, schilderte dessen geradezu perfektes Gedächtnis. Der ZeugeDr. 03 habe früher gleichsam "Fleißkärtchen" für gute Vorbereitungen von Besprechungen haben wollen.
752Der Zeuge Dr. 03 ist nach seiner Zeit als Oberstadtdirektor Geschäftsführer des X11-Fonds geworden. In dieser Funktion leitet er seit Jahren einen der größten deutschen Fonds, mit dem er im übrigen in seiner Zeit als Oberstadtdirektor mehrere langfristige, wirtschaftlich besonders gewichtige Verträge geschlossen hatte, etwa im Zusammenhang mit der Errichtung des Großprojektes der Köln-Arena. Es kann nicht angenommen werden, dass der X11-Fonds einen Geschäftsführer akzeptiert, der unter ernsthaften Gedächtnisproblemen leidet. Der angebliche Gedächtnisschwund ist um so unglaubhafter, als es sich bei der RMVA - um mit dem Zeugen Dr. I6 zu sprechen, dessen Gedächtnis in keiner Weise angegriffen war und der auch als bekennender Förderer der RMVA keine Probleme mit einer in jeder Beziehung offenen Aussage hatte - um "das größte Projekt Kölns nach dem Dombau" handelt, das einschließlich Grundstückskosten und weiterer Kosten, die außerhalb des Generalunternehmervertrages angefallen sind, ca. 1 Mrd. DM gekostet hat. Im Zusammenhang mit dem Aussageverhalten des Zeugen Dr. 03 ist anzumerken, dass es sich hierbei um die seit langen Jahren bei Gericht immer wieder anzutreffende "Kölner Masche" handelt, die darin besteht, durch Berufung auf angebliche Erinnerungslücken (vermeintlichen) Unannehmlichkeiten zu entgehen, die mit einer wahren Aussage verbunden sind.
7533. Planung und Ausschreibung der RMVA
754a)
755Soweit Feststellungen zur Planung und Festlegung der Ausschreibungskriterien bzgl. der RMVA getroffen wurden, beruhen diese auf der Einlassung des Angeklagten A, den Bekundungen des Zeugen L4 sowie der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der AVG vom 27.10.1992.
756Die Feststellung, dass und warum das S5-Angebot vom 03.12.1993 nicht auf Original-AVG-Papier abgegeben wurde, beruht auf der Einlassung des Angeklagten Dr. B und den Bekundungen der Zeugin E2 (geborene L10).
757b)
758Die Feststellungen zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation im Bereich des Anlagenbaus sowie im besondere zu derjenigen bei S5 im tatrelevanten Zeitraum beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten Dr. B, die insbesondere durch die Bekundungen der Zeugen L4, Dr. T3, N1, E3 und W1 bestätigt wurde.
759a) Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass S5 durch die Schmiergeldvereinbarung bei der allein maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein Schaden entstanden wäre. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftliche Lage von S5 günstiger dargestellt hätte, wenn die Schmiergeldabrede nicht getroffen und demzufolge auch kein Schmiergeld von S5 gezahlt worden wäre. Denn ohne die Schmiergeldabrede hätte S5 den Auftrag zur Errichtung der RMVA Köln nicht erlangt. Dem Angeklagten A lagen, wie festgestellt, auch Schmiergeldangebote anderer Firmen vor; da er sich entschlossen hatte, einen hohen Betrag an Schmiergeld für sich zu vereinnahmen, spricht nichts dafür, dass S5 den Auftrag erhalten hätte, wenn dort kein Schmiergeld angeboten worden wäre. Wäre der Auftrag aber nicht erteilt worden, so hätte dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für S5 die ohnehin bestehende wirtschaftliche Schieflage weiter verschärft, da andere Aufträge in einer Größenordnung, die das Ausbleiben des Kölner Auftrags auch nur annähernd hätten ausgleichen können, nicht zu erwarten waren. Der Angeklagte Dr. B hat sich dementsprechend glaubhaft eingelassen und konnte sich hierbei überzeugend auf die seitens S5 früher erstellten Übersichten über die Betriebsergebnisse, die Gemeinkostenabweichungen und die Leistungsaufgliederungen betreffend die Jahre 1996 bis 1995 stützen (SL 1586 - 1591). Diese Daten sind auch durch den Zeugen Dr. T3 auf Vorhalt bestätigt worden.
760c)
761Die Feststellungen zum wirtschaftlichen Abschluss des Projektes RMVA bei S5 beruhen auf der Einlassung des Angeklagten Dr. B und den glaubhaften Bekundungen der Zeugen L4 und E3. Letzterer war nach der Übernahme von S5 durch die U5 Power Envionment GmbH zuständig für diesen Bereich.
7624. Vorbereitung der Unrechtsvereinbarung
763a)
764Die Feststellungen betreffend die ersten Kontakte zwischen dem Angeklagten A und den Vorgängern des Angeklagten Dr. B innerhalb der S5-Geschäftsführung sowie den Bemühungen des Angeklagten A um Kontaktaufnahme mit den Verantwortlichen der sonstigen als Werkunternehmer für die Errichtung der RMVA in Fragen kommenden Firmen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie den seine Angaben bestätigenden glaubhaften Bekundungen der Zeugen N1 und L4.
765b)
766Die Feststellungen betreffend die dem Angeklagten A unterbreiteten Schmiergeldangebote von V5 und T5 im Vorfeld der Ausschreibung der RMVA beruhen auf dessen Einlassung sowie den insoweit glaubhaften Bekundungen des Zeugen N2.
767Der Zeuge N2 hat ferner wie festgestellt zur Üblichkeit von Schmiergeldzahlungen im Bereich des deutschen Anlagenbau bekundet; die entsprechenden Feststellungen beruhen darüber hinaus insbesondere auf dem nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls auszugsweise verlesenen Urteil der 18. großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg vom 13.06.2002 (618 Kls 3/01; Bl. 15918 ff. HA), die auch durch die Bekundungen des Zeugen Dr. H3 nicht in Frage gestellt werden.
768Soweit eine Zahlung von S5 an die Firma F5 AG im Jahr 1996 in Höhe von 1 Mio. DM festgestellt worden ist, beruht dies auf der Treuhandvereinbarung zwischen S5 und F5 AG vom 12.07.1996 (SL 630), einer Rechnung der F5 AG über 1 Mio. DM vom 20.04.1996 (SL 631) und einem S5-Buchungsbeleg vom 25.07.1996 (SL 629).
769c)
770Hinsichtlich der die Unrechtsvereinbarung vorbereitenden Gespräche haben - jeweils betreffend ihre Beteiligung - die Angeklagten A und Dr. B sich glaubhaft wie festgestellt eingelassen. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen ferner auf den damit im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Zeugen F6 und J4. Soweit abweichende Darstellungen des Umfangs der Beteiligung des Zeugen J4 vorliegen, sind diese für das vorliegende Verfahren unerheblich.
771d)
772Die Feststellungen betreffend die Beraterverträge des Zeugen J4 mit S5 und dem Zeugen F6 sowie deren geplante Abwicklung mit Blick auf die im Zusammenhang mit der RMVA geforderten „Provisionen“ des Zeugen J4 beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten Dr. B, den insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen J4, F6 und Dr. T3 sowie dem Beratervertrag zwischen dem Zeugen J4 und S5 vom 05.12.1980 (SL 1639), einer Vereinbarung zwischen dem Zeugen J4 und S5 vom 30.10.1996 (SL 604) und der Rechnung des Zeugen J4 an S5 vom 12.12.1996 über 598.000,00 DM (SL 601).
773e)
774Die Feststellungen betreffend die Befürwortung der Auftragserteilung an S5 seitens der Politik beruhen auf den Einlassungen der AngeklagtenA und Dr. B sowie den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Dr. I6, der angegeben hat, es sei durchaus üblich gewesen, bei größeren Aufträgen Firmen aus der Region zu bedenken.
775f)
776Die Feststellungen zum dem ersten Vier-Augen-Gespräch zwischen den Angeklagten A und Dr. B im Sommer 1993 in Marienheide-Rott beruhen auf deren übereinstimmenden Einlassungen.
777g)
778Die Feststellungen betreffend die Besuche des Angeklagten Dr. B und des Zeugen J4 bei dem Zürcher Notar Dr. X5 im Juli und im Dezember 1993 und deren Hintergrund - auch betreffend das Vertragsverhältnis zwischen S5 und P5 - beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten Dr. B und den insoweit glaubhaften Bekundungen des Zeugen J4; sie beruhen ferner u.a. auf dem Schreiben des Notars Dr. X5 an S5 vom 07.03.1994 (SL 539) sowie der damit übersandten „Vergabeniederschrift“ vom 28.02.1994 nebst Anlagen (SL 540 ff.).
779Soweit der Zeuge J4 in diesem Zusammenhang Angaben über Pläne zur Gründung einer Familienstiftung gemacht hat, waren diese Angaben nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht zu widerlegen.
7805. Abschluss der Unrechtsvereinbarung
781Die Feststellungen zu den Einzelheiten der Verabredung der Schmiergeldvereinbarung im Düsseldorfer J10-Hotel im Herbst 1993 beruhen - auch hinsichtlich der subjektiven Umstände, wie insbesondere dem Unrechtsbewusstsein - auf den insoweit übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B sowie den Bekundungen des diese Einlassungen bestätigenden Zeugen F6, an dessen Glaubwürdigkeit insoweit keine Zweifel bestehen.
7826. Firma P5
783Die Feststellungen betreffend die personellen Hintergründe der FirmaP5, ihre Entstehungsgeschichte und Arbeitsweise beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B, den insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen F6, I1, L4,Q3 und P2.
784b) Sie beruhen ferner u.a. folgenden Urkunden:
785- Konsortialvertrag zwischen S5 und P5 vom 18.03.1994 nebst Anlage (SL 514),
786- Schreiben des Notars Dr. X5 an S5 vom 07.03.1994 (SL 539) sowie der damit übersandten „Vergabeniederschrift“ vom 28.02.1994 nebst Anlagen (SL 540 ff.),
787Aufhebungsvertrag zwischen P5 und S5 vom 15.08.1996 (SL 537),
788Entwurf eines Schreibens von P5 an S5 mit Fax-Aufdruck„16-Feb-1995 09.25 S5 ABFALLTECHNIK“ sowie im Wortlaut übereinstimmendes Schreiben von P5 an S5 mit Datum 08.02.1995 (SL 1388 f., Anlage IX zum Urteil).
789Aus dem Mandatsvertrag zwischen dem Zeugen Q3 und dem Zeugen I2, der vom 10.07.2001 datiert (SL 1637 f.) und zu dem auch der Zeuge I1 bekundet hat, ergibt sich, dass der Zeuge I2 für den Zeugen Q3 treuhänderisch im Rahmen von P5 tätig werden soll. Da der Zeuge Q3 aber wiederum, wie sich aus seiner Beschuldigtenvernehmung ergibt, nur Kostgänger des Zeugen F6 war, belegt auch dies die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen P5 und dem Hause F6. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass der Zeuge F6 eingeräumt hat, dass die Einschaltung von P5 als Provisionsschiene im vorliegenden Fall auf seinen Rat erfolgt ist und er im übrigen veranlasst hat, dass zwischen 1995 und 2000 ca. 27,6 Mio. DM aus Unternehmen der F6 Gruppe gegen Erstellung von Scheinrechnungen an P5 überwiesen worden sind, damit der Zeuge F6 sich in der Schweiz eine "Kriegskasse" aufbauen konnte. Der Zeuge I1 hat bekundet, außer Aufträgen aus dem Hause F6 und dem "S5-Auftrag" habe es für P5 keinerlei Aufträge gegeben, sieht man einmal von daneben vom Volumen her belanglosen Architekturaufträgen ab.
7907. Manipulation des Angebotes
791Die Feststellungen zum tatsächlichen Vorgang der Manipulation des S5-Angebotes am Wochenende des 03. bis 05.12.1993 - einschließlich der Vorbereitungen durch den Angeklagten A - beruhen auf den weitestgehend übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B sowie den glaubhaften Bekundungen des Zeugen L4 und der Zeugin E2.
792Die Darstellungen der Angeklagten A und Dr. B weichen im Wesentlichen lediglich darin ab, dass der Angeklagte Dr. B behauptet, am Abend des 03.12.1993 sei, als er den Angeklagten A vom S5-Gästehaus in Gummersbach aus angerufen habe, bei diesem der Zeuge M4 anwesend gewesen, mit dem er - der AngeklagteDr. B - am Telefon auch gesprochen habe; der AngeklagteA hingegen bestreitet die Anwesenheit des Zeugen M4. Der Zeuge M4 konnte hierzu nicht befragt werden, da er sich auf § 55 StPO berufen hat.
793Die Feststellungen beruhen ferner auf dem Vermerk der Zeugin E2 vom 30.11.1993 (SL 12, siehe auch Anlage VIII zum Urteil), den S5-Preisblättern vom 27.11.1993 bis 06.12.1993 (SL 2 ff.) sowie dem tabellarische Angaben zu den Kalkulationen enthaltenden Auszug aus dem Schriftsatz der Verteidigerin des Angeklagten Dr. B, Rechtsanwältin Dr. H8, vom 18.09.2003 (= SL 1), zu denen der Angeklagte Dr. B sich im einzelnen eingelassen hat.
7948. Abschluss des Werkvertrages und der Konsortialverträge
795a)
796Die Feststellungen zur Entwicklung der Geschehnisse bis zum Abschluss des Werkvertrages zwischen AVG und S5 - insbesondere die Darstellung der Auftragsentwicklung durch den Angeklagten A vor den Gremien der AVG, die Absprachen zwischen S5 und R5 betreffend deren Angebotsrücknahme, das Alternativangebot von Y5 für das Los Bauteil und die äußeren Abläufe der Vertragsverhandlungen im einzelnen sowie die Feststellungen betreffend den Abschluss des Werkvertrages und der anschließenden Konsortialverträge durch S5 beruhen auf den übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B, die bestätigt werden durch die glaubhaften Bekundungen der Zeugen L4, E2, R1, M3, Z1, H2 und Z2.
797b)
798Abweichend haben sich insoweit allerdings die Angeklagten A und Dr. B insbesondere betreffend die Preisfindung mit der AVG, den Inhalt einer vermeintlichen Unterredung zwischen den AngeklagtenA und Dr. B am 30.12.1993 sowie der Frage einer möglichen Abänderung/Aufkündigung der Schmiergeldvereinbarung im Dezember 1993/Januar 1994 eingelassen. Hierauf wird im Weiteren noch einzugehen sein.
799c)
800c) Die Feststellungen zu den insoweit von keinem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogenen Geschehnissen beruhen - neben den erwähnten Einlassungen und Zeugenbekundungen - ferner auf folgenden Urkunden:
801- Protokoll der Sitzung des AFP vom 10.12.1993 (SL II),
802- Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung der AVG vom 21.12.1993 (SL II),
803- Besprechungsbericht der AVG vom 30.12.1993 (SL 191 ff.),
804- S5-Preiszusammenstellung unter Aufschlüsselung der Betriebskostenwerte sowie der Mehr-/Minderkosten (SL 214),
805- S5-Preiszusammenstellung unter Einbeziehung gewichteter Nebenkosten aus Karton 134, Ass.Nr. 72 (SL 151),
806- Konsortialvertrag zwischen S5 und P5 vom 18.03.1994 (SL 514).
807d)
808d) Die Feststellungen hinsichtlich der Vereinbarung zwischen S5 und R5 über deren Rückzug aus dem Bieterkreis beruhen neben der Einlassung des Angeklagten Dr. B auf den folgenden Urkunden:
809- Schreiben von S5 an V5 vom 29.04.1994 (SL 1731),
810- Schreiben von V5 an den Zeugen L4 vom 11.08.1994 (SL 1733),
811- weiteres Schreiben von V5 an den Zeugen L4 vom 11.08.1994 (SL 1734),
812- Schreiben von S5 an V5 vom 06.12.1994 (SL 1735),
813- nicht unterzeichnetes Schreiben von S5 an V5 vom 02.12.1994 (SL 1736),
814- Telefonbericht des Zeugen L4 über ein Gespräch mit Herrn Y11 (V5) vom 07.12.1994 (SL 1737),
815- Briefentwurf von V5 an S5 vom 09.12.1994 (SL 1738),
816- Schreiben vom V5 an S5 vom 21.03.1995 (SL 1739),
817- handschriftliche Notiz aus Februar 1997 (SL 1740 ff.),
818- Schreiben von S5 an R5 vom 03.01.1994 (SL 1743),
819- Telefonbericht des Zeugen L4 über ein Gespräch mit dem Angeklagten A vom 14.01.1994 (SL 1744),
820- handschriftliche Notiz aus dem Hause S5 (SL 1745),
821- Vereinbarung zwischen S5 und R5 vom 30.01.1997(SL 1746 f.),
822- Schreiben von S5 an R5 vom 08.04.1998 (SL 1748),
823- Zahlungsanforderung von R5 an S5 vom 02.05.1997 über 3.450.000,00 DM (SL 1749),
824- S5-Buchungsbeleg über eine Zahlung an R5 von3.450.000,00 DM vom 06.05.1997 (SL 1750),
825- Proforma-Bestellung von S5 an R5 über 3 Mio. DM vom 02.06.1997 (SL 1751 ff.),
826- Besprechnungsbericht des Zeugen L4 vom 11.07.1995 (SL 1755).
827e)
828e) Die Feststellungen betreffend das S5 bereits am 02.12.1993 vorliegende Alternativ-Angebot von Y5 für das Los Bauteil sowie die zwischen S5 und Y5 in diesem Zusammenhang vereinbarte „Sonderzahlung“ für Y5 von 10 bzw. 9,7 Mio. DM und ihre Abwicklung beruhen - neben der Einlassung des Angeklagten Dr. B und den Angaben der Zeugen L4 und Z2 - auf folgenden Urkunden:
829- „Begleitschein“ der Firma Y5 zu einem Fax an den Zeugen L4 vom 02.12.1993 (SL 330),
830- Schreiben der Firma Y5 an S5 vom 02.12.1993 (SL 331 f.), handschriftliche Aufstellung des Zeugen Z2 vom 02.12.1993 (SL 333),
831- Auszug aus der Preiszusammenstellung Y5 vom 02.12.1993 (SL 334 f.),
832- Vermerk des Zeugen L4 vom 04.02.1994 (SL 148 f.),
833- Schreiben von S5 an Y5 vom 13.04.1994 (SL 1697),
834- 1. Mahnung von Y5 an S5 vom 28.01.1999 (SL 1699),
835- 2. Mahnung von Y5 an S5 vom 11.02.1999 (1698),
836- Schreiben Y5 an S5 vom 08.06.1998 (SL 1700),
837- Rechnung Y5 an S5 vom 15.07.1997 (SL 1701),
838- Schreiben S5 an Y5 vom 19.08.1997 (SL 1702),
839- Zusatzvereinbarung zwischen S5 und Y5 vom 15.06.1994 (SL 1704 f.),
840- Schreiben S5 an Y5 vom 25.01.1994 (SL 1706),
841- Schreiben Y5 an S5 vom 14.01.1994 (SL 1707 f.),
842- Schreiben Y5 an S5 vom 07.01.1994 (SL 1709),
843- Schreiben S5 an Y5 vom 03.01.1994 (SL 1710),
844- Vereinbarung zwischen S5 und Y5 vom 08.10./08.11.1993 (SL 1711),
845- Schreiben S5 an Y5 vom 26.04.1994 (SL 1718).
846f)
847Die Feststellungen zu den Vergabeverhandlungen zwischen der AVG und S5 im Januar 1994 beruhen ferner auf den AVG-Besprechungsberichten vom 30.12.1993 (SL 191 ff.), 05.01.1994 (SL 239 ff. und 245 ff.), 10.01.1004 (SL 253 ff.), 13.01.1994 (SL 258 ff.), 18./20.01.1994 (SL 263 ff.) und 25.01.1994 (SL 274 ff.).
848g)
849Die Feststellungen zum Abschluss des Werkvertrages zwischen AVG und S5 vom 28.01.1994 beruhen darüber hinaus auf dem Werkvertrag(SL 361 ff.) sowie dem Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung der AVG vom 08.03.1994.
850Die Feststellungen hinsichtlich des Abschlusses der Konsortialverträge beruhen zudem auf dem Konsortialvertrag zwischen S5, T5, V5 und derArge Rohbau vom 01.07.1994 (SL 468 ff.) sowie dem Konsortialvertrag zwischen S5 und T7 vom 29.07./01.08.1994 (SL 486 ff.).
851h)
852Die Feststellungen betreffend den Abschluss der Vereinbarung der Bonuszahlungen und den Wegfall des Verbotes der Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter beruhen - neben den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B - auf der schriftlichen Vereinbarung zwischen der AVG und S5 vom 04.06.1996 (SL 504 ff.).
853i)
854Die Feststellungen betreffend die Vereinbarungen der AVG mit der XX6 über den Ankauf des in der RMVA erzeugten Stromes beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A.
8559. politische Einflussnahme auf die Auswahl des Werkunternehmers
856Die Feststellungen zu politischen Einflussnahmen auf die Auswahl des Werkunternehmers - insbesondere die seitens der Kölner Bezirksregierung und (vor dem Wechsel in der Landesregierung) des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft zum Ausdruck gebrachte Bevorzugung von S5 sowie die Empfehlungen von bei der Vergabe einzelner Lose zu berücksichtigender Firmen - beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B sowie den diese bestätigenden und insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen Dr. I6 sowie Dr. G2.
85710. Finanzierung der RMVA
858Die Feststellungen betreffend die Finanzierung der RMVA und das dazu benötigte Finanzvolumen beruhen auf den Einlassungen des Angeklagten A und des Angeklagten Dr. B. Insbesondere die Einlassung des Angeklagten A wird insoweit bestätigt durch die glaubhaften Bekundungen der Zeugen M3, O1 und I4.
859Hinsichtlich des sog. Claimmanagements, d.h. der Verhandlung von Mehr- und Minderkosten beruhen die Feststellungen u.a. auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B, die auch ihren Niederschlag in der Niederschrift vom 15.07.1997 über die Gesellschafterversammlung der AVG vom 03.07.1997 (SL II) unter TOP 1 findet.
860Schließlich beruhen die Feststellungen hinsichtlich des Grades der prozentualen Abweichung der Finanzierungsangebote der H9-Bank und deren „last call“ auch auf dem Vermerk des Zeugen M3 vom 29.10.1996 (SL 1480), in dem von einer Abweichung von 0,03 % die Rede ist, während der Zeuge O1 in seiner Vernehmung insoweit nur von 0,01 % gesprochen hat. Dieser Vermerk befand sich auf einer bei der AVG aufgefundenen CD-ROM, die durch den bei der Staatsanwaltschaft Köln für IT-Angelegenheiten zuständigen Justizangestellten Dipl.-Ing. Z11 ausgedruckt wurde; hierüber verhält sich ein schriftlicher Vermerk desDipl.-Ing. Z11 vom 12.02.2004, der durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Die prozentuale Abweichung hat für die Entscheidung keine Bedeutung, so dass eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht geboten war. Entscheidend ist lediglich, dass die H9-Bank auch dann die Möglichkeit zur Annahme des Finanzierungsantrages der AVG haben sollte, wenn ihre Kreditangebote - geringfügig - für die AVG ungünstiger waren als die anderer Institute.
86111. Genehmigungsverfahren, Abwicklung des Werkvertrages
862a)
863Die Feststellungen zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens - insbesondere auch der geänderten Einschätzung des Vorhabens auf landespolitischer Seite nach der Landtagswahl 1995, die Unterstützung des Projektes RMVA Köln durch die Kölner Bezirksregierung und das Bürgerbegehren - beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie den diese bestätigenden glaubhaften Bekundungen der Zeugen Dr. I6, U2,Dr. G2 sowie der Zeuginnen J2 und X2.
864b)
865Die Feststellungen zur Diskussion um einen Ausstieg aus dem Projekt der RMVA beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B.
866c)
867Die Feststellungen zur Abwicklung des Werkvertrages - insbesondere zur Leistung der Schlusszahlung und der Erstellung der Dokumentation durch Q6 - beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B sowie der Zeugen E3, P2 und M3.
868f) Darüber hinaus beruhen sie insbesondere auf folgenden Urkunden:
869- Schlussrechnung der Firma S5 an die AVG vom 14.12.1998 (SL 1719, 1720 ff.),
870- Schreiben von U5 Power an die AVG vom 23.02.2000 (SL 1725),
871- handschriftliche S5-Aufstellung vom 22.02.2000 (SL 1726),
872- Schreiben der AVG an U5 Power vom 22.03.2000 (SL 1727 f.)
87312. BUA-Vertrag
874Die Feststellungen betreffend den Beratervertrag des AngeklagtenA mit der BUA beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B sowie den insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen L4 und Dr. K1; sie beruhen ferner insbesondere auf der (Schein-)Rechnung der AIF an S5 vom 16.08.1995 (SL 628) sowie einem Buchungsbeleg von S5 vom 25.08.1995 (SL 627).
875Die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen zur EPB beruhen auf Kontoeröffnungsunterlagen der Royal Bank of Scotland, bei der der Zeuge Dr. K1 im Juni 1994 ein Konto für die EPB eingerichtet hat (SL 1338-1342 und SL 1448-1452 - Übersetzungen).
87613. „Beteiligung H12“
877Auch die Feststellungen betreffend die „Beteiligung H12“ beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B sowie den insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen L4 und Dr. K1.
878g) Ferner beruhen diese Feststellungen u.a. auf folgenden Urkunden:
879- Darlehensvertrag („Loan Agreement“) zwischen dem Angeklagten A und der EPB vom 09.05.1997 (SL 1328 und SL 1447 - Übersetzung),
880- halbjährlicher Auszug Nr. 2 betreffend ein Konto des Zeugen Dr. K1 mit der Zusatzbezeichnung „Beteiligung H12“ und der Kontonummer ######## bei der R7- Bank in Zürich (SL 1318),
881- je ein Schreiben von AIF an S5 vom 13.10.1997 mit einer Rechnung betreffend ein Projekt Li Tse und ein Projekt Kee Lung über jeweils 425.000,00 DM (SL 624 f.),
882- ergänzende Rahmenvereinbarung vom 07.10.1997 zwischen S5 und AIF (SL 626).
88314. F6-Verwahr-Gelder
884Die Feststellungen betreffend die sog. F6-Verwahr-Gelder beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie auf den Bekundungen der Zeugen F6 und Dr. V3.
885Sie beruhen - soweit durch Urkunden (s.u.) und andere Beweismittel bestätigt - auch auf den Bekundungen des Zeugen Dr. K1, soweit ihm gefolgt werden konnte.
886Der in der Schweiz lebende schweizer Zeuge Dr. K1 hat einer Zeugenladung der Kammer keine Folge geleistet. Es war nicht geboten, ihn in der Schweiz kommissarisch oder audio-visuell zu vernehmen:
887Der Zeuge Dr. K1 war zwar nach seiner eigenen Einlassung maßgeblich für die Angeklagten A (hinsichtlich des R7- Bank-Kontos "W6", das nach der Einlassung des Angeklagten A für die F6-Verwahr-Gelder eingerichtet worden ist, sowie hinsichtlich der „Beteiligung H12“ und des BUA-Vertrages), Dr. B (im Rahmen des „China-Geschäftes“) und C (hinsichtlich zweier Bargeldübergaben im Rahmen von S5-Spenden) sowie ggf. für den Zeugen F6 (im Rahmen der Verschiebung des Geldbetrages aus dem W10-Scheck) im großen Stil hinsichtlich solcher Geldgeschäfte in der Schweiz tätig, die den deutschen Behörden nicht bekannt werden sollten und ist insofern er als wichtiger Zeuge anzusehen. Er hat in seinen Vernehmungen, die in der Schweiz im Wege der Rechtshilfe erfolgt sind, auch Angaben zum Konto "W6" gemacht, die insbesondere bzgl. des Verbleibs der Gelder in Höhe von ca. 2,7 Mio. DM im Zusammenhang mit der Auflösung des Kontos, erheblich von der Einlassung des Angeklagten A abweichen. Hierbei hat er jedoch ein solches Aussageverhalten an den Tag gelegt, das grundlegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit begründet sind.
888So steht der Zeuge Dr. K1 zum einen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (insbesondere nach den insoweit übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B, aber auch nach den Angaben u.a. der Zeugen F6 und L4) in dem Ruf, zumindest bis Ende der 1990er Jahre in großem Umfang als Geldwäscher mit illegalen Transfergeschäften befasst gewesen zu sein. Schon dieser Umstand lässt erhebliche Zweifel daran aufkommen, inwieweit seinen Schilderungen, mit denen er sich - sollten sie wahr sein - teilweise auch selber belasten würde, Glauben geschenkt werden könnte.
889Dass von dem Zeugen Dr. K1 eine wirkliche Aufklärungshilfe nicht zu erwarten ist, ergibt sich zudem - wie erwähnt - aus seinem bisherigen Aussageverhalten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens. So hat der ZeugeOberamtsamwalt T2, der an den Vernehmungen des Zeugen Dr. K1 im Wege der Rechtshilfe durch die Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich vom 24.07. und 26.07.2002 teilgenommen hat, bekundet, der Zeuge Dr. K1 habe zu Beginn seiner Vernehmung zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm daran liege, bei der Aufklärung der in Deutschland laufenden Verfahren mitzuwirken; dann aber habe er im Verlauf der Vernehmung fast kaum aus eigenem Antrieb und zusammenhängend bekundet, sondern lediglich- und dies äußerst knapp - auf konkrete Fragen geantwortet. Zudem habe er zahlreiche Antworten mit der Bemerkung „glaublich“ eingeleitet, um auf diese Weise deutlich zu machen, dass er den jeweils bekundeten Sachverhalt nicht mit Bestimmtheit schildern könne; hierdurch habe er seiner Aussage viel an Überzeugungskraft genommen und, so der Zeuge T2, den Eindruck hervorgerufen, sich absichtlich nicht festlegen zu wollen. Ähnliches hat der Zeugen Kriminaloberkommissar H1 bekundet, der der Vernehmung des Zeugen Dr. K1 durch die Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich vom 11.10.2002 beigewohnt hat; auch er hat das Aussageverhalten des Zeugen Dr. K1 als „äußerst stockend“ und den Zeugen selber - entgegen der verbal von ihm erklärten Absicht - wenig aufklärungswillig geschildert.
890In seiner Beschuldigtenvernehmungen vom 24.07., 26.07. und 11.10.2002 hat der Zeuge Dr. K1 nach den Bekundungen der Zeugen T2 und H1 sich durch die Berufung auf Erinnerlungslücken hervorgetan und dies gleich zu Beginn der Vernehmung in ununterbrochener Folge dokumentiert:
891Frage: "Wie haben Sie Kontakt zu Herrn Dr. B von der Fa. S5 bekommen?"
892Antwort: "Ich weiß es nicht mehr. Glaublich in den 90er Jahren."
893Frage: "Welche Leistungen haben Sie für die Fa. S5 erbracht?"
894Antwort: "Ich erinnere mich nicht mehr im Detail."
895Frage: "Wie haben Sie Herrn A kennen gelernt?"
896Antwort: "Ich erinnere mich nicht. Glaublich in den 90er Jahren."
897Habe man einmal den Eindruck gewonnen, es sei eine konkrete Schilderung mit Bestimmtheit erfolgt, habe der Zeuge Dr. K1 seine Ausführungen zum Teil mit der Bemerkung ergänzt, jedenfalls handele es sich dabei um eine Vermutung.
898Der Zeuge Dr. K1 hat in seinen Vernehmungen eingeräumt,738.540,00 CHF anlässlich der Auflösung des Kontos "W6" von dem abgehobenen Guthabenbetrag behalten zu haben. Am 24.07.2002 hat der Zeuge Dr. K1 ausgeführt, der Angeklagte A habe ihm dieses Geld "zu seiner Überraschung" als Gewinn des Kontos angeboten, und zwar für die nicht mehr genau präsente Kontoeröffnungszahlung sowie als Kompensation für die großzügige H12-Kapitalgewinnauszahlung. Die Kammer ihrerseits wäre überrascht, wenn diese Darstellung der Wahrheit entsprechen würde. Weshalb sollte der Angeklagte A dem Zeugen Dr. K1 ungefragt 738.540,00 CHF überlassen haben? Mit der Kontoeröffnungszahlung kann dies nicht in Zusammenhang stehen, weil der Zeuge Dr. K1 selbst nicht konkret behauptet, die Kontoeröffnungszahlung aus eigenen Mitteln aufgebracht zu haben. Ein Zusammenhang mit der „Beteiligung H12“ ist jedoch auch nicht ersichtlich, da zum einen nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Angeklagte A gleichsam aus Mitleid mit den übrigen Investoren dem Zeugen Dr. K1 einen Teil des für ihn errechneten Gewinns zur Verfügung gestellt haben sollte, als sich herausstellte, dass ein Verlust eingetreten war. Zum anderen betont der Zeuge Dr. K1 selbst, dass in der sog. Gewinnausschüttung an den Angeklagten A auch eine Zahlung von S5 an diesen enthalten gewesen sei, die gerade unabhängig von der Frage eines wirklich erwirtschafteten Gewinns aus der Beteiligung war. Schließlich steht die Überlassung von 738.540,00 CHF in einem auffälligen Missverhältnis zu der auch durch den Zeugen Dr. K1 bestätigten Auszahlung eines "Gewinns" aus der Beteiligung von nur 400.000,00 DM. Dass der Angeklagte A gegenüber dem Zeugen Dr. K1 in eine Schenkungseuphorie verfallen wäre, kann nicht ernsthaft angenommen werden. Danach bestehen keine Zweifel, dass der Zeuge Dr. K1 738.540,00 CHF im Zusammenhang mit der Auflösung des Kontos "W6" schlicht veruntreut hat.
899Auch ansonsten ist das Aussageverhalten des Zeugen Dr. K1 von Auffälligkeiten geprägt, die grundlegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen begründen: So will der Zeuge Dr. K1 dem Angeklagten A einmal im Zusammenhang mit der Kontoauflösung „W6“ bar bei einer Gelegenheit ca. 2 Mio. DM übergeben haben, dann wieder sollen es zwei Auszahlungen gewesen sein. Desweiteren will er dem Zeugen F6 im Zusammenhang mit der Verwertung des W10-Schecks 4 Mio. DM persönlich übergeben haben. Dann wieder sollen es nur ca. 2 Mio. DM gewesen sein, wobei er eine Original-Quittung, die angeblich von dem Zeugen F6 unterzeichnet worden ist, nach seiner Bekundung nicht hat auffinden können, dafür jedoch eine angebliche Kopie derselben. Diese zeigt allerdings, schon bei flüchtigem Hinsehen erkennbar - wie auch der Zeuge T2 bestätigt hat -, einen Unterschriftszug, der erheblich von den sonst bekannten Unterschriften des Zeugen F6 abweicht. Der Zeuge F6 bestreitet, in diesem Zusammenhang überhaupt Geld von dem Zeugen Dr. K1 erhalten zu haben.
900Insgesamt konnte den Angaben des Zeugen Dr. K1 daher nur insoweit gefolgt werden, als sie durch weitere Beweismittel bestätigt werden.
901h) Die Feststellungen betreffend die F6-Verwahr-Gelder - insbesondere soweit sie das für den Angeklagten A bei der R7- Bank eingerichtete Konto der EPB mit dem Namenszusatz „W6“ und der Kontonummer Z422849 sowie das dortige Tresorfach betreffen - beruhen zudem auf folgenden Urkunden:
902- Anlageprofil der R7- Bank vom 25.06.1998 (SL 1292),
903- „Saldoquittung“ des Angeklagten A vom 29.11.1999 (SL 1293),
904- Vertrag über die Miete eines Tresorfaches zwischen der R7- Bank und der EPB nebst Vollmacht für den Angeklagten A (SL 1685 f.),
905- handschriftliches Schreiben des Angeklagten A an die R7- Bank vom 06.10.1999 (SL 1690),
906- handschriftliche Anweisung des Zeugen Dr. K1 an die R7- Bank vom 02.11.1999 zur Aufhebung des Safes (SL 1692),
907verschiedene Safebesuchsnachweise (A) der R7- Bank betreffend den Safe Nr. 844 (SL 1332 ff.).
908i) Hinsichtlich der Auszahlungen von dem Konto „W6“ bei der R7- Bank im November 1999 beruhen die Feststellungen ferner auf folgenden Urkunden:
909- Tagesauszug Nr. 2 betreffend das Konto „W6“ mit der Kontonummer ###/### (CHF) bei der R7- Bank vom 01.12.1999 (SL 1309),
910- Belastungsanzeige betreffend das Konto „W6“ (US$) bei der R7- Bank vom 10.11.1999 (SL 1324),
911- Auszahlungsbeleg der R7- Bank vom 02.11.1999 über einen Betrag von 900.000,00 CHF betreffend die EPB, unterzeichneten durch den Zeugen Dr. K1 (SL 1838).
912Die Feststellung betreffend die Einzahlung eines Betrages von2.295.400,00 DM durch den Angeklagten A am 12.02.1999 auf seinem Konto bei der LLB beruht zudem auch auf dem Kontoauszug betreffend das Nummern-Konto ##### bei der LLB vom 31.03.1999 (SL 1280).
91315. Einschaltung des Zeugen Dr. V3
914Die Feststellungen betreffend die Einschaltung des Zeugen Dr. V3 durch die Angeklagten A und Dr. B sowie die Zeugen F6 und I2, die Feststellungen zu den an den Zeugen Dr. V3 geleisteten Zahlungen und dessen spätere Tätigkeit für die F6 Schweiz AG sowie die Feststellungen zu den Verfahren der Staatsanwaltschaften Mannheim (613 Js 23434/97) und Stuttgart (140 -151/163 - Js 66579/99) beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten Dr. B und A sowie den insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugen F6, L4, Dr. V3 und H1.
91516. Firma G13
916Die Feststellungen betreffend die Firma D12 beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A und den insoweit glaubhaften Bekundungen des Zeugen Engel.
917Soweit der Zeuge L4 bekundet hat, auch im Zusammenhang mit der Beauftragung der Firma D12 durch S5 mit der sog. übergeordneten Baureifmachung des RMVA-Geländes sei es zu Schmiergeldzahlungen an den Angeklagten A gekommen, konnte dies im Rahmen der Beweisaufnahme nicht belegt werden. Die Angaben des Zeugen L4 alleine waren insoweit nicht ausreichend, da er Einzelheiten zu der vermeintlichen Schmiergeldzahlung nicht berichten konnte und er auf Nachfrage zudem angab, diesbezüglich lediglich eine Vermutung, nicht aber konkrete Anhaltspunkte zu haben. Auffällig ist zudem, dass dieser angebliche weitere Schmiergeldfall dem Zeugen L4 erst recht spät wieder ins Gedächtnis zurückkehrte, obgleich er bereits in früheren Vernehmungen den Angeklagten A erheblich belastet hatte. Der Angeklagte A und der Zeugen D12 haben beide eine solche Zahlung ausdrücklich in Abrede gestellt. Weitere Beweismittel standen nicht zur Verfügung.
91817. Q6-Wartungsvertrag
919Die Feststellungen betreffend den Q6-Wartungsvertrag und den sog. W10-Vorgang beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B sowie den glaubhaften Bekundungen der ZeugenF6, I1 und W1.
920Auf den Bekundungen des Zeugen L4 beruhen die Feststellungen, soweit ihm gefolgt werden konnte; dies betrifft nicht seine durch andere Beweismittel nicht verifizierte Bekundung, es habe sich bei dem Vorgang um den W10-Scheck um eine „Geldverschiebeaktion“ innerhalb desF6-Firmenkomplexes gehandelt. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen L4 werden nicht zuletzt dadurch hervorgerufen, dass er während seiner Vernehmung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zunächst geraume Zeit abgestritten hat, vor Abschluss des Werkvertrages zur Errichtung der RMVA Köln Ende Januar 1994 Kenntnis von den Schmiergeldvorgängen im Zusammenhang mit der RMVA Köln gehabt zu haben, obwohl er - wie er später eingeräumt hat - bereits bei der Kalkulation des S5-Angebotes hiervon wusste. Seine Angaben zum W10-Vorgang, die insbesondere den Bekundungen des Zeugen F6 widersprechen, der angegeben hat, es habe sich um eine Abfindung für S5 wegen der Nichtbeteiligung am Wartungsvertrag gehandelt, können zwar nicht widerlegt werden; eine gefestigte Überzeugung von seinen Schilderungen kann die Kammer sich aber auch nicht verschaffen, ohne allerdings den Bekundungen des Angeklagten Dr. B, der die Vorgänge um den Q6-Wartungsvertrag und den W10-Scheck im Zusammenhang mit weiteren Zahlungen an den Angeklagten A sieht, zu folgen. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht für den Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen F6, nach der die Zahlung über den fingierten Vertrag der Abfindung von S5 für die Nichtbeteiligung am Q6-Wartungsvertrag trotz entgegenstehender schriftlicher Zusicherung vom 21.01.1998 gedient habe. Weshalb dann allerdings der eingeschlagene Zahlungsweg gefunden worden ist, bleibt offen; naheliegend ist, dass insoweit - für wen auch immer - wiederum Geld abgezweigt werden sollte.
921Dass die Angeklagten A und/oder Dr. B weitere Zahlungen im Zusammenhang mit dem Q6-Wartungsvertrag und/oder demW10-Scheck erhalten haben, konnte anhand der vorgenannten Beweismittel nicht festgestellt werden. Der Weg des Geldes verliert sich trotz intensiver Nachforschungen der Staatsanwaltschaft, die zum Teil auch im Wege des Rechtshilfeverfahrens erfolgt sind, weitgehend schlussendlich in Barbezügen, ohne dass nachvollziehbar wäre, wer Letztempfänger der Gelder war.
922j) Darüber hinaus beruhen die Feststellungen betreffend die Vorgänge um den Q6-Wartungsvertrag auf folgenden Urkunden:
923- Schreiben der F6 GmbH an S5 vom 21.01.1998 (SL 1636),
924- zu Gunsten der Firma W10 & Company Ltd. ausgestellter Scheck der Firma Q6 vom 29.06.1998 über 4.780.000,00 DM (SL1375),
925Kontoauszug betreffend das Konto mit der Kontonummer ###.###.### der Firma X10 AG bei der Verwaltungs- und Privatbank in V7 vom 31.12.1998 (SL 1372),
9264 Belastungsanzeigen betreffend das vorgenannte Konto vom 27.07.1998 und 09.12.1998 (SL 1378, 1379, 1381 und 1384).
927Im Hinblick auf die wirtschaftliche Werthaltigkeit des Q6-Wartungsvertrages hat die Kammer nicht nur den Vertrag zwischen AVG und S5 vom 22.08.1997 mit schriftlichen Klarstellungen und Nachträgen (SL 1126 ff.), sondern auch Unterlagen ausgewertet, die seitens Q6 am 25.02.1998 an die RWE Entsorgung GmbH, Essen, gefaxt worden sind (SL 1658 ff.). Aus dem "Vorschlag für die weitere Vorgehensweise in der Angelegenheit S5-ISIS/RMVA Köln“ ergibt sich, dass von Q6 für die Jahre 1998 bis 2007 ein Umsatz von ca. 257,5 Mio. DM erwartet worden ist. Der Bericht vom 19.01.1998 geht sodann von einem erwarteten Ergebnis in Höhe von ca.75 Mio. DM aus. Anhaltspunkte dafür, dass diese im Hause F6 selbst erstellten Prognosen grundlegend falsch sein sollten, bestehen nicht.
92818. Feststellungen betreffend den Angeklagten C
929a)
930Die Feststellungen betreffend die Vermittlung von Personen in Anstellungsverhältnisse mit der AVG - insbesondere aufgrund des Einsatzes des Angeklagten C - beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und C sowie den glaubhaften Bekundungen der Zeugen N3,D3, W3 und der Zeuginnen L5 und Q1.
931b)
932Die Feststellungen betreffend die Vermittlung von Beiratsmandanten für den Zeugen L2 sowie Herrn F11 und Frau G11 in AVG-Untergesellschaften beruhen auf den Einlassungen der AngeklagtenA und C sowie den glaubhaften Bekundungen des Zeugen F6 und den Bekundungen des Zeugen L2. Bezeichnend war, dass der Zeuge L2 auf Nachfrage die Namen der Firmen nicht angeben konnte, in deren Beiräten er sitzt, und auch nicht in der Lage war, seine Behauptung, er habe in seiner Beiratsfunktion schon „viel Gutes“ für die Stadt getan, anhand von Beispielen zu erläutern. Darüber hinaus hat der Zeuge L2 bekundet, er habe zwar Bedenken gehabt, in wieweit sich seine Stellung als Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses des Straft Köln und seine Mitgliedschaft in den Beiräten der AVG-Untergesellschaften mit einander in Einklang stünden; er habe aber den Rechnungsprüfungsausschuss gleichwohl nicht verlassen, weil dann ja der Eindruck entstanden wäre, er glaube, dass es sich etwas vorzuwerfen habe.
933c)
934Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Einwerben von „Dankeschön-Spenden“ durch den Angeklagten C, deren illegale Stückelung und insbesondere auch das Führen der „schwarzen Kassen“ bei der Kölner ###3 beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A,Dr. B und C sowie den Bekundungen der ZeugenF6, L4, K2, N2, G3, G1 und Dr. K1 und der Zeugin L1. Auch die Feststellungen zu den Spenden des ZeugenF6 an den Angeklagten C im Jahr 1999 im Zusammenhang mit der Privatisierung der AWB beruhen auf der Einlassung des Angeklagten C, der sowohl die Spende als auch deren Hintergrund in der Hauptverhandlung unumwunden eingeräumt hat.
935d)
936Hinsichtlich einer weiteren vermeintlichen Spende von 100.000,00 DM, die S5 der Kölner ###3 am 10.04.1997 über den Angeklagten C zugeleitet haben soll, konnte sich die Kammer keine Überzeugung davon verschaffen, dass diese von S5 herrührt. Darin, dass der Angeklagte C auch diese 100.000,00 DM - von wem auch immer - entgegen genommen hat, folgt die Kammer hingegen seiner Einlassung.
937Die Einlassung des Angeklagten C zur vermeintlichen Quelle dieser Spende dagegen steht zum einen in Widerspruch zu der Einlassung des die Spende angeblich veranlassenden Angeklagten Dr. B, der andererseits durchaus eingeräumt hat, dass er dem Angeklagten C im Jahre 1995 einen Betrag von 150.000,00 DM und im Jahr 1998 einen solchen von 70.000,00 DM als „Dankeschön-Spende" hat zukommen lassen. Es liegt kein greifbarer Anhaltspunkt dafür vor, weshalb der Angeklagte Dr. B gerade diese, zeitlich zwischen den beiden eingeräumten Zahlungen liegende Spende zu Unrecht verschwiegen haben sollte. Auch bleibt der Angeklagte C in seiner Einlassung hinsichtlich der vermeintlichen weiteren Spende von 100.000,00 DM sehr vage und schildert diese - im Gegensatz zu den beiden anderen Spenden von S5 - wenig detailliert, indem er bis auf den Umstand der Zahlung, deren Höhe und das Datum der Übergabe keine weiteren Angaben macht.
938e)
939Die Feststellungen zu den Aufsichts- und Verwaltungsratsmandaten des Angeklagten C und den in diesem Zusammenhang erhaltenen Zahlungen beruhen auf dessen insoweit glaubhafter Einlassung.
940f)
941Soweit Feststellungen zu dem geplanten Abschluss eines Beratervertrages des Angeklagten C mit dem Institut für Wasser- und Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen bzw. dem Institutsdirektor Prof. Dr. J1 - insbesondere auch hinsichtlich der vorgesehenen Finanzierung des Beratervertrages, der geplanten Vergütung und der Gründe für sein Scheitern - getroffen wurden, beruhen diese insbesondere auf den Einlassungen der Angeklagten A sowie den insoweit glaubhaften Bekundungen der ZeugenF6 und J1.
942Auf der Einlassung des Angeklagten C beruhen diese Feststellungen nur, soweit ihr gefolgt werden konnte. Dies gilt nicht, soweit der Angeklagte C daran festhält, der geplante Beratervertrag habe ausschließlich einen auf eine reale Leistung bezogenen Hintergrund gehabt. Sowohl der Zeuge F6 als auch der Zeuge Prof. Dr. J1 haben im Widerspruch zu dieser Einlassung im Ergebnis angegeben, dass auch der Angeklagte C aufgrund der Gesamtumstände wusste, dass eine wirkliche geldwerte Leistung von ihm nicht erwartet wurde, sondern es vielmehr letztlich um seine „Versorgung“ durch den Zeugen F6 ging.
94319. Beraterverträge im Zusammenhang mit dem Zeugen F6
944a)
945Die Feststellungen im Zusammenhang mit den Beraterverträgen des Zeugen F6 (bzw. verschiedener Firmen aus der F6-Unternehmensgruppe) mit dem Angeklagten A (bzw. der von diesem gegründeten Firmen P8 und Q8) und deren Abwicklung sowie betreffend die Beraterverträge des Zeugen F6 mit dem Zeugen Dr. R3 und die Gehaltszuzahlungen des Zeugen F6 an den Zeugen H2 während dessen Tätigkeit bei der AVG beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie den glaubhaften Bekundungen der Zeugen F6, Dr. R3 und H2.
946Zur Höhe der aus den Beraterverträgen erzielten Einkünfte hat sich insbesondere der Angeklagte A wie festgestellt eingelassen.
947k) Darüber hinaus beruhen die Feststellungen auf folgenden Urkunden:
948- Beratervertrag zwischen den Zeugen F6 und Dr. R3 vom 01.01.2002 (SL 1756),
949- Vereinbarung der F6 Entsorgung GmbH mit dem Zeugen H2 vom 15.07.1992 (SL 1779),
950- Rechnung des Zeugen H2 an die F6 Entsorgung GmbH vom 23.04.1996 über 11.500,00 DM (SL 1781),
951- Beratervertrag der F6 AG mit der Firma P8 vom 11.05.2000 (SL 1782),
952- Rechnung der Firma P8 an die F6 AG vom 05.06.2000 über 14.500,00 DM (SL 1786),
953- Darlehensvertrag zwischen der F6 AG und der FirmaP8 vom 16.07.2001 (SL1481).
954b)
955Die Feststellungen betreffend die Übernahme von weiteren Geschäftsanteilen der AVG durch den Zeugen F6 im Jahr 2000 beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie den glaubhaften Bekundungen der Zeugen F6 und Q2.
956c)
957Die Feststellungen hinsichtlich der Berücksichtigung des Zeugen F6 im Rahmen der Privatisierung der AWB und den - bereits erwähnten - damit in Zusammenhang stehenden, der Kölner ###3 geltenden Spendenzahlungen des Zeugen F6 an den Angeklagten C sowie den Prämienzahlungen des Zeugen F6 an die Herren W9 und V9 beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten A und C sowie den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Dr. R3.
958l) Darüber hinaus beruhen sie auf folgenden Urkunden:
959- Anstellungsvertrag zwischen der AVG und Herrn V9 vom 28.11.2001 (SL 1839),
960- Vereinbarung über eine Betriebliche Versorgung zwischen der AVG und Herrn V9 vom 28.11.2001 (SL 1842),
961- Aktenvermerk des Zeugen F6 vom 17.05.2001 mit „vertraulich“ überschrieben (SL 1844),
962- Schreiben der F6 AG an Herrn V9 vom 18.05.2001 betreffend „AVG-Anteile“, vom Zeugen F6 unterzeichnet (SL 1845),
963- Schreiben der F6 AG an Herrn W9 vom 17.05.2001 betreffend „AVG-Anteile“, vom Zeugen F6 unterzeichnet (SL 1846),
964- gemeinsames Schreiben der Herren W9 und V9 an den Zeugen F6 persönlich vom 09.04.2001 (SL 1846),
965- Vermerk der XX5 vom 12.02.2001 betreffend die Jahresgehälter und Prämien der Herren W9 und V9 für das Jahr 2000 (SL 1848),
966- Vereinbarung zwischen den AWB und Herrn V9 betreffend Altersversorgung und Beihilfe (SL 1849).
96720. weitere Feststellungen betreffend den Angeklagten A
968a)
969Die Feststellungen hinsichtlich des Ausscheidens des AngeklagtenA aus der AVG im Frühjahr 2000 und ihre Hintergründe beruhen- wie schon erwähnt - auf der Einlassung des Angeklagten A sowie der amtsärztlichen Begutachtung durch den Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Köln, Herrn Dr. Z6, vom 08.02.2000 (SL 1647); hierzu hat der Angeklagte A ausdrücklich angegeben, er habe seine Tätigkeit bei der AVG allerdings nicht aus gesundheitlichen Gründen beendet, sondern sei aus politischen Gründen aus seiner Stellung gedrängt worden.
970Auch die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Finanzierungsangebote des zwischenzeitlich verstorbenen ###5-Ratsherren und späteren Oberbürgermeisters K6, dessen erwogener Kandidatur um den Vorsitz des AVG-Aufsichtsrates sowie den Abschluss der Versicherungen für die RMVA über die Agentur des Herrn L6 auf Drängen des ###3-Ratsherren M6 beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten A.
971b)
972Soweit Feststellungen über Aufsichtsrats- und Beiratsmandate des Angeklagten A getroffen wurden, beruhen diese auf seiner Einlassung.
973c)
974Die Feststellungen zu den Vermögenswerten des Angeklagten A, die zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung stehen, beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A sowie den Angaben des Staatsanwalts F8.
975Soweit die Existenz eines Safes des Angeklagten A bei der LLB festgestellt wurde, beruht dies darüber hinaus auf den Safebegehungskarten der LLB (SL 1288 f.).
976Die Feststellungen zu dem Nummernkonto ##### des AngeklagtenA bei der LLB und den darauf eingegangenen Zahlungen beruhen u.a. auf dem Kontoauszug betreffend das Euro-Unterkonto bei der LLB vom 31.12.2000 (SL 1239) sowie demjenigen betreffend da CHF-Unterkonto vom 31.03.2002 (SL 1229).
977Die Feststellungen betreffend den Inhalt des Safes bei der LLB nach dessen Öffnung im Juni 2002 beruhen sowohl auf den Ausführungen von Staatsanwalt F8 als auch auf der diese bestätigenden Einlassung des Angeklagten A, der sich auch hinsichtlich der an die Eheleute X8 gezahlten Gelder und die entsprechenden Möglichkeiten zum Rückerhalt derselben sowie zum Gang des Verfahrens betreffend die Anordnungen derLiechtensteinischen Gerichtsbarkeit bzgl. seines Safes bei der LLB eingelassen hat.
978d)
979Soweit festgestellt wurde, dass und in welchem Umfang der Angeklagte A in den Jahren 1995 bis 1998 erhaltene Schmiergeldzahlungen sowie aus deren Anlage erzielte Kapitaleinkünfte nicht zur Einkommensteuer angemeldet und dadurch zu geringe Einkommensteuer und Solidaritätszuschläge entrichtet hat, beruht dies neben der Einlassung des Angeklagten A auf den Bekundungen des Zeugen Steueramtmann P1. Dieser hat auch zu den verschiedenen Steuerbescheiden, deren Änderungen und den nicht vorhandenen Auswirkungen auf die Progressionsstufen im einzelnen bekundet.
980Insbesondere hat der Zeuge P1 die nachfolgende Aufstellung hinsichtlich der steuerstrafrechtlichen Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten A vorgelegt und diese im einzelnen hinsichtlich jeder Position im Rahmen seiner Vernehmung erörtert.
981Finanzamt für Steuerstrafsachen Anlage 1
982und Steuerfahndung Köln zum strafrechtlichen
983- Steuerfahndungsstelle - Bericht
984Az.: ############## A
985Einkommensteuer
986Ermittlungszeitraum |
1995 |
1996 |
1997 |
1998 |
Tarif |
Splittingtarif |
Splittingtarif |
Splittingtarif |
Splittingtarif |
Land- und Forstwirtschaft |
||||
Gew-Betr. (begünst. § 32c EStG) |
||||
Selbständiger Arbeit |
472.440 |
332.312 |
175.835 |
325.890 |
Nichtselbständiger Arbeit |
271.727 |
273.400 |
275.055 |
280.985 |
Kapitalvermögen |
156.473 |
216.512 |
161.800 |
175.317 |
Vermietung und Verpachtung |
-208.442 |
-155.428 |
-82.997 |
-79.244 |
Sonstige Einkünfte |
1.000.000 |
400.000 |
1.890.000 |
|
Summe der Einkünfte |
1.692.198 |
1.066.796 |
529.693 |
2.592.948 |
enthaltene Eink. § 34 (2) 1 EStG |
0 |
0 |
0 |
0 |
Gesamtbetrag der Einkünfte |
1.692.198 |
1.066.796 |
529.693 |
2.592.948 |
Sonderausgaben unbeschränkt |
-3.150 |
-4.955 |
-8.712 |
-5.200 |
Ibeschränkt |
-7.830 |
-7.830 |
-7.830 |
-7.830 |
Zwischensumme |
1.681.218 |
1.054.011 |
513.151 |
2.579.918 |
Kinderfreibeträge |
0 |
0 |
0 |
0 |
zu versteuerndes Einkommen |
1.681.218 |
1.054.011 |
513.151 |
2.579.918 |
Einkommensteuer lt. Tabelle |
845.312 |
512.920 |
226.262 |
1.321.662 |
Einkommensteuer § 34 (2) 1 EStG |
0 |
0 |
0 |
0 |
Entlastungsbetrag § 32 c ESI:G |
||||
Verbleibende ESt |
845.312 |
512.920 |
226.262 |
1.321.662 |
Zu berücksichtigendes Kindergeld |
0 |
0 |
0 |
0 |
Abzugsbeträge |
264 |
281 |
462 |
462 |
Einkommensteuer lt. Prüfung |
845.048 |
512.639 |
225.800 |
1.321.200 |
abzüglich - LSt |
-103.626 |
-105.809 |
-107.993 |
-110.584 |
- KSt |
-308 |
-737 |
||
für SolZ ab 1995: -vergütete KSt |
-497 |
-666 |
||
- KapESt |
4414 |
-4.287 |
-4.922 |
-4.112 |
ESt – Zahliast nach Prüfung |
740.008 |
402.543 |
112.577 |
1.205.767 |
ESt – Zahllast bisher |
-127.082 |
-81.655 |
-35.247 |
-117.235 |
Hinterzogene Einkommensteuer |
612.926 |
320.888 |
77.330 |
1.088.532 |
Hinterzogene ESt insgesamt |
612.9261 |
933.814T |
1.011.1441 |
2.099.676 |
Solidaritätszuschlag lt. Prüfung |
63.379 |
38.448 |
16.875 |
72.589 |
abzüglich einbehaltener Beträge |
-7.878 |
-8.257 |
-8.468 |
-6.308 |
Solz - Zahllast nach Prüfung |
55.501 |
30.191 |
8.406 |
66.281 |
SolZ - Zahliast bisher |
-9.531 |
-6.124 |
-2.606 |
-6.412 |
Hinterzogener SolZ |
45.969,45 |
24.066,60 |
5.799,75 |
59.869,26 |
Hinterzogener SolZ insgesamt |
45.969 |
70.036 |
75.836 |
135.705 |
Der anwaltlich beratene Angeklagte A hat die entsprechenden Bekundungen des Zeugen P1 in der Hauptverhandlung ausnahmslos als richtig bestätigt.
98821. weitere Feststellungen betreffend den Angeklagten Dr. B
989a)
990Die Feststellungen betreffend das „China-Geschäft“ von 1993/1994 und seinen Hintergrund beruhen auf der Einlassung des AngeklagtenDr. B.
991Die weiteren Feststellungen betreffend die Zahlungen von T5 an AIF wegen des Projektes Yang Liu Quin beruhen zudem insbesondere auf der Rechnung der AIF an T5 vom 29.08.1994 (SL 1674), der Belastungsanzeige der XX7 Essen betreffend das Konto von T5 und eine von dort getätigte Überweisung an AIF über 6 Mio. DM vom 05.09.1994 (SL 1678). Die Feststellungen zu der Einzahlung von 2.878.000,00 DM auf dem Konto des Angeklagten Dr. B bei der Royal Bank of Scotland mit dem Namenszusatz „V6“ am 18.10.1994, dessen Einrichtung und seine spätere „Verlagerung“ zur Lloyds-Bank beruhen ferner insbesondere auf den glaubhaften Bekundungen der Zeugen X1 und Y4 sowie dem Kontoauszug der Royal Bank of Scotland betreffend dieses Konto vom 31.12.1994 (SL 1170).
992b)
993Die Feststellungen betreffend das gegen den Angeklagten Dr. B seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart (140 -151/163- Js 66570/99) geführte Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Errichtung der MVA Böblingen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten Dr. B.
994c)
995Die Feststellungen zu den verschiedenen für das Jahr 1995 erlassenen Steuerbescheiden beruhen auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Steueramtmann P1. Die Feststellung, dass eine Frist nach § 371Abs. 3 AO bislang nicht gesetzt wurde, beruht auf der Einlassung des Angeklagten Dr. B sowie den Angaben der Sachgebietsleiterin des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Köln, FrauH13.
996IV. Feststellungen zur Sache, die Umstände betreffen, welche nach dem
997Ergebnis der Beweisaufnahme von den Verfahrensbeteiligten unein-
998heitlich gesehen wurden.
999Hinsichtlich der nachfolgenden Feststellungen wichen die Einlassungen der Angeklagten teilweise von einander ab und/oder standen nicht in Einklang mit den Bekundungen von Zeugen und/oder der Urkundenlage. Im Einzelnen gilt hinsichtlich der Überzeugungsbildung der Kammer das Folgende:
10001. Schaden der AVG/Kalkulation des Schmiergeldes bei S5
1001Die Überzeugung der Kammer davon, dass der AVG aufgrund der Schmiergeldabrede und dem diese berücksichtigenden Abschluss des Werkvertrages mit S5 vom 28.01.1994 ein Schaden in Höhe von mindestens 24.434.344,00 DM entstanden ist, sowie davon dass dieser Schaden vom Vorsatz der Angeklagten A und Dr. B umfasst war, beruht insbesondere auf der geständigen Einlassung des AngeklagtenA, der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten Dr. B, soweit ihr gefolgt werden konnte, den Bekundungen der Zeugen L4, E2, M3 und H2 sowie den im Folgenden näher erörterten Urkunden, die auch zur Überzeugungsbildung der Kammer hinsichtlich der S5-internen Kalkulation des Schmiergeldes beigetragen haben.
1002Hinsichtlich der genauen Berechnung des Schadens der AVG wird zudem auf die dazu erstellte Tabelle verwiesen.
1003Im Einzelnen gilt Folgendes:
1004a) Einlassung des Angeklagten Dr. B
1005aa)
1006Das Einlassungsverhalten des Angeklagten Dr. B zu der im Rahmen des Untreuevorwurfs entscheidenden Frage, ob er das Schmiergeld zu Lasten der AVG in den S5-Werklohn eingerechnet hat, war wechselhaft:
1007(1)
1008Nachdem der Angeklagte Dr. B zunächst in Abrede gestellt hat, dass schon von Beginn 3 % „NA“ in den Auftrag für das zu beschaffende Schmiergeld eingerechnet worden seien, ist er von dieser Einlassung auf den Vorhalt des Kalkulationsvermerks der Zeugin E2 vom 30.11.1993 (SL 12, siehe auch Anlage VIII zum Urteil) und der dort unter Ziffer 2 und 3 ausgewiesenen „3 % (NA)“ bereits im Ermittlungsverfahren abgerückt und hat eingeräumt, es sei zutreffend, dass er im Wissen um das zu beschaffende Schmiergeld dem Zeugen L4 die Anweisung erteilt habe, einen Aufschlag von 3 % für „nützliche Aufwendungen“ - damit seien die Schmiergelder gemeint gewesen - vorzunehmen. Entsprechend dieser Vorgabe habe die Zeugin E2 - wie diese im Rahmen ihrer Vernehmung im übrigen glaubhaft bestätigt hat - dann auch kalkuliert.
1009Der Angeklagte Dr. B hat sich ferner dahin eingelassen, im Zuge der Manipulation des Ursprungsangebotes am 05./06.12.1993 dann zusätzlich das Los Abgasbehandlung um 20 Mio. DM angehoben zu haben; allerdings soll dies in ausdrücklicher Abstimmung mit dem AngeklagtenA geschehen sein, was dieser bestritten hat.
1010(2)
1011Unmittelbar im Anschluss an diese Ausführungen hat der AngeklagteDr. B sich dann allerdings dahin eingelassen, S5 habe die „Provisionen“ von 3 % bei der Kalkulation des Werklohnes für die RMVA zwar eingerechnet, diese seien aber durch die Reduktion von Zuschlägen auf die Leistungen von Unterlieferanten wieder eingespart worden. Des ungeachtet hat er wenige Sätze später angegeben, wenn die Verhandlungen um das Projekt RMVA ohne die Schmiergeldvereinbarung geführt worden wären, wäre das S5-Angebot um 20 bis 30 Mio. DM billiger ausgefallen.
1012Schon diese Einlassung wirft die Frage auf, weshalb ein Verzicht auf die Schmiergelder zu einer Reduktion des Preises für die AVG geführt haben soll, wenn diese Gelder doch letztlich durch die Einsparungen bei den Unterlieferanten aufgefangen worden sein sollen.
1013(3)
1014An einem der nächsten Hauptverhandlungstage und der diesen einleitenden Feststellung des Vorsitzenden, dass die Kammer die vorangegangene Einlassung des Angeklagten Dr. B (auch) insoweit als Geständnis auffasse, als er eingeräumt habe, das gesamt Schmiergeld von ca.24 Mio. DM sei zu Lasten der AVG in den Werklohn einkalkuliert worden, ist dem zunächst die Verteidigerin des Angeklagten Dr. B, Rechtsanwältin Dr. H8, entgegengetreten und hat angekündigt, ihr Mandant wolle noch einmal darlegen, warum S5 bei einem vereinbarten Werklohn von 792 Mio. DM bei einem Verzicht auf die Schmiergelder gleichwohl nicht die 3 % hätte nachlassen können und daher ein Schaden der AVG nicht eingetreten sei. Der Angeklagte Dr. B hat sodann ausgeführt, dass zwar ursprünglich sowohl der generelle Aufschlag von 3 % als auch die weitere Anhebung des Loses Abgasbehandlung um 20 Mio. DM - jedenfalls auch - der Generierung des Schmiergeldes gedient hätten, dies jedoch nicht mehr der Fall gewesen sei, nachdem der Angeklagte A ihm mitgeteilt habe, nun nach dem Idealfirma-Modell und ohne die Zahlung eines Generalunternehmerzuschlags vorgehen zu wollen. Bei dieser Sachlage habe S5 nämlich nun den ursprünglich für das Schmiergeld in den Auftrag eingerechneten Betrag als Ausgleich dafür verwenden müssen, dass auf der Grundlage des Idealfirma-Modells dringend benötigte Deckungsbeiträge von ca. 50 Mio. DM weggefallen seien; denn nunmehr seien wichtige und deckungsbeitragsstarke Lose - wie die Lose Kessel/Feuerung, Energieteil und Elektro- und Prozessleittechnik - nicht mehr bei S5 verblieben, sondern an andere Bieter gegangen; sie hätten bei S5 als Generalunternehmer nur noch Durchlaufposten dargestellt, aus denen keine Deckungsbeiträge hätten gewonnen werden konnten. Das benötigte Schmiergeld habe S5 bei dieser Sachlage nur noch erwirtschaften können, wenn es gelänge, die zur Durchführung des Projektes heranzuziehenden Konsorten zu entsprechenden Preisnachlässen gegenüber S5 zu bewegen. Bei diesem Unterfangen habe der Angeklagte A ihm zwar seine Unterstützung zugesagt; zum Zeitpunkt des Abschlusses des Werkvertrages sei aber noch nicht klar gewesen, ob das Vorhaben auch sicher gelingen würde.
1015(4)
1016Der Vorsitzende hat dem Angeklagten Dr. B folgenden Vorhalt gemacht: Zum einen habe das „Drücken“ der Konsorten nach Aktenlage wohl in keinem Zusammenhang mit dem zu beschaffenden Schmiergeld gestanden, sondern bereits notwendig gewesen sei, um S5 überhaupt die Durchführung des Auftrags auf der Grundlage des Idealfirma-Modells und ohne Generalunternehmerzuschlag zu ermöglichen; zum anderen habe doch nach wie vor das Schmiergeld von 3 % bei S5 lediglich einen durchlaufenden Posten dargestellt, um den das S5-Angebot bei Wegfall der Schmiergeldbelastung hätte reduziert werden können; schließlich spreche auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vieles dafür, dass Schmiergelder in der hier in Rede stehenden Höhe regelmäßig auf den Werklohn aufgeschlagen würden.
1017Daraufhin hat der Angeklagte Dr. B sodann eine neue vermeintliche Ursache für die Erhöhung des Loses Abgasbehandlung um 20 Mio. DM angegeben: Diese Anhebung habe doch nicht mit der Beschaffung des Schmiergeldes in Zusammenhang gestanden, sondern sei dadurch bedingt gewesen, dass der Angeklagte A ihm mitgeteilt habe, das Los Bauteil sei aufgrund politischer Vorgaben zwingend an eine Arbeitsgemeinschaft aus Y5 und J13 zu vergeben; da S5 dieses Los also nicht erhalten würde, habe er, Dr. B, nun den bislang im S5-Angebot bei dem Los Bauteil angesiedelten Anteil des Stahlbau für die Abgasbehandlung dort heraus rechnen und dem Los Abgasbehandlung hinzufügen müssen; so erkläre sich die Preiserhöhung. Diese Argumentation hatte die Verteidigerin des Angeklagten Dr. B, Rechtsanwältin Dr. H8, aufgrund seiner ihr gegenüber gemachten Angaben (wie er in der Hauptverhandlung auf Nachfrage ausdrücklich erklärt hat) und anknüpfend an ein von dem Wirtschaftsreferenten der StaatsanwaltschaftO7 aufgebrachtes Mißverständnis, wonach bei der Kalkulation des Preises für die Abgasbehandlung die Kosten für den Stahlbau in diesem Bereich von über 25 Mio. DM vergessen worden seien, bereits im Ermittlungsverfahren schriftsätzlich vorgetragen hatte.
1018(5)
1019Von dieser Einlassung ist der Angeklagte Dr. B im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wieder abgerückt, nachdem ihm u.a. anhand zahlreicher S5-Kalkulationsunterlagen - wie etwa der von der ZeuginE2 nach deren glaubhaften Bekundungen erstellten Preiskalkulation vom 06.12.1993 (SL 67, 69) und der im Schriftsatz seiner Verteidigerin, Rechtsanwältin Dr. H8, vom 18.09.2003 verfassten Tabelle (SL 1) - nahegebracht wurde, dass seiner Einlassung zuwider der auf die Abgasbehandlung entfallende Anteil des Stahlbaus sehr wohl bereits bei dem S5-Angebot vom 03.12.1993 im Los Abgasbehandlung (und nicht im Bauteil) kalkuliert worden war. Aus den insoweit ausgewerteten Urkunden und den Bekundungen der Zeugin E2 ergab sich nämlich, dass zwar die Zeugin E2 bei ihrer Kalkulation den ca. 26 Mio. DM betragenden Stahlbau-Anteil für die Abgasbehandlung im Los Bauteil kalkuliert hatte; nach dieser Berechnung belief sich das Los Abgasbehandlung auf lediglich ca. 123 Mio. DM (bzw. ca. 132 Mio. DM inklusive des Gewinn- und „NA“-Zuschlags), wie die Zeugin E2 anhand der S5-Preiszusammenstellung vom 06.12.1993 (SL 37 ff.) und der dortigen mit „SK II–TW“ bzw. „GU“ überschriebenen Spalten nachvollziehbar erläutert hat. Der Angeklagte Dr. B erkannte dies aber und änderte nach seiner Einlassung die Lospreise in eigener Regie dergestalt ab, dass er den Stahlbau-Anteil der Abgasbehandlung zuschlug, und dies u.a. zu der Erhöhung auf einen Preis von ca. 166 Mio. DM führte, der sich in dem Angebot vom 03.12.1993 wieder findet. In dieses Bild passt zudem, dass auch der Zeuge L4 in keiner Vernehmung davon gesprochen hatte, die Kosten für den Stahlbau in Bezug auf die Abgasbehandlung seien bei der Kalkulation vergessen worden, was zumindest bei den ständig durchgeführten Nachkalkulationen im Verlauf der Projektabwicklung hätte auffallen müssen; vielmehr war dem Zeugen L4 nur ein etwaiger Kalkulationsirrtum im Bereich der TGA im nachhinein aufgefallen.
1020Nachdem ihm dieser Umstand seitens des Vorsitzenden mehrfach vorgehalten wurde und der Angeklagte Dr. B ihn inhaltlich als richtig bestätigt hatte, räumte der Angeklagte Dr. B sodann wieder ein, dass die Anhebung des Loses Abgasbehandlung "auch" mit der Generierung der Schmiergelder zusammengehangen habe. Dabei legte er allerdings Wert auf die Feststellung, dass dies aus seiner Sicht nur ein - nicht aber der einzige - Grund für die Anhebung dieses Loses gewesen sei, und blieb dabei, dass die Anhebung vornehmlich dem Auffangen der schwindenden Deckungsbeiträge gedient habe.
1021(6)
1022Schließlich hat der Angeklagte Dr. B sich dahin eingelassen, er habe Ende Dezember 1993/Anfang Januar 1994 die ursprüngliche Schmiergeldvereinbarung aus dem Herbst 1993 einverständlich mit dem Angeklagten A dahin abgeändert, dass er nur dann zur Zahlung des Schmiergeldes verpflichtet sein sollte, wenn es S5 tatsächlich gelänge, zur Beschaffung des Schmiergeldes die Preise der Konsorten um ca. 40 Mio. DM im Preis zu reduzieren.
1023bb)
1024Soweit die Kammer der Einlassung des Angeklagten Dr. B folgt, bestehen hinsichtlich der Glaubhaftigkeit seiner Angaben keine Zweifel. Als mit dem Projekt RMVA Köln vorrangig betrauter S5-Geschäftsführer war er in die Kalkulation des Werklohnes und die Überlegungen zur Beschaffung des Schmiergeldes an vorderster Stelle eingebunden. Nach seiner eigenen Einlassung und den diese bestätigenden Bekundungen des Zeugen L4 und der Zeugin E2 war es der Angeklagte Dr. B, der die entscheidenden Vorgaben zur Kalkulation des Auftrages und des Schmiergeldes machte.
1025Hinsichtlich der folgenden Punkte wertet die Kammer die Einlassung des Angeklagten Dr. B als Geständnis:
1026(1)
1027Der Angeklagte Dr. B hat eingeräumt, dass auf seine Anweisung hin bereits das S5-Angebot vom 03.12.1993 für das Schmiergeld einen Aufschlag von 3 % enthielt. Dass ein entsprechender Aufschlag bei dem Los Genehmigungsplanung nicht vorgenomen worden ist, entnimmt die Kammer den entsprechenden glaubhaften Bekundungen der Zeugin E2, die 1993 bei S5 Abteilungsleiterin und Vertriebsleiterin im Bereich Umweltschutz war und die Angebotskalkulationen für die RMVA federführend nach den Anweisungen des Zeugen L4 erstellt hat. Die Zeugin E2 hat - in Übereinstimmung mit den in dem Vermerk vom 30.11.1993 (SL 12, siehe auch Anlage VIII zum Urteil) niedergelegten Anweisungen - angegeben, bei diesem Los sei ein Anteil für „nützliche Aufwendungen“ nicht eingerechnet worden.
1028Die Einlassung des Angeklagten Dr. B hinsichtlich der ansonsten generell eingerechneten 3 % für das Schmiergeld wird bestätigt durch die Bekundungen der Zeugin E2, die - auch in Übereinstimmung mit den insoweit glaubhaften Bekundungen des Zeugen L4 - erläuterte, dass der unter Ziffer 2 des Vermerkes vom 30.11.1993 (SL 12, siehe auch Anlage VIII zum Urteil) erwähnte Zuschlag von 5 % sich auf den bei S5 kalkulierten Gewinn bezogen habe. Sie hat darüber hinaus anhand der Preiskalkulation vom 06.12.1993 (SL 37 ff.) bekundet, dass es sich bei den Werten in der mit „SK II TW“ überschriebenen Spalte um die S5-Selbstkosten zum Tageswert und bei der rechts daneben angesiedelten und mit „GU“ überschriebenen Spalte um die um den Faktor von insgesamt 8 % erhöhten Selbstkosten zum Tageswert gehandelt habe; dieser Aufschlag von 8 % habe auf der in dem Vermerk vom 30.11.1993 unter Ziffer 2 niedergelegten Anweisung des Zeugen L4 bzw. des Angeklagten Dr. B beruht und (neben den erwähnten 5 % Gewinn) aus „3 % NA“, also Schmiergeld, bestanden. Soweit sich aus den Kalkulationsunterlagen (SL 37 ff.) ergibt, dass nicht exakt 8 % auf die SK II TW aufgeschlagen worden sind, stellt dies die Schadensberechnung der Kammer nicht in Frage, denn der Angeklagte Dr. B und die Zeugin E2 haben übereinstimmend angegeben, dass jedenfalls der 3 %-ige Schmiergeldaufschlag in jedem Fall durchgeführt worden sei.
1029(2)
1030Der Angeklagte Dr. B hat sich ferner zumindest teilgeständig gezeigt soweit er einräumt, dass die Anhebung des Loses Abgasbehandlung um 20 Mio. DM (auch) der Beschaffung der Schmiergelder diente und mit der vermeintlichen Verlagerung des Stahlbaus für die Abgasbehandlung aus dem Los Bauteil nichts zu tun hat.
1031cc)
1032Allerdings sieht die Kammer die Einlassung des Angeklagte Dr. B als widerlegte Schutzbehauptung an, soweit er daran festhält, die ursprünglich für das Schmiergeld eingerechneten 3 % sowie die hinzu addierten weiteren 20 Mio. DM betreffend das Los Abgasbehandlung hätten sich letztlich nicht preiserhöhend für die AVG ausgewirkt, sondern seien zur Beschaffung von Deckungsbeiträgen notwendig gewesen.
1033(1)
1034Zwar folgt die Kammer dem Angeklagten Dr. B durchaus, soweit er sich dahin eingelassen hat, durch das Idealfirma-Modell seien bei S5 Deckungsbeiträge von ca. 50 Mio. DM in Wegfall gekommen. Diesen Umstand hat der Angeklagte Dr. B in der Hauptverhandlung in einem durch zahlreiche Dokumente angereicherten umfänglichen Sachvortrag nachvollziehbar erläutert.
1035Allerdings belegt gerade dieser Wegfall von Deckungsbeiträgen in erheblicher Höhe in Verbindung mit der nach wie vor bestehenden faktischen Verpflichtung zur Schmiergeldzahlung und dem Umstand, dass S5 den Auftrag RMVA letztlich durchgeführt hat, dass die Veranlassung der Konsorten zu erheblichen Preisreduktionen - also das „Drücken“ der Konsorten - schon notwendig war, um S5 die Realisierung des Auftrages überhaupt zu ermöglichen. Dass dies - nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Konsorten tatsächlich um insgesamt ca. 50 Mio. DM zum Nachgeben bewegt werden konnten - gelungen ist, zeigt das Ergebnis: S5 konnte sowohl den Auftrag durchführen als auch das 3 %ige Schmiergeld (größtenteils) auskehren.
1036Entgegen der Einlassung des Angeklagten Dr. B war die Tatsache, dass ein entsprechendes „Drücken“ der Konsorten - nicht zuletzt Dank der umfangreichen und nachdrücklichen, ebenfalls vom AngeklagtenDr. B eingeräumten Unterstützung durch den AngeklagtenA - aller Wahrscheinlichkeit nach gelingen würde, nicht erst mit dem Abschluss des Konsortialverträge im Juli 1994, sondern bereits spätestens Anfang 1994 und damit vor dem Abschluss des Werkvertrages mit der AVG - für den Angeklagten Dr. B erkennbar. Denn zum einen hatte S5 schon nach der Einlassung des Angeklagten Dr. B, die u.a. von den Zeugen N2 und Z2 bestätigt wurde, spätestens im Herbst 1993 Kontakt zu zahlreichen Mitbietern, die als mögliche Konsorten in Frage kamen, aufgenommen und begonnen, denkbare Spielräume auszuloten. So hat der Angeklagte Dr. B etwa eingeräumt, bereits am 02.12.1993- und damit noch vor der Abgabe des ersten S5-Angebotes – hinsichtlich des Loses Bauteil, das S5 eigentlich mit der „Mutterfirma“ Y5 nach deren Vorgabe anbieten sollte, ein wesentlich günstigeres Alternativangebot von J13 vorgelegen habe, mit dem er Y5 tatsächlich AnfangJanuar 1994 zu einem - im Ergebnis noch weitergehenden - Nachgeben veranlassen konnte.
1037Auch hat der Zeuge N2, seinerzeit Geschäftsführer bei T5, in seiner Vernehmung vor der Kammer - wenn auch erst nach einigem Zögern - bekundet, dass er bereits geraume Zeit vor dem Abschluss des Konsortialvertrages hinsichtlich des Loses Bauteil seitens des AngeklagtenDr. B darauf angesprochen worden sei, das T5-Angebot gegenüber S5 zu reduzieren, um S5 einen weiteren Freiraum zum Generieren des Schmiergeldes zu verschaffen. In diesem Sinne hatte der Zeuge N2, wie er in der Hauptverhandlung auf Vorhalt angegeben hat, bereits im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 28.11.2002 ausgesagt. Letztlich hat er auch in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, der Angeklagte Dr. B habe ihm von den hohen Schmiergeldforderungen im Zusammenhang mit der RMVA berichtet und ihm sogar für den Fall, dass er, der Zeuge N2, zum Zwecke ihrer Beschaffung nicht bereit sei, das T5-Angebot zu senken, damit gedroht, T5 insoweit nicht zu berücksichtigen; diesem Hinweis habe er, der Zeuge N2, Folge geleistet. Er habe sich zwar nicht unmittelbar an der Schmiergeldzahlung beteiligen wollen, wohl aber habe er vor dem Hintergrund, dass S5 für den Auftragserhalt Schmiergeld zahlen musste, im Preis erhebliche Nachlässe eingeräumt.
1038Zweifel an der Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Angaben des Zeugen N2 bestehen insoweit nicht, da er mit diesen Bekundungen letztlich ihm selber nachteilige Umstände einräumt und er nicht den Eindruck hervorgerufen hat, den Angeklagten Dr. B zu Unrecht belasten zu wollen. Derartiges folgert die Kammer auch nicht aus dem Umstand, dass der Zeuge N2 nach der Übernahme von S5 durch T5 in ein unmittelbares berufliches Konkurrenzverhältnis zu dem Angeklagten Dr. B trat; denn der Angeklagte Dr. B selbst hat ausdrücklich angegeben, er habe auch in dieser Zeit kein belastetes, sondern ein professionelles Verhältnis zu dem Zeugen N2 gehabt.
1039Der Zeuge N2 hat auch den ihm ungünstigen Umstände eingeräumt, dass auch er dem Angeklagten A im Zusammenhang mit der Bewerbung um den Zuschlag für die RMVA Köln eine Schmiergeldzahlung angeboten habe und entsprechendes Verhalten in der Branche der Üblichkeit entspreche; anschaulich hat der Zeuge N2 beschrieben, dass die Bereitschaft zur Entgegennahme von Schmiergelder stets „wie mit einem Radargerät“ ausgelotet worden sei.
1040Darüber hinaus hielt auch die AVG - bzw. der Angeklagte A - dem Angeklagten Dr. B mit Blick auf das „Drücken“ der Konsorten den Rücken frei. Ausweislich eines Vermerkes über eine gemeinsame Besprechung von AVG und S5 am 30.12.1993 (SL 191 ff.) hatte die AVG sich nämlich ausdrücklich dahin festgelegt, dass S5 - dem AVG-Wunsch entsprechend - V5 und T5 nur dann als Konsorten einbinden musste, wenn diese bereit seien, S5 „in der Weise entgegen zu kommen, dass die üblichen Preisabschläge zu Gunsten des Generalunternehmers realisiert werden.“ Für den Fall, dass eine diesbezügliche Verhandlungsbereitschaft nicht bestehe, sei die AVG auch zu einer „Umorientierung“ in Richtung S5 bereit. Damit hatte S5 gegenüber V5 und T5 bei der Preisgestaltung letztlich weitgehend freie Hand und konnte diesen Konsorten mit der Nichtberücksichtigung für den Fall drohen, dass eine für S5 günstige Einigung nicht zu erzielen sei.
1041Es darf schließlich nicht darüber hinweggesehen werden, dass von vorne herein zwischen AVG und S5 Einigkeit darüber bestand, dass der Erfolg des „Drückens“ der Konsorten, zu dem der Angeklagte A entscheidend beitrug, ausschließlich bei S5 verbleiben und wegen des vereinbarten Festpreises nicht (auch nicht anteilig) an die AVG weitergereicht werden würde. Auch dies belegt, dass in den Augen der AngeklagtenDr. B und A das „Drücken“ der Konsorten der Beschaffung der für S5 notwendigen Deckungsbeiträge diente.
1042(2)
1043Demgegenüber stellte das Schmiergeld für S5 - nachdem es einmal dem Werklohn hinzugerechnet worden war - zu keinem Zeitpunkt etwas anderes als einen durchlaufenden Posten dar. Hätte der Angeklagte A auf das Schmiergeld verzichtet, wäre S5 jederzeit in der Lage gewesen, gegenüber der AVG den Werklohn um einen dem Schmiergeld entsprechenden Betrag zu reduzieren, ohne dass sich hinsichtlich der durch das Idealfirma-Modell verlorenen Deckungsbeiträge und deren Ausgleich durch das „Drücken“ der Konsorten wirtschaftlich für S5 etwas geändert hätte. Die Frage, ob der Auftrag RMVA für S5 wirtschaftlich darstellbar war oder nicht, stellte sich mit oder ohne Schmiergeldvereinbarung in gleicher Weise; so oder so blieb der Auftrag für S5 gleichermaßen mit Risiken behaftet. Dass S5 sich gleichwohl für das überschaubare Risiko in Bezug auf das notwendige „Drücken“ der Konsorten entschied, hatte seinen wesentlichen Grund darin, dass nach den übereinstimmenden Angaben des AngeklagtenDr. B und des Zeugen L4 das Projekt RMVA für S5 nicht in erster Linie wegen eines zu erzielenden Gewinns, sondern ausdrücklich als Referenzobjekt interessant war, mittels dessen S5 hoffte, sich angesichts der festgestellten schwierigen Verhältnisse in der Branche des Großanlagenbaus zur Tatzeit einen Zugang zu einem neuen Marktsektor zu verschaffen. Der Angeklagte Dr. B und der Zeuge L4 haben angegeben, dass daher auch die Gewinn- und Risikenkalkulation für die RMVA anders ausfiel als im sonst üblichen Geschäftsverkehr; die RMVA Köln war in jeder Hinsicht „etwas Besonderes“.
1044(3)
1045Die Kammer folgt dem Angeklagten Dr. B daher auch nicht darin, dass dieser die ursprünglich für die Schmiergelder eingerechneten ca. 24 Mio. DM nach der Bekanntgabe einer Vergabe des Auftrags auf der Grundlage des Idealfirma-Modells intern als Möglichkeit zur Generierung nun wegfallender Deckungsbeiträge „umgewidmet“ hat.
1046Gegen die Glaubhaftigkeit seiner entsprechenden Einlassung spricht schon, dass er zu dem fraglichen Themenkomplex allein im Rahmen der Hauptverhandlung mehrfach unterschiedliche und auch widersprüchliche Angaben gemacht und seine Einlassung verschiedentlich korrigiert hat, nachdem ihm deren Unhaltbarkeit entweder durch Zeugen- und/oder Urkundenbeweis oder anhand allgemeiner Überlegungen durch Vorhalt vor Augen geführt worden war. Dies ruft bereits Zweifel daran hervor, ob der AngeklagtenDr. B zur Tatzeit tatsächlich derartige Überlegungen angestellt hat; nahe liegend erscheint vielmehr, dass es sich auch insoweit um eine Schutzbehauptung handelt.
1047Unabhängig davon spricht gegen diese vermeintliche „Umwidmung“ aber zudem die folgende Überlegung: Der S5-Haushalt bildete auch nach den Darlegungen des Angeklagten Dr. B eine Einheit; es gab keine getrennt voneinander verwalteten internen Konten einmal für Schmiergelder und einmal für Deckungsbeiträge; entscheidend war, ob sich das Projekt insgesamt rechnete - das heißt, es kam darauf an, ob S5 das mit diesem wie mit jedem Auftrag verbundene Risiko unter Berücksichtigung aller einzukalkulierender Fakten, wozu u.a. Schmiergeld und (weggefallene) Deckungsbeiträge zählten, eingehen konnte. Allen an der Unrechtsvereinbarung Beteiligten war klar, dass es zu einer vollständigen Auszahlung der Schmiergelder nur kommen würde, wenn S5 das Projekt RMVA insgesamt erfolgreich würde durchführen können.
1048In diesem Zusammenhang ist erneut zu berücksichtigen, dass es S5 im Ergebnis auch tatsächlich gelungen ist, sowohl die notwendigen Deckungsbeiträge (durch das „Drücken“ der Konsorten) zu generieren als auch das erforderliche Schmiergeld zu beschaffen, für das eben von Beginn an - bzw. spätestens nach der Manipulation des Angebotes Anfang Dezember 1993 - insgesamt ausreichende Aufschläge auf den Werklohn eingerechnet worden waren.
1049dd)
1050Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass - der Einlassung des Dr. Angeklagten Dr. B folgend - die Unrechtsvereinbarung nach der Vorgabe des Idealfirma-Modells durch den Angeklagten A einvernehmlich dahin abgeändert wurde, dass S5 zur Zahlung des Schmiergeldes - gleichsam aufschiebend bedingt - nur noch verpflichtet sein sollte, wenn es im Ergebnis gelingen würde, die Konsorten zu einem Nachgeben von insgesamt ca. 50 Mio. DM zu bewegen.
1051(1)
1052Zum einen hat der Angeklagte A ausdrücklich erklärt, eine entsprechende Vereinbarung sei zu keinem Zeitpunkt - weder ausdrücklich noch konkludent - getroffen worden.
1053(2)
1054Gegen die Überzeugungskraft der Einlassung des AngeklagtenDr. B spricht zudem, dass dieser auf Nachfragen des Vorsitzenden eingeräumt hat, eine ausdrückliche Abänderung der „Provisionsvereinbarung“ im vorgenannten Sinne sei gar nicht erfolgt; allerdings habe der Angeklagte A - wie auch der Zeuge F6 - den Sachverhalt wie er selbst beurteilt; beide seien von einer Abänderung der Schmiergeldvereinbarung ausgegangen.
1055Demnach ist also eine Abänderung zumindest nie ausdrücklich besprochen worden, obwohl dies nahe gelegen hätte, da es sich doch bei der Schmiergeldvereinbarung um ein für die Angeklagten A und Dr. B wie den Zeugen F6 gleichermaßen wesentliches Thema handelte.
1056Aber auch für die Annahme einer Abänderung im Wege einer stillschweigenden Abrede fehlt es an konkreten Anhaltspunkten. Der AngeklagteDr. B hat keine Umstände geschildert, aus denen er den Eindruck hätte gewinnen können, dass auch der Angeklagte A davon ausging, dass die Verpflichtung zur Schmiergeldzahlung auf der Grundlage des Idealfirma-Modells nur bestünde, wenn ausreichend Deckungsbeiträge würden generiert werden können. Solche Umstände sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
1057Hinzu kommt, dass schon aus der Einlassung des AngeklagtenDr. B trotz Nachfragen seitens der Kammer nicht klar erkennbar geworden ist, ob er nun behauptet, es sei Anfang 1994 eine neue Schmiergeldvereinbarung getroffen, oder es sei lediglich die „alte“ Schmiergeldvereinbarung von 1993 durch Vereinbarung einer „aufschiebenden Bedingung“ abgeändert worden.
1058(3)
1059Der Angeklagte Dr. B kann sich zum Beleg seiner Behauptung auch nicht auf die Bekundungen des Zeugen F6 berufen. Dieser hat zwar in seiner staatsanwaltlichen Vernehmung vom 16.07.2002 bekundet, der Angeklagte Dr. B habe immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass er die Zahlung des Schmiergeldes davon abhängig mache, dass er mindestens 50 Mio. DM als Generalunternehmer sparen könne. Zugleich hat der Zeuge F6 jedoch auch mitgeteilt, wie er diese Äußerung verstanden hat: nämlich dahin, dass anderenfalls die „Gesamtprovision“ von 24 Mio. DM nicht erreicht werden könne.
1060Die vom Zeugen F6 in Bezug genommenen Äußerungen des Angeklagten Dr. B sind nach der Überzeugung der Kammer dahin zu verstehen, dass er - aus verständlichen Gründen - gegenüber den Schmiergeldempfängern deutlich machte, dass die Unrechtsvereinbarung nur dann gleichsam mit Leben gefüllt werden könne, wenn sich der Auftrag für S5 überhaupt rechne; das wiederum setzte voraus, dass aufgrund des Idealfirma-Modells die Konsorten zum Nachgeben würden bewegt werden können. Hinsichtlich einer damit verbundenen und vom Angeklagten Dr. B verbalisierten Modifizierung der Schmiergeldvereinbarung aber lässt sich den Bekundungen des Zeugen F6 nichts entnehmen.
1061(4)
1062Schließlich geht auch der Hinweis der Verteidigerin des Angeklagten Dr. B, Rechtsanwältin Dr. H8, darauf fehl, der Angeklagte A habe in seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 25.04.2002 angegeben, die „Provisionen“ seien nicht hinzu gerechnet worden; vielmehr habe sich der Generalunternehmer - wer auch immer das geworden wäre - diese Gelder bei den Konsorten holen müssen.
1063Zwar hat der Angeklagte A eine entsprechende Aussage bei der Staatsanwaltschaft gemacht. Ungeachtet der Frage, dass diese Aussage zur Herkunft der Schmiergelder mit der - später geständigen und gegenteiligen - Einlassung des Angeklagten A in der Hauptverhandlung nicht in Einklang steht, kann aus seinen damaligen Angaben zu einer etwaigen Abänderung der Schmiergeldvereinbarung nichts entnommen werden. Dass und warum die Kammer dessen letztendlichen Angaben in der Hauptverhandlung insoweit Glauben schenkt, wird noch ausgeführt.
1064ee)
1065Die Kammer hat bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten Dr. B hinsichtlich dieser Frage nicht verkannt, dass auch er sich in zahlreichen Punkten geständig eingelassen hat und eine Gesamtbetrachtung seines Einlassungsverhaltens in der Hauptverhandlung durchaus erkennen ließ, dass er - wenn auch eingeschränkt - bereit und gewillt war, begangenes Unrecht im Zusammenhang mit der Schmiergeldvereinbarung einzuräumen. Ausdrücklich hat er zu erkennen gegeben, dass er etwa seine Verstrickung in die Unrechtsabrede und insbesondere die Entgegennahme der 1 Mio. DM Schmiergeld bereut und zu den Folgen dieses Fehlverhaltens stehen will. Die Kammer hat auch berücksichtigt, dass der Angeklagte Dr. B bereits unmittelbar nach seiner Festnahme am 26.02.2002 gegenüber Oberstaatsanwalt M2 geständige Angaben bzgl. der Unrechtsvereinbarung vom Herbst 1993 gemacht und sich zumindest teilgeständig auch zu den Zahlungsflüssen eingelassen hat. Die entsprechenden Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten Dr. B und den insoweit glaubhaften Bekundungen des Zeugen Oberstaatsanwalt M2.
1066ff)
1067Der Feststellung, dass der Werklohn um den Anteil des Schmiergeldes zu Lasten der AVG erhöht wurde, steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte Dr. B im Rahmen der Manipulation des Angebotes vom 03.12.1993 das Los Bauteil um 9 Mio. DM abgesenkt hat. Denn diese Absenkung stand nicht mit der Generierung des Schmiergeldes in Zusammenhang, sondern beruht - wie festgestellt - darauf, dass der Angeklagten A auf diese Weise zu Gunsten der AVG vor dem Hintergrund des ihm bekannten erheblich niedrigeren Angebotes von J13 für das Los Bauteil S5 zu einem Nachgeben bewegen konnte. Bezeichnenderweise hat auch der Angeklagte Dr. B einen unmittelbaren funktionalen Kontext zwischen der Absenkung des Angebotspreises für das Baulos und der Anhebung des Angebotspreises für das Los Abgasbehandlung in der Hauptverhandlung nicht dargestellt.
1068Die Kammer gewinnt ihre Überzeugung von der nicht schmiergeldbezogenen Absenkung des Bauteils um 9 Mio. DM insbesondere aufgrund des Umstandes, dass selbst der Angeklagte A eine entsprechende Begründung nicht vorgetragen hat. Dies aber wäre mehr als nahe liegend gewesen, wenn es so gewesen wäre; denn der ansonstens stets um das Wohl der AVG bemühte und in deren Interesse hart verhandelnde Angeklagten A hätte nach dem von ihm im Rahmen der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck keine Möglichkeit ungenutzt gelassen, den Unwert seines der AVG schadenden Handelns in Bezug auf die Schmiergeldvereinbarung durch den Hinweis auf diese Möglichkeit des Gegenrechnens zu verringern.
1069Dass der Angeklagte A dem Angeklagten Dr. B den Hintergrund seiner Überlegungen in Bezug auf das Baulos nicht offenbart hat, steht dem nicht entgegen.
1070Es ist nicht angängig, den Vorteil für die AVG, der in der Absenkung des Preises für das Baulos um 9 Mio. DM liegt, deshalb mit der anderweitig vorgenommenen Anhebung des preisbestimmenden Angebots für andere Lose zu verrechnen, weil beide Vorgänge mit in der Hand des AngeklagtenA lagen. Ein sich ausschließlich rechtmäßig verhaltender Geschäftsführer A hätte ebenfalls dafür gesorgt, dass die Kosten für das Baulos gesenkt würden, weil dies zur Durchsetzung des Idealfirma-Modells geboten war. Daher ist es unerheblich, dass der AngeklagteA sich nicht wegen Untreue, begangen durch Unterlassen, strafbar gemacht hätte, wenn er die Kosten für das Baulos nicht gesenkt hätte, und dass ein - hypothetischer - weniger tüchtiger Geschäftsführer den entsprechenden Vorteil für die AVG ggf. nicht erzielt hätte. Der Schaden, der darin besteht, dass das Schmiergeld dem Werklohn hinzugerechnet wird, wird nicht dadurch verringert, dass aufgrund von Umständen, die mit der Schmiergeldabrede nicht im unmittelbaren Zusammenhang stehen, ein anderer Kostenfaktor gesenkt wird.
1071gg)
1072Die Kammer ist aufgrund der vorstehenden Überlegungen auch davon überzeugt, dass auch der Angeklagte Dr. B wusste und wollte, dass das Schmiergeld nicht von S5, sondern von der AVG zu tragen war. Ausschlaggebend für diese Überzeugung ist im Wesentlichen der Umstand, dass der Angeklagte Dr. B durch seine Kalkulationsentscheidungen dafür gesorgt hat, dass das Schmiergeld in voller Höhe auf den mit der AVG ausgehandelten Preis aufgerechnet wurde.
1073b) Einlassung des Angeklagten A
1074aa)
1075Der Angeklagte A hat sich dahin eingelassen, zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Schmiergeldabrede habe man sich in den Gesprächen noch keine konkreten Gedanken darüber gemacht, wie das seitens S5 zu zahlende Schmiergeld generiert werden sollte. Des weiteren hat er zu Beginn der Hauptverhandlung zunächst angegeben, er habe sich hierüber auch später keine Gedanken gemacht und insbesondere nicht bemerkt, dass das Schmiergeld seitens des Angeklagten Dr. B zu Lasten der AVG in den S5-Werklohn einkalkuliert worden sei; vor allem das Los Abgasbehandlung, so der Angeklagte A, sei im Zuge der Manipulation des S5-Angebotes vom 03.12.1993 nicht um 20 Mio. DM angehoben worden, es habe vielmehr auch am 03.12.1993 bei 186 Mio. DM gelegen; er habe dem Mitangeklagten Dr. B sogar ausdrücklich verboten, bei dem Los Abgasbehandlung mit dem Angebotspreis nach oben zu gehen.
1076Von dieser Einlassung ist der Angeklagte A allerdings am fünften Hauptverhandlungstag – noch vor der Erhebung von ersten Zeugenbeweisen - auf einen entsprechenden Vorhalt des Vorsitzenden und dessen Hinweis darauf, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Fällen wie dem vorliegenden naheliegend sei, dass ein vereinbartes Schmiergeld auf den zu zahlenden Preis aufgeschlagen werde, abgerückt. Er hat sodann zum einen eingeräumt, dass er durchaus damit gerechnet habe, dass S5 das zu generierende Schmiergeld in Höhe von 3 % des Auftragsvolumens in den von der AVG verlangten und später mit ihr vereinbarten Werklohn für die Errichtung der RMVA einkalkuliert habe; dies sei zwar ausdrücklich nicht Gesprächsgegenstand zwischen ihm und den anderen an der Unrechtsvereinbarung Beteiligten - insbesondere dem Angeklagten Dr. B - gewesen und er habe auch nicht nachgefragt, da er „so etwas“ gar nicht so genau habe wissen wollen; er habe eben „eine graue Brille“ für diese Dinge bekommen. Er sei aber sehr wohl davon ausgegangen, dass das Schmiergeld letztlich nicht von S5, sondern von der AVG zu tragen sein würde.
1077Ferner hat der Angeklagte A eingeräumt, dass er bereits nach der Entgegennahme des manipulierten S5-Angebotes am 05./06.12.1993 erkannt habe, dass der Angeklagte Dr. B nicht nur die Lose Energieteil und Bauteil absprachegemäß verändert, sondern auch das Los Abgasbehandlung um 20 Mio. DM von ca. 166 auf ca. 186 Mio. DM erhöht hatte. Es sei ihm klar gewesen, dass dies vor dem Hintergrund geschehen war, dass der Angeklagte Dr. B das Schmiergeld von ca. 24 Mio. DM beschaffen musste, und dass allein mit der Anhebung dieses Loses bereits ein Großteil der erforderlichen Summe generiert gewesen sei.
1078bb)
1079Die Einlassung des Angeklagten A ist glaubhaft.
1080Zwar wurde nicht festgestellt, das der Angeklagte A die S5-Kalkulationen zur Generierung des Schmiergeldes in allen Einzelheiten kannte; insoweit handelt es sich um unternehmensinterne Vorgänge, die ihm nach den getroffenen Feststellungen nicht im Detail bekannt waren. Doch hat der Angeklagte Dr. B zum einen - wenn auch nach anfänglichem Zögern - in der Hauptverhandlung eingeräumt, erkannt zu haben, dass der Angeklagte Dr. B das Los Abgasbehandlung im Zuge der Manipulation des S5-Angebotes um 20 Mio. DM erhöht hat; zum anderen hat er eingestanden, dass ihm aufgrund der Lebenserfahrung und dem Auftreten des Angeklagten Dr. B ihm gegenüber klar gewesen sei, dass S5 letztlich - in welcher konkreten Form auch immer - das gesamte Schmiergeld auf den von der AVG zu fordernden Werklohn aufschlagen werde. Er räumt damit umfänglich auch in subjektiver Hinsicht ein, gewusst und gewollt zu haben, dass das Schmiergeld zu Lasten der AVG in den an S5 zu entrichtenden Werklohn eingerechnet wurde.
1081Soweit der Angeklagte A den der AVG durch den Abschluss des um das Schmiergeld „angereicherten“ Werkvertrages mit S5 entstandenen Schaden geständig einräumt, hat die Kammer ferner keine Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Glaubhaftigkeit seiner Einlassung.
1082(1)
1083Der Glaubwürdigkeit des Angeklagten steht zunächst nicht entgegen, dass er zu Beginn der Hauptverhandlung seine Kenntnis von der der AVG nachteiligen Schmiergeldkalkulation des Angeklagten Dr. B zunächst in Abrede gestellt hat.
1084Dieses Aussageverhalten ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass dem Angeklagten A das Einräumen eines der AVG nachteiligen Verhaltens aufgrund seines großen Engagements für seinen früheren Arbeitgeber außerordentlich schwer fiel.
1085Es ist hier besonders zu berücksichtigen, dass es dem AngeklagtenA während seiner Zeit als Geschäftsführer der AVG - und darüber hinaus - ein besonderes Anliegen war, beim Bau der RMVA für die AVG stets das Beste zu erreichen. Diese Erfahrung machten zahlreiche der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, mit denen der Angeklagte geschäftlich in Kontakt kam:
1086So hat etwa der Zeuge L4, der als für die RMVA Köln bei S5 zuständiger und seitens des Angeklagten Dr. B in die Schmiergeldvereinbarung eingeweihter Projektleiter vielfältige Kontakte zu dem Angeklagten A hatte, bildlich ansprechend beschrieben, dieser habe stets „jede Ecke ausgekratzt“, wenn es um die Interessen der AVG gegangen sei. Der Zeuge L4 hat ferner glaubhaft bekundet, der Angeklagte A habe - um das Projekt im Interesse der AVG zügig zu fördern - äußerst heftig eingegriffen, als am Tag des geplanten Baubeginns der RMVA die bestellten Bagger nur wenige Stunden zu spät zum Einsatz erschienen seien.
1087Auch der Zeuge R2 - als Ingenieur bei N5 im Tatzeitraum führend bei der Abwicklung des Projektes RMVA tätig - hat glaubhaft bekundet, der Angeklagte A habe für die AVG immer „alles streng kontrolliert“ und sei „ziemlich scharf“ gewesen; er sei „immer tief rein gegangen“ und habe auch „entsprechende Antworten erwartet“. Mit dieser Beschreibung wollte der Zeuge zum Ausdruck bringen, dass der Angeklagte ein harter Verhandler und strenger Kontrolleur war, wenn es um die Belange der AVG ging. An der Glaubwürdigkeit des Zeuge R2 bestehen insoweit keine Zweifel.
1088Dass der Angeklagte A die Anliegen der AVG dabei auch im Ton scharf und bisweilen laut zu Gehör bringen konnte, hat auch die insoweit glaubhaft bekundende Zeugin L3 berichtet, die als Sekretärin des Angeklagten Dr. B mit dem Angeklagten A in Kontakt kam. Sie hat angegeben, bisweilen sei der Angeklagte A gegenüber ihrem Chef, dem Angeklagten Dr. B, am Telefon derart laut geworden, dass sie die Worte des von außerhalb anrufenden Angeklagten A durch die geöffnete Tür bis in ihr Büro im Vorzimmer des Arbeitszimmers des Angeklagten Dr. B habe hören können.
1089Der außerordentliche Einsatz des Angeklagten A zum wirtschaftlichen Wohle der AVG im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA zeigt sich aber vor allem auch daran, dass er durch das Einführen des Idealfirma-Modells den Werklohn für die RMVA erheblich gesenkt und sich nicht etwa darauf beschränkt hat, schlicht dem günstigsten Gesamtanbieter zu dessen Konditionen den Zuschlag zu erteilen. Entgegen dem sonst Üblichen hat er zudem S5 keinen Generalunternehmerzuschlag bewilligt und auch nahezu sämtliche Mehrforderungen des Werkunternehmers, die - wie bei einem derart umfangreichen Bauvorhaben nicht anders zu erwarten - geltend gemacht wurden, abgewehrt; schließlich hat er den Vertragspartner S5 auch durch das massive Zurückbehalten von Restwerklohn zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages angehalten. Hingegen hat sich der Angeklagte A keineswegs - etwa durch die Zusage und den Erhalt des Schmiergeldes - dazu verleiten lassen, gegenüber dem Schmiergeldzahler S5 bei der sonstigen Gestaltung und Abwicklung des Vertrages in irgendeiner Weise nachlässig oder großzügig zu Lasten der AVG zu sein.
1090Der Einsatz des Angeklagten A für die Belange der AVG zeigt sich ferner darin, dass er noch im Jahr 2000 hinsichtlich der ausstehenden Dokumentation mit S5 einen Nachlass vom Werklohn von 5 Mio. DM ausgehandelt und die Dokumentation alsdann durch Q6 für nur 3,6 Mio. DM hat erstellen lassen. Auch hierdurch hat er einen nicht unerheblichen finanziellen Vorteil für die AVG erwirtschaftet; hingegen hat er sich keineswegs aufgrund einer Verbundenheit mit dem Zeugen F6 dazu veranlasst gesehen, diesem – bzw. Q6 - einen höheren Betrag zukommen zu lassen.
1091Daher ist es verständlich, dass der Angeklagte A den einzigen dunklen Punkt im Zusammenhang mit der „Krönung seines beruflichen Werdeganges“ - nämlich der Forderung von Schmiergeld mit der erkannten Folge, dass dieses letztlich durch seinen Arbeitgeber finanziert werden würde - zunächst nicht einmal sich selbst eingestehen wollte. Der Umstand, dass er zunächst behauptete, von einer schmiergeldbedingten Anhebung des Werk-lohnes nicht ausgegangen zu sein, blieb aber der einzige Punkt, in dem die ursprüngliche Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sich als erwiesenermaßen falsch herausgestellt hat.
1092(2)
1093Für den Angeklagten A spricht auch sein sonstiges Aussageverhalten. Er hat sich zu dem gesamten hier gegenständlichen Geschehen sowohl während der Hauptverhandlung als auch bereits im Ermittlungsverfahren umfassend und stets bereitwillig eingelassen. Seine Schilderungen zu den äußeren und inneren Zusammenhängen und Einzelheiten des Tatgeschehens zeichneten sich durch eine unkomplizierte und lebensnahe Darstellungsweise aus, die es leicht machte, dem Gang seiner Ausführungen zu folgen. Seine folgerichtige und widerspruchslose Einlassung zeugte zudem von einer enormen Detailkenntnis hinsichtlich der technisch und wirtschaftlich im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA relevanten Fakten und belegt darüber hinaus das große Engagement des Angeklagten A als Geschäftsführer der AVG, dem dieses Projekt, in das er viel Zeit und Arbeitskraft investierte, außerordentlich am Herzen lag. Der Angeklagte A hat im Rahmen seiner durchweg stringenten Aussage zu keiner Zeit versucht, die Bedeutung und das Gewicht seiner Beteiligung an der Schmiergeldvereinbarung zu schmälern oder sich als das „Opfer“ anderer (Haupt-) Täter darzustellen; vielmehr hat er eindrücklich geschildert, wie er sich durch die in Aussicht gestellten erheblichen Geldflüsse wissentlich und willentlich zu einem Handeln zum Schaden der AVG hat hinreißen lassen. Wenngleich er auch angegeben hat, zunächst Bedenken gegenüber der in Aussicht gestellten Entgegennahme der Schmiergelder gehabt zu haben, hat er doch zugleich unumwunden eingeräumt, hierfür in jeder Hinsicht verantwortlich zu sein und insoweit Unrecht begangen zu haben.
1094(3)
1095Ferner hat der Angeklagte A schon während des Ermittlungsverfahrens nicht gezögert, auch ihm selbst nachteilige Umstände einzuräumen. Das gilt insbesondere, soweit er bereits in seiner Vernehmung am 25.04.2002 umfassend Angaben zu dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung, der Angebotsmanipulation - mit Ausnahme der später gestandenen Kenntnis um die Erhöhung des Loses Abgasbehandlung - und der Auszahlung der Schmiergelder gemacht und diese Angaben in den weiteren Vernehmungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft wiederholt und vertieft hat. So hat der Angeklagte A bereits im April 2002 ausführlich beschrieben, wann, mit wem und wo sowie zu welchen Konditionen die Schmiergeldabrede getroffen worden ist und auch bereits zu diesem Zeitpunkt Angaben zu den geflossenen Schmiergeldzahlungen gemacht, die er in der nächsten Vernehmung vom 02.05.2002 vertiefte.
1096Die umfangreichen Angaben des Angeklagten A haben sich im Laufe des Verfahrens in den meisten Fällen und insbesondere hinsichtlich der ihm seitens des Zeugen I2 übergebenen Gelder - sei es durch die Vernehmung von Zeugen, sei es durch aufgefundene Urkunden - als richtig erwiesen. Wie noch zu zeigen sein wird, ließen sich lediglich im Zusammenhang mit den Zahlungsflüssen teilweise - unwiderlegt gebliebene - Angaben des Angeklagten A, die seitens der Mitangeklagten bestritten wurden, nicht durch Beweismittel erhärten; lediglich in diesem Zusammenhang vermochte die Kammer sich hinsichtlich der Frage, inwieweit der Angeklagte A Schmiergeld an die Mitangeklagten weitergereicht hat, bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung anhand der Einlassung des Angeklagten A die notwendige Überzeugung vom Wahrheitsgehalt seiner Angaben nicht zu verschaffen.
1097Hinsichtlich der Zahlung, die der Angeklagte A über den Zeugen J5 erhalten hat, fällt dabei mit Blick auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten außerordentlich ins Gewicht, dass ihm diese Zahlung von insgesamt 3 Mio. DM im Jahr 1996 ohne seine geständige Einlassung möglicherweise nicht hätte nachgewiesen werden können. Denn es fehlt an jedem urkundlichen Beleg für diesen Geldtransfer und der Zeuge J5, der sich frühzeitig auf sein Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO berufen hat, stand als Beweismittel in der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung; zudem hatte er über seinen Verteidiger während der Hauptverhandlung schriftlich erklären lassen, er habe dem Angeklagten A zu keinem Zeitpunkt Geld übergeben. Der Angeklagte hat nicht abgewartet, was die Beweisaufnahme insoweit ergeben wird, um sein eigenes Einlassungverhalten danach auszurichten.
1098Für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A spricht insoweit ferner, dass auch der Zeuge I2 lediglich bekundet hat, dem Angeklagten A als Vertreter des „F6-Geldboten" Q3 wohl ein Mal 2 bzw. 1 Mio. DM in bar ausgehändigt zu haben, wohingegen der Angeklagte A selber zahlreiche von dem Zeugen erhaltene Geldempfänge freimütig eingeräumt hat. Weshalb dem Zeugen I2 unter anderem in diesem Punkt nicht geglaubt werden konnte, wird noch darzulegen sein.
1099(4)
1100Es spricht ferner für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A, dass er auch teilweise lange Zeit zurück liegende Einzelheiten - mit der bereits angesprochenen Ausnahme hinsichtlich der noch darzustellenden Zahlungsflüsse - durchweg präzise und genau schilderte und auf Nachfragen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts jederzeit zu ergänzenden Angaben bereit war. Dies lässt erkennen, dass es ihm tatsächlich darum ging, das von ihm begangene Unrecht einzuräumen und sich den Konsequenzen seines Verhaltens zu stellen.
1101(5)
1102Dass der Angeklagte A bereits zu Beginn der Hauptverhandlung über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Prof. Dr. Y2, hat erklären lassen, auf Fragen der Mitangeklagten und deren Verteidigung nicht antworten zu wollen, begründet berechtigte Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A nicht.
1103Zum einen hat er in diesem Zusammenhang ausdrücklich erklärt, für Fragen des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft jederzeit zur Verfügung zu stehen. Zum anderen hat er durch das gewählte Vorgehen lediglich von seinen prozessualen Rechten Gebrauch gemacht; schließlich bestand für die Angeklagten Dr. B und C sowie deren Verteidigung die Möglichkeit, etwaige Fragen über das Gericht an den Angeklagten zu richten; hiervon ist auch Gebrauch gemacht worden.
1104(6)
1105Der Überzeugung der Kammer von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten A in dem näher dargelegten Umfang steht darüber hinaus nicht entgegen, dass er trotz mehrfacher Aufforderung während seiner Vernehmungen im Ermittlungsverfahren erst im Juni 2002 bereit war, den Ermittlungsbehörden Zugang zu seinem Safe bei der LLB zu verschaffen. Wenngleich die Kammer die für die wochenlange Weigerung zur Benennung des Verstecks des Safeschlüssels als Grund angegebene vermeintliche Verärgerung über den Vernehmungsstil des Zeugen P1 nicht als tragende Begründung für dieses Verhalten zu glauben vermag, zieht dieses Verhalten andererseits aber auch keine ernsthaften Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A nach sich. Mag auch der Hintergrund mit der denkbaren Absicht des Angeklagten in Zusammenhang stehen, noch in dem Safe befindliche Vermögenswerte teilweise dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen, so ist doch andererseits zu berücksichtigen, dass der Angeklagte A durch die Abtretung seiner Ansprüche gegen die LLB an die AVG dafür gesorgt hat, dass zur Wiedergutmachung des u.a. durch ihn angerichteten Schadens - wie aufgrund seiner Einlassung und der glaubhaften, u.a. auf den Hinterlegungskontoauszug des Notars Dr. Schmitz gestützten Ausführungen des Staatsanwalts F8, die sich mit der Einlassung des Angeklagten A vollumfänglich deckten, festgestellt - 2.122.969,90 € zur Verfügung stehen nebst einigen, ebenfalls aus dem Liechtensteiner Safe sichergestellten Wertsachen. Ohne die Mitwirkung des Angeklagten wäre es zweifelhaft gewesen, ob die in Liechtenstein befindlichen Werte nach Deutschland hätten transferiert werden können.
1106(7)
1107Schließlich wird die Überzeugung der Kammer von der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A nicht dadurch erschüttert, dass sie - wie noch im einzelnen darzustellen sein wird - seinen Angaben insoweit nicht folgt, als an den Angeklagten Dr. B mehr als 1 Mio. DM und an den Angeklagten C insgesamt 2 Mio. DM sowie an den Zeugen J42,4 Mio. DM von dem ihm zur Verteilung überlassenen Schmiergeld weitergeleitet haben will. Denn die Kammer vermochte sich insoweit lediglich aufgrund verschiedener noch aufzuzeigender Umstände eine positive Überzeugung von der diesbezüglichen Einlassung des Angeklagten nicht zu verschaffen; die Kammer ist aber nicht etwa zu der der Einlassung des Angeklagten A widersprechenden Überzeugung gelangt, dass die entsprechenden Geldflüsse an Dritte tatsächlich nicht erfolgt sind.
1108c)
1109Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung ist damit erwiesen, dass das Schmiergeld zu Lasten der AVG auf den von dieser an S5 aufgrund des Werkvertrages vom 28.01.1994 zu entrichtenden Werklohn aufgeschlagen worden ist. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Schmiergelder, wenn sie- wie hier - einen großen Umfang haben, zu Lasten des Geschäftsherrn des Bestochenen dem Werklohn oder Kaufpreis hinzugerechnet werden, damit sich das Geschäft noch lohnt. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Gewinn bei S5 mit etwa 5 % ohnehin nicht hoch kalkuliert war und es sich auch von daher - selbst wenn es sich um ein Referenzobjekt handelte - nicht anbot, das Schmiergeld aus dem kalkulierten Gewinn zu bezahlen.
11102. Fortgeltung der Unrechtsvereinbarung
1111Soweit festgestellt wurde, dass die ursprüngliche Schmiergeldvereinbarung aus dem Herbst 1993 auch nicht im Jahr 1996 seitens des Angeklagten Dr. B aufgekündigt wurde, beruht dies im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:
1112a)
1113Nach der Einlassung des Angeklagten Dr. B wurde die ursprüngliche Schmiergeldvereinbarung aus dem Jahr 1993 mit dem Wechsel des Zahlungsweges von P5 zu N5 von ihm beendet, weil er nun nur noch mit N5 einen "realen Vertrag", d.h. einen Vertrag ohne einen an den Angeklagten A weiterzuleitenden Schmiergeldanteil, habe abschließen wollen. Die weiteren Schmiergeldzahlungen an den Angeklagten A über N5 und später über Y3 & P4 hätten nicht mehr mit der „alten“ Abrede zusammengehangen, sondern auf neuen Forderungen des Angeklagten A beruht; es habe sich um Zahlungen gehandelt, die er, Dr. B, geleistet habe, um zu vermeiden, dass der Angeklagte A ihm bzw. S5 bei der weiteren Abwicklung des Werkvertrages Schwierigkeiten machen würde. Ferner hat der AngeklagteDr. B angegeben, Grund für die Beendigung der „alten“ Schmiergeldabrede im Jahr 1996 seien Schwierigkeiten mit der RMVA gewesen; S5 sei zeitlich im Rückstand gewesen.
1114Auf den Vorhalt hin, dass die Erklärung für die vermeintliche Beendigung der Schmiergeldabrede nicht nachvollziehbar sei, hat der AngeklagteDr. B als weitere Begründung angeführt, der AngeklagteA hätte zudem bereits damals seinen 1 %-igen Anteil vollständig erhalten gehabt.
1115Auf Nachfrage hat der Angeklagte Dr. B erklärt, eine ausdrückliche Abrede mit dem Angeklagten A über eine Beendigung der alten Schmiergeldvereinbarung sei allerdings nicht zustande gekommen. Er habe die Zahlungen, die nicht über P5 liefen, aber als Abwicklung einer neuen Schmiergeldabrede verstanden.
1116b)
1117Auch insoweit ist die Einlassung des Angeklagten Dr. B nicht glaubhaft:
1118aa)
1119Zum einen fällt auf, dass der Angeklagte Dr. B für die vermeintliche, seitens des Angeklagten A stets bestrittene Beendigung der Ursprungsvereinbarung eine Begründung anführt, die nicht verfängt. Während die seitens des Angeklagten A dargestellte Verbindung des Wechsels des Zahlungsweges mit der anonymen Anzeige vom 14.03.1996 und der dadurch entstandenen Angst der Angeklagten vor einer Aufdeckung des Schmiergeldgeschäftes nachvollziehbar ist, gilt dies von der Begründung des Angeklagten Dr. B - den Schwierigkeiten mit der Abwicklung des Projektes - nicht. Es drängt sich diesbezüglich vielmehr die Frage auf, warum ein Rückstand des Werkunternehmers als „Schuldner“ der Schmiergeldabrede diesen veranlassen soll, die Vereinbarung aus eigenem Antrieb zu beenden.
1120Weshalb sich der Angeklagte A, der nach Einschätzung des Angeklagten Dr. B sich wie ein "Raubritter" verhalten und dessen Druck zur Erlangung von Schmiergeld auf ihn wie eine "Erpressung" gewirkt habe, großzügig mit der Beendigung der alten Schmiergeldabrede einverstanden erklärt haben soll, bleibt unerfindlich.
1121bb)
1122Selbst nach der Einlassung des Angeklagten Dr. B ist zudem ausgeschlossen, dass die weiteren Zahlungen erfolgt sind, um den Angeklagten A von unberechtigten Beschwerden gegenüber S5 im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projektes abzuhalten. Denn der Angeklagte Dr. B selbst hat auf entsprechende Nachfrage in der Hauptverhandlung angegeben, der Angeklagte A habe zwar hart verhandelt und die Ausführung der Arbeiten genau überwacht, er habe aber nie durch unberechtigte Beanstandungen Schwierigkeiten gemacht. Er, der Angeklagte Dr. B, habe ein solches Verhalten von dem Angeklagten A auch nicht erwartet. Zu solchen unberechtigten Beanstandungen ist es auch tatsächlich nie gekommen, wie neben dem AngeklagtenDr. B auch der Zeuge L4 bekundet hat. Folglich bestand aus Sicht des Angeklagten Dr. B gar keine Veranlassung, den Angeklagten A durch weitere, neu vereinbarte Schmiergeldzahlungen von solchen Maßnahmen abzuhalten.
1123cc)
1124Auch der weitere vom Angeklagten Dr. B angegebene Grund für die Zäsur besteht nicht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Angeklagte A tatsächlich bis zum Herbst 1996 bereits insgesamt10,4 Mio. DM erhalten und hiervon nicht je 2,4 Mio. DM an den Angeklagten Dr. B und den Zeugen J4 sowie 1 Mio. DM an den Angeklagten C weitergeleitet hat, trägt auch die Begründung, dass der Angeklagte A bereits seinen kompletten Anteil erhalten habe, nicht. Denn der Angeklagte Dr. B gibt zugleich an, die Zeugen F6 und J4 seien zu diesem Zeitpunkt bereits als Empfänger weiterer Schmiergeldzahlungen ausgeschieden. Da auch der Angeklagte Dr. B nicht behauptet, die Zeugen F6 und J4 hätten zuvor das gesamte ihnen „zustehende“ Schmiergeld erhalten, erhöhte sich mit deren Ausscheiden der zur Verteilung verbleibende Restbetrag des Schmiergeldes, so dass der Angeklagte A so betrachtet durchaus noch weitere „Ansprüche“ geltend machen konnte.
1125dd)
1126Gegen eine Zäsur sprechen zudem das nahtlose zeitliche Ineinandergreifen der Zahlungen an P5 und N5 sowie die jeweiligen Weiterleitungen der Zahlungen an den Angeklagten A: Die letzte Zahlung an P5 erfolgte, nachdem kurz zuvor die erste Zahlung an N5 bewirkt worden war.
1127ee)
1128Der Angeklagte Dr. B kann sich zum Beleg seiner Behauptung schließlich weder auf den Zeugen F6 noch auf den Zeugen L4 berufen.
1129(1)
1130Der Zeuge F6 hat im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 17.07.2002 zwar angegeben, der Angeklagte Dr. B habe ihm anlässlich eines Gespräches in Düsseldorf im Jahr 1996 einmal mitgeteilt, dass „mit dieser Summe Schluss wäre“, weil er mit einzelnen Leistungen und Ausschreibungen nicht zurecht käme; dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang der Aussage des Zeugen F6, dass er (zutreffenderweise) unter „dieser Summe“ die letzte P5-Zahlung aus August 1996 in Höhe von 2,5 Mio. DM verstand. Dass der Zeuge F6 sich jedoch bei diesem Anlass oder später mit dem Angeklagten Dr. B auf eine Beendigung der Unrechtsvereinbarung von 1993 verständigt habe oder zumindest der Angeklagte Dr. B gegenüber dem Zeugen F6 eindeutig eine entsprechende Absicht zum Ausdruck gebracht habe, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen F6 nicht. Denn er hat im Weiteren lediglich bekundet, dem Angeklagten Dr. B auf dessen Äußerung entgegnet zu haben, dass er, der Zeuge F6, mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun haben wolle, ohne sich zum weiteren Schicksal der Schmiergeldvereinbarung zu äußern. Diese Angaben des ZeugenF6 belegen daher allenfalls, dass der Angeklagte Dr. B die Hoffnung hatte, dass auch der Angeklagte A kein weiteres Schmiergeld aus der Ursprungsvereinbarung mehr fordern würde. Von einer Vereinbarung über die Beendigung der Abwicklung der ursprünglichen Schmiergeldabrede aber war seitens des Zeugen F6 nicht die Rede.
1131(2)
1132Der Zeuge L4 hat zwar in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 22.02.2002 angegeben, es sei ihm „natürlich klar“ gewesen, dass es sich bei der Geldforderung des Angeklagten A im Herbst 1996, die er, der Zeuge L4, dem Angeklagten Dr. B übermittelt habe, um eine neue Forderung gehandelt habe. Dies allein aber kann nicht die konkrete Möglichkeit einer Beendigung der Unrechtsvereinbarung aus dem Jahr 1993 begründen. Denn zum einen hat der Zeuge L4 weder erklärt, er wisse davon, dass eine neue Unrechtsvereinbarung getroffen wurde, noch, dass er bei einer solchen Verabredung anwesend gewesen sei. Zudem hat er als Begründung für die Klassifizierung der Forderung als „neue“ lediglich den Umstand angeführt, dass der Angeklagte A bereits vorher Gelder gefordert und erhalten habe. Das allein aber sagt noch nichts darüber aus, ob die „alte“ Forderung mit diesen Zahlungen auch vollständig erfüllt worden war. Die Angaben des Zeugen L4 sind daher schon kaum als ergiebig anzusehen. Darüber hinaus ist mit Blick auf die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen zu berücksichtigen, dass der Zeuge L4 auch hinsichtlich seiner eigenen Kenntnis von der Unrechtsvereinbarung - wie dargestellt - zunächst zurückhaltend mit wahrheitsgemäßen Angaben war.
1133ff)
1134Schließlich spricht gegen diese Einlassung des Angeklagten Dr. B, dass er sich im Zusammenhang mit dem Q6-Wartungsvertrag für die RMVA und der Zahlungszusage des Zeugen F6 in dem an ihn gerichteten Schreiben vom 21.01.1998 (SL 1636) ausdrücklich dahin eingelassen hat, mit dieser Zahlungszusage habe der Zeuge F6 seine - des Angeklagten Dr. B - Verpflichtungen gegenüber dem Angeklagten A aus der Schmiergeldvereinbarung vom Herbst 1993 übernehmen wollen; hierzu aber hätte kein Anlass bestanden, wenn diese bereits aufgrund anderweitiger Vereinbarungen gegenstandslos geworden wäre.
11353. Zahlungsflüsse
1136a)
1137Die Feststellungen zu den verschiedenen Zahlungsflüssen an den Angeklagten A beruhen auf folgenden Erwägungen:
1138aa)
1139Der Angeklagte A hat im einzelnen geschildert, auf welche Weise er jeweils Schmiergeldraten für sich oder andere in einer Gesamthöhe von 14,29 Mio. DM erhalten hat, soweit es die Geldfüsse über P5, N5 sowie Y3 & P4 angeht. Auch die Geldzuwendungen über den Beratervertrag mit der BUA sowie die H12-Beteiligung hat er konkretisierend dargestellt.
1140bb)
1141Seine Einlassung wird teilweise gestützt durch die Einlassung des Angeklagten Dr. B, der die schmiergeldbedingten Zahlungen von S5 an P5, N5 sowie Y3 & P4 im einzelnen geschildert hat und dessen Angaben durch Scheinrechnungen, Überweisungsaufträge und Kontoauszüge untermauert werden. Der Angeklagte Dr. B hat auf Nachfrage in der Hauptverhandlung zudem erklärt, keiner der Schmiergeld-empfänger hätte jemals reklamiert, dass von den seitens S5 an diese Firmen geleisteten Zahlungen bei einem von ihnen entgegen einer entsprechenden Ankündigung etwas nicht angekommen sei. Dies deckt sich mit den entsprechenden Bekundungen des Zeugen L4.
1142cc)
1143m) An in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden sind insoweit vor allem von Belang:
1144- Konsortialvertrag S5 – P5 vom 18.03.1994 (+ Anlage) (SL 514),
1145- Aufhebungsvertrag S5 – P5 vom 15.08.1996 (SL 537),
1146- Schreiben des Notars Dr. X5 an S5 vom 07.03.1994 (SL 539),
1147- „Vergabeniederschrift“ S5 – P5 vom 28.02.1994 (SL 540 ff.),
1148- Rechnung P5 an S5 vom 01.03.1994 (4 Mio. DM) (SL 547),
1149- Rechnung Dr. X5 an S5 vom 21.07.1994 (Beratung Konsortialvertrag Schweiz) (SL 550),
1150- Schreiben S5 an P5 vom 16.02.1995: Ankündigung der Überweisung von 2,7 Mio. DM (SL 551),
1151- Rechnung P5 an S5 vom 23.08.1996 (2,5 Mio. DM) (SL 552),
1152- Buchungsbeleg S5 (11,7 und 2,5 Mio. DM) (SL 553),
1153- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 27.08.1996: S5 an P5 2,5 Mio. DM (SL 554),
1154- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 16.02.1995: S5 an P5 2,7 Mio. DM (SL 555),
1155- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 07.09.1994: S5 an P5 1 Mio. DM (SL 556),
1156- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 19.05.1994: S5 an P5 4 Mio. DM (SL 557),
1157- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 03.03.1994: S5 an P5 4 Mio. DM (SL 558),
1158- Schreiben P5 an S5 vom 03.05.1994: 4 Mio. DM sofort zahlen (SL 559),
1159- Buchungsbeleg S5 vom 19.05.1994: 4 Mio. DM an P5 via Commerzbank (SL 560),
1160- Schreiben S5 an P5 vom 24.08.1994: Ankündigung einer Zahlung (Mehrkosten) von 1 Mio. DM (SL 562),
1161- Rechnung P5 an S5 vom 25.08.1994 über 1 Mio. DM (SL 563),
1162- anonyme Anzeige vom 14.03.1996 (SL 1061),
1163- Vertrag S5 - N5 vom 03.09./07.09.1996 nebst Anlagen (SL 564),
1164Schreiben AVG an S5 vom 14.05.1996: Zustimmung zur Beauftragung von N5 durch S5 (SL 572),
1165Kundengeschichte betreffend das Konto der ## ###### bei der UBS/Q5 (SL 1343 - 1370),
1166- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 26.08.1996: S5 an N5 4,564 Mio. DM (SL 580),
1167- Rechnung Y3 & P4 an S5 vom 05.06.1997: 240.000 DM (SL 583),
1168- Rechnung Y3 & P4 an S5 vom 24.11.1998: 1 Mio. DM (SL 585),
1169- Rechnung Y3 & P4 an S5 vom 24.11.1998: 225.000 DM (SL 586),
1170- Rechnung Y3 & P4 an S5 vom 24.11.1998: 217.500 DM (SL 587),
1171- Rechnung Y3 & P4 an S5 vom 07.01.1999: 1 Mio. DM (SL 588),
1172- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 03.12.1998: S5 an Y3 1 Mio. DM (SL 589),
1173- Zahlungsauftrag im Auslandsverkehr vom 21.01.1999: S5 an Y3 1 Mio. DM (SL 590),
1174- Schreiben S5 an Y3 vom 06.11.1998: Vereinbarung wegen Lizenzen und Royalty-fee (SL 591),
1175- Buchungsbeleg S5 vom 31.10.1997 (SL 593),
1176- Gutschriftanzeige Credit Suisse/Y3 vom 07.12.1998:1 Mio. DM von S5 für Lizenzen Japan (SL 594),
1177- Rechnung Q4 Consulting/Gurnsey an Y3 vom 02.12.1998: 848.000 DM (SL 595),
1178- Belastungsanzeige Credit Suisse/Y3: an Q4 848.000 DM (SL 596),
1179- Gutschriftanzeige Credit Suisse/Y3 vom 26.01.1999: 511.291,88 Euro wegen Lizenz Japan (SL 597),
1180- Rechnung Q4 an Y3 vom 04.01.1999: 848.000 DM (SL 598),
1181- Belastungsanzeige Credit Suisse/Y3 vom 02.02.1999: 255.675,13 Euro an Q4 (SL 599),
1182- Belastungsanzeige Credit Suisse/Y3 vom 06.04.1999: 193.561,08 Euro an Q4 (SL 600).
1183Die Einlassung des Angeklagten A fügt sich, soweit das Schmiergeld auf ein Konto bei der LLB geflossen sein soll, in das Bild, das durch die entsprechenden Kontoauszüge vermittelt wird.
1184dd)
1185Die 1994 erfolgte Geldübergabe durch den Zeugen I2 an den Angeklagten A sowie die Zeugen F6 und J4 in Zürich wird durch den Angeklagten A und den Zeugen F6 dahingehend übereinstimmend geschildert, dass der Zeuge I2 drei Pakete mit Geld für den Angeklagten A sowie die Zeugen F6 und J4 übergeben habe. Übereinstimmung besteht ferner darin, dass der ZeugeF6 das für ihn bestimmte Geld ungezählt sogleich an den Zeugen J4 weitergereicht hat.
1186Konkrete Bedenken dagegen, dass in jedem der drei Pakete jeweils2 Mio. DM enthalten waren, bestehen nicht. Der Angeklagte A hat das für ihn bestimmte Geld später gezählt. Ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass er sich insoweit zu Unrecht selbst mehr Geld zuschreiben würde als er in Wahrheit bei dieser Gelegenheit erhalten hat, besteht nicht. Da die drei Pakete nach seiner und des Zeugen F6 Angabe gleich groß wirkten, der Angeklagte A sowie die Zeugen F6 und J4 jeweils gleichberechtigt an dem Schmiergeld partizipieren sollten und keine der drei Personen angegeben hat, es sei vorab die Rede davon gewesen, dass die jeweils erste Rate für die Beteiligten unterschiedlich hoch ausfallen solle, ist die Kammer davon überzeugt, dass sich auch in den für die ZeugenF6 und J4 bestimmten Paketen jeweils 2 Mio. DM befunden haben. Von einer Größenordnung von 1,6 bis 2 Mio. DM ist auch der ZeugeF6, der das Geld selber nicht nachgezählt hat, ausgegangen.
1187Der Umstand, dass der Zeuge J4, der zugibt, bei diesem Treffen anwesend gewesen zu sein, die Entgegennahme einer Zahlung von 2 Mio. DM in Abrede gestellt und behauptet hat, er habe bei dieser Gelegenheit von dem Zeugen I2 nur 200.000,00 DM aus dem Anteil des ZeugenF6 erhalten, besagt vor diesem Hintergrund nichts, zumal der Zeuge J4 ohnehin, ausgehend von seiner eigenen Einlassung, den Gesamtbetrag der von ihm erhaltenen "Proviosen" von einer "siebenstelligen Summe" auf einen Betrag von "maximal 2,3 Mio. DM" konkretisieren musste.
1188ee)
1189Die Verteidigung des Angeklagten Dr. B stellt jedoch in Frage, ob der Angeklagte A die weiteren Geldbeträge, die er von dem Zeugen I2 erhalten haben will, zu den von ihm angegebenen Zeitpunkten so erhalten haben könne. Hiergegen spräche der Umstand, dass nach Auswertung der Unterlagen des P5-Kontos, auf das die S5-Gelder verbucht wurden, Geldabhebungen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den angeblichen Geldübergaben an den Angeklagten A insbesondere 1996 nicht vorlägen und es bereits deshalb ausgeschlossen sei, dass der Angeklagte A in diesem Jahr insgesamt 4,8 Mio. DM an den Angeklagten Dr. B und den Zeugen J4 weitergereicht und weiteres Geld für sich behalten haben könnte. Dieser Ansicht vermochte die Kammer aus den nachstehenden Gründen nicht zu folgen:
1190(1)
1191Insgesamt hat auf dem fraglichen Konto genügend Geld zur Verfügung gestanden, um alle Zahlungen an den Angeklagten A erklären zu können. Insbesondere nach der Auswertung der in die Hauptverhandlung eingeführten Kontounterlagen betreffend das Konto der P5 mit der Kontonummer ###.###.## T bei der UBS/Q5 standen - bezogen auf die Zeitpunkte der vermeintlichen Geldübergaben des Angeklagten A an die Angeklagten Dr. B und C - allein über den damals noch aktuellen Zahlungsweg „P5“ für die seitens des Angeklagten A behaupteten Zahlungen an die Angeklagten Dr. B und C sowie den Zeugen J4 ausreichend Geldmengen zur Verfügung. Allein S5 hatte bis Herbst 1995 11,7 Mio. DM an P5 gezahlt und bis zum Herbst 1996 weitere 2,5 Mio. DM geleistet; dies ergibt sich aus der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten Dr. B, die durch die Kontoauszüge betreffend das Konto der P5 mit der Nummer ###.###.## bei der UBS/Q5 im jeweiligen Zeitraum belegt wird. Zudem waren im fraglichen Zeitraum bis Herbst 1995 über 2,6 Mio. DM und bis Herbst 1996 weitere 1,7 Mio. DM von den F6-Firmen P6 und U6 und von der F6 GmbH an P5 gezahlt worden, wie sich ebenfalls aus den erwähnten Kontoauszügen betreffend das P5-Konto bei der UBS/Q5 ergibt.
1192Dass die P5-Konto-Unterlagen für die fragliche Zeit auch Abbuchungen und Barabhebungen erkennen lassen, die nicht unbedingt im Zusammenhang mit den vom Angeklagten A angegebenen Zahlungen stehen müssen, steht dem nicht entgegen.
1193(2)
1194Bezeichnenderweise stimmt der Betrag, den der Angeklagte A von P5 erhalten haben will, auch mit den Zahlungen von S5 an P5 abzüglich einer "Bearbeitungsgebühr" von ca. 20% überein.
1195Es ist auch nicht ersichtlich, an wen sonst S5-Geld ggf. ausgezahlt worden sein sollte, da der Angeklagte Dr. B weder einen weiteren Schmiergeldaspiranten benannt noch sich dahingehend eingelassen hat, dass S5 etwa von P5 später - nach Abzug von deren "Bearbeitungsgebühr" - Gelder zurückerhalten hätte oder dies zumindest von S5 angestrebt worden wäre.
1196(3)
1197Insgesamt liegen die Zahlungen an den Angeklagten A sowie an die Zeugen F6 und J4 zudem in eben dem Gesamtrahmen, der ursprünglich vereinbart worden ist.
1198(4)
1199Hinzu kommt, dass nicht nur hinsichtlich der 1994 erfolgten Geldübergabe durch den Zeugen I2, sondern auch im übrigen kein lebensnaher Grund dafür ersichtlich ist, weshalb der Angeklagte A sich selbst den Erhalt von mehr Schmiergeld zurechnen lassen sollte, als wirklich an und über ihn geflossen ist. Für die seitens der Verteidigung des Angeklagten Dr. B in den Raum gestellte theoretische Möglichkeit, dass der Angeklagte A aus anderen unrechtmäßigen Geschäften Millionenbeträge bezogen haben könnte, die er - zur Verschleierung dieser anderen Vorfälle - nunmehr auf den Vorgang S5 verbucht, hat sich keinerlei konkreter Anhaltspunkt ergeben.
1200(5)
1201Es ist ferner zu bedenken, dass es keine näher prüfbaren Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Zeuge I2 Geld immer zeitnah von dem P5-Konto abgehoben hat, bevor er Schmiergelder ausgezahlt hat. Die gesamten Transaktionen waren auf Verschleierung angelegt. Insofern ist es, auch unter Berücksichtigung der gegenteiligen Aussage des Zeugen I2, konkret möglich, dass S5-Geld von dem besagten UBS-Konto auf Umwegen - beispielsweise über ein weiteres, bislang unbekanntes Konto oder ein Bargelddepot - über den Zeugen I2 schließlich zu dem AngeklagtenA gelangt ist. Es ist nicht belegt, dass einer Schmiergeldauszahlung durchweg eine Barabhebung von einem Konto zeitnah vorausgeht.
1202Soweit der Zeuge I2 bei seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung in Abrede gestellt hat, dem Angeklagten A im Jahr 1994 insgesamt 3,2 Mio. DM, im Jahr 1995 2 Mio. DM und im Herbst 1996 weitere2,2 Mio. DM in bar übergeben zu haben und lediglich einmal Ende 1994/Anfang 1995 2 Mio. DM oder auch nur 1 Mio. DM aus dem P5-Vermögen an ihn weitergeleitet haben will, schenkt die Kammer dem keinen Glauben. Die staatsanwaltschaftliche Vernehmung des Zeugen I2, wie sie der Kammer durch die Vernehmungsbeamten, die Zeugen Oberstaatsanwalt M2 und Staatsanwalt F2, vermittelt worden ist, zeigt derart gewichtige, gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen I2 sprechende Umstände auf, dass es der Kammer unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht geboten erschien, den Zeugen I2 im Wege der Rechtshilfe und ggf. in Anwesenheit der hiesigen Verfahrensbeteiligten kommisarisch zu vernehmen, eine audiovisuelle Zeugenvernehmung nach§ 247 a StPO durchzuführen oder das Verfahren in der vagen Hoffnung auf ein späteres Erscheinen des Zeugen I2 vor der Kammer auszusetzen.
1203Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Zeugen I2 im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung ergeben sich aus mehreren Punkten:
1204Der Zeuge I2 bestreitet, sich 1994 im Hotel J10 in Zürich mit dem Angeklagten A sowie den Zeugen F6 und J4 zum Zwecke der Übergabe von Schmiergeld getroffen zu haben. Ein solches Treffen wird jedoch von dem Angeklagten A sowie den ZeugenF6 und J4 detailliert geschildert; Uneinigkeit besteht letztlich nur hinsichtlich des Geldbetrages, den der gesondert Verfolgte J4 bei dieser Gelegenheit erhalten hat, sowie hinsichtlich des Datums des Treffens. Irgendeinen plausiblen Grund dafür, weshalb der Angeklagte A und die Zeugen F6 und J4 sich insoweit selbst zu Unrecht belastet oder jedenfalls eine mit den Tatsachen nicht übereinstimmende Version erzählt haben sollten, sieht die Kammer nicht. Hingegen ist leicht ein plausibler Grund dafür, dass der Zeuge I2 in diesem Punkt bewusst die Unwahrheit gesagt hat, in dem Umstand zu erkennen, dass dieser bestreitet, irgendeinen konkreten Anhaltspunkt dafür gehabt zu haben, dass im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe für die RMVA Köln Schmiergeld aufgrund einer Unrechtsvereinbarung geflossen sein könnte. Bei der Teilnahme als Geldlieferant an einem Treffen, wie von dem Angeklagten A sowie den Zeugen F6 und J4 geschildert, hätte auch der gutgläubigste Mitbürger leise Zweifel entwickelt, ob er nicht in kriminelles Unrecht verstrickt wird, das über eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung hinausgeht.
1205Der Zeugen I2 bestreitet zudem, auf den Gedanken verfallen zu sein, die Geldtransferaktionen und die hiermit verbundenen Ausstellungen von Scheinrechnungen könnten etwas mit Steuerhinterziehungen zu tun gehabt haben. Auch dem Zeugen I2 ist nicht unbekannt geblieben, dass das Ausstellen von Scheinrechnungen durch Domizilgesellschaften mit daraufhin erfolgten Zahlungen nach schweizer Recht sogar den Tatbestand des sog. Abgabenbetruges erfüllen dürfte, der rechtshilfefähig ist. Die wirren Konstruktionen, die er zur Untermauerung der angeblichen Legalität der erbrachten „Steueroptimierungen“ in seinen Beschuldigtenvernehmungen dargelegt hat, sprechen für sich. Der Zeuge I2 behauptet insoweit nicht einmal, dass für die Millionenbeträge, die P5 aus Deutschland erhalten hat, irgendwelche Leistungen - zumindest solche eines Dritten, etwa im Rahmen eines Subunternehmerverhältnisses - seitens P5 erbracht worden wären. Gerade ein solches Subunternehmer-Verhältnis ist aber das Merkmal einer legalen schweizer Domizilgesellschaft, die u.a. dadurch gekennzeichnet wird, dass im Wesentlichen nur deren Verwaltung ihren Sitz in der Schweiz selbst hat. Die Erstellung von Scheinrechnungen zu dem Zweck, hierdurch einer ausländischen Steuerverwaltung Betriebsausgaben zum Zwecke der Steuerminderung vorzutäuschen und/oder Geld aus dem Firmenvermögen zu schleusen, um hierdurch Schmiergeld für Dritte bereitzustellen oder zu Lasten des Gesellschaftsvermögens zu veruntreuen, ist nach schweizer wie nach deutschem Strafrecht strafbar.
1206Was die angebliche Legalität der „Steueroptimierungen“ angeht, ist zudem nicht nachvollziehbar, warum legale Geldtransaktionen in einem solchen Umfang in bar durchgeführt worden sein sollen. Dies gilt um so mehr, wenn man bedenkt, dass der Zeuge I2 immer „darum bestrebt“ gewesen sein will, „möglichst wenig Bargeld für einen längeren Zeitraum zu haben“, und nach seinen Angaben der riskante Transport von größeren Bargeldsummen auch dem Zeugen Q3 als Geldboten „nicht besonders gefallen“ haben soll. Weshalb Bargeldübergaben im großen Stil angezeigt waren, wenn es darum gegangen sein soll, dem Zeugen F6 „Geld für Investitionen“ zur Verfügung zu stellen, findet in der Einlassung des Zeugen I2 keine Erklärung.
1207Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb nach den Bekundungen des Zeugen I2 hinsichtlich der Gelder in Höhe von 14,2 Mio. DM, die seitens S5 im Rahmen des Konsortialvertrages mit P5 betreffend die RMVA Köln gezahlt wurden, letztlich der Zeuge F6 bestimmt haben soll, an wen diese auszukehren gewesen sein sollen.
1208Der Zeuge I2 musste bei seiner Beschuldigtenvernehmung ferner einräumen, dass er der UBS AG gegenüber auf die Frage nach der Person des wirtschaftlich Berechtigten bewusst verschwiegen hat, dass dieser nicht der von ihm angegebene Zeuge Q3, sondern der Zeuge F6 gewesen sei. Zwar hat er in der Vernehmung eingeräumt, insoweit „nicht die volle Wahrheit“ gesagt zu haben; gegenüber der Bank habe er „für sich insgeheim“ dahin argumentiert, der Zeuge Q3 sei Treuhänder des Zeugen F6 gewesen. Wenn aber bewusst eine Falschdarstellung gegeben wird, ist das nicht nur „nicht die volle Wahrheit“, sondern eine ganze Lüge.
1209Auf die Frage zu seinen persönlichen Beziehungen zur LLB wollte der Zeuge I2 in den Vernehmungen bezeichnenderweise gar nicht eingehen.
1210Nicht nachvollziehbar sind auch die Angaben des Zeugen I2, der Zeuge Dr. V3 habe ihm seiner Erinnerung nach im Jahre 2000 mitgeteilt, von den Geldern, die er, der Zeuge I2, auf Anraten seines Steuerberaters als Bezüge für die Aktionäre von dem Konto von P5 bei der UBS AG abgehoben und auf ein weiteres, auf seinen Namen laufendes Konto eingezahlt haben will, „wolle man nichts mehr wissen“; er, der Zeuge I2, „solle damit machen, was er wolle“. Ausweislich der Buchhaltungsunterlagen, die der Zeuge I2 bei seiner Beschuldigtenvernehmung vorgelegt hat, wurden von 1994 bis 2000 über 1,15 Mio. CHF als Bezüge für die Aktionäre vom Konto von P5 bei der UBS AG abgehoben. Es verwundert angesichts dessen nicht, dass die kantonale Steuerverwaltung wegen der Vorgänge um dieses Kontos ein Strafverfahren gegen den Zeugen eingeleitet hat.
1211Der Zeuge I2 will ferner nicht gewusst haben, dass die angeblich seitens der P5 erstellten Gutachten, für die enorme Honorare entrichtet wurden, tatsächlich - sieht man einmal von Kopier- und Stempelvorgängen ab - nicht auf eigenen Leistung der Firma beruhten. Angesichts des Umstands, dass P5 im Wesentlichen aus zwei Personen - nämlich den Zeugen I2 und I1 - bestand, und der Zeuge I2 nicht einmal behauptet, der Zeuge I1 habe ihm vorgespiegelt, selbständig Gutachten erstellt zu haben, kann dem Zeugen I2 die Verwunderung über die „Qualität“ der Gutachten nicht geglaubt werden.
1212Unerklärlich ist auch, weshalb die vom Zeugen I2 so bezeichneten „subalternen Bankbeamten“, die u.a. das Kundendossier bei der UBS AG führten, sich darin enthaltene Angaben über Provisionen und dergleichen schlicht ausgedacht haben sollen - außer gerade in einem Fall betreffend einen Scheck über 5.185.858,00 DM, bei dem das Kundendossier sogar im Detail weitgehend richtig sein soll. Die Vermutung, die "subalternen Bankbeamten" hätten deshalb des öfteren Gespräche über "Provisionen" vermerkt, weil sie wegen der angeblichen Haupttätigkeit des Zeugen I2 als Immobilienmakler davon ausgegangen seien, es habe sich um Provisionen für Immobiliengeschäfte gehandelt, kann nur zutreffen, wenn die Bankbeamten nicht nur subaltern, sondern darüber hinaus auch dumm sind; denn die seitens des Zeugen I2 angegriffenen Kundendossiers betreffen gerade solche Vorgänge, die außerhalb seines Tätigkeitsbereichs als Immobilienmakler liegen.
1213Bei alledem darf auch nicht vergessen werden, dass der Zeuge I2 jahrelang als Geldwäscher im großen Stil agiert hat; insgesamt sind über P5 14,2 Mio. DM seitens S5 sowie mindestens weitere 30 Mio. DM von Firmen aus dem F6-Verbund gelaufen. Geldwäsche ist auf Verschleierung angelegt. Dass der Zeuge I2 nach Ablegen eines über Jahre gepflegten kriminellen Verhaltenes nur deshalb zur Wahrheit gefunden haben soll, weil die Staatsanwaltschaft ihm ein Angebot zur Verfahrenserledigung gemacht hat, das letztlich durchgreifende Bedenken daran aufwirft, ob die Grundsätze einer schuldangemessenen Bestrafung berücksichtigt worden sind, kann nicht erwartet werden.
1214Soweit der Zeuge I2 sich bei seiner Beschuldigtenvernehmung alsdann darauf zurückgezogen hat, letztlich sei er nur ein „einfacher Immobilienmakler, der auch baut“, „der Umgang mit Zahlen sei ihm ein Greuel“, er habe ein „schlechtes Zahlengedächtnis“, und er darüber hinaus darauf verweist, seine Tätigkeit bei der P5 im Zusammenhang mit den Geldtransfers habe weniger als 5 % seiner Arbeitszeit ausgemacht, so sind dies wohlklingende Worte, die davon ablenken wollen, dass der Zeuge I2 von 1994 bis 2001 aus seinen kriminellen Machenschaften ein einträgliches Leben führte. Auch der Zeuge Staatsanwalt F2 empfand es als etwas aufgesetzt, dass der Zeuge I2 wiederholt ihm gegenüber den Eindruck zu erwecken versuchte, er sei doch nur "der Mann aus den Bergen, der gerne wandert".
1215Die Einlassung des Zeugen I2, der Zeuge Q3 habe auch dann die Entgegennahme eines Geldbetrages quittiert, wenn nicht er, sondern der Angeklagten A oder der Zeuge F6 das Geld unmittelbar bekommen hätten, ist unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen in der vorhergehenden Beschuldigtenvernehmungen zumindest unvollständig; denn zu der Barabhebung vom 24.09.1996 über 1 Mio. DM von dem Konto der P5 hatte er ausgeführt, damit ein Depot im eigenen Namen für den Zeugen F6 eingerichtet zu haben; insoweit habe der ZeugeQ3 ihm „zur Bereinigung seiner Bücher“ eine zurück- oder vordatierte Quittung ausgestellt. Nach der eigenen Einlassung des Zeugen I2 belegen die Quittungen demnach nicht einmal, dass es jedenfalls zu einem Bargeldfluss - an wen auch immer - gekommen ist; das Geld kann also auch ungeachtet des Vorliegens einer Quittung anderweitig durch den Zeugen I2 verwendet worden sein.
1216Betreffend die erste Übergabe von F6-Geld an den ZeugenQ3 vom 11.08.1993 gibt der Zeuge I2 an, dass der ZeugeQ3 zwar eine Rechnung über 562.500,00 DM ausgestellt, er, der Zeuge I2, ihm aber nur 500.000,00 DM ausgezahlt habe, weil es lediglich „ein Probelauf“ gewesen sei. Folglich belegen die Quittungen auch nicht unbedingt, dass es sich in den Fällen, in denen Geld in bar ausgezahlt worden ist, hierbei um den quittierten Betrag gehandelt hat.
1217In diesem Zusammenhang fällt ferner auf, dass die Angaben der Zeugen I2 und Q3 dazu, wann der Zeuge Q3 tatsächlich Geld bekommen und wann er lediglich eine (Schein-)Quittung ausgestellt habe, nicht in jedem Fall in Übereinstimmung zu bringen sind. So gibt der Zeuge I2 betreffend einer Barabhebung von 1,08 Mio. DM vom 22.06.1998 an, er habe das Geld dem Zeugen Q3 übergeben; dies ergebe sich daraus, dass er das Geld am Flughafen abgehoben habe („Wenn ich das Geld am Flughafen abgehoben habe, habe ich es auch Herrn Q3 am Flughafen gegeben.“). Der Zeuge Q3 hat sich dagegen in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 17.07.2002, zu deren Inhalt die Kammer den Zeugen Steueramtmann P1 in der Hauptverhandlung vernommen hat, auf Vorhalt der Auszahlungsquittung vom 22.06.1998 dahin eingelassen, er habe das Geld nicht mitgenommen. Hiebei verkennt die Kammer nicht, dass der Aussage des Zeugen Q3 kein sonderlich hoher Beweiswert zukommt, weil seine Angaben im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung nicht sehr valide sind („Es kann auch ganz anders gewesen sein.“).
1218Nicht nachvollziehbar ist weiter die Einlassung des Zeugen I2, ihm sei nicht aufgefallen, dass ein Scheck über 1,746 Mio. DM, den er von dem Zeugen J4 erhalten haben will, um ihn im September 1994 auf einem von ihm eigens dafür eingerichteten Treuhandkonto - lautend auf ihn, den Zeugen I2 - einzulösen, identisch gewesen ist mit dem von ihm zu Lasten der P5 gegebenen Scheck, den er nach seiner Einlassung wenige Tage zuvor dem Zeugen Q3 ausgehändigt haben will.
1219Ähnlich inkonsistent sind die Angaben des Zeugen I2 zu den Geldflüssen in Richtung des Zeugen F6. Während er in der ersten Beschuldigtenvernehmung vor der Staatsanwaltschaft noch ausführt, der Kontakt zu dem Zeugen F6 sei 1992 hergestellt worden, der erste Geldfluss (der bereits oben angesprochene „Probelauf“) sei dann die Auszahlung vom 11.08.1993 gewesen, gibt der Zeuge I2 in seiner richterlichen Vernehmung an, er könne nicht mehr sagen, ob die erste Zahlung an den Zeugen F6 1993, 1994 oder 1998 gewesen sei; es müsse aber schon vor 1998 gewesen sein.
1220Auffallend ist ferner, dass die Angaben des Zeugen I2 im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gerade in Bezug auf den Angeklagten A erheblich schwanken:
1221So lässt er sich zunächst dahin ein, er habe dem Angeklagten A Ende 1994/Anfang 1995 2 Mio. DM gegeben, die dieser dann in seinem Beisein auf einem Konto bei der LLB eingezahlt habe; hierfür habe der Zeuge Q3 ihm, dem Zeugen I2, eine entsprechende Quittung erteilt. Die beiden weiteren Einzahlungen des Angeklagten A auf dieses Konto (es habe sich um Beträge von 1 Mio. DM bzw. 2,2 Mio. DM gehandelt), bei denen er zugegen gewesen sei, hätten nicht aus dem Vermögen der P5 gestammt. Er sei sich „nicht hundertprozent, aber doch sehr sicher“, dass es eine weitere persönliche Bargeldübergabe an den Angeklagten A nicht gegeben habe. Später heißt es, er sei sich insoweit zu 99% sicher.
1222Auf den Vorhalt, der Angeklagte A habe am 28.10.1994 laut Bankauszug 2,2 Mio. DM auf seinem Konto bei der LLB eingezahlt, erklärte der Zeuge I2, dann erinnere er sich wohl falsch (gemeint ist: hinsichtlich der Höhe des dem Angeklagten A übergebenen Betrages).
1223Auf den weiteren Vorhalt, am 01.03.1995 habe er, der Zeuge I2, 1 Mio. DM von dem P5-Konto in bar abverfügt und der Angeklagte A am selben Tag auf seinem Konto bei der Liechtensteinischen Landesbank 998.000,00 DM eingezahlt, erwiderte der Zeuge I2, nunmehr gehe er davon aus, dass es sich bei diesem Betrag um denjenigen handele, den er dem Angeklagten A in bar übergeben habe. Von einer zweiten Bargeldübergabe ist in diesem Zusammenhang mithin nicht die Rede.
1224Der Zeuge I2 stellte selbst fest, dass hierin ein Widerspruch zu seiner ursprünglichen Einlassung liegt, dem Angeklagten A nur einmal Bargeld - und zwar 2 bzw. 2,2 Mio. DM - übergeben zu haben. Deshalb führte er aus: „Sollte meine vorstehende Einlassung bzgl. der Einzahlung von 2,2/1 Mio. DM dieser Aussage widersprechen, so möchte ich mich insoweit korrigieren, als ich nach Vorhalt der Kontounterlagen versucht habe, die Vorgänge deckungsgleich nachzuvollziehen.“ Nunmehr war sich der Zeuge I2 nicht mehr sicher, ob er wirklich auch bei der Einzahlung der1 Mio. DM persönlich zugegen war. Es verwundert dagegen, dass er gerade zu der angeblichen Übergabe von 1 Mio. DM, die nach der ersten Fassung der Einlassung nicht stattgefunden haben soll, nunmehr eine konkrete Erinnerung daran haben will, der Zeuge F6 habe das Erscheinen des Angeklagten A avisiert und erklärt, der Angeklagte A sei berechtigt, einen Betrag von 1 Mio. DM abzuholen.
1225Den in einem späteren Vernehmungsstadium erfolgten Vorhalt, der Angeklagte A behaupte, im Zeitraum zwischen August und Oktober 1996 von dem Zeugen I2 2,2 Mio. DM in bar erhalten zu haben, quittierte der Zeuge I2 sodann mit der Entgegnung, er wisse, dass er „den Betrag 2,2 Mio. DM nie so bezogen oder ihm so gegeben habe“ - wobei dann trotz eines Hinweises auf die Buchführung der P5 nebulös bleibt, was mit dem Wort „so“ jeweils gemeint ist; jedenfalls ersichtlich kein klares „Nein“. Als dann in einer späteren Vernehmung die Frage aufgeworfen wird, ob der Zeuge I2 dem Angeklagten A im Juni 1998 1 Mio. DM unmittelbar übergeben hat (es geht demnach nicht um die 1 Mio. aus März 1995), antwortete der Zeuge I2 - der sich doch ursprünglich sehr bzw. zu 99% sicher war, dem Angeklagten A nur einmal Bargeld übergeben zu haben - er wisse nicht, ob er dem Angeklagten A diesen Betrag übergeben habe; aber wenn, dann an den Angeklagten A als Vertreter des Zeugen Q3. Schlussendlich resümiert der Beschuldigte, er habe dem Angeklagten A „ca. zwei bis drei mal Bargeld bzw. einen Scheck übergeben“.
1226Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge I2 nicht bereit war, vor der Kammer auf die Ladung zum Termin vom 09.02.2004 hin zu erscheinen. Das am 06.02.2004 erfolgte Angebot des Vorsitzenden betreffend mehrere Ausweichtermine für eine Zeugenvernehmung blieb ungenutzt. Gegenüber der Staatsanwaltschaft hat sein Verteidiger laut Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 07.04.2004 erklärt, der Zeuge I2 sei derzeit nicht bereit, vor der Kammer als Zeuge auszusagen, sondern nur als Beschuldigter in dem gegen ihn geführten Verfahren. Er war nicht einmal bereit, auf das an ihn gerichtete Angebot der Staatsanwaltschaft einzugehen, nach seiner Beschuldigtenvernehmung auch als Zeuge vor der Kammer auszusagen, um alsdann eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO zu erreichen. Vielmehr war er seitens der Staatsanwaltschaft nur dazu zu bewegen, zunächst als Beschuldigter eine Einlassung und über seinen Verteidiger die Erklärung abzugeben, er werde nach endgültiger Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO als Zeuge vor der Kammer aussagen, ohne dass freilich seitens der Staatsanwaltschaft Köln irgendwelche Sanktionen an ein Nichterscheinen vor der Kammer geknüpft werden könnten. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass der Zeuge I2 sich scheut, unter Strafandrohung die Wahrheit zu sagen. Ihm ging es vielmehr ersichtlich nur darum, über eine Einlassung als Beschuldigter den Weg zu einer ihm ungemein günstigen Verfahrenserledigung zu ebnen.
1227Gerade die besondere Ausgestaltung der „Kronzeugenregelung“, die die Staatsanwaltschaft dem Zeugen I2 geboten hat, lässt im übrigen besorgen, dass der Zeuge mehr zweckorientiert als der Wahrheit verpflichtet ausgesagt hat. Immerhin wurde er zunächst mit internationalem Haftbefehl- erlassen am 14.10.2002 durch das Amtsgericht Köln - gesucht; er hatte- wie auch der als Zeuge vernommene Staatsanwalt F2 bekundet hat - ein dringendes Interesse, über die Aufhebung des Haftbefehls wieder Bewegungsfreiheit außerhalb der Schweiz zu erlangen. Der Haftbefehl war - auf Antrag der Staatsanwaltschaft - u.a. damit begründet, es drohe eine hohe Freiheitsstrafe, die einen besonderen Fluchtanreiz biete. Als die jetzige Verteidigung Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufgenommen hatte, sah diese sich bereit, die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könne, zu akzeptieren. Nachdem dies nicht das Wohlwollen des Zeugen I2 fand, kam bei der Staatsanwaltschaft sodann der Gedanke auf, das gegen diesen eingeleitete Verfahren nach § 153 a StPO einzustellen, nachdem der BeschuldigteI2 vor der Kammer als Zeuge ausgesagt haben würde. Der Zeuge I2, der zutreffend eingeschätzt hat, dass die Staatsanwaltschaft zu fast jedem Zugeständnis bereit war, wenn sie denn nur alsbald eine Beschuldigteneinlassung als Verfahrensstoff für das vorliegende Verfahren erhielt, konnte jedoch darauf bestehen, dass das gegen ihn gerichtete Verfahren zunächst endgültig nach § 153 a StPO - ggf. gegen Zahlung von 90.000,00 € - eingestellt sein müsse, bevor er als Zeuge vor der Kammer aussage; zuvor werde er auch weder den Steuerberater der P5, den Zeugen X3, von seinen Verschwiegenheitspflicht entbinden noch weitere Unterlagen freigeben bzw. der Staatsanwaltschaft zusenden.
1228Nachdem diese Verfahrensweise - zunächst Vernehmung als Beschuldigter, sodann Aufhebung des Haftbefehls und schließlich Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO - zwischen Oberstaatsanwalt M2 und der Verteidigung des Zeugen I2 ins Auge gefasst worden war, war die Verteidigung des Zeugen I2 - wie der Zeuge F2 bekundete - sichtlich ungehalten darüber, dass die Vernehmungen nicht ausschließlich durch den - wie der Zeuge F2 diese wiedergab - „Staatsanwalt des Vertrauens“, Herrn Oberstaatsanwalt M2, sondern durch Staatsanwalt F2 als für das Verfahren gegen den Zeugen I2 zuständigen Dezernenten geführt wurden. Letzterer machte der Verteidigung, wie er bekundet hat, unmissverständlich nach dem zweiten Vernehmungstag (30.04.2004) klar, dass er sich „verschaukelt“ fühle und insbesondere wegen mehrerer, im einzelnen bezeichneter Punkte Bedenken habe, ob eine wahrheitsgemäße Einlassung als Voraussetzung für einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung des Haftbefehls und Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO vorliege. Bezeichnenderweise fragte die Verteidigung des Zeugen I2 ständig gegenüber dem Staatsanwalt F2 nach, ob von der Staatsanwaltschaft avisierte Weg noch beschritten werden könne.
1229Nach weiteren Vernehmungen am 03.05.2004 bei der Staatsanwaltschaft und durch den Ermittlungsrichter hob dieser schließlich den Haftbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf. Die Staatsanwaltschaft führte in ihrem entsprechenden Antrag u.a. aus, der Beschuldigte habe „sich im Wesentlichen geständig eingelassen“. Ungeachtet dieses „Geständnisses“ erteilte Staatsanwalt F2 dem Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft O7 im Anschluss an die richterliche Vernehmung des ZeugenI2 den Auftrag, die Angaben des Zeugen anhand der vorliegenden Terminkalender und Kreditkartenabrechnungen des Zeugen Q3 zu verifizieren bzw. falsifizieren.
1230Vom Vorsitzenden im Rahmen der hiesigen Hauptverhandlung gefragt, inwieweit denn nach der letzten Vernehmung des Zeugen I2 von einem Geständnis gesprochen werden könne, das Anlass für die Aufhebung des Haftbefehls am 03.05.2004 war, bekundete Staatsanwalt F2, es habe sich um eine „Momentaufnahme“ gehandelt. Erst im Zuge der Fortsetzung seiner Vernehmung nach der Mittagspause und nach der Vernehmung des Oberstaatsanwalts M2 meinte der Zeuge Staatsanwalt F2 die Wertung abgeben zu können, es habe sich tatsächlich um ein Geständnis gehandelt, ohne dies freilich an Einzelpunkten nachvollziehbar festmachen zu können; statt dessen berief er sich auf den „Gesamteindruck“. Oberstaatsanwalt M2 wiederum äußerte bei seiner Zeugenvernehmung durch die Kammer, es sei auch eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO denkbar - „wegen der Problematik der Domizilgesellschaften“, wegen des Spezialitätsgrundsatzes sowie „aus subjektiven Gründen“; soweit in dem Haftbefehlsantrag von einer hohen Freiheitsstrafe als einem den Fluchtanreiz begründenden Umstand gesprochen worden sei, habe es sich nur um „so eine Floskel“ gehandelt.
1231Es fällt demnach auf: Was der eine Staatsanwalt - jedenfalls als „Momentaufnahme“ - gegenüber dem Haftrichter als Geständnis wertet (und womit er immerhin eine Aufhebung des Haftbefehls bewirkt), ist für seinen Vorgesetzten ein Ansatzpunkt für eine denkbare Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachtes. Dies vor dem Hintergrund, dass ausweislich des Vernehmungsprotokolls der Zeuge I2 an keiner Stelle ausdrücklich eingeräumt hat, er sei sich - zumindest mit bedingtem Vorsatz - darüber im klaren gewesen, dass er an einer Steuerhinterziehung, einer Untreue oder einer Geldwäsche teilnehme. Objektiv besteht vielmehr nach wie vor dringender Tatverdacht einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung sowie zur Untreue, wie oben dargelegt. Der Spezialitätsgrundsatz, der hinsichtlich der im Wege der Rechtshilfe aus der Schweiz erlangten Urkunden oder Einvernahmen Bedeutung erlangen kann, würde einer Verurteilung nicht entgegenstehen, denn der Nachweis der Geldflüsse könnte insbesondere auch durch die Vernehmungen der Angeklagten A und Dr. B sowie der Zeugen F6 und Q3 bzw. der entsprechenden Vernehmungsbeamten erfolgen. Von daher stellt sich das Angebot der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Beschuldigten I2, sein Verfahren ggf. nach§ 153 a StPO zu erledigen, um diesen zu einer Einlassung zu bewegen, als das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils im Sinne des § 136 a StPO dar; denn auch die Verlockung mit einer nicht mehr schuldangemessenen Strafe - und vorliegend ist nicht einmal mehr von einer Bestrafung im rechtstechnischen Sinne die Rede - kann das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehen Vorteils darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2002 - 1 StR 171/02 -). Immerhin hat sich auch der Zeuge Staatsanwalt F2 zu der Bemerkung durchgerungen, eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO sei „grenzwertig“, nachdem er im übrigen gegenüber den Verteidigern des Beschuldigten I2 - nach der Übernahme des Verfahrens gegen diesen - am 22.03.2004 erklärt hatte, eine Verfahrenseinstellung komme nicht in Betracht. Jedenfalls aber lassen die oben aufgezeigten Besonderheiten befürchten, dass das Ergebnis der Vernehmung weniger auf einem Bemühen des Beschuldigten I2 beruhte, die Wahrheit zu sagen, als vielmehr darauf, einen günstigen Ausgang seines eigenen Verfahrens zu bewirken und der Staatsanwaltschaft hierfür als Gegenleistung Material zu liefern, das eine zügige Beendigung der hiesigen Hauptverhandlung als fraglich erscheinen lassen könnte.
1232Zu den Besonderheiten im Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeugen I2, die das Bild abrunden, gehört auch folgender Umstand: Bezeichnenderweise bekundete Staatsanwalt F2 als Zeuge, die ihn selbst für sein gegen den Zeugen I2 geführtes Verfahren vor allem interessierenden Fragen habe er erst gegen Ende der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung am dritten Vernehmungstag stellen können, nachdem zuvor in erster Linie die mit dem Verfahren LG Köln 107-3/04 vertrauten Ermittlungsbeamten sowie der Wirtschaftsreferent der Staatsanwaltschaft KölnO7 Fragen zu den in der hiesigen Hauptverhandlung interessierenden Geldflüssen gestellt hätten. Er habe geradezu darauf drängen müssen, selbst weitere Fragen stellen zu können; es habe alles sehr schnell gehen sollen.
1233Soweit der Zeuge Oberstaatsanwalt M2 bekundet hat, die Beschuldigtenvernehmung des Zeugen I2, insbesondere deren Zeitpunkt, habe „nichts“ mit dem vorliegenden Verfahren zu tun, ist dies unwahr. Die in der Hauptverhandlung nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen des Zeugen I2 seitens der Staatsanwaltschaft geltend gemachte angebliche Notwendigkeit, nunmehr - vergleichsweise zeitaufwendige - Nachermittlungen betreffend den Abgleich der Angaben des Zeugen I2 zu Treffen mit dem Zeugen Q3 anhand von Terminkalendern und Kreditkartenabrechnungen des Zeugen Q3 durchführen zu müssen, soll laut Verfügung des Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft O7 vom 05.05.2004 seitens des Zeugen StaatsanwaltF2 in dem von ihm geführten Verfahren 114 Js 103/02 in Auftrag gegeben worden sein; bei der Zeugenvernehmung von Staatsanwalt F2 stellte sich sodann jedoch heraus, dass die Nachermittlung auch mit den Dezernenten des vorliegenden Verfahrens ausdrücklich abgestimmt war.
1234Weder der Wirtschaftsreferent O7 noch Oberstaatsanwalt M2 noch Staatsanwalt F2 sahen sich im übrigen in der Lage, eine verbindliche Erklärung dazu abzugeben, ob alle Unterlagen, die die Verteidigung des Zeugen I2 an den drei Vernehmungstagen überreicht hatte, als Kopie der Kammer vorgelegt worden sind; hieran bestehen erhebliche Zweifel, nachdem Oberstaatsanwalt M2 bekundet hat, am ersten Vernehmungstag sei mehrfach eine Gewinn- und Verlustrechnung von P5, die den der Kammer übersandten Kopie aus dem Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen I2 nicht beigefügt waren, Gegenstand der Vernehmung gewesen; er - Oberstaatsanwalt M2 - habe auch ein sehr „einnehmendes Wesen“ und pflege Unterlagen, auf die jemand Bezug nehme, zunächst an sich zu nehmen. Staatsanwalt F2 hat sodann bekundet, Wirtschaftsreferent O7 habe, soweit er das wahrgenommen habe, alles kopiert. Wirtschaftsreferent O7 hat wiederum hierzu erklärt, sich nicht konkret erinnern zu können; ebenso wie er am Verhandlungstag zuvor, am 04.05.2004, sich nicht konkret erinnern konnte, ob ihm anlässlich eines Gespräches mit Herrn Rechtsanwalt Dr. S4 am 03.05.2004 Einzelheiten der avisierten § 153 a StPO-Lösung bekannt gewesen seien oder nicht.
1235Es kann auch wenig aus den Angaben des Zeugen I2 im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung insbesondere für die Frage geschlossen werden, wer Empfänger des Geldes war. Zwar lassen sich seine Ausführungen großteils mit den vorgehaltenen bzw. seitens seiner Verteidigung vorgelegten Kontobelegen in Übereinstimmung bringen. Die entscheidende Frage ist dann jedoch stets, an wen der Zeuge I2 Geld in bar übergeben hat. Dass die Quittungen des Zeugen Q3, soweit sie vorliegen, nicht sonderlich aussagekräftig sind, hat der Zeuge I2 selbst bekundet, indem er zu mehreren Fällen berichtet hat, er habe Bargeld an Dritte - beispielsweise den Angeklagten A - übergeben, das dann mit Q3-Quittungen unterlegt worden sei; es habe auch zumindest einen Fall gegeben, in dem die Quittung nicht die wirkliche Höhe des (an den Zeugen Q3) übergebenen Betrages wiedergebe. Weder von dem Angeklagten A noch von dem Zeugen J4 will der Zeuge I2 dann jedoch jeweils eine Quittung erhalten haben, so dass letztlich nicht überprüfbar ist, wem er wann welchen Betrag ausgehändigt haben will.
1236Selbst hinsichtlich der Zeitpunkte der Geldübergabe kann aus denQ3-Quittungen wenig hergeleitet werden, da diese - wie der Zeuge I2 selbst bekundet hat - auch vor - oder zurückdatiert sein konnten, eben um die Buchhaltung stimmig zu gestalten.
1237Die von dem Zeugen I2 bekundete Übergabe eines Schecks an den Angeklagten A über einen Betrag von 2.665.000,12 DM, ausgestellt am 25.05.1998, ist seitens des Angeklagten A bereits im Ermittlungsverfahren eingeräumt und damit erklärt worden, es habe sich um einen Teil der F6-Verwahr-Gelder gehandelt. Soweit der Zeuge I2 ausgeführt hat, hierbei habe es sich um einen Teilbetrag von einem Gesamtbetrag in Höhe von 5,2 Mio. DM gehandelt, den der Zeuge F6 ihm als Provision im Zusammenhang mit dem Wartungsvertrag der Q6 betreffend die RMVA Köln geschildert habe, ist nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge F6, der sich ansonsten laut Einlassung des Zeugen I2 mit Informationen an diesen sehr bedeckt gehalten haben soll, ausgerechnet in diesem Punkt dem Zeugen I2 die Hintergründe des Geldtransfers genannt haben soll. Noch in der Vernehmung des Zeugen I2 vom 29.04.2004 heißt es: „Ich habe in keinem einzigen Fall Herrn F6 nach dem weiteren Verwendungszweck der ihm durch Q3 vermittelten Beträge gefragt oder aufgrund von Anweisungen von F6 abverfügten Beträgen nachgefragt. (...) Ich habe mich nicht getraut. F6 war für mich eine Respektsperson.“ Es erstaunt sehr, wenn der Zeuge I2, der eigentlich immer nur auf Befehl gehandelt haben will, ohne die Befehle je zu hinterfragen, dann am 03.05.2004 zu Protokoll gibt, dass er sich im Zusammenhang mit der Zahlung eines Betrages von 5.185.858,00 DM seitens der Q6 veranlasst gefühlt habe, mit dem Zeugen F6 über deren Hintergrund zu sprechen; der Zeuge F6 habe ihm sodann erklärt, es handele sich um die übliche Provision. Man mag über den Zeugen F6 denken, was immer man will, doch dass er ohne Not Dritte in seine Geschäftsinterna in einem Bereich eingeweiht haben sollte, der zu (straf-) rechtlichen Schwierigkeiten führen konnte, kann kaum angenommen werden.
1238Aus der Einlassung des Zeugen I2 ergibt sich im übrigen nicht einmal, dass er irgendwelche Erkenntnisse dafür gehabt habe, das Geld sei für den Angeklagten A persönlich bestimmt gewesen. Im Gegenteil: der Angeklagte A - so der Zeuge I2 - sei für ihn nur ein Angestellter des Zeugen F6 gewesen, letztlich lediglich der „Stellvertreter des Kuriers Q3“; er habe deshalb gedacht, der Angeklagte A überbringe das Geld dem Zeugen F6.
1239Dass der Zeuge I2 von der Stellung des Angeklagten A als Geschäftsführer der AVG erst im Nachhinein über seine Anwälte erfahren haben will, ist im übrigen denkbar unwahrscheinlich. Immerhin war er, der Zeuge I2, auch nach eigenen Angaben über seine Kontakte zu dem Zeugen F6 und zu S5 mit dem Projekt RMVA Köln vertraut. Umgekehrt leitet die Kammer hieraus jedoch nicht her, damit sei erwiesen, dass aus Sicht des Zeugen I2 Geld, das er dem Angeklagten A übergeben hat, jeweils für dieses als Endempfänger bestimmt gewesen sei.
1240Danach ist insgesamt festzuhalten, dass der Zeuge I2 in seinen Beschuldigtenvernehmungen dem Angeklagten A keine zusätzlichen, sondern vielmehr weniger Zahlungen zuschreibt. Er zeigt in seiner Einlassung auch keine Umstände auf, die greifbare Anhaltspunkte für eine erhöhte strafrechtliche Schuld des Angeklagten A oder aber für ein falsches, weil jedenfalls in Bezug auf die Höhe des Schmiergeldempfangs übersetztes Geständnis liefern könnten. Weder besteht ein greifbarer Ansatzpunkt dafür, dass der Angeklagte A sich selbst oder den Mitangeklagten zu viel Geld zuschreibt, um Dritte zu decken, noch kann in nachprüfbarer Weise davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte A sich selbst deshalb einen höheren Geldempfang aus dem Projekt der RMVA zugeschrieben hätte, um einen Zufluss von Schmiergeld aus einem anderen Projekt zu vertuschen.
1241ff)
1242Soweit als unwiderlegt festgestellt wurde, dass der Angeklagte A Bargeldbestände in der Agnes- oder R9-Garage in Köln aufbewahrte, beruht dies - auch hinsichtlich der Höhe der jeweiligen Beträge - auf der unwiderlegt gebliebenen Einlassung des Angeklagten A. Dies gilt auch für Feststellungen über die Lagerung von Bargeldbeständen in den Safes des Angeklagten A bei der LLB und der R7- Bank, deren Existenz durch Bankunterlagen - insbesondere Safebegehungskarten - urkundlich belegt ist. Die Zweifel gegenüber der Darstellung des Angeklagten A hinsichtlich der Bargeldaufbewahrungen werden unten näher dargelegt.
1243b)
1244Im Folgenden wird die wahldeutige Feststellung begründet, dass der Angeklagte Dr. B aus dem an den Angeklagten A geflossenen Schmiergeldanteil im Frühjahr 1995 oder im Herbst 1996 einen Betrag von mindestens 1 Mio. DM erhalten hat. Es wird ferner dargelegt, weshalb es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen geblieben ist, ob der Angeklagte A dem Angeklagten Dr. B statt einmal 1 Mio. DM einmal 2,4 Mio. DM übergeben hat und weshalb nicht festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte C von dem Angeklagten A zweimal 1 Mio. DM oder einen sonstigen aus dem Schmiergeld stammenden Betrag, und der Zeuge J4 2,4 Mio. DM aus dem Schmiergeld erhalten hat.
1245aa)
1246Der Angeklagte Dr. B hat sich diesbezüglich - wie bereits in seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 08.04.2002 - dahin eingelassen, er habe im Februar 1995 von dem Angeklagten A in seinem S5-Büro in Gummersbach 1 Mio. DM in bar in einem Umschlag erhalten und diese im März 1995 auf sein Namenskonto „V6“ bei der Royal Bank of Scotland in Zürich eingezahlt. Hintergrund dieser Zahlung, die aus den von S5 geleisteten Schmiergeldern aufgrund der Unrechtsvereinbarung aus dem Herbst 1993 erfolgt sei, sei eine Vereinbarung mit dem Angeklagten A anlässlich einer Besprechung mit diesem am 30.12.1993 unter vier Augen gewesen. In diese Besprechung sei er, der AngeklagteDr. B, mit dem Anliegen gegangen, den RMVA-Auftrag für 800 oder 802 Mio. DM zu erhalten; der Angeklagte A habe ihm entgegnet, S5 könne den Zuschlag für 792 Mio. DM bekommen, wenn der Angeklagte Dr. B bereit sei, ihm noch vor dem Baubeginn in der Engeneeringphase 2 Mio. DM zu zahlen; davon solle er, der AngeklagteDr. B, dann 1 Mio. DM für sich behalten. Auf dieses Ansinnen habe er sich eingelassen, obwohl er gewusst habe, dass er sich damit „in die Provisionszahlungen verstrickt“ habe. Er habe hierbei insbesondere an seine Altersvorsorge und an die Vorsorge für seinen behinderten Sohn V6 gedacht. Daraufhin sei das S5-Angebot vom 03.01.1994 auf 792 Mio. DM festgesetzt worden, wobei sich in dieser „Leistungsanpassung“ neben dem Schmiergeldanteil auch 2,1 Mio. DM für eine zusätzliche Erdbebensicherung befunden hätten. Die zwischen dem Submissionstermin und der Unterzeichnung des Vertrages geführten Preisverhandlungen seien nur zum Schein erfolgt. Die Anhebung des für S5 bestimmten Entgeltes sei großteils wirtschaftlich gesehen nicht berechtigt gewesen:
1247S5 habe sein Begehren auf Anhebung des Werklohnes nämlich im Wesentlichen damit begründet, dass S5 Mehrkosten für die Ausführung der Variante C der Abgasbehandlung insbesondere im Bereich der Elektro- und Prozessleittechnik bei dem entsprechenden Los, hier also der Elektro- und Prozessleittechnik, preislich kalkuliert gehabt habe. Das Angebot von S5 für das Los Elektro- und Prozessleittechnik sei jedoch nicht preisbestimmend geworden, weil im Rahmen des Idealfirma-Modells das günstigere Los von T5 maßgebend gewesen sei. T5 habe die im Bereich der Elektro- und Prozessleittechnik für Variante C anfallenden Mehrkosten jedoch nicht im Los Elektro- und Prozessleittechnik sondern im Los Abgasbehandlung kalkuliert. Daher habe S5 diese Mehrkosten letztlich selbst tragen müssen und von der AVG verlangt, diese im Los Abgasbehandlung zu berücksichtigen. Ein Preiszuschlag sei jedoch deshalb eigentlich nicht begründeter gewesen, weil T5 in Wirklichkeit die Mehrkosten für Variante C im Bereich der Elektro- und Prozessleittechnik in eben diesem Los kalkuliert gehabt habe, so dass diese Mehrkosten auch im Rahmen des Idealfirma-Modells im Gesamtpreis enthalten gewesen seien.
1248Weiter hat der Angeklagten Dr. B sich dahin eingelassen, die 1995 erfolgte Geldübergabe sei das einzige Mal gewesen, dass er Geld von dem Angeklagten A erhalten habe. Es sei nicht richtig, dass er 19962,4 Mio. DM erhalten habe. Dies könne auch dadurch belegt werden, dass das angebliche Treffen in seinem Gummersbacher Büro, bei dem die Geldübergabe stattgefunden haben soll, weder in seinem Tischkalender noch in demjenigen seiner Sekretärin vermerkt worden sei.
1249bb)
1250Der Angeklagte C hat sich dahingehend eingelassen, zu keinem Zeitpunkt von dem Angeklagten A Geld aus dem Schmiergeldtopf erhalten zu haben. Der Angeklagte A sei ihm nur behilflich gewesen, "Dankeschön-Spenden" bei Unternehmen einzuwerben, die am Bau der RMVA beteiligt gewesen seien. Von einer Schmiergelderveinbarung habe er ohnehin nichts gewusst und allenfalls ein allgemeines Misstrauen gehabt, ob nicht auch vielleicht bei diesem Großprojekt Gelder fließen könnten. Der Angeklagte A habe auch keine Veranlassung gehabt, ihm derartige Summen zukommen zu lassen, um Widerstand gegen die RMVA bzw. deren Größe in der ###3 kleinzuhalten, denn einen so gravierenden Widerstand habe es weder in der ###3 noch in der Bevölkerung gegeben.
1251cc)
1252Die Zeugen J4 und F6 haben sich zu der Frage, inwieweit sie selbst am Schmiergeld beteiligt waren, wie folgt im Ermittlungsverfahren eingelassen:
1253(1)
1254Der Zeuge F6, der früh eingeräumt hat, in die dreiprozentige Schmiergeldabrede miteingebunden gewesen zu sein, hat bekundet, 1994 bei einem gemeinsamen Treffen mit dem Angeklagten A und dem Zeugen J4 in der Schweiz von dem Zeugen I2 einen Umschlag mit Bargeld erhalten zu haben, dessen Inhalt zwischen 1,6 und 2 Mio. DM enthalten habe. Diesen Umschlag habe er ohne nachzuzählen an den Zeugen J4 weitergegeben mit Rücksicht auf offene Forderungen, die der Zeuge J4 gegenüber dem Hause F6 gehabt habe. Danach habe er mehrfach, u.a. auch gegenüber den Angeklagten A und Dr. B, betont, dass er mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun haben wolle. Keiner der Angeklagten und kein Zeuge hat behauptet, dass der Zeuge F6 mehr Schmiergeld erhalten habe als den von ihm selbst eingeräumten Betrag.
1255(2)
1256Der Zeuge J4 hat sich im Ermittlungsverfahren dahingehend eingelassen, auch er habe an dem Zustandekommen der 3 %-igen Schmiergeldvereinbarung mitgewirkt, die dahin gehen sollte, dass er selbst, der Zeuge F6 und der Angeklagte A jeweils 1 % der Auftragssumme als "Provision" hätten erhalten sollen. Bei einem gemeinsamen Treffen mit dem Angeklagten A und den Zeugen F6 und I2 in Zürich habe er allerdings nur 200.000,00 DM erhalten. 1994 habe er sodann zwei weitere Zahlungen erhalten, die sich auf insgesamt 1,5 bis 1,6 Mio. DM belaufen hätten. Schließlich habe er von S5 1996 einen Restbetrag von 560.000,00 DM überwiesen bekommen, den er zudem versteuert habe. Nicht richtig sei, dass er 1996 von dem Angeklagten A irgendeinen Betrag in bar erhalten habe.
1257dd)
1258Der Angeklagte A hat sich dahingehend eingelassen, dem Angeklagten C 1995 und 1998 jeweils 1 Mio. DM aus dem Schmiergeldbetrag übergeben zu haben. Der Angeklagte C sei 1994 auf ihn zugetreten und habe unumwunden gefragt, wieviel Schmiergeld er, der Angeklagte A, persönlich erhalte. Er habe daraufhin, um die Begehrlichkeiten des Angeklagten C nicht zu groß werden zu lassen, geantwortet, es handele sich um 4 Mio. DM. Darauf habe der Angeklagte C spontan erwidert: "Da kriegen wir aber die Hälfte von!"; mit "wir" habe er die ###3 gemeint. Er habe sich auf diese Geldforderung eingelassen, weil der Angeklagte C als der damals in der Kölner ###3 tonangebende Mann wichtig gewesen sei, um innerparteilichen Widerstand gegen die RMVA auszuräumen.
1259Dem Angeklagten Dr. B habe er 1995 kein Geld übergeben. Die von Seiten des Angeklagten Dr. B für eine angeblich 1995 erhaltene Zahlung von 1 Mio. DM gegebene Begründung sei auch nicht zutreffend. Es habe am 30.12.1993 keine Unterredung mit dem Angeklagten Dr. B unter vier Augen gegeben, in deren Verlauf er diesem einen Auftragszuschlag für 792 Mio. DM unter der Bedingung einer Schmiergeldzahlungen von 2 Mio. DM - je zur Hälfte für ihn und den AngeklagtenDr. B - zugesagt habe. Die Vereinbarung des Pauschalfestpreises von letztlich 792 Mio. DM mit S5 sei vielmehr das Ergebnis langwieriger und harter Verhandlungen im Dezember 1993 und Januar 1994 gewesen. Nach der gemeinsamen Sitzung von AVG-Aufsichtsrat und AVG-Gesellschafterversammlung vom 21.12.1993 sei er beauftragt worden, mit S5 den Werkvertrag auf der Basis eines Preises von 792 Mio. DM abzuschließen; dies sei der Rahmen gewesen, innerhalb dessen er sich ohne weitere Rücksprachen habe bewegen können. Damals habe es ihm eine gewisse Beruhigung verschafft, dass er erkannt habe, dass in den den AVG-Gremien am 21.12.1993 unterbreiteten Einzellosangeboten hinsichtlich des Loses Abgasbehandlung bei S5 fälschlicherweise der Betriebskostenwert von 4,2 Mio. DM hinzu addiert worden sei; das Wissen darum, dass dies zu Unrecht erfolgt sei, habe ihm die Möglichkeit eines zusätzlichen Verhandlungsspielraums in dieser Höhe verschafft. Letztlich sei es ihm und den anderen an der Aushandlung der Vertragseinzelheiten beteiligten AVG-Mitarbeitern - insbesondere den Zeugen M3 und H2 - gelungen, mit S5 für 792 Mio. DM abzuschließen. Es habe allerdings insbesondere im Januar 1994 zahlreiche Auseinandersetzungen gegeben, in denen vor allem die Haftungsfragen, Gewährleistungsansprüche und die Preisgleitung äußerst hart verhandelt worden seien. Entgegen der Einlassung des Angeklagten Dr. B habe es sich bei diesen Verhandlungen auch keineswegs um Scheinverhandlungen vor dem Hintergrund eines bereits ausgehandelten Preises gehandelt.
1260Allerdings, so der Angeklagte A weiter, habe er dem Angeklagten Dr. B sehr wohl im Herbst 1996 einen Schmiergeldanteil von 2,4 Mio. DM in dessen Gummersbacher Büro in bar ausgehändigt. Denn nach dem „Ausstieg“ des Zeugen F6 aus dem Schmiergeldempfänger-Kreis und der Übereinkunft im Sommer 1996, den Zeugen J4 bei den folgenden Zahlungen nicht weiter zu berücksichtigen, habe der Angeklagte Dr. B den Anspruch erhoben, in den Kreis der Schmiergeld-empfänger nachzurücken und die Zahlung von 2,4 Mio. DM gefordert; ansonsten werde der Anteil des Angeklagten A zu groß. Nachdem er, der Angeklagte A, im Oktober 1996 die Mitteilung erhalten habe, der Zeuge I2 halte in Zürich weitere 2,2 Mio. DM Schmiergeld für ihn bereit, habe er aus der R9-Garage einen Betrag von 200.000,00 DM entnommen, sich mit diesen nach Zürich begeben, dort die 2,2 Mio. DM von dem Zeugen I2 in Empfang genommen und die insgesamt2,4 Mio. DM dem Angeklagten Dr. B nach Gummersbach gebracht. Dort habe er zunächst am Nachmittag dieses ihm vom Datum her nicht näher erinnerlichen Tages im Oktober 1996 neben dem Angeklagten Dr. B dessen Sekretärin, die Zeugin L3, angetroffen, so dass man mit der Übergabe des Geldes noch habe warten müssen, bis diese das Büro verlassen habe.
1261Dem Zeugen J4 habe er im Oktober 1996 im Café Q10 in Köln 2,4 Mio. DM übergeben.
1262dd)
1263Soweit die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konkrete Bedenken hatte, ob die Einlassung des Angeklagten A hinsichtlich der von ihm behaupteten Geldflüsse an die Mitangeklagten Dr. B und C zutreffend sind, beruht dies - wie noch zu zeigen wird - allerdings nicht darauf, dass die Kammer den abweichenden Einlassungen der Angeklagten Dr. B und C Glauben schenken würde, soweit diese einen (zusätzlichen) Gelderhalt bestreiten. Denn die Einlassungen der Angeklagten Dr. B und C sind in diesem Punkt nicht geeignet, eine Überzeugung von deren Wahrheitsgehalt zu begründen. Ausschlaggebend war vielmehr, dass die Einlassung des Angeklagten A zu den Geldflüssen an die Mitangeklagten ihrerseits mit nicht nur theoretischen Zweifel behaftet geblieben ist.
1264Im Einzelnen:
1265(1)
1266Die Einlassung des Angeklagten B ist, soweit er bestreitet, 1996 von dem Angeklagten A 2,4 Mio. DM erhalten zu haben, nicht glaubhaft, ohne dass ihm das Gegenteil nachgewiesen werden konnte.
1267(a)
1268Die seitens des Angeklagten Dr. B gegebene Begründung für eine angeblich Ende 1993 mit dem Angeklagten A geschlossene Vereinbarung, ihm einen Schmiergeldanteil von 1 Mio. DM zukommen zu lassen, ist widerlegt. Die Kammer ist in Abweichung von der Einlassung des Angeklagten Dr. B davon überzeugt, dass Hintergrund dieser Zahlung nicht die von diesem geschilderte vermeintliche Vereinbarung mit dem Angeklagten A vom 30.12.1993 war.
1269Ausschlaggebend für diese Überzeugung ist zum einen der Umstand, dass die Einlassung des Angeklagten A, wonach der Endpreis mit S5 nicht am 30.12.1993, sondern erst als Ergebnis harter Vergabeverhandlungen im Januar 1994 vereinbart worden ist, von zahlreichen Zeugen bestätigt wurde. So haben u.a. sowohl die damals auf AVG-Seite verhandelnden Zeugen M3, Z1 und H2 als auch der bei S5 an den Verhandlungen beteiligte Zeuge L4 und die Zeugin E2 glaubhaft bekundet, die Vergabeverhandlungen im Januar 1994 seien mit äußerster Intensität und in großer Disziplin geführt worden. Man habe sich - teilweise mit bis zu 20 Beteiligten der beiden Vertragsseiten - in einer technischen und einer kaufmännischen Runde zusammengesetzt, um die anstehenden Fragen auszuhandeln; es sei insbesondere um Fragen der Gewährleistung und der Preisgleitung sowie der Vergütung bestimmter Leistungen gegangen. Die Zeugin E2 hat ausdrücklich formuliert, die Verhandlungen seien „kein Schautanzen“ gewesen.
1270Dass zahlreiche Verhandlungen im Zusammenhang mit der Vertragsvergabe im Januar 1994 geführt wurden, hat auch der Angeklagte Dr. B nicht in Abrede gestellt. Dies ergibt sich zudem aus den zahlreichen in diesem Zusammenhang gefertigten Besprechungsberichten, wie etwa denen vom 30.12.1993 (SL 191 ff.), 05.01.1994 (SL 239 ff. und 245 ff.), 10.01.1994 (SL 253 ff.), 13.01.1994 (SL 258 ff.), 18./20.01.1994 (SL 263 ff.) und 25.01.1994 (SL 274 ff.). Ferner geht aus einem Gesprächsvermerk der Zeugin E2 vom 26.01 1994 (SL 300) hervor, dass erst zu diesem Zeitpunkt eine endgültige Einigung z.B. über die Mehrkosten für Erdbebenmaßnahmen und Abgasbehandung, Preisbindung, Begrenzung des Schadensersatzes bei zugesicherten Eigenschaften und Verzugsregelungen erzielt wurde.
1271Für die Einlassung des Angeklagten A spricht zudem, dass es unrealistisch ist zu glauben, man könne bis zu 20 Personen streitige Verhandlungen führen lassen, obwohl das zu erzielende Ergebnis bereits feststeht. Dies ginge lediglich dann, wenn wesentliche Beteiligte über diesen Umstand unterrichtet worden wäre. Dies aber behauptet weder der AngeklagteDr. B noch wäre ein solches Vorgehen vor dem Hintergrund der illegalen Schmiergeldvereinbarung nachvollziehbar.
1272Die zunächst plausibel klingende Darlegung des AngeklagtenDr. B zu dem Punkt, weshalb die Preiserhöhungen sachlich nicht gerechtfertigt gwesen seien, soweit sie mit der vorbeschriebenen Problematik der preislichen Kalkulation von Mehraufwendungen im Zusammenhang mit Variante C des Loses Abgasbehandlung begründet worden seien, ist ebenfalls widerlegt. Nachdem die entsprechenden Angebotsunterlagen von T5 dem Angeklagten Dr. B in der Hauptverhandlung vorgehalten worden sind, musste dieser einräumen, dass T5 die entsprechenden Mehraufwendungen beim Los Abgasbehandlung kalkuliert gehabt hatte. Da dieses Los letztlich jedoch an S5 fiel, und S5 die Kosten im Los Elektro- und Prozessleittechnik kalkuliert hatte, für das wiederum das T5-Angebot preislich ausschlaggebend war, musste S5 im Innenverhältnis zu T5 diese Kosten übernehmen, so dass die Nachforderung von S5 berechtigt war.
1273Schließlich konnte der Angeklagte Dr. B nicht nachvollziehbar erklären, warum es erst im Frühjahr 1995 zu einer Auszahlung der 1 Mio. DM kam, wenn doch die entsprechende Vereinbarung bereits Ende 1993 getroffen worden war.
1274(b)
1275Die Kammer konnte sich weiterhin keine Überzeugung von der Einlassung des Angeklagten Dr. B verschaffen, dass die am 28.03.1995 auf das Konto „V6“ eingezahlten 985.000,00 DM identisch mit dem ihm vom Angeklagten A im Februar 1995 ausgezahlten Schmiergeld waren. Dies ist zwar grundsätzlich denkbar; jedoch steht u.a. aufgrund der übrigen Einlassung des Angeklagten auch fest, dass dieser nicht nur von dem Angeklagten A, sondern - wie etwa das von ihm eingeräumte „China-Geschäft“ zeigt - zumindest auch von einer anderen Seite eine unrechtmäßige „Provisionszahlung“ erhalten hat. Hinzu kommen das bereits geschilderte schwankende Einlassungsverhalten des Angeklagten Dr. B hinsichtlich der Kalkulation des Schmiergeldes und der Umstand, dass er - wie aufgezeigt - verschiedentlich von seinen Angaben abgerückt ist, nachdem ihm deren Unrichtigkeit in der Hauptverhandlung durch andere Beweismittel nachgewiesen wurde.
1276Es ist ferner zu berücksichtigen, dass der Angeklagte Dr. B die Angaben betreffend die Einzahlung der 1 Mio. DM auf dem Konto „V6“ im Jahr 1995 erst gemacht hat, nachdem er - wie er in der Hauptverhandlung auf Vorhalt eingeräumt hat - davon erfahren hatte, dass bei T5 Kontounterlagen beschlagnahmt worden waren, welche die Überweisung der „China-Provision" in Höhe von 6 Mio. DM im September 1994 an AIF belegten. Von daher rechnete er - wie er ausgeführt hat - damit, die Ermittlungsbehörden könnten den entsprechenden Geldfluss aufklären, da seine „Provision" einschließlich eines angeblich für Herrn P11 bestimmten Anteils durch Überweisung der mit AIF über den Zeugen Dr. K1 in wirtschaftlicher Verbindung stehenden X10 von Oktober 1994 auf sein Konto "V6" in Höhe von 2.876.030,06 DM gelangt war. Von daher bestand für den Angeklagten Dr. B hinreichend Veranlassung, den Ermittlungsbehörden zu den 985.000,00 DM, die am 28.03.1995 auf sein Konto "V6" in bar eingezahlt worden waren, Angaben zu machen, da bei einer etwaigen Aufdeckung dieses Kontos auch hinsichtlich dieses Betrages naturgemäß Erklärungsbedarf bestehen würde.
1277Nur schwer nachvollziehbar bleibt im übrigen insoweit, warum der Angeklagte A gerade diese 1995 angesiedelte Zahlung an den Angeklagten Dr. B leugnen sollte, obgleich er doch grundsätzlich strafrechtlich besser dasteht, wenn möglichst wenig Schmiergeld bei ihm verblieben ist; eine nachvollziehbare Begründung hierfür konnte auch die Verteidigung des Angeklagten Dr. B nicht anführen.
1278(c)
1279Eine positive Überzeugung davon, dass der Angeklagte A dem Angeklagten Dr. B im Oktober 1996 nicht 2,4 Mio. DM übergeben hat, konnte sich die Kammer nicht aufgrund der Bekundungen der Zeugin L3 und der Eintragungen in den Tischkalendern des Angeklagten Dr. B und der Zeugin L3 im fraglichen Zeitraum verschaffen.
1280Soweit die Zeugin L3 zunächst bekundet hat, ausschließen zu können, dass der Angeklagte A im Oktober 1996 den AngeklagtenDr. B in dessen S5-Büro aufgesucht habe, musste sie diese Angaben im Laufe ihrer Vernehmung revidieren. Denn es stellte sich heraus, dass die Zeugin insoweit im Wesentlichen nicht ihr erinnerliche Fakten wiedergab, sondern bloß Schlussfolgerungen aus ihrem üblichen Verhalten und üblichen Handhabungen bei S5 zog. So hat sie etwa angegeben, sie wisse deshalb, dass der Angeklagte A im Oktober 1996 nicht bei S5 gewesen sei, weil ihr Besuch für den Angeklagten Dr. B stets vom Pförtner angekündigt worden sei, so dass sie auch den AngeklagtenA bei einem solchen Besuch in Empfang genommen haben müsste. Auf entsprechenden Vorhalt hin hat die Zeugin jedoch zum einen eingeräumt, konkrete Erinnerungen an den Oktober 1996 nicht mehr zu haben, und zudem angegeben, der Angeklagte A habe auch einmal unangekündigt in ihrem Büro gestanden.
1281Die Aussage der Zeugin L3 erscheint ferner insgesamt wenig glaubhaft, da sich ihre Behauptung, sie habe stets und ausnahmslos ihren und den Tischkalender des Angeklagten Dr. B abgelichen und auch Termine nachgetragen, nach erfolgter Inaugenscheinnahme beider Kalender, die durchaus abweichende Eintragungen aufwiesen, nicht aufrecht erhalten ließ.
1282Insgesamt erweckte das Aussageverhalten der Zeugin L3 den Eindruck, dass sie sehr bestrebt war, den von ihr nach ihren Angaben als Vorgesetzten sehr geschätzten Angeklagten Dr. B nicht zu belasten, ohne dass festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte Dr. B zuvor in dieser Weise auf die Zeugin eingewirkt hatte.
1283(d)
1284Bei der Würdigung der Angaben des Angeklagten Dr. B bezüglich der Frage, inwieweit er an dem Schmiergeld teilhatte, ist auch sein teilweise bereits dargestelltes uneinheitliches, im Laufe der Hauptverhandlung häufig korrigiertes und nicht selten durch objektive Beweismittel widerlegtes Einlassungsverhalten zu berücksichtigen, wenngleich die Kammer auch in diesem Zusammenhang berücksichtigt hat, dass auch der AngeklagteDr. B wahrheitsgemäße - u.a. ihn belastende - Angaben gemacht hat und schlussendlich grundsätzlich bereit war, sich seiner Verantwortung teilweise zu stellen.
1285Zu dem wechselvollen Einlassungsverhalten des AngeklagtenDr. B gehört insbesondere, dass er, wie er in der Hauptverhandlung eingeräumt hat, im Ermittlungsverfahren zunächst bestritten hatte, in irgendeiner Weise an dem Schmiergeld partizipiert zu haben, um später das Gegenteil einzugestehen. Er hatte auch, wie er ebenfalls in der Hauptverhandlung eingeräumt hat, im Ermittlungsverfahren zunächst in Abrede gestellt, dass irgendwelche den Zuschlag sichernden Manipulationen bei der Auftragsvergabe vorgenommen worden seien, um später insoweit gegenüber der Staatsanwaltschaft das Gegenteil einzugestehen. Auch den Umstand, dass das Schmiergeld bei der Kalkulation des Werklohnes eine Rolle gespielt hatte, hatte er, wie er in der Hauptverhandlung bestätigt hat, zunächst bestritten, um dann auch insoweit einzulenken, dann allerdings mit der Maßgabe, dass diese Kalkulation des Schmiergeldes wegen einer angeblichen Bedingung oder Zäsur nach Mitteilung des Idealfirma-Modells bei der Aushandlung des Werklohnes letztlich keine Rolle mehr gespielt habe; auch letzteres ist nachweislich falsch. Nachdem die entsprechenden Kalkulationen in der Hauptverhandlung insbesondere mit der Zeugin E2 im einzelnen durchgegangen worden sind, hat der Angeklagte Dr. B schließlich kurz und bündig erklärt, die auf die Abgasbehandlung entfallenden Stahlbaukosten seien der wesentliche Grund für die Anhebung des Kalkulationspreises auf ca. 166 Mio. DM im ursprünglichen Angebot vom 03.12.1993 gewesen; er habe die entsprechenden Kosten nicht aus den Augen verloren.
1286(e)
1287Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist zudem ein Interesse des Angeklagten Dr. B am Erhalt eines - die von ihm eingeräumte1 Mio. DM überschreitenden - Anteils am Schmiergeld nicht fernliegend:
1288Der Angeklagte Dr. B war als Geschäftsführer derjenigen Firma, die das Schmiergeld zahlen sollte, in die Unrechtsvereinbarung eingebunden. Es bestand seitens der übrigen Beteiligten ein Anreiz, ihn durch Teilhabe an der „Provision" zur Erfüllung der über mehrere Jahre gestreckten Zahlungsverpflichtung bereitwillig zu halten. Der Angeklagte Dr. B selbst räumt zudem ein, im Jahr 1995 mit 1 Mio. DM von dem Angeklagten A an dem Schmiergeld beteiligt worden zu sein. Auch der von ihm eingeräumte Erhalt unrechtmäßiger „Projektkosten" von 2 Mio. DM aus dem „China-Geschäft“ im Jahr 1994 spricht für seine grundsätzliche Bereitschaft, erhebliche Geldbeträge rechtswidrig für sich selbst zu vereinnahmen.
1289(f)
1290Die Kammer sieht den Erhalt der seitens des Angeklagten A berichteten 2,4 Mio. DM durch den Angeklagten Dr. B allerdings auch nicht aufgrund der Bekundungen des Zeugen N2 in der Hauptverhandlung als erwiesen an. Denn es bestehen insoweit erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Angaben des Zeugen N2, auch wenn dieser - wie bereits dargelegt - keinen allgemein unlaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Der Zeuge N2 hat zwar als Zeuge vom Hörensagen bestätigt, dass der Angeklagte Dr. B seitens des Angeklagten A die 2,4 Mio. DM erhalten habe. Auffallend ist jedoch, dass er in seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 28.11.2002 lediglich bekundet hat, erst nach dem Bau der RMVA erfahren zu haben, dass auch der Angeklagte Dr. B Geld in diesem Zusammenhang erhalten haben soll; die entsprechende Größenordnung von ca. 2 Mio. DM habe er erst später aus der Presse erfahren.
1291Angesprochen auf diese abweichenden Angaben hat der Zeuge in der Hauptverhandlung angegeben, ihm sei erst nach der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung wieder eingefallen, dass ihm bereits vor den Verhaftungen der Angeklagten im Jahre 2002 „irgendjemand“ mitgeteilt habe, der Angeklagte Dr. B habe 2,4 Mio. DM erhalten. Erscheint schon die Tatsache, dass dieser wesentliche Umstand dem Zeugen bei der dem Geschehen zeitnäher liegenden Vernehmung im November 2002 nicht eingefallen sein will, fragwürdig, so werden die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der hier behandelten Angaben des Zeugen auch dadurch genährt, dass seine entsprechenden Angaben - bis auf die Person des Zahlungsempfängers und die Höhe des Geldflusses - äußerst vage sind und der Zeuge nicht einmal die Person des Informanten konkret bezeichnen konnte/wollte.
1292(g)
1293Der Umstand, dass bei dem Angeklagten Dr. B die laut Einlassung des Angeklagten A 1996 erlangten 2,4 Mio. DM nicht gefunden werden konnten, ist zwar ein Indiz für die Richtigkeit seiner Einlassung, jedoch ein solches, das letztlich nicht viel besagt, da Wirtschaftsstraftäter oftmals über Anlagemöglichkeiten verfügen, die nur schwer oder gar nicht ermittelbar sind.
1294(2)
1295Auch der Angeklagte C vermochte die Kammer vom Wahrheitsgehalt seiner Einlassung nicht zu überzeugen.
1296(a)
1297Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten C spricht allerdings, dass er die illegale Spendenstückelungspraxis der ###3 - das großteils quittungslose Einsammeln von Geld, das von Großspendern stammt, und die Einschleusung dieser Gelder gegen Ausstellung von inhaltlich falschen Spendenquittungen an angebliche Kleinspender in den Parteihaushalt - früh eingeräumt hat. Auch hat er keinen Hehl daraus gemacht, 1999 von dem Zeugen F6 insgesamt 150.000,00 DM für die ###3 im Zusammenhang mit dem Einsatz des Angeklagten C für eine dem ZeugenF6 günstige Privatisierung der AWB erhalten zu haben.
1298Für die Glaubhafigkeit der Einlassung des Angeklagten C, kein Geld aus dem Schmiergeldtopf erhalten zu haben, spricht auch der Umstand, dass besonders intensive Ermittlungen in seinem Umfeld, auch hinsichtlich der in Frage kommenden Banken, durchgeführt worden sind, ohne dass sich irgendein Anhaltspunkt für eine Anlage von entsprechenden Schmiergeldern ergeben hätte.
1299(b)
1300Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass der Angeklagte C im Frühjahr 1999 während der Vorbereitung des Wahlkampfes der Kölner ###3 eine durch die Beauftragung der Werbeagentur E12 entstandene Finanzierungslücke von ca. 300.000,00 DM aus einer illegalen Quelle geschlossen hat. Diesbezüglich haben die Zeugen G1, T1 und D4 übereinstimmend und in Einklang mit der Einlassung des Angeklagten C angegeben, es habe damals zwar eine Finanzierungslücke bestanden und der Angeklagte C habe sich auch für deren Schließung stark gesagt; die Finanzsituation sei jedoch nicht bedrohlich gewesen, da E12 mit einer - tatsächlich erfolgten - sukzessiven Begleichung der Rechnung einverstanden gewesen sei. Diese Darstellung des Angeklagten und der Zeugen wurden gestützt durch die dem Angeklagten C vorgehaltenen und von ihm bestätigten E12-Rechnungen, die zu den Asservaten gehören, die die Staatsanwaltschaft zunächst für sich behalten hatte. Auch Kriminaloberkommissar P7 war bereits im Juni 2002 nach Auswertung der Unterlagen und einem Abgleich mit ###3-Kontounterlagen zu dem Ergebnis gekommen, dass insoweit keine Unregelmäßigkeit zu verzeichnen sei, ohne dass dies indessen aktenmäßig vermerkt worden wäre. Von daher ist die Darstellung im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der hiesigen Anklageschrift, nach der in diesem Bereich alles darauf hindeute, dass der Angeklagte C die Deckungslücke kurzfristig entweder mit „A-Geld“ oder nicht angegebenen illegalen Spenden gefüllt haben müsse, irreführend. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar nicht ausgeschlossen, dass auch das offizielle ###3-Wahlkampfkonto, von dem aus die Rechnungen der Firma E12 beglichen worden sind, mit gestückelten Spenden aufgefüllt worden ist; auch kann es sein, dass Spendenstückelung für einen Betrag aus einem Schmiergeldanteil erfolgt ist; beweisbar ist dies jedoch nicht.
1301(c)
1302Andererseits steht der Überzeugungskraft der Einlassung des Angeklagten C u.a. entgegen, dass er - wie bereits ausgeführt - hinsichtlich einer vermeintlichen weiteren quittungslosen Spende seitens S5 vom 10.04.1997 nicht nachvollziehbare und vor allem vom vermeintlichen Geldgeber nicht bestätigte Angaben macht. Der Umstand, dass der Angeklagte C diese illegale Spende - zu seinen Lasten - einräumt, obwohl der von ihm benannte Geldgeber, der seinerseits andere „Dankeschön-Spenden" bereitwillig eingeräumt hat, sie nicht bestätigen will, ruft die Vermutung hervor, dass dieser Betrag aus einer anderen, von ihm bislang verheimlichten Quelle stammt. Als solche kommt - ohne dass ein entsprechender Nachweis in der Hauptverhandlung geführt worden ist, und auch ohne dass insoweit weitere aufschlussreiche Beweismittel bekannt geworden sind - auch der Angeklagte A in Betracht, der immerhin behauptet, zwei Mal je 1 Mio. DM an den Angeklagten C gezahlt zu haben.
1303(d)
1304Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten C spricht auch seine Darstellung zur Motivation von Unternehmern zur Erbringung von „Dankeschön-Spenden". Diese seien erfolgt aus Dankbarkeit für die Erteilung städtischer Aufträge. In diesem Zusammenhang wunderte sich der Angeklagte im übrigen über die Frage des Vorsitzenden, weshalb einer Partei „Dankeschön" gesagt wird, wenn die Stadt Köln einen Auftrag vergibt. Irgendein Zusammenhang mit sonstigen Auftragsvergaben im weitesten Sinne oder einem Einsatz der Partei für eine frühere Auftragsvergabe sei mit einer solchen Spende nie verbunden gewesen. Auf die Frage, weshalb dann überhaupt gezahlt worden sei, vermochte der Angeklagte keine Erklärung zu finden. Es sei zwar richtig, dass Unternehmer ihn schon mal auf eine bestimmte, noch anstehende Auftragsvergabe angesprochen hätten. Er habe dann jedoch immer wieder stereotyp geantwortet: "Bildet Arbeitsgemeinschaften! Macht das günstigste Angebot!". Dass die Unternehmer für diesen Ratschlag bereit waren, derart große Summen als Spende zu bezahlen, kann nicht im Ernst angenommen werden.
1305(e)
1306Auch hat die Einvernahme des Zeugen Prof. Dr. J1 ergeben, dass der avisierte Beratervertrag für den Angeklagten C, für dessen Finanzierung, wie von dem Angeklagten C erkannt, der Zeuge F6 sorgen sollte, keinen Ausgleich von Leistung und Gegenleistung zum Ziel hatte. Weder der Angeklagte C noch der Zeuge Prof. Dr. J1 konnten ein Betätigungsfeld für den Angeklagten C aufzeigen, für das in dem Institut des Zeugen Prof. Dr. J1 ein realer Bedarf vorhanden gewesen wäre. Bezeichnenderweise sollte die Bezahlung des Angeklagten C nicht aus den Mitteln des Institutes erfolgen, sondern nur über das Institut mit Mitteln des Zeugen F6.
1307(f)
1308Gegen die Überzeugungskraft der Einlassung des Angeklagten C in dieser Frage spricht zudem, dass er - widerlegt von zahlreichen Zeugen sowie den Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B - daran festgehalten hat, die RMVA Köln habe weder in der Partei noch in der Bevölkerung wesentlichen Widerspruch hervorgerufen.
1309Insbesondere die Zeugen Dr. I6, D3, K3, E1 und S3 und die Zeuginnen J2 und X2 haben übereinstimmend und anschaulich hinsichtlich der Widerstände gegen die RMVA bekundet:
1310(aa)
1311So hat etwa der Zeuge Dr. I6, der als Kölner Regierungspräsident (von 1978 bis 1999) in der entscheidenden Phase der Planung und Genehmigung mit der RMVA intensiv befasst war, angegeben, die RMVA sei insbesondere wegen der Frage ihrer Dimensionierung in der Bevölkerung arg umstritten gewesen. Auch er selber sei in diesem Zusammenhang Gegenstand der Kritik gewesen. Sein Einsatz für die Realisierung des von ihm als vernünftig und notwendig angesehenen Projektes habe ihm u.a. einen Befangenheitsantrag aus Kreisen der RMVA-Gegner in der Kölner Bevölkerung und diesem folgend einigen Ärger mit dem Ministerium für Umwelt, Raum-ordnung und Landwirtschaft eingetragen. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Kölner Regierungspräsidenten und dem zuständigen Ministerium finden u.a. Ausdruck in einem Erlass des Ministeriums für Umwelt, Raum-ordnung und Landwirtschaft an die Bezirksregierung Köln vom 18.03.1996 (SL 1087) sowie einem Protokoll über die Anhörung des Regierungspräsidenten im Ministerium am 28.03.1996 im Zusammenhang mit dem vorerwähnten Befangenheitsvorwurf (SL 1090). Der Zeuge Dr. I6 hat deutlich gemacht, dass dieser Widerstand auch den verantwortlichen Vertretern der Stadt Köln, insbesondere den Zeugen Dr. 03 und Dr. G2, bekannt war, die - so der Zeuge Dr. I6 - daher großen Wert darauf gelegt hätten, dass nach außen der Eindruck entstünde, die Stadt Köln sei nicht bereit, anderen als „Kölner Dreck“ in der RMVA zu verbrennen; er, der Zeuge Dr. I6, habe seitens dieser Zeugen jedoch nie nachhaltigen Widerspruch erfahren, wenn er ihnen vorgehalten habe, die RMVA sei - so wie geplant - durchaus in der Lage, mehr als die 421.000 t/a an „Kölner Dreck“ zu erwartenden Mengen zu verbrennen.
1312An der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Dr. I6, der seine Angaben als mit der Sache befasster Regierungspräsident und engagierter Befürworter der RMVA machte, bestehen keine Zweifel. Seine Bekundungen werden zudem belegt durch einen von ihm am 23.07.1992 gefertigten Vermerk über ein am Vortag mit dem Zeugen Dr. 03 geführtes Gespräch, in dem der Zeuge Dr. I6 diesem zur Berücksichtigung von S5 bei der Errichtung der RMVA riet (SL 1064 f.). Gerade dieser zeitnah zu dem Gespräch gefertigte Aktenvermerk zeigt, dass es dem ZeugenDr. I6 bereits früher schon um Transparenz ging. So hat er auch, wie dargelegt, in seiner Vernehmung ohne wenn und aber bestätigt, schon im Planungsstadium gewusst zu haben, dass die RMVA erheblich mehr Abfall verbrennen könne als nur den Kölner Müll. Ferner finden die Bekundungen des Zeugen Dr. I6 ihre Stütze in dem verlesenen Auszug aus dem Protokoll über ein Gespräch über abfallwirtschaftliche Kooperationen im Regierungsbezirk Köln vom 14.03.1997; dort ist ausdrücklich festgehalten, dass der Zeuge Dr. I6 in schonungsloser Offenheit u.a. den Vertreter der Stadt Köln darauf hinwies, dass er das Vorhaben der FirmaF6, Überkapazitäten aller Müllverbrennungsanlagen des Regierungsbezirkes aufzukaufen, unterstütze, und dies mit aller Deutlichkeit sage, „damit keiner hinterher behaupte, er habe nichts gewusst und sei Opfer dieser Planungen“.
1313(bb)
1314Auch die Zeuginnen J2 und X2 haben ausführlich über die Widerstände aus der Bevölkerung gegen die RMVA bekundet.
1315Die Zeugin J2 war nach der Landtagswahl von 1995 als zuständige Ministerin und RMVA-Kritikerin mit der Angelegenheit befasst und hat sich nach eigenem Bekunden sehr dafür eingesetzt, die damals rechtlich nicht mehr aufzuhaltende RMVA zumindest noch auf politischem Wege zu verhindern. Sie berichtete über zahlreiche Eingaben in ihrem Ministerium aus der Bevölkerung, die Sorge sowohl über befürchtete Umweltschäden durch die RMVA als auch in Bezug auf deren Überdimensionierung und damit zusammenhängende Kostengesichtspunkte zum Ausdruck gebracht hätten. Des weiteren hat die Zeugin J2 detailliert hinsichtlich des Bürgerbegehrens gegen die RMVA und die damit in Zusammenhang stehenden Klagen sowie das von ihr missbilligte sonstige Verhalten des Zeugen Dr. I6 in diesem Zusammenhang und die Auseinandersetzungen ihres Ministeriums mit dem Zeugen Dr. I6 berichtet.
1316Die Widerstände in der Bevölkerung wurden schließlich auch seitens der Zeugin X2 geschildert, die als damalige Angehörige der Ratsfraktion von ###2/###1 Mitglied des AVG-Aufsichtsrates und zugleich engagiert in der die RMVA ablehnenden Bürgerinitiative Wohnen und Umwelt war. Die Zeugin X2, deren Schilderungen sich hinsichtlich des Widerstandes gegen die RMVA größtenteils mit denen des Zeugen Dr. I6 und der Zeugin J2 decken, hat zwar teilweise sehr emotional und aufgebracht bekundet und sich oft in Nebensächlichkeiten verloren; sie hat jedoch an keiner Stelle ihrer Aussage den Eindruck hinterlassen, einen der Angeklagten bewusst oder unbewusst ungerechtfertigt zu belasten und aus diesem Grunde wahrheitswidrige Angaben zu machen. Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit bestehen daher nicht.
1317(cc)
1318Über die Widerstände gegen die RMVA in der Kölner ###3 und die Versuche des Angeklagten C, diese zu reduzieren, haben insbesondere die Zeugen E1 und S3 glaubhaft aus eigener Anschauung bekundet.
1319Der Zeuge E1, Mitte der 1990er Jahre wie heute Fraktionsvorsitzender der ###3 in der Bezirksvertretung Nippes, hat bekundet, er sei von Beginn an ein Gegner der RMVA Köln und als solcher auch parteiintern bekannt gewesen. Er sei in der Bürgerinitiative Wohnen und Umwelt und später in der KIMM aktiv gewesen; dort habe sich der organisierte Widerstand der Bevölkerung gegen die RMVA gesammelt; die Initiativen hätten großen Zulauf aus der Kölner Bevölkerung, insbesondere aus dem Kölner Norden, gehabt. Im ###3-Ortsverein Longerich habe es eine klare Linie gegen die RMVA gegeben. In der Bezirksvertretung Nippes sei der Widerstand auch zu spüren gewesen, allerdings weniger deutlich; dort hätte der sog. rechte Kreis der ###3 dominiert, dem - auf das gesamte Stadtgebiet bezogen - mehrheitlich RMVA-Befürworter angehört hätten; seine Fraktionskollegen aus Nippes hätten ihm jedoch in puncto RMVA eine abweichende Meinung zugebilligt und ihn gleichwohl als Fraktionsvorsitzenden unterstützt. Im Gegensatz dazu sei auf ihn wegen seiner ablehnenden Haltung zur RMVA von der „Spitze“ der Kölner ###3 zu seinem großen Erstaunen aber deutlicher Druck ausgeübt worden. Er habe erfahren, dass der Angeklagte C ihn über den Zeugen S3 sogar habe wissen lassen, er habe eine „schwarze Akte“ über ihn angelegt, um ihn politisch „kaltstellen“ zu können; ob dies zutreffe, habe er nicht in Erfahrung bringen können.
1320Über den seitens der Kölner ###3 und hier speziell den Angeklagten C auf die Vertreter des „rechten Kreises“ ausgeübten Druck in Richtung auf eine Verhinderung des Zeugen E1 als Fraktionsvorsitzenden hat auch der Zeuge S3 bekundet. Auch er hat angegeben, er selber sowie andere Mitglieder des ###3-Ortsvereins Weidenpesch/Mauenheim/Niehl- sämtliche Kölner Ortsteile liegen in der Nähe der RMVA - seien gegen die RMVA gewesen und hätten den Zeugen E1 bei seinem Widerstand unterstützt. Dies sei bei der Partei und besonders bei dem Angeklagten C auf Ablehnung gestoßen; verschiedentlich habe man von dort - allerdings erfolglos - versucht, auf ihn und andere einzuwirken, um sie zu veranlassen, den Zeugen E1 als künftigen Fraktionsvorsitzenden zu verhindern. Der Angeklagte C habe den Zeugen E1 in diesem Zusammenhang einmal als „Blödmann“ bezeichnet und den „Widerständlern“ damit gedroht, sie würden nicht mehr als Delegierte aufgestellt; sogar vom Parteiausschluss sei die Rede gewesen. Der Zeuge S3 hat im übrigen auch die Angaben des Zeugen E1 zur Drohung des Angeklagten C mit einer "schwarzen Akte" bestätigt und darüber hinaus bekundet, auch an seinem Arbeitsplatz bei der KVB sinngemäß darauf hingewiesen worden zu sein, dass die RMVA doch auch wegen der Arbeitsplatzlage ein gutes Projekt sei.
1321Zweifel an der Glaubwürdigkeit Zeugen E1 und S3 bestehen nicht. Zwar haben beide die Einflussnahme insbesondere seitens des Angeklagten C als unangenehm empfunden, ihr sachliches und ruhiges Aussageverhalten rief aber an keiner Stelle den Eindruck hervor, dass sie der Wahrheit zu wider zu dessen Lasten aussagten.
1322Angesichts dieser Angaben der Zeugen E1 und S3 verwundert die nach Einvernahme des Zeugen E1 erfolgte Einlassung des Angeklagten C, er habe mit dem Zeugen E1, über den es selbstverständlich nie eine "schwarze Akte" gegeben habe, immer sehr konstruktiv zusammengearbeitet.
1323(dd)
1324Soweit der Zeuge Dr. 03 auf Befragen angab, sich nicht mehr an Widerstände gegen die RMVA erinnern zu können, erschüttert dies die Überzeugung der Kammer aus den bereits dargelegten Gründen nicht.
1325(g)
1326Auch der Angeklagte C war als Geschäftsführer der Kölner ###3, die das RMVA-Projekt mehrheitlich getragen hat, von seiner Stellung her ein mutmaßlicher - wenn möglicherweise auch ungebetener - Partner für eine Teilhabe an dem Schmiergeld. Nicht zuletzt der Geldbedarf der großen Parteien - u.a. für die Bestreitung verschiedener Wahlkämpfe - hätte durchaus Motiv dafür sein können, die Finanzierung der Partei auch mit „Schwarzgeld“ (auch) aus der Schmiergeldquelle zu betreiben. Der Angeklagte C hat zudem durch seine Beteiligung an der illegalen Parteispendenstückelung, die zumindest auch eine Beteiligung an Steuerhinterziehungen beinhaltete, gezeigt, dass ihn Strafrechtsnormen nicht unbedingt beeindrucken.
1327(h)
1328Auch die Art der Einlassung des Angeklagten C in der Hauptverhandlung stimmte skeptisch. Er versuchte lange Zeit, lediglich aus der Ermittlungsakte zu zitieren. Dies erweckte den Eindruck, er befürchte, sich möglicherweise sonst in Widersprüche zu seiner früheren Einlassung oder zum sonstigen Ermittlungsergebnis zu setzen. Der Angeklagte C wirkte- insbesondere im Vergleich zu den Angeklagten A undDr. B - durchweg distanziert.
1329Zudem blieben seine Antworten auf Nachfragen oftmals dünn. Nachdem er etwa geschildert hatte, dass der Zeuge Dr. K1 ihm beim ersten Zusammentreffen die Verfassung des Staates Vanuatu in allen Einzelheiten erklärt habe, zeigt sich der Angeklagte C außer Stande, insoweit Konkretes zu erinnern, obwohl er doch nach seiner eigenen Einlassung durch das Gespräch mit dem Zeugen Dr. K1 sehr beeindruckt gewesen sein soll.
1330(i)
1331Die Schilderung des Angeklagten A über die angebliche Anbahnung der Schmiergeldbeteiligung durch den Angeklagten C ("Da kriegen wir aber die Hälfte von!") ist, wenn nicht wahr, so doch gut - weil einfühlsam - erfunden. Denn der von ihm geschilderte Dialog passt sowohl zu seiner, des Angeklagten A, Schläue als auch zu dem auch sonst von Zeugen berichteten massiven Auftreten des Angeklagten C, der von den vernommenen ###3-Zeugen allgemein als ungemein machtbewusst, grob und von dem unbedingten Willen zum Erfolg beseelt beschrieben worden ist.
1332(3)
1333Die Einlassung des Zeugen J4 ist nicht geeignet, ein tragendes Indiz gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten A zu den Geldflüssen darzustellen. Dies beruht auf Folgendem: Im Ermittlungsverfahren berief sich der Zeuge J4 zunächst über seinen Verteidiger darauf, er habe 1994 eine siebenstellige Summe erhalten. Ihm lägen jedoch keinerlei Unterlagen vor, wieviel dies im Jahr 1994 gewesen sei. In der persönlichen Erklärung des Zeugen J4 vom 17.10.2002 ist das Gedächtnis dann jedoch teilweise wiedergekehrt, indem er insbesondere die erhaltenen Gelder konkreter angegeben hat, so dass sich die „siebenstellige Summe" nunmehr auf 2,3 Mio. DM beläuft. Wer derart mit Zahlen jongliert, kann nicht erwarten, dass seine Angaben ihre Glaubhaftigkeit auf der Stirn tragen, zumal wenn sich auch hinsichtlich der eingeräumten Geldannahmen, soweit sie nicht versteuert wurden, keine konkrete Verwendung belegen lässt. Hinzu kommt, dass die Einlassung des Zeugen J4 hinsichtlich der Geldübergabe 1994 - wie bereits erwähnt - widerlegt ist.
1334(4)
1335Sind danach die Einlassungen der Angeklagten Dr. B und C nicht geeignet, den gegen sie gerichteten Tatverdacht zu entkräften, so können aus deren Einlassungen andererseits keine tragenden Indizien dafür gewonnen werden, dass sie die Gelder, die der Angeklagte A ihnen zuschreibt, auch erhalten haben. Denn die Widerlegung der Einlassung eines Angeklagten alleine kann nicht eine diesem Angeklagten ungünstige Sachverhaltsfeststellung oder den Beweis der Täterschaft begründen (vgl.KK-Schoreit, StPO, 5. Aufl., Rz. 28 zu § 261 mit Verweis u.a. auf BGH StV 2001, 439 f.). Erforderlich ist vielmehr, dass ein Tatnachweis durch anderweitige Beweismittel oder auch die Einlassung eines Mitangeklagten geführt wird. Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung fehlt es - wie oben dargelegt - an validen Beweismitteln, durch welche die seitens des AngeklagtenA behaupteten Geldflüsse an die Mitangeklagten Dr. B und C belegt werden können. Bleiben danach jedoch hinsichtlich der die Angeklagten Dr. B und C belastenden Angaben des Angeklagten A zur Frage weiterer Zahlungsflüsse konkrete Zweifel, so ist kein Raum für eine abwägende Betrachtung der Frage, welche der jeweils für sich genommen zweifelhaften Einlassungen ein größeres Glaubhaftigkeitsdefizit aufweist.
1336Hinsichtlich der Geldflüsse hat die Hauptverhandlung jedoch nicht ausräumbare konkrete Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten A ergeben:
1337Maßgeblich für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten A zu den angeblichen Geldübergaben an die beiden Mitangeklagten sind in erster Linie folgende Gesichtspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Angeklagten A begründen:
1338(a)
1339Als der Angeklagte A nach seiner Verhaftung im Frühjahr 2002 erstmals im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung Angaben zur Sache machte und dabei u.a. hinsichtlich der Geldflüsse auch die die Angeklagten Dr. B und C als angebliche Schmiergeldempfänger belastende Behauptungen aufstellte, wusste er, wie er in der Hauptverhandlung erklärt hat, dass die Staatsanwaltschaft von ihm ein umfassendes, auch etwaige Tatbeteiligungen Dritter umfassendes Geständnis erwartete; ihm war auch bekannt, dass ihm im Hinblick auf Geständnis und Aufklärungshilfe - in Absprache mit damals zuständigen Berufsrichtern der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Köln - einen Abschlag von ca. drei Jahren Freiheitsstrafe in Aussicht gestellt worden war.
1340Insbesondere bei Angaben eines Angeklagten zu Mitangeklagten ist besonders sorgfältig zu prüfen, inwieweit die Einlassung von dem Bestreben bemüht ist, sich selbst ggf. Vorteile zu Lasten der Mitangeklagten zu verschaffen, die mit der wahren Verteilung der Verantwortlichkeiten nicht (völlig) übereinstimmen. Dies gilt in erhöhtem Maße, wenn - wie hier - die Angaben im Anschluss an Gespräche erfolgen, die eine teilweise Verständigung der Verteidigung mit Staatsanwaltschaft und/oder Gericht zum Gegenstand haben, welche im übrigen nicht zeitnah aktenmäßig dokumentiert worden ist.
1341Ohne Frage ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass der Angeklagte A - wie bereits ausgeführt - durch seine umfassende und frühzeitige Einlassung wertvolle Aufklärungshilfe geleistet und auch aktiv daran mitgewirkt hat, im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft und der AVG sein bei der LLB befindliches Vermögen nach Deutschland zu transferieren und es zur Schadensregulierung zur Verfügung zu stellen.
1342Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass der Angeklagte A andererseits in den Jahren von 1994 bis 1998, als er Schmiergeldzahlungen in einem Ausmaß von jedenfalls 7,49 Mio. DM für sich entgegennahm, ein großes Interesse an dem Erhalt von hohen Geldbeträgen gezeigt hat. Es erscheint vor diesem Hintergrund nicht lebensfremd anzunehmen, dass der Angeklagte A das Bestreben hatte, sich ein ansehnliches finanzielles Polster für die Zukunft zu bewahren. Ein nicht unerheblicher Anreiz, sich möglicherweise einen Teil der Tatbeute für die Zeit nach der strafrechtlichen „Aufarbeitung“ des Vorgangs zu sichern und diesen daher - entgegen dem sonstigen geständigen Einlassungsverhalten - den Strafverfolgungsbehörden nicht zu offenbaren, ist nicht von der Hand zu weisen.
1343(b)
1344Ferner fällt bzgl. der angeblichen Geldübergaben an den Angeklagten C auf, dass der ansonsten auch über Einzelheiten gut informierte Angeklagte A sich insoweit zunächst dahin eingelassen hat, die Geldübergabe sei Ostern 1995 gewesen, um den Zeitpunkt später auf den Herbst 1995 zu verlegen. Die Geldübergabe an den Angeklagten C im Jahr 1995 wird zudem recht farblos beschrieben. Der Angeklagte A hat sie außerdem - objektiv unrichtig - mit dem Einzug des Angeklagten C in den nordrhein-westfälischen Landtag in Zusammenhang gebracht, der tatsächlich erst im Mai 2000 erfolgte.
1345Hinsichtlich der weiteren vermeintlichen Übergabe von 1 Mio. DM an den Angeklagten C im April 1998 ist das Einlassungsverhalten des Angeklagten A - für diesen angesichts seiner sonstigen Angaben ungewöhnlich - uneinheitlich: So hat er bei seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung zunächst ausgeführt, er habe die für diesen bestimmte 1 Mio. DM zuvor entweder bei der R7- Bank in Zürich oder bei der LLB inLiechtenstein deponiert oder aber sie auf einem Unterkonto bei der R7- Bank eingezahlt. In einer späteren Vernehmung im Ermittlungsverfahren hat er sodann erklärt, die 1998 an den Angeklagten C übergebene1 Mio. DM sei in einem Safe der R7- Bank deponiert gewesen. Diese Darstellung hat der Angeklagte A auf den Vorhalt, dass der Safe bei der R7- Bank zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert habe, schließlich erneut dahin geändert, er habe das 1998 dem Angeklagten C übergebene Geld zuvor in einer Kölner Garage deponiert; soweit er früher etwas anderes gesagt habe, habe er sich offensichtlich geirrt.
1346(c)
1347Auch bzgl. der vermeintlichen Geldübergabe an den AngeklagteDr. B musste der Angeklagte A seine ursprüngliche Einlassung korrigieren: Während er den Zeitpunkt der vermeintlichen Geldübergabe im Ermittlungsverfahren zunächst mit „August 1996“ angegeben hat, soll sie einer späteren Vernehmung zufolge im Zeitraum „zwischen August und Oktober 1996“ erfolgt sein. Schließlich hat der Angeklagte A sich dahingehend festgelegt, der Angeklagte Dr. B habe die2,4 Mio. DM im Oktober 1996 erhalten, nachdem er, der AngeklagteA, im Oktober 1996 in der Schweiz nochmals 2,2 Mio. DM von dem Zeugen I2 erhalten habe.
1348Da der Angeklagte A angibt, das an den AngeklagtenDr. B weitergegebene Geld erst im Oktober 1996 erhalten zu haben, ist aber fraglich, weshalb er sich zunächst dahin eingelassen hat, die Geldübergabe sei im August bzw. in einem Zeitraum zwischen August und Oktober 1996 gewesen.
1349Ferner erscheint die Einlassung des Angeklagten A nicht überzeugend, soweit er angibt, er habe die 200.000,00 DM aus Köln deshalb in die Schweiz mitgenommen, weil er von dort mit den von dem Zeugen I2 erhaltenen weiteren 2,2 Mio. DM sogleich nach Gummersbach in das damalige Büro des Angeklagten Dr. B habe fahren wollen; der Weg sei kürzer, als wenn er nochmals einen Umweg über Köln genommen hätte. Köln und Gummersbach sind nur ca. 50 km voneinander entfernt.
1350(d)
1351Zweifel an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten A betreffend die vermeintlichen (nicht festgestellten) Zahlungen an die Angeklagten Dr. B und C werden auch dadurch begründet, dass die nachfolgenden Umstände darauf hindeuten, dass der Angeklagte A möglicherweise (auch) anderweitig versucht hat, sich Tatbeute zu sichern:
1352So hat er etwa im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 02.05.2002 angegeben, in seinem - damals den Ermittlungsbehörden noch nicht zugänglichen - Safe bei der LLB befänden sich u.a. noch ca. 40.000,00 bis 50.000,00 US$. Tatsächlich wurden dort nach der Öffnung des Safes im Juni 2002 aber 100.000,00 US$ aufgefunden. Die für diese Abweichung in der Hauptverhandlung gelieferte Begründung, er habe den Inhalt des Safes bei der LLB irrigerweise zunächst niedriger geschätzt, weil die Dollarnoten anders als CHF- oder DM-Noten gepackt gewesen seien und man daher bei der Schätzung mit dem „Faktor 10" habe rechnen müssen, verfängt nicht. In diesem Zusammenhang ist erneut zu erwähnen, dass der von dem Angeklagten A genannte Grund für die wiederholte Weigerung, das Versteck des Safeschlüssels preiszugeben (der vermeintliche Ärger über den Zeugen Steueramtmann P1) kaum nachvollziehbar ist. Naheliegender ist, dass der Angeklagte A sich zunächst die Option offen halten wollte, ggf. (im Falle einer Haftverschonung) selbst oder über Dritte an den Inhalt des Safes zu gelangen, auch wenn dies letztlich - so die Safebegehungskarte (SL 1288) inhaltlich zutreffend ist - nicht geschah.
1353Ferner wirft die Einlassung des Angeklagten A zu den Vorgängen bzgl. der Auflösung seines Namenskontos „W6“ bei der R7- Bank die Frage auf, ob er im Zusammenhang mit der Abwicklung der F6-Verwahr-Gelder tatsächlich eine Vermögenseinbuße von 2,8 Mio. DM erlitten hat:
1354Nach seiner Einlassung soll der Zeuge Dr. K1 ihm von den im November 1999 durch diesen von dem Konto "W6" abgehoben bzw. überwiesenen Geldern einen Betrag von 2,8 Mio. DM nicht zurückgezahlt haben.
1355Die Verfügungen über das Konto „W6“ im November 1999 ergeben sich aus dem Tagesauszug Nr. 2 des CHF-Unterkontos zu dem Konto W6 bei der R7- Bank vom 01.12.1999 (SL 1309), der Belastungsanzeige betreffend das Euro-Unterkonto zu dem Konto „W6“ bei der R7- Bank vom 18.11.1999 (SL 1314) sowie der Belastungsanzeige betreffend dasUS$-Unterkonto zu dem Konto „W6“ bei der R7- Bank vom 10.11.1999 (SL 1324). Mit Ausnahme der letzten Zahlung von738.540,00 CHF, die der Zeuge Dr. K1 auch nach seinen eigenen Angaben für sich vereinnahmt hat, ist der Verbleib der Gelder ungewiss.
1356Es fällt zudem auf, dass der geschäftsgewandte und erfahrene Angeklagte A dem Zeugen Dr. K1 eine vom 29.11.1999 datierende „Saldoquittung“ (SL 1293) unterzeichnet hat, aus der hervorgeht, dass er das Depot „W6“ zurückerhalten hat und offene Positionen nicht mehr bestehen. Der Angeklagte A hat sich hierzu eingelassen, der Zeuge Dr. K1 habe ihm erklärt, er benötige dieses Dokument gegenüber der R7- Bank. Letzteres ist schon deshalb wenig nachvollziehbar, weil der AngeklagteA dem Zeugen Dr. K1 bereits unter dem 06.10.1999 (SL 1330) eine Vollmacht zur Auflösung des Kontos erteilt hatte. Vor allem jedoch richtet sich die Saldoquittung ihrem klaren Wortlaut nach nicht an die R7- Bank, sondern an die EPB, die bei der R7--Bank das Konto "W6" für den Angeklagten A als wirtschaftlich Berechtigten unterhielt ("W6 und EPB haben per heute gegenseitig keine offenen Positionen"). Es ist daher nicht verständlich, weshalb der Angeklagte A ohne Not mit dieser Saldoquittung dem Zeugen Dr. K1 ein Dokument an die Hand gegeben hat, das einem etwaigen späteren Zahlungsbegehren gegenüber dem Zeugen bereits im Ansatz entgegenstand.
1357In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass bei der ersten Abhebung am 02.11.1999 ein Betrag von 900.000,00 CHF an den Zeugen Dr. K1 ausgezahlt worden ist, ein Durchschlag des entsprechenden Auszahlungsbelegs im Safe des Angeklagten A bei der LLB aufgefunden wurde und nach den Safebegehungsunterlagen der AngeklagteA am 02.11.1999 an seinem Safe bei der LLB war, ohne hierfür- später danach befragt - einen Grund angeben zu können. Zu dem Durchschlag der Auszahlungsquittung vom 02.11.1999 hat der AngeklagtenA in der Hauptverhandlung lediglich angegeben, man hebe eben „so manches“ auf; bis zur Öffnung des Tresors nach seiner Festnahme habe er nicht gewusst, dass eine solche Quittung existiere. Eine Erklärung, wie er in den Besitz der Quittung gekommen ist, obwohl doch der Zeuge Dr. K1 auch dieses Geld abgehoben und für sich abredewidrig behalten haben soll, hat er nicht gegeben.
1358Der Angeklagte A hat sich weiter eingelassen, er habe auch später noch versucht, den Zeugen Dr. K1 dazu zu bewegen, ihm die 2,8 Mio. DM zurückzuzahlen, dies jedoch vergeblich. Da es sich bei diesen Geldern um F6-Verwahr-Gelder gehandelt habe, habe er zusammen mit dem Zeugen F6 den Zeugen Dr. K1 aufgesucht und ihn dazu überreden wollen, das Geld zurückzuzahlen. Der Zeuge F6 hat im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung zwar bestätigt, dass der Angeklagte A ihn auf die vorerwähnten Schwierigkeiten mit dem Zeugen Dr. K1 angesprochen habe; an einem Gespräch mit dem Zeugen Dr. K1 habe er selbst jedoch nicht teilgenommen.
1359Auffällig ist auch, dass der Angeklagte A zwar einerseits angibt, durch das Verhalten des Zeugen Dr. K1 erheblich geschädigt worden zu sein, da er gegenüber dem Zeugen F6 für den Fehlbetrag derF6-Verwahr-Gelder habe aufkommen müssen. Andererseits will ihn dieser unerfreuliche Umstand aber nicht davon abgehalten haben, im Jahr 2001 nochmals den Kontakt zu dem Zeugen Dr. K1 zu suchen, um von diesem Hilfe im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der H12-Auszahlungen in Anspruch zu nehmen.
1360Die Kammer hat in ihrem am 27.04.2004 verkündeten Beschluss betreffend die Zurückweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Zeugen T4 als weiteren Punkt für die Begründung von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A im Zusammenhang mit seinen Angaben zur Auflösung des Kontos „W6“ angeführt, die Veruntreuung eines Betrages von 2,8 Mio. DM durch den Zeugen Dr. K1 sei - auch wenn man die Besonderheiten des Aussageverhaltens dieses Zeugen in Rechnung stelle - nicht besonders naheliegend, da der Zeuge Dr. K1 im Falle des Bekanntwerdens dieses Umstandes seinen von mehreren Zeugen bestätigten „guten“ Ruf als Geldwäscher verloren hätte. Hieran hält die Kammer nicht weiter fest. Denn als der Zeuge Dr. K1 das Geld laut Angaben des Angeklagten A veruntreut hat, war der „gute Ruf“ des Zeugen Dr. K1 als Geldwäscher bereits erheblich dadurch beeinträchtigt, dass bei ihm im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen V5-Verantwortliche im Dezember 1998 Durchsuchungsmaßnahmen erfolgt waren und er davon ausgehen konnte, dass sich dies in den an seinen Geldwäschegeschäften interessierten Kreisen herumgesprochen hatte.
1361Gleichwohl bleibt bei einer Gesamtschau der vorgetragenen Argumente die Einlassung des Angeklagten A, wonach der Zeuge Dr. K12,8 Mio. DM - und nicht „nur“ 738.540,00 CHF - der F6-Verwahr-Gelder von dem Konto "W6" veruntreut habe, mit einem Fragezeichen versehen.
1362(e)
1363Auch die nachfolgend dargelegten Umstände erschweren es, dem Angeklagten A in der Frage der Geldflüsse an die AngeklagtenDr. B und C in den wesentlichen Punkten zu folgen:
1364So fällt zum einen auf, dass der Angeklagte A zunächst nur von einer angemieteten Garage im Agnes-Viertel berichtet hat, die er ab 1994 bis etwa 1998/1999 als Gelddepot genutzt und aus der er auch die 2,3 Mio. DM entnommen habe, die er am 12.02.1999 auf sein Konto bei der LLB eingezahlt habe. Erstmals in der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 05.09.2002 ist davon die Rede, dass er diese 2,3 Mio. DM aus der zweiten Garage, der sog. R9-Garage, genommen habe.
1365Angesichts der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten A, wonach er u.a. 1 Mio. DM von März 1995 bis Oktober 1995 sowie weitere1,4 Mio. DM von April 1998 bis Februar 1999 in den Kölner Garagen bzw. seinem Safe bei der LLB gelagert hat, ist ferner zu hinterfragen, weshalb er diese durchaus hohen Geldbeträge nicht auf sein Konto bei der LLB verbrachte, um sie – statt sie zinslos zu lagern - gewinnbringend anzulegen. Zwar hat der Angeklagte A als Begründung hierfür sein anfängliches Misstrauen gegenüber Banken sowie den Umstand angegeben, dass es ihm damals weniger um die Mehrung als um die Sicherung der erhaltenen Schmiergelder gegangen sei. Das angebliche „Garagen-Lagern“ des Geldes kann aber durchaus auch seinen Grund darin gehabt haben, dass es eben doch noch weitere, nicht bekannt gewordene Anlagen des Angeklagten A gibt, der - wie bereits festgestellt - ansonsten einen durchaus geschäftsgewandten und geschäftstüchtigen Eindruck hinterließ.
1366Gerade wegen des zeitweiligen Verbleibs von Geldern in Tresoren und/oder Garagenverstecken ist der angeblich an die Angeklagten Dr. B und C erfolgte Geldfluss zudem auch nur schwer überprüfbar. Ebenso verhält es sich im übrigen mit der angeblich 1996 erfolgten Zahlung von2,4 Mio. DM an den Zeugen J4, die dieser bestreitet und für die sich kein weiteres Beweismittel gefunden hat.
1367(f)
1368Der Umstand, dass hinsichtlich des Angeklagten A keine anderweitigen Konten, Depots oder Safes entdeckt worden sind, die darauf schließen lassen könnten, dass der von ihm einbehaltene Schmiergeldanteil größer ist als von ihm angegeben, belegt indes nicht, dass die entsprechenden Geldübergaben an die Mitangeklagten stattgefunden haben, da es - wie allgemein bekannt - zahlreiche Möglichkeiten gibt, Geld so anzulegen, dass es von den Ermittlungsbehörden nicht aufgedeckt werden kann.
1369(g)
1370Zudem wäre eine etwaige fälschliche Belastung der Mitangeklagten aus Sicht des Angeklagten A vergleichsweise risikolos, da die Geldübergaben nach seiner Einlassung ohne Zeugen und ohne Quittung erfolgt sind, so dass der Beweis, dass die Angeklagten Dr. B und C kein Geld erhalten haben, von daher naturgemäß ebenfalls nur sehr schwer zu führen ist.
1371(h)
1372Schließlich ist zu bedenken, dass dieser zwischen den Angeklagten strittigste Punkt gerade einen Umstand betrifft, an dessen Nichtaufdeckung der wahre Letztempfänger des Geldes - wer auch immer es sein mag - nach wie vor ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse hat, das einen nicht zu unterschätzenden Anreiz bieten kann, insofern mit der Wahrheit zurückhaltend zu sein.
1373(i)
1374Selbst wenn man berücksichtigt, dass durchaus auch glaubwürdige Personen mitunter Schwierigkeiten bzgl. des Zeitgedächtnisses und der sonstigen Erinnerung haben, liegen insgesamt demnach doch eine ganze Reihe von Umstände vor, die konkrete Zweifel daran hervorrufen, ob die nicht durch objektive Beweismittel zu erhärtende Einlassung des Angeklagten A betreffend die Geldflüsse an die Mitangeklagten zutrifft.
1375(j)
1376Allerdings verkennt die Kammer auch in diesem Zusammenhang weder, dass - wie bereits dargestellt - zahlreiche anderweitiger Angaben des Angeklagten A in der Hauptverhandlung ihre Bestätigung gefunden haben, noch sein insgesamt für ihn einnehmende Aussageverhalten.
1377(k)
1378Wenn die Kammer sich nach alledem die Kontrollfrage stellt, ob sie sehr verwundert wäre, wenn nach Jahr und Tag jedenfalls ein Teil der bislang nicht entdeckten Schmiergelder bei dem Angeklagten A gefunden würde, so muss sie einräumen, dass sich die Verwunderung nach dem Ergebnis der vorgenannten Abwägung in Grenzen halten würde, wenngleich eine konkrete Wahrscheinlichkeit, dass die Einlassung des Angeklagten A betreffend die Geldflüsse an die Mitangeklagten zutrifft, ebenfalls gegeben ist.
1379(5)
1380Es bestand schließlich keine erfolgversprechende Möglichkeit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hinsichtlich der Schmiergeldflüsse.
1381(a)
1382Als unmittelbar an den Schmiergeldzahlungen Beteiligte kommen nur die Zeugen I2 und - beschränkt - Dr. K1 in Betracht.
1383Hinsichtlich beider Zeugen wurde bereits ausgeführt, weshalb es unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht geboten war, insoweit - etwa im Wege der Rechtshilfe - weitere Ermittlungen anzustellen.
1384Ergänzend sei hier angemerkt, dass auch unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A der Versuch einer Einvernahme des Zeugen Dr. K1 im Wege der Rechtshilfe nicht geboten war. Im übrigen wäre bei einer etwaigen Widerlegung der Einlassung des Angeklagten A zur Auflösung des Kontos "W6" noch kein hinreichendes Indiz gewonnen, um bei der vorzunehmenden Gesamtschau positiv festzustellen, dass damit auch seine Einlassung zu den Geldflüssen in Richtung der Mitangeklagten (teilweise) unrichtig wäre und daher strafschärfend angnommen werden müsste, dass er einen größeren Anteil der Beute selbst behalten und zur Verschleierung andere zu Unrecht massiv belastet hätte.
1385(b)
1386Im Hinblick auf die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A war auch der Versuch einer Einvernahme des Zeugen U3, ggf. auch im Rahmen des § 247 a StPO, nicht geboten.
1387Die Kammer hat hierbei insbesondere berücksichtigt, dass das Landgericht Hamburg in seinem in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Urteil vom 13.06.2002 (618 KLs 3/01 - 5100 Js 259/99 StA Hamburg -) eingehend und überzeugend begründet hat, weshalb der Zeuge Dr. H3, der wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Erlangung von „Provisionen" rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt worden ist, auch diejenigen „Provisions-Zahlungen" von T5 erlangt hat, die der Zeuge U3 betreffend das Projekt Q7 dem AngeklagtenA zurechnet. Das Landgericht Hamburg hat hierbei gesehen, dass der Zeuge Dr. H3 selbst akribisch über seine Einnahmen aus „Provisionsgeschäften" Buch geführt hat und die entsprechenden Barbezüge auch mit seinem Terminkalender unschwer in Übereinstimmung zu bringen sind. Das Landgericht Hamburg hat zudem eingehend begründet, weshalb weder aus der Aussage des Zeugen U3 noch aus dem von diesem Zeugen nachträglich dem Landgericht Hamburg übermittelten „F5-Dossier" ein durchgreifender Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, dass eine der Zahlungen, die das Landgericht dem Zeugen Dr. H3 zugeordnet hat, in Wirklichkeit nicht an diesen, sondern an einen Dritten erfolgt wäre. Hierbei hat sich die Kammer insbesondere darauf gestützt, dass die Aussage des Zeugen U3 betreffend die Einschaltung der Bodenkreditanstalt V7 in den Vorgang der „Provisionsauszahlung“ von keinem der Zeugen, die als Verantwortliche von Unternehmen über die F5 AG Provisionszahlungen veranlasst haben, bestätigt worden ist. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass die seitens des Zeugen U3 im nachhinein übersandten angeblichen Unterlagen der Bodenkreditanstalt V7 keinerlei Angaben zu deren Geschäftsführung oder irgendwelchen Verantwortlichen aufweisen, sie zudem inhaltlich falsch und lediglich zu dem Zweck erstellt worden sind, zu verschleiern, dass der Zeuge U3 den Endempfänger der Zahlungen (den Zeugen Dr. H3) genau kannte, weil er ihm persönlich das Geld übergeben hatte. Neue Gesichtspunkte, die diese wohlbegründeten Überlegungen des Landgerichts Hamburg in Frage zu stellen geeignet wären, hat auch das an die Kriminalpolizei Köln gerichtete Schreiben des Rechtsanwalts Dr. I3 vom 31.01.2003 nicht ergeben. Der Zeuge Dr. H3 wiederum stützte sich bzgl. der Person des angeblichen „Provisionsempfängers“ nur auf die Angaben des Zeugen U3.
1388(c)
1389Im Hinblick auf die Frage der Glaubwürdigkeit des Angeklagten A war es auch nicht geboten, etwa im Wege der Rechtshilfe, weitere Zeugen zu vernehmen oder vernehmen zu lassen, die mit den bekannten Bankverbindungen des Angeklagten A in der Schweiz und in Liechtenstein zu tun hatten, etwa die Zeugen W2 (R7- Bank) und F12 (LLB). Denn ein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass sich hierdurch grundlegende Erkenntnisse zu Geldflüssen ergeben würden, die von den Angaben des Angeklagten A abweichen, besteht nicht; insbesondere ist nicht konkret zu vermuten, dass hierdurch etwa eine weitere, bisher unbekannt geblieben ausländische Kontoverbindung des Angelagten A bekannt werden würde.
1390(d)
1391Abschließend hat die Kammer erwogen, ob eine weitere Beweisaufnahme in Bezug auf die Sachverhalte in denjenigen weiteren Strafverfahren geboten gewesen wäre, in denen der Angeklagte A als Mitbeschuldigter oder Zeuge Angaben gemacht hat. Aber auch insoweit war nicht ersichtlich, dass für die vorzunehmende Gesamtwürdigung hieraus besondere Umstände gewonnen werden könnten, die die Glaubwürdigkeit des Angeklagten A in einer Weise stützen könnten, dass damit auch seine Angaben zu den im vorliegenden Verfahren fraglichen Geldflüssen abschließend geklärt werden könnten. Umgekehrt könnten etwaige vom AngeklagtenA ausgehenden Falschbelastungen anderer Beschuldigter in anderen Strafverfahren, zumal wenn sie mit dem vorliegend zu beurteilenden Schmiergeldvorgang in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, selbst wenn diese positiv feststünden, kaum zur Folge haben, dass damit auch die Angaben des Angeklagten A zu den Geldflüssen an die Mitangeklagten als eindeutig widerlegt anzusehen wären.
1392Dies ist auch der Grund dafür, weshalb bei Annahme einer anderweitigen Verstrickung des Angeklagten A in strafbares Unrecht die vorliegend vorgenommene Beweiswürdigung aus Sicht der Kammer nicht grundsätzlich in Frage gestellt würde. Deshalb kann insbesondere dahinstehen, inwieweit der nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht ausermittelte Vorwurf, der Angeklagte A habe sich auch im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauzauns auf dem Gelände der RMVA Köln zu Unrecht bereichert, zutreffend ist.
1393(6)
1394Es verbleiben demnach konkrete Zweifel daran, ob die Einlassung des Angeklagten A hinsichtlich der Geldflüsse an die AngeklagtenDr. B und C derart zuverlässig ist, dass hierauf entsprechende eindeutige Feststellungen zu deren Lasten gestützt werden könnten. Zu Gunsten der Angeklagten Dr. B und C ist daher davon auszugehen, dass diese seitens des Angeklagten A nicht mehr als 1 Mio. DM (Dr. B) bzw. gar kein Schmiergeld (Angeklagter C) erhalten haben.
1395Andererseits ist es nach dem zuvor Gesagten durchaus möglich, dass die Einlassung des Angeklagten A zu den Geldflüssen an die Mitangeklagten letztlich zutreffend ist. Zugunsten des Angeklagten A ist deshalb davon auszugehen, dass „nur" 7,49 Mio. DM des Schmiergeldes, soweit es über P5, N5 sowie Y3 & P4 geflossen ist, bei ihm verblieben sind.
1396Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass der AngeklagteDr. B wenigstens 1 Mio. DM aus dem Schmiergeldtopf entweder 1995 (so der Angeklagte Dr. B) oder 1996 (so der Angeklagte A) von dem Angeklagten A erhalten hat. Es ist kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich, weshalb der AngeklagteDr. B den ihn erheblich belastenden Schmiergelderhalt gänzlich erfunden haben sollte. Es ist zwar denkbar, dass er durch seine Einlassung nur die Beteiligung an einem anderen illegalen Geschäft verschleiern wollten, das sonst aufgefallen wäre, wenn weitere Nachforschungen zur Herkunft der 985.000,00 DM angestellt worden wären. Allerdings waren die985.000,00 DM in bar auf das Konto „V6“ eingezahlt worden, so dass nicht ersichtlich ist, wie deren Herkunft aus einem etwaigen anderen rechtswidrigen und/oder strafbaren Vorgang hätte geklärt werden können.
13974. fehlende Kenntnis des Angeklagten C von der Unrechtsvereinbarung
1398Die fehlende Überzeugung der Kammer von der Kenntnis des Angeklagten C von der Unrechtsvereinbarung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den vorstehenden Überlegungen hinsichtlich der Zahlungsflüsse.
1399Der Angeklagte C hat jede Kenntnis von der Schmiergeldabrede durchgehend verneint. Er habe lediglich allgemein damit gerechnet, dass möglicherweise auch im Zusammenhang mit der RMVA Köln Schmiergeld fließen könnten, für diese ihm erst im Nachhinein bekannt gewordene Tatsache jedoch keine objektiven Anhaltspunkte gehabt.
1400Beweismittel, die ein entsprechendes Wissen des Angeklagten C belegen könnten, stehen - mit Ausnahme der Einlassung des Angeklagten A - nicht zur Verfügung.
1401Hinsichtlich der Einlassung des Angeklagten A, der angibt, dem Angeklagten C zwei Mal je 1 Mio. DM als Schmiergeldanteil übergeben zu haben, bestehen jedoch vernünftige Zweifel der Kammer. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte C - wie auch immer - anderweitig Kenntnis von der Schmiergeldabrede erhalten hätte, konnten in der Beweisaufnahme nicht gewonnen werden.
14025. fehlende Vorstellung der Angeklagten Dr. B und A von
1403einer etwaigen Amtsträgereigenschaft des Angeklagten A
1404a)
1405Soweit festgestellt wurde, dass die Angeklagten A undDr. B bei der Verabredung der Schmiergeldzahlungen im Herbst 1993 nicht damit rechneten, dass der Angeklagte A Amtsträger im strafrechtlichen Sinne sein könnte, beruht dies zum einen auf deren Einlassungen sowie den glaubhaften Bekundungen des Zeugen F6.
1406Beide Angeklagte haben sich übereinstimmend dahin eingelassen, sowohl während der konkreten Vereinbarung der Schmiergeldabrede imDüsseldorfer J10-Hotel im Herbst 1993 als auch in der davor liegenden Zeit, in der die Abrede vorbereitet wurde, seien sie zwar durchaus davon ausgegangen, mit der Koppelung der Erteilung des Zuschlags für die RMVA an S5 und der Zahlung eines 3 %-igen Schmiergeldes durch den Angeklagten Dr. B gegen die Rechtsordnung zu verstoßen; auch war ihnen nach ihrer Einlassung bekannt, dass der Angeklagte A als ehemaliger Kommunalbeamter der Stadt Köln zur AVG gekommen und dort Geschäftsführer einer Gesellschaft war, deren Gesellschaftsanteile zu 74,9 % unmittelbar oder mittelbar von der Stadt Köln als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gehalten wurde. Die Angeklagten haben sich aber übereinstimmend dahin eingelassen, sie seien gleichwohl zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass der Angeklagte A aufgrund dieser Umstände Amtsträger im strafrechtlichen Sinne gewesen sein könnte.
1407b)
1408Die Einlassungen der Angeklagten A und Dr. B werden insoweit von den glaubhaften Bekundungen des Zeugen F6 bestätigt, der angegeben hat, bei den gemeinsamen Besprechungen in Zürich bei dem Zeugen Dr. V3 ab dem Sommer 2000 sei die Frage, ob der Angeklagte A Amtsträger sei, nicht erörtert worden. Das aber hätte nahe gelegen, wenn dieser Umstand zumindest früher im Verlauf der Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung von den daran Beteiligten, die über die Rechtswidrigkeit ihres Tuns - wie erwähnt - im Bilde und in rechtlichen Angelegenheiten keineswegs unerfahren waren, als Problem oder zumindest als erörternswerter Umstand angesehen worden wäre. Dass diese Frage nicht angesprochen wurde, ist daher eher ein Indiz dafür, dass sich die Angeklagten A und Dr. B auch bei Abschluss der Unrechtsvereinbarung hierüber keine Gedanken machten.
1409Auch der Zeuge J4 hat bekundet, ihm sei nicht klar gewesen, dass der Angeklagte A nach seinem Ausscheiden aus den Diensten der Stadt Köln und in seiner Funktion als Geschäftsführer der AVG „Beamter“ gewesen sei.
1410c) Darüber hinaus wird die Überzeugung der Kammer davon, dass die Angeklagten A und Dr. B sich einer möglichen Amtsträgereigenschaft des Angeklagten A in subjektiver Hinsicht nicht bewusst waren, dadurch bestärkt, dass die Angeklagten selbst dann nicht damit hätten rechnen müssen, dass der Angeklagte A Amtsträger sein könnte, wenn sie die damals bekannte höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage zu Rate gezogen hätten. Denn die aktuellste Beurteilung der Amtsträgerfrage durch den BGH zum Zeitpunkt des Abschlusses der Unrechtsvereinbarung im Jahre 1993 war in der Entscheidung vom 29.01.1992 (5 StR 338/91 - BGHSt 38, 199 ff.) erfolgt. Hier aber hatte der BGH ausdrücklich ausgeführt, dass es in der Regel für die Anwendung privatrechtlicher Regeln und Grundsätze - und damit gegen die Amtsträgerschaft eines in einer solchen „sonstigen Einrichtung“ Tätigen - spreche, wenn eine öffentliche Körperschaft sich bewusst für die Verwendung der privatrechtlichen Organisationsform entscheidet. Das aber legte aus Sicht des Lesers und bezogen auf die AVG und deren Geschäftsführer A den Schluss nahe, dass die eindeutig privatrechtlich - nämlich als GmbH - organisierte AVG keine „sonstige Stelle“ und damit auch der Angeklagte A kein Amtsträger war. Eine weitere höchstrichterliche Auseinandersetzung mit der Amtsträgerfrage betreffend die bei privatrechtlich organisierten Einrichtungen Beschäftigten fand erst in den Jahren nach 1996 statt.
1411Die Frage, ob eine gemischt-wirtschaftliche Einrichtung überhaupt eine „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB sein kann, hatte der BGH bis heute nicht zu entscheiden. Der zur Frage der Amtsträgerschaft insoweit ergangenen Entscheidung vom 14.11.2003 (2 StR 164/03, NJW 2004, 693 ff.) lag eine Situation zugrunde, in der es um eine zu 100 % von der Stadt gehaltene GmbH ging. Auch in der Entscheidung vom 16.07.2004 (2 StR 486/04, bislang unveröffentlicht, zitiert nach der Presseerklärung des BGH Nr. 86/04), in der es um die Frage der Amtsträgerstellung eines Angestellten der Deutschen Bahn AG geht, erfolgen hierzu keine Ausführungen.
1412e)
1413Letztlich ohne ausschlaggebenden Beweiswert war die Einlassung des Angeklagten A, wonach der Umstand, dass er sich nicht als Amtsträger verstanden habe, auch dadurch belegt werde, dass er als AVG-Geschäftsführer über zwei verschiedene Visitenkarten - eine mit dem Zusatz „Stadtverwaltungsdirektor a.D“ und eine ohne denselben - verfügt und diese je nach Bedarf eingesetzt habe - d.h. diejenige mit dem Zusatz vorwiegend gegenüber solchen Stellen, bei denen er sich eine größere Wertschätzung aufgrund seiner „Verwaltungsnähe“ erhoffte, hingegen die zusatzlose Visitenkarte vornehmlich im Verkehr mit der freien Wirtschaft.
1414Beide Visitenkarten wurden in der Hauptverhandlung verlesen und in Augenschein genommen (Anlage II zum Protokoll vom 09.03.2004). Das Verhalten des Angeklagten A ist aber insoweit ambivalent, da es zwar auf der einen Seite dokumentiert, dass er - insbesondere gegenüber Unternehmen - gerne als Vertreter einer privatrechtlichen Gesellschaft und nicht als „verlängerter Arm“ der Stadt Köln auftrat, es andererseits aber auch den Schluss zulässt, dass der Angeklagte A sich möglicherweise doch in einer gewissen Verwaltungsnähe sah, die ihm hätte Anlass für die Annahme gegeben können, dass er Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB ist.
1415f)
1416Ähnliches gilt hinsichtlich eines Schreibens der AVG an das Landesober-bergamt in Dortmund vom 16.12.1997 (SL 1459, 1460 ff.), das der ZeugeZ1 ausweislich seiner glaubhaften Bekundung und der Einlassung des Angeklagten A in dessen Auftrag und in enger Abstimmung mit diesem verfasst hat. In diesem Schreiben, in dem es um die Übernahme der Betriebsführung der Deponie Vereinigte Ville ab dem 01.01.1998 durch die AVG geht, stellt sich die AVG gegenüber der Adressatenbehörde vorwiegend unter Hinweis auf ihre „Verwaltungsnähe“ und hier insbesondere den großen Einfluss der Stadt auf das Handeln der AVG dar. Dies lässt sich jedoch im Einklang mit den Angaben des Angeklagten A zwanglos damit erklären, dass durch den Hinweis auf die Verwaltungsnähe der AVG etwaige Bedenken des Landesoberbergamtes hinsichtlich der anstehenden Zuverlässigkeitsprüfung schon im Keim erstickt werden sollten.
1417Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Kammer - wie noch darzulegen sein wird - auch davon ausgeht, dass der Angeklagte A in objektiver Hinsicht kein Amtsträger war. Da sich danach die Annahme seiner Amtsträgereigenschaft jedenfalls nicht aufdrängt, bestehen auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, einer der Angeklagten habe zumindest mit der konkreten Möglichkeit gerechnet, der Angeklagte A könne in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer gemischt-wirtschaftlichen GmbH im strafrechtlichen Sinne als Amtsträger anzusehen sein.
1418Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten angesichts der allgemein anzutreffenden Unsicherheit bei der Auslegung von Strafrechtsnormen gleichsam vorsorglich in Rechnung gestellt hätten, möglicherweise sei der Angeklagte A doch als Amtsträger anzusehen, soweit er als Geschäftsführer der AVG gehandelt habe. Von daher hätte die Kammer auch Bedenken anzunehmen, dass ein Verbotsirrtum der Angeklagten -unterstellt man in diesem Zusammenhang die Amtsträgereigenschaft - vermeidbar gewesen wäre.
1419V. Feststellungen zur Dimensionierung der RMVA
1420Die Feststellungen zur Dimensionierung der RMVA beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A, den Bekundungen der ZeugenDr. I6, U2, Dr. R3, G4, Z3, H2, D3 und F6 sowie der Zeuginnen V2, X2 und J2.
1421a)
1422Hinsichtlich der Pläne der Kölner Bezirksregierung zur Bewältigung des Abfallaufkommens im Regierungsbezirk Anfang der 1990er Jahre und des Widerstandes der Kommunen gegen die Konzentration der Müllentsorgung in vier Entsorgungsregionen haben insbesondere die Zeugen Dr. I6 und U2 - letzterer war von Oktober 1994 bis 2002 Leiter der oberen Abfallwirtschaftsbehörde bei der Bezirksregierung Köln - übereinstimmend und wie festgestellt bekundet. Vor allem der Zeuge Dr. I6 hat ferner wie festgestellt hinsichtlich des Interesses des Zeugen F6 am Einstieg in das „Müllgeschäft“ mit den Kommunen vor dem Hintergrund der anstehenden Schließung der Deponien bekundet. U.a. auf seinen Angaben beruhen auch die Feststellungen zur Verhandlungsweise und dem Auftreten des Zeugen F6 und dessen geschicktem Taktieren gegenüber den Kommunen. Dem Zeugen F6 sei es ebenso gelungen, die von der Bezirksregierung erstellten, aber auf erheblichen Widerstand in den Kommunen treffenden regionalen Abfallbeseitigungspläne durchzusetzen, wie dafür zu sorgen, Müll aus dem Erftkreis, den die Bezirksregierung einer teilweisen Entsorgung durch die RMVA Köln zugewiesen gehabt habe, tatsächlich ab 1998 in Köln verbrennen zu lassen.
1423Beide Zeugen haben zudem angegeben, dass bereits bei der Planung der Kölner RMVA Verantwortlichen der Stadt Köln - den Zeugen Dr. 03 und Dr. G2 - bekannt war, dass die Anlage trotz der im Genehmigungsverfahren auferlegten Selbstbeschränkung bzgl. einer Verbrennungsleistung von 421.000 t/a technisch in der Lage war, jedenfalls bis zu 570.000 t/a zu verbrennen. Der Zeuge Dr. I6 hat hierzu insbesondere bekundet, man habe die Leistung der Anlage, die er bei einem Brennwert von 11.300 kj/kg mit 560.000 t angenommen habe, um 25 % über den politischen Wert von 421.000 t angesetzt. Dies ergebe sich aus folgender Berechnung: 560.000 geteilt durch 4 mal 3 = 420.000. Hierin sei aus seiner Sicht eben nicht nur eine Reservekapazität sondern auch eine freie Kapazität für nicht aus Köln stammenden Müll enthalten gewesen, wie dies ohnehin von der Bezirksregierung bei der überörtlichen Planung zur Vermeidung von Mülltourismus über weite Strecken vorgesehen gewesen sei.
1424Der Zeuge U2 hat bekundet, dass er zur Zeit des Genehmigungsverfahrens davon ausgegangen sei, im Falle der Annahme eines absolut störungsfreien Betriebes liege eine "Reserve" von 25 % vor; eine Reserve in dieser Größenordnung sei bereits zur damaligen Zeit völlig unüblich gewesen.
1425Der Zeuge U2 hat auf auszugsweisen Vorhalt der beiden Genehmigungsbescheide vom 29.01.1996 und 20.09.2000 nebst den hierzu gestellten Anträgen der AVG bekundet, dass bereits in dem Ursprungsantrag bei Annahme eines mittleren Heizwertes von 11.300 kj/kg - d.h. noch vor Verringerung dieses Wertes infolge des verstärkten Aufkommens von Biomüll im Hausmüll wegen der Abbestellungen von Biomülltonnen - seitens der AVG eine Behandlungskapazität von 569.400 t/a bei hundertprozentiger Verfügbarkeit angenommen worden ist. Insoweit hat er vor allem auf die entsprechenden Ausführungen im Änderungsantrag der AVG vom 29.06.2000 Bezug genommen, in dem es heißt: "Unter Annahme eines durchschnittlichen Heizwertes von 11.300 kj/kg ergibt sich als Kapazität rechnerisch die bereits im Genehmigungsantrag vom 12.06.1994 (...) angeführte thermische Behandlungskapazität von 569.000 t/a" (Bl. 24 in 114 Js 92/02 StA Köln). Beide Genehmigungsbescheide, die sich nach der damals geänderten Gesetzeslage nicht mit einer Bedarfsberechnung, sondern - neben baurechtlichen Gesichtspunkten - vornehmlich nur mit der Frage befasst hätten, inwieweit die Immisionsgrenzwerte eingehalten würden, hätten keine absoluten, in die Verbrennung gelangenden Höchstmüllmengen festgesetzt, sondern vielmehr darauf abgestellt, dass sich die Menge bei einer Änderung des Heizwertes auch erhöhen könne. Denn bei einer Absenkung des Heizwertes, etwa durch verstärkte Zuführung feuchter Biomasse, könne eine größere Menge Müll verbrannt werden, ohne eine Überhitzung der Anlage befürchten zu müssen. Bezüglich der Preisbildung für die den Privaten überlassenen Müllkapazitäten hat der Zeuge U2 angegeben, die frei handelbaren sog. Spot-Mengen würden grundsätzlich zu einem unterhalb des Satzungspreises liegenden Preis angeboten, ohne dass dies unmittelbar mit den Deponien zusammenhänge; vielmehr beträfen diese Spot-Mengen häufig Müll, der auf Deponien gar nicht entsorgt werden könne.
1426Die Feststellungen bzgl. des mit dem Erftkreis vereinbarten Umstiegskonzeptes beruhen neben den Bekundungen der Zeugen Dr. I6 und U2 auch auf den Angaben des Zeugen G4, der seit Mai 2001 Dezernent des Erftkreises für den Bereich Abfallpolitik ist und sich anhand der ihm zur Verfügung stehenden Akten kundig gemacht hatte.
1427b)
1428Der Zeuge F6 hat - befragt zu der von ihm als stets umstritten dargestellten Frage der Dimensionierung der RMVA sowie danach, ob er im Zusammenhang mit der Festlegung der Dimensionierung bereits konkrete Vorstellungen gehabt habe, in welchen Mengen er die RMVA mit Müll beliefern und woher er diesen nehmen werden - u.a. bekundet, es habe zwischen der Stadtverwaltung und dem Kölner Regierungspräsident immer schon Einigkeit darin bestanden, dass in der RMVA auch Müllmengen aus dem KreisEuskirchen und aus dem Erftkreis verbrannt werden sollten.
1429Der Zeuge F6 hat ferner hinsichtlich der guten Erfahrungen beim Betrieb der MVA Krefeld bekundet, die aufgrund der hervorragenden Wartung durch die Q6 von einer ursprünglichen Auslastung von ca. 65 bis 70 % zu einer solchen von ca. 85 bis 90 % gelangt sei.
1430c)
1431Der Angeklagte A hat sich zum einen hinsichtlich der Stellung des Zeugen F6 auf dem Entsorgungsmarkt im Rheinland wie festgestellt und in Übereinstimmung insbesondere mit dem Zeugen Dr. I6 eingelassen. Er hat angegeben, im Rheinland habe sich betreffend das Müllgeschäft alles auf den Zeugen F6 focussiert, dieser habe weitgehend die gesamte Stoffmenge im Rheinland beherrscht.
1432Bezüglich der Müllakquise des Zeugen F6 aus dem KreisEuskirchen hat der Angeklagte A angegeben, der damals zuständige Oberkreisdirektor habe wegen der Kündigung der Deponieverträge durch die Stadt Köln Schadensersatzforderungen von insgesamt ca. 200 Mio. DM gestellt. Die AVG habe im Laufe der Zeit dann aber die Mitteilung erhalten, das Thema habe sich erledigt; man habe mit dem Kreis Euskirchen einen Weg der Verständigung auf anderer Ebene gefunden. Der Zeuge F6 habe in diesem Zusammenhang bei der AVG angefragt, ob die Möglichkeit bestehe, für die Zeit ab 2005 Kontingentverträge zu schließen. Man habe dann mit dem Zeugen F6 bzw. einem seiner Unternehmen einen Kontingentvertrag geschlossen für einen Nettopreis von 264,00 DM/t; daraufhin sei die Klage des Kreises Euskirchen zurück genommen worden. Die Möglichkeit zum Abschluss eines solchen Kontingentvertrages habe bestanden, weil von der Verbrennungskapazität der RMVA her jedenfalls ein "Swing" frei verfügbarer Kapazitäten von jährlich 50.000 bis 80.000 t vorhanden gewesen sei, der auch nicht für Reparatur- oder Wartungsarbeiten habe vorgehalten werden müssen. Der Kontingentvertrag mit dem ZeugenF6 sei ein Exklusivvertrag gewesen, aufgrund dessen der Zeuge F6 habe sicher sein können, dass die AVG die dort niedergelegten Preise nicht unterbieten würde.
1433Hinsichtlich des Umstandes, dass der Zeuge F6 den Müll aus dem Kreis Euskirchen für einen Preis in der RMVA entsorgen kann, der um ca. 26,00 DM/t unter dem Entgelt liegt, das der Kreis Euskirchen an diesen zahlt, hat der Angeklagte A angegeben, dies sei keine große Schwankung; hiermit seien zudem alle Fraktionen im Rat der Stadt Köln einverstanden gewesen; es handele sich um einen Handling-Aufschlag. Immerhin sei es ihm noch gelungen, den seitens des Zeugen F6 an die AVG zu entrichtenden Nettopreis von 240,00 DM/t auf 264,00 DM/t hoch zu handeln.
1434Soweit der Angeklagte A sich dahin eingelassen hat, die RMVA sei nicht überdimensioniert gewesen, sieht die Kammer darin keinen Widerspruch zu den Feststellungen. Denn er hat nicht behauptet, nicht gewusst zu haben, dass die Verbrennungskapazität von Beginn der Planungen an eine Verbrennung von mehr als den 421.000 t erlauben würde, die jährlich an „Kölner Dreck“ anfielen. Vielmehr hat er sogar angegeben, ihm sei die Auslegung der RMVA von Beginn an sehr hoch erschienen; aufgrund seiner Verwaltungserfahrung habe er sich jedoch gedacht, es sei günstig, eher etwas zu viel Reserve als zu wenig einzuplanen. Zudem hat er angegeben, über die Pläne des Zeugen F6 hinsichtlich der Müllakquise aus dem Kreis Euskirchen informiert gewesen zu sein. Der insbesondere in finanziellen Dingen äußerst gewandte Angeklagte A konnte sich leicht errechnen, dass der nach seiner Einlassung frei verfügbare „Swing“ von 50.000 bis 80.000 t/a seitens des ihm als geschäftstüchtig bekannten ZeugenF6 auch zur Verbrennung auswärtigen Mülls in der RMVA verwandt werden würde. Seine Einschätzung, eine Überdimensionierung habe nicht vorgelegen, ist eine Bewertung der Sachlage im Hinblick auf die Zeit nach der Schließung von Deponien ab 2005, nicht aber ein Leugnen von Fakten. Festgestellt im Rahmen der Hauptverhandlung wurde, dass die RMVA bereits von Beginn an und entgegen den gegenüber den Kölner Bürgern abgegebenen Erklärungen so geplant worden ist, dass auch auswärtiger Müll in ihr verfeuert werden kann. Dies eben war auch einer der maßgeblichen Gründe für eine Beteiligung des Zeugen F6 an der AVG.
1435d)
1436Der Zeuge K3, von Mai 1988 bis März 1998 Abteilungsleiter Abfallwirtschaft im Amt für Abfallwirtschaft der Stadt Köln (Amt 70), hat insbesondere wie festgestellt Angaben zum AWK 1988 und seiner Fortschreibung im Jahr 1993 gemacht, das wesentlich in seiner Abteilung erarbeitet worden war. Er hat darauf verwiesen, dass dem Amt 70 ausschließlich die Aufgabe oblegen habe, die anfallenden Abfallmengen zu berechnen; die Festlegung der Größe der RMVA sei Sache der AVG gewesen. Auf diese Zuständigkeitsverteilung hätten u.a. der Angeklagte A und der damalige Abfalldezernent der Stadt Köln, der Zeugen Dr. R3, sowie der Zeuge J3 stets hingewiesen - wie etwa anlässlich seiner (des Zeugen K3) Frage, ob nicht bei der Vorhaltung einer vierten Verbrennungslinie und einer damit gegebenen Verbrennungskapazität von 560.000 t/a die Anlage insgesamt zu groß geplant sei. Über die Notwendigkeit der vierten Verbrennungslinie habe es weder im AÖEA noch im Aufsichtsrat der AVG eine ernsthafte Diskussion gegeben; es sei - so habe man argumentiert - nicht Sache der Stadt, sich Gedanken über die Größe der Anlage zu machen. Der Zeuge K3 hat weiter bekundet, nach einem früheren Entwurf des AVG-Gesellschaftsvertrages sei die Dimensionierung hingegen allein Angelegenheit der Stadt Köln gewesen; diese Entwurfsfassung sei jedoch nicht verabschiedet worden.
1437Als man in seiner Abteilung bei der Fortschreibung des AWK 1993 (SL 699ff., siehe auch Anlage VII zum Urteil) die Verbrennungsmenge mit 421.000 t/a berechnet habe, sei ihm - so der Zeuge K3 weiter - zu verstehen gegeben worden, dies sei eine zu geringe Kapazität. Die Berechnung habe aber den Recherchen des Amtes für Abfallwirtschaft entsprochen.
1438Die Bekundungen des Zeugen K3 stehen insbesondere in Einklang mit der bereits erwähnten und in Bezug genommenen Entwurfsfassung des AVG-Gesellschaftsvertrages, nachdem ursprünglich u.a. die Festlegung der Dimensionierung nicht durch die AVG, sondern durch den Rat im Beschlusswege hätte erfolgen sollen (SL 769 ff., 794, siehe auch Anlage III zum Urteil). Dort heißt es wörtlich in § 3 Absatz 1 (Gegenstand des Unternehmens):
1439„Die konzeptionellen Rahmenbedingungen wie Dimensionierung d. Anlagen, allgem. Richtlinien zu deren Betrieb u.ä. werden vom Rat der Stadt per Beschluß definiert und ggf. fortgeschrieben.“
1440e)
1441n) Die vorstehenden Angaben des Zeugen K3 - insbesondere zur Verantwortlichkeit bzgl. der Dimensionierung der RMVA - wurden darüber hinaus glaubhaft bestätigt durch die Bekundungen der Zeugin V2, die als Mitarbeiterin des Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Köln an der Erstellung des dortigen Berichtes über die Ordnungsmäßigkeits- und Verfahrensprüfung im Zusammenhang mit der Gründung des AVG sowie mit dem Bau der RMVA Köln vom 25.04.2003 mitgewirkt hat. Die Zeugin V2 war vorwiegend mit dem Thema der Dimensionierung der RMVA befasst und hat in diesem Zusammenhang die ihr zugänglichen städtischen Unterlagen, Niederschriften der Gremien der AVG und die Ausschussunterlagen ausgewertet. Sie hat auch die festgestellten Angaben bzgl. der Analysen des Hausmülls durch ITU gemacht und darauf hingewiesen, dass bei den dortigen Berechnungen des Heizwertes die Frage, ob innerhalb der Müllfraktionen auch (nasser) Müll aus Biotonnen verbrannt werde, eine nur untergeordnete Rolle gespielt habe. Die Zeugin V2 hat ferner zu den mittleren Heizwerten der Jahre 1998 bis 2001 wie festgestellt bekundet. Sie hat zudem angegeben, dass der AÖEA im September 1993 seitens der Stadtverwaltung erstmals Informationen zur technischen Anlagenkonzeption erhielt, aufgrund derer die Ausschussmitglieder anhand der Formel
1442„16 t mal 4 Verbrennungslinien mal 8.760 h (= 24 H mal 365 Tage)“
1443eine faktische Verbrennungskapazität von 560.000 t/a hätten errechnen können. Ferner hat die Zeugin V2 wie festgestellt zu der Beschlussvorlage des Rates vom 25.11.1993 bekundet. Sie hat schließlich in Übereinstimmung mit dem Zeugen K3 bekundet, sie habe von diesem im Rahmen ihrer Berichtstätigkeit erfahren, dass seitens des damaligen Abfalldezernenten dem Zeugen K3 bedeutet worden sei, sich um die Frage der Dimensionierung der RMVA nicht zu kümmern.
1444f)
1445Soweit der Zeuge Dr. R3 es seinen Bekundungen gemäß für ausgeschlossen hielt, dem Zeugen K3 die Weisung erteilt zu haben, sich nicht um die Dimensionierung der RMVA zu kümmern, sieht die Kammer dies nicht als geeignet an, die getroffenen Feststellungen insoweit in Frage zu stellen. Der Zeuge Dr. R3 war vom 01.01.1994 bis zum 31.12.2001 Abfalldezernent der Stadt Köln und aufgrund seiner Dienststellung gemäß dem AVG-Gesellschaftsvertrag vom 01.01.1994 bis zum 29.06.2001 Mitglied des AVG-Aufsichtsrates. Der Zeuge hat zwar bekundet, dass die Verbrennung von mehr als 421.000 t/a Müll für die Stadt ja nur von Vorteil gewesen sei. Da er als Abfalldezernent zugleich aber wusste, dass die Stadt Köln nach außen die Haltung vertrat, mit Rücksicht auf die Kölner Bürger nur „Kölner Dreck“ verbrennen zu wollen, konnten entsprechende kritische Nachfragen nicht in seinem Sinne sein. Daher liegt es nahe, dass der Zeuge das Erteilen einer entsprechenden Weisung heute in Abrede stellt. Zudem ist es nicht erheblich, ob der Zeuge Dr. R3 dem Zeugen K3 eine rechtlich als solche zu wertende Weisung erteilt, oder ob er ihm lediglich zu verstehen gegeben hat, dass die Dimensionierung Sache der AVG, jedenfalls aber nicht des Amtes 70 sei. Schließlich ist bei der Würdigung seiner Aussage insoweit zu berücksichtigen, dass auch der Zeuge Dr. R3 in einer gewissen finanziellen Nähe zu dem an einer auch auswärtigen Müll verbrennenden RMVA sehr interessierten Zeugen F6 steht, mit dem er - wie festgestellt - nach seinem Ausscheiden als Umweltdezernent am 31.12.2001 seit dem 01.01.2002 einen Beratervertrag unterhielt (SL 1756 ff.).
1446Allerdings folgt die Kammer den Bekundungen des Zeugen, soweit er angegeben hat, man habe sich damals politisch auf eine Verbrennungskapazität von 421.000 t/a verständigt; diese Angabe deckt sich u.a. mit der Einlassung des Angeklagten A sowie den Bekundungen der Zeugen K3,U2 und der Zeugin V2.
1447Der Zeuge Dr. R3 hat ferner in Bezug auf den Vertrag des ZeugenF6 mit dem Kreis Euskirchen vom 19.12.1997 über die Ausnutzung der thermischen Behandlung von Siedlungsabfällen aus dem KreisEuskirchen (SL 1486 ff.) bekundet, der Zeuge F6 sei „so etwas wie ein Katalysator“ gewesen, „der Sachen möglich gemacht hätte, die eigentlich sinnvoll gewesen wären“, ohne dass er, der Zeuge Dr. R3, damit etwas über die Methoden des Zeugen F6 sagen wolle; insoweit beruhen die Feststellungen betreffend die Übereinstimmung der Pläne der Kölner Bezirksregierung mit den Interessen des Zeugen F6 in Bezug auf die Verbrennungskapazität der RMVA auch auf den Bekundungen des Zeugen Dr. R3.
1448Der Zeuge Dr. R3 hat ferner bestätigt, dass in der Auseinandersetzung zwischen der Stadt Köln und dem Kreis Euskirchen wegen der Kündigung des Deponievertrages im Jahr 1997 eine Einigung erzielt worden sei, aufgrund derer der Zeuge F6 seitens der AVG ein Verbrennungskontingent von 50.000 t/a erhalten habe und der Kreis Euskirchen seine Abfallentsorgung über die Unternehmen des Zeugen F6 abwickele.
1449g)
1450Auch der Zeuge Z3 - 1997 ehrenamtlicher und heute hauptamtlicher Landrat des Kreises Euskirchen - hat hinsichtlich der Feststellungen im Zusammenhang mit dem Kreis Euskirchen wie festgestellt bekundet. Er hat insbesondere angegeben, dem Kreis Euskirchen hätten nach der Kündigung des Deponievertrages durch die Stadt Köln 1997 hohe Einnahmeverluste gedroht, so dass man sich im Mai 1997 zu einer Klage gegen die Stadt vor dem Verwaltungsgericht Köln entschlossen habe. Ziel dieser Klage(4 K 4584/97) sei es gewesen, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Kündigung des Deponievertrages unwirksam sei und dieser über den 31.12.1997 hinaus fortbestünde, und die Stadt Köln zur Zahlung einer Ablösesumme für das Jahr 1998 von 26.910.000,00 DM nebst Zinsen verurteilen zu lassen. Die Verwaltung des Kreises Euskrichen habe aber zeitgleich auch Gespräche mit dem Zeugen F6 geführt, die mit dem Regierungspräsidenten abgestimmt gewesen seien. Ergebnis dieser Gespräche sei der bereits erwähnte Vertrag des Kreises Euskirchen mit der F6 GmbH über die Ausnutzung der thermischen Behandlung von Siedlungsabfällen aus dem Kreis Euskirchen (SL 1486 ff.) gewesen, der zu einer Verrechnung mit den Verlusten durch die Kündigung des Deponievertrages mit der Stadt Köln geführt habe und durch den ein an die F6 GmbH zu entrichtender Verbrennungspreis von 290,00 DM/t netto fest geschrieben worden sei. Der Kreis Euskirchen habe daraufhin die Klage zurückgenommen. Eine Abtretung von Schadensersatzansprüchen in diesem Zusammenhang an dieF6 GmbH, ein anderes Unternehmen des Zeugen F6 oder den Zeugen F6 selber sei nicht erfolgt. Ferner hat er angegeben, der aufgrund des Vertrages mit der F6 GmbH vom 19.12.1997 in der RMVA zu verbrennende Müll werde dorthin seitens des Kreises Euskirchen ohne die Zwischenschaltung oder sonstige Beteiligung eines Unternehmens des Zeugen F6 auf Kosten des Kreises Euskirchen verbracht.
1451Der seitens des Zeugen F6 bzw. seines Unternehmens für den aus dem Kreis Euskirchen angelieferten Müll an die AVG zu zahlende Preis von 264,00 DM/t netto ergibt sich u.a. aus dem Vertrag zwischen der F6 GmbH und der AVG vom 29.06.1998 (SL 1114 ff.).
1452Die Bekundungen des Zeugen Z3, an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, sind glaubhaft. Soweit seine Angaben Umstände aus der Zeit betreffen, in der er als ehrenamtlicher Landrat tätig war, hat er sich anhand der ihm zugänglichen Verwaltungsakten die notwendige Sachkunde verschafft.
1453h)
1454Die Feststellungen zum Umfang und der Art und Weise der Erörterungen der Dimensionierungsfrage im AÖEA beruhen u.a. auf den Bekundungen des Zeugen D3, dem abfallpolitischen Sprecher der ###3, der vonNovember 1994 bis 1999 Vorsitzenden des AÖEA war. Der ZeugeD3, auch Mitglied des AVG-Aufsichtsrates, hat bekundet, er sei von Beginn an wegen der bekannten Deponielage von der Notwendigkeit der Errichtung einer RMVA überzeugt gewesen und habe auch die Beteiligung eines Privaten an der AVG befürwortet; denn er habe gesehen, dass ohne die Einschaltung eines privaten Unternehmers städtische Vorhaben - wie etwa die Philharmonie Köln - nicht selten um ca. 50 % teurer würden. Zwar hat der Zeuge D3 auf der einen Seite von lebhaften Diskussionen über die Dimensionierungsfrage im AÖEA berichtet, auf der anderen Seite aber auch bekundet, dass man sich dort im Wesentlichen auf die Fachleute verlassen habe, die das Projekt der RMVA aus den Reihen der Stadtverwaltung vorgestellt hätten.
1455Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, dass die tatsächliche Leistung der geplanten RMVA doch relativ leicht anhand der bereits erwähnten Formel habe ermittelt werden können, hat der Zeuge D3 angegeben, er sei nicht in der Lage gewesen, die Kapazität aus eigener Kenntnis zu berechnen; so etwas könne ein ehrenamtliches Mitglied nicht leisten; es hätten für ihn keine Anhaltspunkte für eine Überdimensionierung der Anlage vorgelegen.
1456Hinsichtlich der Informationslage im AÖEA hat der Zeuge D3 auf den Vorhalt seiner entsprechenden Angaben im Rahmen seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren zunächst angegeben, wenn er dort von „Hochglanzbroschüren“ gesprochen habe, die ihnen seitens der Stadtverwaltung vorgelegt worden seien, so bedeute dies, es habe sich um „dicke Akten, teilweise mit Bildern und Zeichnungen“, gehandelt, die so umfangreich gewesen seien, dass man sie nicht habe vollständig durcharbeiten können. Auf Nachfrage des Vorsitzenden hat der Zeugen dann aber - unter Hinweis darauf, dass er damals ja auch noch andere Aufgaben als die des Vorsitzes im AÖEA gehabt habe - eingeräumt, es habe durchaus auch „wunderbare Dokumentationen“ gegeben.
1457o) Der Zeuge D3 konnte sich nicht daran erinnern, dass im AÖEA einmal beraten worden sei, ob man der AVG gegenüber eine Weisung erteilen solle. Die entsprechende Frage eines Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft beantwortete der Zeuge D3, ob damit gemeint sei, inwiefern ein Bußgeld gegen die AVG hätte verhängt werden können, wenn diese etwa gegen öffentlich-rechtliche Pflichten verstoßen hätte.
1458Schon nach diesen Bekundungen hat die Kammer die Überzeugung gewonnen, dass eine effektive Auseinandersetzung mit der Dimensionierung der RMVA im AÖEA nicht erfolgte, man sich im Wesentlichen seitens der dortigen Mitglieder vielmehr unkritisch auf die Angaben verließ, die von der Stadtverwaltung gemacht wurden. Diese Überzeugung wird untermauert durch den Umstand, dass anhand der von der Zeugin V2 mitgeteilten Formel, die den Ausschussmitglieder bekannt war, die tatsächliche Verbrennungsleistung auch für einen Laien ohne viel Aufwand nachzurechnen war. Hinzu kommt aber, dass der Zeuge D3 darüber hinaus bekundet hat, er habe zwar viel Zeit mit der Beschäftigung mit der RMVA verbracht, die Entscheidungen im AÖEA seien aber häufig unter enormem politischen Druck gefallen und er habe auch Vorlagen zugestimmt, ohne diese bis ins Letzte zu verstehen.
1459i)
1460Die Feststellungen zu der Behandlung der Frage der Dimensionierung im Aufsichtsrat der AVG beruhen u.a. auf den Bekundungen der Zeugen X2. Sie hat bekundet, eine wirkliche Sacharbeit - weder bzgl. der Dimensionierung noch zu anderen Fragen - habe im Aufsichtsrat in der Regel nicht stattgefunden. Wenn nicht sie immer wieder kritische Fragen angebracht hätte, seien die Sitzungen zumeist nach wenigen Minuten beendet gewesen. Ihre Gesprächspartner bei den diversen Auseinandersetzungen seien im Wesentlichen der Angeklagte A und der Zeuge Dr. 03 gewesen, während die anderen Aufsichtsratsmitglieder mehr oder weniger unbeteiligt dabei gesessen hätten.
1461Wenngleich die Zeugin X2 im Rahmen ihrer Vernehmung - wie bereits angesprochen - teilweise sehr emotional auftrat, hat die Kammer doch in Bezug auf diese Bekundungen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Solche begründen sich auch nicht alleine aus dem Umstand, dass die Zeugin X2 aus ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der RMVA als solcher und ihrer Geringschätzung des Verhaltens der Angeklagten in diesem Zusammenhang keinen Hehl machte, denn sie hat gleichwohl nicht den Eindruck hervorgerufen, die Angeklagten zu Unrecht belasten zu wollen. Darüber hinaus stimmen ihre Angaben über die Erörterung streitiger Fragen im Aufsichtsrat auch mit den Schilderungen des Zeugen Dr. R3 - seinerseits kein Kritiker der RMVA - überein, der insoweit bekundet hat, der Angeklagte A habe ihm einmal berichtet, der Aufsichtsratsvorsitzende und Zeuge Dr. 03 wünsche im Aufsichtsrat keine Diskussionen, vielmehr solle die Klärung strittiger Fragen vor oder nach den Sitzungen erfolgen.
1462j)
1463Auch der Zeuge H2 - seit dem 01.05.2000 Geschäftsführer der AVG und bereits 1993 und in den Folgejahren dort angestellt - hat glaubhaft bekundet, dass die AVG nur mit dem Zeugen F6 bzw. seinen Unternehmen Kontingentverträge unterhalte; durch die Einbindung des Zeugen F6 in diesem Bereich erspare sich die AVG hinsichtlich des Handels mit den freien Verbrennungskontingenten eine eigene Vertriebsabteilung. Der Zeuge H2 hat ferner zu den Müllanliefermengen zur RMVA Köln seit 1998, den Herkunftsorten und den jeweils berechneten Preisen wie festgestellt bekundet und auch angegeben, die Unternehmen des ZeugenF6 hätten nie weniger Müll geliefert als vertraglich eingeräumt. Weiter hat der Zeuge H2 angegeben, ihm sei nicht bekannt, dass der Kreis Euskirchen im Zusammenhang mit der Kündigung des Deponievertrages durch die Stadt Köln Schadensersatzansprüche an den ZeugenF6 abgetreten habe.
1464Der Zeuge H2 hat auf Nachfrage des Vorsitzenden weiter angegeben, eine schriftliche Anfrage des Landrates des Erftkreises aus Juli 2000 nach der „Beteiligung des Zeugen F6 an der AVG“ dahin beantwortet zu haben, dass es keine Beteiligung des Zeugen F6 gebe; er sei davon ausgegangen, dass ein Landrat zwischen der Beteiligung einer Person und eines Unternehmens unterscheiden könne; auf eine spätere Anfrage hin habe er - was zutrifft - die Beteiligungsverhältnisse dem Erftkreis allerdings mitgeteilt.
1465Der Zeuge H2 hat - in Übereinstimmung mit dem im heutigen Rhein-Erft-Kreis zuständigen Dezernenten, dem Zeugen G4, und der Urkundenlage - ferner bekundet, dass seit 1998 jährlich erhebliche Mengen an Müll aus dem Erftkreis über die „Kontingente F6“ in der RMVA Köln verbrannt werden.
1466Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zeugen H2 in Bezug auf die Bekundungen im Zusammenhang mit der Dimensionierung der RMVA bestehen nicht.
1467k)
1468Die Feststellungen betreffend die Widerstände gegenüber der RMVA Köln- sowohl innerhalb der Bevölkerung als auch innerhalb der politischen Parteien, insbesondere der ###3 - beruhen insbesondere auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten A sowie den diese bestätigenden glaubhaften Bekundungen der Zeugen Dr. I6, D3, K3, E1 und S3 sowie der Zeuginnen J2 und X2; diesbezüglich kann auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen werden.
1469l)
1470p) Schließlich beruhen diese Feststellungen im Zusammenhang mit der Dimensionierung der RMVA insbesondere auf folgenden Urkunden:
1471- Abfallwirtschaftskonzept der Stadt Köln vom 13.12.1988(SL 633 ff., siehe auch Anlage I zum Urteil),
1472- Erste Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes der Stadt Köln vom 18.03.1993 (SL 699 ff., siehe auch Anlage VII zum Urteil),
1473Protokoll einer Jour-Fix-Besprechung der Geschäftsleitung der AVG vom 22.02.1994 (SL 1496),
1474- Vereinbarung der F6 GmbH mit der AVG vom 30.12.1997 über die Anlieferung von Abfällen zur Deponie Vereinigte Ville und zur RMVA (SL 1118),
1475- Verlängerungsvereinbarung vom 30.12.1998 betreffend die Vereinbarung der F6 GmbH mit der AVG vom 30.12.1997 über die Anlieferung von Abfällen zur Deponie Vereinigte Ville und zur RMVA (SL 1112 f.),
1476- Verlängerungsvereinbarung vom 25.10.1999 betreffend die Vereinbarung der F6 GmbH mit der AVG vom 30.12.1997 über die Anlieferung von Abfällen zur Deponie Vereinigte Ville und zur RMVA (SL 1098 f.),
1477- Verlängerungsvereinbarung vom 07.06.2000 betreffend die Vereinbarung der F6 GmbH mit der AVG vom 30.12.1997 über die Anlieferung von Abfällen zur Deponie Vereinigte Ville und zur RMVA (SL 1095 f.),
1478- Vertrag zwischen der AVG und der F6 GmbH vom 29.06.1998 über ein Abfalllieferkontingent von 50.000 t/a(SL 1114 ff.),
1479- Vertrag zwischen dem Kreis Euskirchen und der F6 GmbH vom 19.12.1997 über die Ausnutzung der thermischen Behandlung von Siedlungsabfällen aus dem Kreis Euskirchen (SL 1486 ff.),
1480- Schreiben der F6 AG an die AVG vom 04.05.1999 betreffend die Entsorgung von Gewerbemüll aus dem Erftkreis (SL 1505),
1481- Schreiben des Erftkreises an die Stadt Köln vom 07.10.1997 betreffend die Zuordnung der entsorgungspflichtigen Körperschaften zu Entsorgungsregionen (SL 1497),
1482- Schreiben der AVG an den Erftkreis vom 30.10.1997 betreffend die Zuordnung der entsorgungspflichtigen Körperschaften zu Entsorgungsregionen (SL 1503 f.),
1483- Schreiben des Erftkreises an die AVG vom 07.10.1999 betreffend öffentlich-rechtliche Kooperationen, Angebotsanfrage Verbrennungsentgelt (SL 1506),
1484- Schreiben der AVG an den Erftkreis vom 19.11.1999 betreffend öffentlich-rechtliche Kooperationen, Angebotsanfrage Verbrennungsentgelt (SL 1508 f.).
1485m)
1486Aus den zuvor aufgeführten Umständen ergibt sich, dass von vornherein die Kapazität der RMVA erheblich größer angelegt worden ist, als dies zur Verbrennung allein des Kölner Mülls angebracht gewesen wäre. Vielmehr hat man von Anfang an daran gedacht, insoweit freie Überkapazitäten zu schaffen, die dazu diente, Müll, der nicht aus Köln stammt, zu verbrennen.
1487Anders kann auch nicht erklärt werden, weshalb bereits durch Vertrag vom 29.06.1998 die AVG dem Hause F6 für die Zeit ab 2005 bis 2024 ein festes Kontingent von 50.000 t/a eingeräumt hat, das nicht den Kölner Müll betrifft. Dieser Vertrag ist zu einer Zeit geschlossen worden, als die RMVA noch nicht ihren regulären Betrieb aufgenommen hatte und insbesondere eine Absenkung des Heizwertes, die eine Erhöhung der Durchsatzmenge ermöglicht, aufgrund von Abbestellungen der Biotonne noch nicht absehbar war.
1488q) Auch das Protokoll über die Jour-Fix-Besprechung der Geschäftsleitung der AVG vom 22.02.1994 (SL 1496) spricht eine deutliche Sprache:
1489"Kapazität der RMVA
1490Die unlängst von S5 an die AVG herangetragene Frage, ob im Genehmigungsverfahren RMVA 16,25 t/h und Linie oder 17,88 t/h und Linie beantragt werden sollen, wurde nach Diskussion der Vor- und Nachteile dahingehend entschieden, dass der Genehmigungsantrag RMVA ebenso wie der Antrag nach § 5 UVPG von einer zu genehmigenden Verbrennungsleistung von 16,25 t/h und Linie auszugehen habe. Die Technik sei desungeachtet auf 17,88 t/h und Linie auszulegen. Per Änderungsgenehmigungsverfahren könne die Betriebsgenehmigung von 16,25 t/h auf die Auslegungsgröße von 17,88 t/h erhöht werden. Herr A bat darum, S5 von der Entscheidung der AVG in Kenntnis zu setzen."
1491Eine größere Auslegung der Anlage, als sie aus damaliger Sicht für die Verbrennung des Kölner Restmülls erforderlich war, entsprach auch den Interessen der Bezirksregierung und des Zeugen F6:
1492Aus Sicht der Bezirksregierung war eine größere Auslegung der Anlage sinnvoll, um so die Verbrennung von Müll aus dem Erftkreis und ggf. auch aus dem Kreis Euskirchen sicherzustellen mit Rücksicht darauf, dass nicht jeder Kreis und nicht jede kreisfreie Stadt eine eigene Müllverbrennungsanlage bauen konnte, andererseits jedoch ab 2005 Hausmüll grundsätzlich nicht mehr auf Deponien abgelagert werden darf.
1493Für den Zeugen F6 machte die Schaffung von Überkapazitäten ebenfalls Sinn, da solche Überkapazitäten nach den Gegebenheiten des Marktes in der Regel für weniger als den Satzungspreis aufgekauft werden können, so dass sich - wie beispielsweise der Vorgang Euskirchen zeigt - lukrative Gewinnmöglichkeiten bieten, zumal wenn ein Unternehmen wie die F6-Gruppe in ihrem Gebiet eine monopolähnliche Stellung erlangt. Allein hinsichtlich der jährlich 50.000 t, die Euskirchener Müll betreffen, ergibt sich folgende Berechnung:
1494Der Kreis Euskirchen zahlt an das Haus F6 bzw. dessen Rechtsnachfolger für jede Tonne 290,00 DM, wobei der Müll auf Kosten des Kreises bei der RMVA Köln angeliefert wird, so dass nur nicht erheblich ins Gewicht fallende Verwaltungskosten bei dem Haus F6 verbleiben. Das Haus F6 wiederum zahlt an die AVG einen Preis von 264,00 DM je Tonne. Die Differenz beträgt danach 26,00 DM je Tonne. Bei 50.000 t ergibt dies einen jährlichen Gesamtbetrag von 1.300.000,00 DM.
1495Wenn man schließlich bedenkt, dass der Vertrag zwischen dem HausF6 und der AVG eine Laufzeit bis 2024 hat, lässt sich leicht ersehen, welche Gewinnmöglichkeiten sich in diesem Bereich bieten.
1496Dem kann nicht entgegengehalten werden, mit dieser Regelung sei letztlich ein möglicherweise bestehender Schadensersatzanspruch des KreisesEuskirchen in Höhe von insgesamt über 100 Mio. DM im Hinblick auf die seitens der Stadt Köln ausgesprochene Kündigung des Deponievertrages Mechernich abgewendet worden. Denn dies hätte sich ebenso erreichen lassen, wenn die AVG unmittelbar eine entsprechende Abrede mit dem Kreis Euskirchen über die Verbrennung von Restmüll getroffen hätte und der Differenzbetrag von 26,00 DM je Tonne danach nicht zugunsten des HausesF6, sondern zugunsten der AVG und damit ihres Mehrheitsgesellschafters, der Stadt Köln, angefallen wäre. Eine solche Vorgehensweise hat man jedoch, wie die Hauptverhandlung ergeben hat, gar nicht ernsthaft versucht, sondern insoweit den eigentlich gewinnträchtigen Teil der Restmüllverbrennung dem Privaten überlassen.
1497Insoweit ist auch die Argumentation, die AVG bzw. die Stadt Köln könne sich über jede Tonne Müll, der nicht aus Köln stammt, freuen, die - wenngleich unter dem Satzungspreis - in der RMVA verbrannt werde, weil hierdurch auch ein Beitrag zu den ohnehin anfallenden Betriebskosten erwirtschaftet werde, nur vordergründig stichhaltig. Nachdem die Anlage einmal von der Größenordnung so konzipiert worden ist wie geschehen, ist dies richtig. In der bewussten Schaffung von Überkapazitäten - „Überkapazität" wiederum bezogen auf den Kölner Müll - hat man jedoch zugunsten des HausesF6 die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass eben diese Überkapazitäten im Ergebnis nur zu einem Preis verwertet werden können, der erheblich unter dem Kostendeckungspreis liegt, den die Kölner Bürger über die Müllgebühren für die Entsorgung ihres Hausmülls zu entrichten haben.
1498In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch das Volumen zu berücksichtigen, das der private Mitgesellschafter vertraglich an sich gebracht hat. Mit dem Zeugen H2, der ungeachtet seiner beruflichen Verflechtung zum Hause F6, die er unumwunden eingeräumt hat, offen und klar ausgesagt hat, ist der vertrauliche Vermerk des Zeugen Z1 vom 07.11.2000 durchgesprochen worden ebenso wie die Unterlagen, die der Zeuge H2 zur Frage der Mengen- und Preisgestaltung an die Kammer übersandt hatte. Insbesondere aus dem vertraulichen Vermerk der AVG ergibt sich, wie von dem Zeugen H2 bestätigt, dass nicht etwa eine Mischkalkulation zwischen den RMVA- und den Deponievereinbarungen vorgenommen worden ist, sondern jeder Bereich für sich kalkuliert worden ist. Exemplarisch für das Jahr 2000 ergibt sich danach, dass das HausF6 für dieses Jahr betreffend die RMVA Köln ein Gesamtkontingent von 151.000 t hatte. Diese 151.000 t gliedern sich wie folgt: 21.000 t Auffüllkontingent zum Satzungspreis (413,79 DM) sowie zwei weitere Kontingente über 90.000 t und 40.000 t. Hinsichtlich der beiden letztgenannten Kontingente sind unterschiedliche Regelungen zum Preis (66, 67 DM bzw.115,00 DM) getroffen worden, wobei insoweit zudem die Bestimmungen hinsichtlich der an Q6 zu zahlenden Instandhaltungspauschale und der an die GVG zu zahlenden Schredderkosten zu berücksichtigen sind. Der Zeuge H2 hat erklärt, dass seitens der F6 AG im Jahr 2000 insgesamt 147.383 t angeliefert worden sind, und dass sich - bezogen auf diese Gesamtmenge - ein die o.g. Faktoren berücksichtigender Durchschnittspreis von 141,77 DM ergeben habe, während der Satzungspreis im selben Jahr 413,79 DM betragen habe.
1499Bedenkt man ferner, dass der Zeuge F6 beispielsweise auch den besonders lukrativen Wartungsvertrag für eine seiner Firmen erlangt hat, für den er allein für die ersten zehn Jahre ein Ergebnis von ca. 75 Mio. DM prognostiziert hatte, so wird im übrigen deutlich, weshalb dem ZeugenF6 an einem Einstieg als Mitgesellschafter der AVG gelegen war: Mit der Verbrennung des Kölner Hausmülls an sich war nicht das große Geld zu machen, wohl aber mit der Nutzung der Überkapazität und den Begleitverträgen, wie dem Wartungsvertrag. Von da aus ist es auch verständlich, weshalb der Zeuge F6 1994 nach einem einzigen Schmiergelderhalt ohne Not aus dem Schmiergeldkartell ausgeschieden ist. Diese Art, an Geld zu kommen, entsprach nicht seiner unternehmerischen Strategie; es spricht vieles dafür, dass ihm die Einbindung in die Schmiergeldabrede eher lästig war. Hierzu passt, dass er beispielsweise gegenüber dem Angeklagten A erklärt hat, er solle ihn "mit diesem Scheißdreck" - gemeint ist die weitere Abwicklung der Schmiergeldabrede - in Ruhe lassen.
1500Da der Zeuge F6 sich als Füllhorn bewährt hatte, das in Form von Spenden, Posten- und Auftragsvergaben für Wohlwollen sorgte, bestand auch seitens der Kölner Politik kein ausgeprägtes Interesse, die vorbeschriebene Überkapazität zu erkennen bzw. zu verhindern.
1501VI. Feststellungen zum Verfahrensablauf
15021.
1503Hinsichtlich der Feststellungen zum Verfahrensablauf hat die Kammer ihre Erkenntnisse teilweise im Wege des Freibeweises gewonnen. Diese Feststellungen beruhen auf den Bekundungen der Zeugen Kriminaloberkommissar Y1, Kriminalhauptkommissar P3, Kriminaloberkommissar F1, Oberstaatsanwalt M2 und Staatsanwalt F2, der in der Hauptverhandlung vom 18.03.2004 verlesenen dienstlichen Erklärung der Staatsanwälte D2 und D1, der in derselben Hauptverhandlung verlesenen weiteren dienstlichen Erklärung des Staatsanwaltes D2, der mündlichen vorgetragenen dienstlichen Erklärungen der StaatsanwälteD2 und - soweit anwesend - D1 in den Hauptverhandlungstagen zwischen dem 18.03. und 06.05.2004, der mündlichen dienstlichen Erklärung des Oberstaatsanwaltes N4 in der Hauptverhandlung vom 01.04.2004 und der im Weg des Freibeweises in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden.
1504Darüber hinaus beruhen diese Feststellungen insbesondere auf dem verlesenen Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 an den Zeugen Y1 vom 31.01.2003 und dem ebenfalls verlesenen Schreiben des Kriminalhauptkommissars P3 an das Landeskriminalamt vom 12.02.2004.
1505Soweit festgestellt wurde, welche Urkunden sich in den der Kammer am 19.03.2004 auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft übersandten Umzugskartons befanden, wurde hierzu im Wege des Freibeweises durch den Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vom 12.04.2004 vorgetragen; diese Angaben wurden durch die Staatsanwälte D2 und D1 bestätigt, die lediglich eine teilweise abweichende Auffassung zu der Frage vertraten, in wieweit die Staatsanwaltschaft von Amts wegen gehalten war, diese Unterlagen unaufgefordert vorzulegen.
1506Die Feststellungen betreffend die Vernehmung des Zeugen I2 beruhen auf den Bekundungen der Zeugen Oberstaatsanwalt M2 undF2 sowie auf der Verlesung des gegen den Zeugen I2 durch das Amtsgericht Köln am 14.10.2002 erlassenen Haftbefehls.
1507Die Beweiswürdigung der Kammer zu den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Schreiben des Rechtsanwalts I3 vom 31.01.2003 und der Vernehmung des Zeugen I2 als Beschuldigter bei der Staatsanwaltschaft ist des besseren Verständnisses wegen bereits im Kontext mit der Darstellung des Verfahrensganges und bei der Erörterung der Frage, inwieweit eine Einvernahme des Zeugen I2 im Wege der Rechtshilfe geboten erschien, vorgenommen worden, da dort zugleich die verfahrensrelevanten Umstände im Zusammenhang darzustellen waren, aus denen die Kammer die von ihr dargelegten Schlüsse zieht.
15082.
1509Die Feststellungen zu den Strafmaßüberlegungen im Vorfeld der verantwortlichen Vernehmung des Angeklagten A beruhen auf der Einlassung des Angeklagten A, die durch dienstliche Erklärungen der Staatsanwälte D2 und D1 bestätigt wurde, sowie auf den im Wege des Freibeweises in die Hauptverhandlung eingeführten Vermerken des Vorsitzenden Richters am Landgericht I5 vom 02.06.2003 und der Staatsanwälte D2 und D1 vom 14.05.2003.
1510D.
1511Rechtliche Würdigung:
1512I. Strafbarkeit des Angeklagten A
15131. Untreue zum Nachteil der AVG (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB)
1514Der Angeklagte A hat sich zum einen der Untreue zum Nachteil der AVG gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB strafbar gemacht.
1515a)
1516Wenngleich das Abstraktum der Anklageschrift vom 20.03.2003 den Tatvorwurf der Untreue nicht enthält, ist diese vom angeklagten Sachverhalt umfasst. Denn die Untreue und die angeklagten Tatvorwürfe bilden einen einheitlichen Lebenssachverhalt und stellen damit eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO dar.
1517Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zählt zur prozessualen Tat nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten dort zur Last gelegte Geschehensablauf, sondern das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Selbst sachlich-rechtlich selbständige Taten können prozessual eine Tat im Sinne des § 264 StPO sein. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart unmittelbar mit einander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann; eine einheitliche Tat liegt vor, wenn ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Die notwendige innere Verknüpfung muss sich dabei unmittelbar aus den den verschiedenen Strafbestimmungen zugrunde liegenden Handlungen und Ereignissen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung ergeben. Selbst eine zeitliche und räumliche Trennung hindert nicht daran, mehrere Sachverhalte als eine Tat im Sinne des§ 264 StPO aufzufassen. Es kommt insoweit nicht einmal auf den Erkenntnisstand der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung, sondern allein auf die Tatsachenfeststellungen des Gerichts zum Urteilszeitpunkt an (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2001, wistra 2002, 154 ff.).
1518So liegt der Fall auch hier: Die Untreue zum Nachteil der AVG ist die folgerichtige Entwicklung aus der Unrechtsvereinbarung, die im Anklagesatz geschildert und im Wesentlichen auch seitens der Kammer festgestellt, jedoch abweichend von der Anklage nicht als Amtsträger-, sondern als Angestelltenbestechung rechtlich eingeordnet wird. Sie basiert - wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird - auf der im Herbst 1993 getroffenen Unrechtsvereinbarung der Angeklagten A und Dr. B sowie der Zeugen F6 und J4, denn aufgrund dieser Absprache erhöhte sich der seitens der AVG an S5 zu entrichtende Werklohn für die Errichtung der RMVA um den Schmiergeldanteil. Das Gesamtgeschehen stellt eine natürliche Einheit dar, das durch eine Aburteilung in verschiedenen Prozessen unnatürlich aufgespalten würde.
1519Die für die Bejahung der Untreue zum Nachteil der AVG wesentlichen Umstände werden zudem in der Anklage sämtlich im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen geschildert. Den bereits dadurch dokumentierten Verfolgungswillen auch in Bezug auf die Untreue hat die Staatsanwaltschaft darüber hinaus durch Verfügung vom 14.10.2003 (Bl. 12853 f. der Hauptakte) ausdrücklich bekräftigt.
1520Darauf, dass eine Verurteilung wegen einer Untreue zum Nachteil der AVG bzw. einer Beihilfe zu dieser in Betracht kommen könnte, hat die Kammer verschiedentlich hingewiesen, u.a. in den Beschlüssen vom 04.08.2003 betreffend die gegen die Angeklagten A und Dr. B ergangenen Haftbefehle.
1521b)
1522Der Angeklagte A hat den Missbrauchstatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB erfüllt: Er war als Geschäftsführer der AVG sowohl nach den Vorschriften des GmbH-Gesetzes als auch aufgrund seines Anstellungsvertrages befugt, über das für ihn fremde Vermögen der AVG zu verfügen. Bei dieser Vermögensbetreuungspflicht handelte es sich um eine im Innenverhältnis zur AVG wesentliche Pflicht des Angeklagten A.
1523Die ihm eingeräumte Rechtsmacht hat der Angeklagte A missbraucht, indem er im Herbst 1993 mit dem Angeklagten Dr. B und den Zeugen F6 und J4 die anteilige Zahlung eines Schmiergeldes an ihn und die Zeugen F6 und J4 in Höhe von insgesamt 3 % des Auftragsvolumens der RMVA Köln vereinbarte und als Geschäftsführer die AVG vor dem Hintergrund dieser Unrechtsvereinbarung gegenüber S5 aufgrund des Werkvertrages vom 28.01.1994 zur Zahlung eines um das vereinbarte Schmiergeld erhöhten Werklohnes verpflichtete. Damit hat der Angeklagte A gegenüber der AVG die Grenzen seines „rechtlichen Dürfens“ im Rahmen seines „rechtlichen Könnens“ überschritten.
1524Es fehlt auch an einer den Missbrauchstatbestand entfallen lassenden Einwilligung des Vermögensinhabers, also der AVG. Zwar hatte auch der hinter der AVG-Gesellschafterin F6 Entsorgung GmbH stehende Zeuge F6 Kenntnis von der Schmiergeldabrede und billigte diese. Es fehlt jedoch an einer Einwilligung des AVG-Mehrheitsgesellschafters, der Stadt Köln. Dem steht nicht entgegen, dass möglicherweise der ZeugeDr. 03 als Aufsichtsratsvorsitzender der AVG und Kölner Oberstadtdirektor von der Schmiergeldvereinbarung wusste. Zwar vertrat dieser die Stadt Köln nach außen (vgl. § 55 GO NW a.F.). Bei der Prüfung der den Untreuetatbestand ausschließenden Einwilligung ist aber auf den Geschäftsherren und dessen Kenntnis abzustellen, nicht auf das seinerseits untreue Zustimmungsverhalten von Organen des Geschäftsherren, wenn dieses seinerseits als untreu anzusehen ist (vgl. LK-Schünemann, StGB, Stand: 01.05.1998, Rz. 100 zu § 266). Bezogen auf die Stadt Köln ist Geschäftsherr aber die Gesamtheit der Kölner Bürger, die keine Kenntnis von dem Schmiergeldbezug des Werkvertrages zwischen AVG und S5 hatten.
1525c)
1526Die AVG hat durch das pflichtwidrige Handeln des Angeklagten A einen Vermögensnachteil in Höhe von jedenfalls 24.434.344,00 DM erlitten.
1527Dieser Nachteil stellte sich nach Abschluss des Werkvertrags am 28.01.1994 zunächst als eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung dar, deren Höhe den Betrag ausmacht, um den sich der an S5 aufgrund des Vertrages vom 28.01.1994 zu entrichtende Werklohn für die Errichtung der RMVA wegen der einkalkulierten Schmiergeldzahlungen erhöht hat, soweit nicht einvernehmlich der Werklohn wegen teilweiser Nichterbringung von Leistungen herabgesetzt worden war.
1528Diese Vermögensgefährdung hat sich zu einem Vermögensschaden in derselben Höhe verfestigt, nachdem die AVG nach Abschluss der Arbeiten zur Errichtung der RMVA den vereinbarten Werklohn an S5 entrichtet hat.
1529d)
1530Der Angeklagte A handelte auch vorsätzlich.
1531Bereits mit dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung im Herbst 1993 und in dem Wissen, dass S5 nun ein Schmiergeld von ca. 24 Mio. DM zu erwirtschaften hatte, rechnete der Angeklagte A damit, dass S5 das auszukehrende Schmiergeld auf den Werklohn aufschlagen würde und billigte dieses Vorgehen, wenngleich er es auch nicht vorrangig erstrebte. Damit handelte er hinsichtlich der bereits im Ursprungsangebot von S5 einkalkulierten 3 % „NA“ zumindest bedingt vorsätzlich.
1532Nach der Vorlage des manipulierten S5-Angebotes am Wochenende des 03.12. bis 05.12.1993 erkannte der Angeklagte darüber hinaus, dass der Angeklagte Dr. B das Los Abgasbehandlung gegenüber dem Ursprungsangebot um 20 Mio. DM erhöht hatte. Er wusste auch, dass diese Erhöhung der Generierung des zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung weiterhin notwendigen Schmiergeldes diente. Da er dieses Vorgehen kannte und billigte, handelte er insoweit mit direktem Vorsatz.
1533e)
1534Schließlich ist die Untreuehandlung auch nicht verjährt.
1535Die Verjährungsfrist beträgt nach §§ 78 Abs. 3 Nr. 4, 266 Abs. 1 StGB fünf Jahre. Der Fristlauf beginnt mit der Beendigung der Tat (§ 78 a StGB). Beendigung tritt im Falle der Untreue mit dem endgültigen Vermögensverlust ein. Entsteht der Nachteil erst durch verschiedene Ereignisse oder vergrößert er sich durch diese nach und nach, ist maßgebend der Zeitpunkt des letzten Ereignisses (BGH, Urteil vom 08.05.2003, 4 StR 550/02, wistra 2003, 379 ff.; BGH, Urteil vom 01.07.2001, 5 StR 530/00, wistra 2001, 422 f.).
1536Die Untreue war demnach beendet mit dem Eintritt des letzten vom Vorsatz des Angeklagten A umfassten Vermögensnachteils der AVG, also mit der Zahlung der letzten Werklohnrate im August 2000. Verjährung wäre demnach - ungeachtet aller verjährungsunterbrechenden Momente - frühestens im Jahre 2005 eingetreten.
15372. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB)
1538Der Angeklagte A hat sich ferner wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
1539a)
1540Der Angeklagte A war als Geschäftsführer der AVG Angestellter eines geschäftlichen Betriebes. Die AVG stellt einen geschäftlichen Betrieb dar, da sie auf eine gewisse Dauer im Wirtschaftsleben eine betriebliche Tätigkeit aufweist, die sich durch den Austausch von Leistungen und Gegenleistungen vollzieht. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich; im übrigen waren die Entgelte der AVG nach den Grundsätzen der Vollkostendeckung festzusetzen; bei der betriebswirtschaftlichen Entgeltgestaltung war dabei in angemessener Weise neben Eigenkapitalverzinsung und Risikovergütung auch ein Gewinn zu berücksichtigen (§ 10 des Entsorgungsvertrages).
1541b)
1542Mit Abschluss der Unrechtsvereinbarung hat der Angeklagte A von dem Angeklagten Dr. B einen Vorteil - nämlich ein Schmiergeld von 3 % des Auftrageswertes - dafür gefordert und sich versprechen lassen, dass S5 seitens der AVG den Zuschlag zur Errichtung der RMVA Köln erhielt. In Höhe der bei ihm verbliebenen Schmiergelder von mindestens 7,49 Mio. DM wurde der Vorteil dem Angeklagten A selber gewährt, in Höhe der weiteren an ihn geleisteten Zahlungen wurde er einem Dritten im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB gewährt.
1543Die Forderung des Schmiergeldes, die Unrechtsvereinbarung mit dem in ihr enthaltenen Vorteilsversprechen sowie die Gewährung des Vorteils erfolgten im geschäftlichen Verkehr.
1544d)
1545Gegenleistung für den Vorteil war die Bevorzugung von S5 bei der Erteilung des RMVA-Zuschlags. Die für eine Bevorzugung erforderliche Wettbewerbssituation war gegeben, denn mit V5, T5 und - bis zu deren Ausstieg Anfang Dezember 1993 - auch mit R5 bewarben sich Konkurrenten um das Projekt; selbst nach dem Ausscheiden von R5 verblieben - S5 eingerechnet - drei Bewerber.
1546Es handelte sich auch nicht um einen bloßen Schein-Wettbewerb, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch V5, T5 sowie R5 (bis zu ihrem Ausscheiden) ernsthaft an der Auftragserlangung interessiert waren.
1547e)
1548Die Bevorzugung von S5 war auch unlauter. Denn dadurch, dass der Angeklagte A dem Angeklagten Dr. B die Angebotsdaten der Mitbewerber zugänglich machte, um es diesem zu ermöglichen, das S5-Angebot so zu gestalten, dass die AVG dieser den Zuschlag erteilte, schädigte er durch Umgehung der schließlich offen gelegten Regeln des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz die Mitbewerber. Dem steht nicht entgegen, dass bereits das nicht manipulierte S5-Angebot vom 03.12.1993 vom Gesamtpreis her betrachtet das Günstigste aller Bieter war. Denn der Angeklagte A hatte - was der Angeklagte Dr. B wusste - das Ausschreibungsverfahren bewusst offen gestaltet, um sich die Möglichkeit zu erhalten, den Auftrag nach von ihm auch im Nachhinein festgelegten Kriterien zu vergeben; daher war klar, dass allein die Abgabe des günstigsten Gesamtangebotes nicht ohne weiteres die Erteilung des Zuschlag nach sich zog; ein Anspruch des günstigsten Generalunternehmers auf Zuschlagserteilung bestand nicht.
1549f)
1550Da der zu gewährende Vorteil - nämlich das insgesamt 3 %-ige Schmiergeld ‑ in der Unrechtsvereinbarung genau festgelegt wurde, besteht zwischen den Tatbestandsmerkmalen des Forderns, Sich-versprechen-lassens und Annehmens natürliche Handlungseinheit. Obwohl das Schmiergeld in mehreren Teilakten seitens S5 an die zur Verteilung vorgesehenen Firmen überwiesen und in mehreren Tranchen an den Angeklagten A bzw. die Zeugen F6 und J4 ausgezahlt wurde, handelt es sich um eine einheitliche Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Zwar bildet bei Bestechungstaten grundsätzlich nicht alles, was auf ein- und dieselbe Unrechtsvereinbarung zurückgeht, stets eine Tat. Tatbestandliche Handlungseinheit liegt aber vor, wenn der zu leistende Vorteil genau festgelegt wird- mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein. Anders ist es, wenn der versprochene Vorteil von einer künftigen Entwicklung abhängt, insbesondere, wenn die Vorteilsgewährung „open-end-Charakter“ trägt (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1997, 1 StR 323/97, wistra 1998, 106 ff.; BGH, Beschluss vom 05.06.1996, 3 StR 534/95 II, NStZ-RR 1996, 354; BGH, Urteil vom 18.10.1995, 2 StR 324/94, BGHSt 41, 292 ff.).
1551Die Angeklagten A und Dr. B sowie die ZeugenF6 und J4 waren bereits bei Abschluss der Unrechtsvereinbarung im Herbst 1993 darin überein gekommen, dass ein Schmiergeld in Höhe von 3 % des Auftragsvolumens zu zahlen war und der Angeklagte A sowie die Zeugen F6 und J4 hiervon je 1 % erhalten sollten. Weder erfolgte eine Abänderung der Unrechtsvereinbarung in der vom Angeklagten Dr. B behaupteten Weise, dass 1994 die Zahlung des Schmiergeldes vom zu erzielenden Erfolg beim „Drücken“ der Konsorten abhängig gemacht wurde, noch wurde die Unrechtsvereinbarung 1996 beendet.
1552Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die Zeugen F6 und J4 im Verlauf der Abwicklung der Unrechtsvereinbarung als Schmiergeldempfänger ausschieden. Denn dies hatte auf die Gesamtsumme des zu zahlenden Schmiergeldes keinen Einfluss, sondern wirkte sich nur auf den Personenkreis der Empfänger aus. Im übrigen erfolgte die Auszahlung der Schmiergeldraten entsprechend dem ursprünglichen Fälligkeitenplan: so wurde ein erster Teil 1994 - und damit nach Vertragsschluss - gezahlt, ein zweiter Teil vorgezogen im Jahr 1995, ein dritter Teil 1996 nach dem Baubeginn entrichtet und der Rest in den Jahren 1998/99 nach Fertigstellung der RMVA ausgezahlt.
1553g)
1554Der Angeklagte A handelte auch vorsätzlich. Er kannte seine Stellung als Angestellter und wusste sowohl um den bei der AVG getätigten geschäftlichen Betrieb als auch die bestehende Wettbewerbslage; ferner wusste er um den Umstand, dass er S5 durch sein Vorgehen in unlauterer Weise bevorzugte.
1555h)
1556Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr ist nicht verjährt.
1557Die Verjährungsfrist beträgt nach §§ 78 Abs. 3 Nr. 4, 299 Abs. 1 StGB fünf Jahre. Der Fristlauf begann mit der Beendigung der Tat (§ 78 a StGB). Beendet ist die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr - wie die Bestechlichkeit nach § 332 StGB (vgl. dazu BGH, Entscheidung vom 29.01.1998, NJW 1998, 2373 ff.) - erst mit der letzten Annahme des von der Unrechtsvereinbarung erfassten Vorteils, in dem das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss findet (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2003, 5 StR 489/02, wistra 2003, 385 ff.; auch BGH, Entscheidung vom 15.03.2001, 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310 ff.; BGH NStZ-RR 1998, 268; BGHR, StGB, vor § 1 Serienstraftaten Bestechlichkeit 1; BGH NStZ 2000, 318; LK-Tiedemann, StGB, Stand: 01.09.2001, Rz. 60 zu § 299).
1558Da sämtliche Schmiergeldzahlungen an den Angeklagten A - wie dargestellt - auf der Unrechtsvereinbarung aus Herbst 1993 beruhten, handelt es sich um die Abwicklung eines einzigen Vorhabens und nicht um eine „open-end-Abrede“. Die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr wurde daher durch die Entgegennahme der letzten Schmiergeldzahlung beendet, die der Angeklagte A zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 1999 von dem Zeugen L4 erhalten hat.
1559Als verjährungsunterbrechende Maßnahme ist jedenfalls der Erlass des gegen den Angeklagten A gerichteten Haftbefehls vom 25.02.2002 (503 Gs 803/02) anzusehen. Damit hätte die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr frühestens im Februar 2005 verjähren können.
1560i)
1561Wenngleich die Unrechtsvereinbarung und auch die ersten Schmiergeldzahlungen bereits vor 1997 und damit vor Einführung des § 299 StGB durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13.08.1997 erfolgten, richtet sich die Strafbarkeit des Angeklagten A nach dieser Norm und nicht lediglich nach § 12 UWG a.F.. Denn nach § 2 Abs. 2 StGB findet, wenn sich die Strafdrohung während der Begehung der Tat ändert, das Gesetz Anwendung, das bei Beendigung der Tat gilt. Die letzte Schmiergeldzahlung an den Angeklagten A aber erfolgte - wie dargestellt - erst im Frühjahr 1999.
1562j)
1563Einer Verurteilung des Angeklagten A nach § 299 Abs. 1 StGB steht auch nicht entgegen, dass die im Jahr 1993 begonnene Tat zunächst gemäß § 22 UWG a.F. nur auf Antrag verfolgbar war und ein entsprechender Antrag der Berechtigten nicht gestellt wurde. Denn mit der Neufassung der Straftatbestände der Bestechung und Bestechlichkeit durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz im Jahr 1997 wurde nicht nur § 12 UWG a.F. in§ 299 StGB überführt, sondern dieser zugleich als relatives Antragsdelikt ausgestaltet. Dies hat zur Folge, dass nach § 301 Abs. 1 StGB die Staatsanwaltschaft die Tat auch ohne entsprechenden Antrag des Geschädigten verfolgen kann, wenn sie wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält (vgl. BGH, Entscheidung vom 15.03.2001, BGHSt 46, 310 ff.). Die Staatsanwaltschaft Köln hat das Vorliegen des öffentlichen Interesses ausdrücklich bejaht (vgl. Blatt 12853 f. der Hauptakte).
15643. Steuerhinterziehung (§§ 370 Abs. 1, 369, 150, 149 AO i.V.m. §§ 22,
156525 EStG, §§ 56 - 60 EStDV, § 2 SolzG)
1566Der Angeklagte A hat sich des weiteren gemäß §§ 370 Abs. 1, 369, 150, 149 AO i.V.m. §§ 22, 25 EStG, §§ 56 - 60 EStDV, § 2 SolzG der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag strafbar gemacht.
1567a)
1568Die an einen Arbeitnehmer gezahlten Schmiergelder sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG (vgl. BFH, Urteil vom 31.05.2000, IX R 73/96, DStRE 2000, 1187 f.).
1569Der Angeklagte A gab für die Jahre 1995 bis 1998 Einkommensteuererklärungen ab, in denen er die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Teile seines Einkommens - insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen und die sonstigen Einkünfte, die er durch die ihm im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA überlassenen Schmiergeldzahlungen erzielte - verschwieg:
1570Fälle |
1 |
2 |
3 |
4 |
Einkünfte |
1995 |
1996 |
1997 |
1998 |
Schmiergeld- zahlungen in DM (= sonstige Einkünfte) |
1.000.000,00 |
400.000,00 |
---- |
1.890.000,00 |
Kapitalvermögen in DM |
156.442,00 |
216.512,00 |
161.800,00 |
175.317,00 |
Insgesamt (in DM) |
1.156.442,00 |
626.512,00 |
161.800,00 |
2.065.317,00 |
Auf diese Weise gelang es ihm, Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt 2.235.380,90 DM (= 1.142.927,90 €) in folgenden Einzelbeträgen für die jeweiligen Jahren zu hinterziehen (ohne die auf die Steuern zu zahlenden Zinsen):
1572Fälle |
1 |
2 |
3 |
4 |
1995 |
1996 |
1997 |
1998 |
|
Einkommensteuer in DM |
612.926,00 |
320.888,00 |
77.330,00 |
1.088.532,00 |
Soli-Zuschlag in DM |
45.969,45 |
24.066,60 |
5.799,75 |
59.869,26 |
Summe (in DM) |
658.895,45 |
344.954,60 |
83.129,75 |
1.148.401,20 |
b)
1574Der Strafbarkeit wegen Hinterziehung von Einkommensteuer steht nicht entgegen, dass der Angeklagte A im Jahr 2002 den Finanzämtern erhebliche Vermögenswerte zur Begleichung seiner Steuerschuld zur Verfügung gestellt und Leistungen an die AVG erbracht hat, die den Schaden mindern. Denn Aufwendungen des Steuerschuldners sind nach dem sog. Zu- und Abflussprinzip erst im Zeitpunkt des jeweiligen Abflusses - hier also frühestens im Jahr 2002 - zu berücksichtigen. Dies ergibt sich daraus, dass die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung nach §§ 2 Abs. 7 Satz 2, 25 EStG jeweils für ein Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) zu ermitteln sind. Wie Einnahmen erst in dem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zufließen, so sind auch Ausgaben nur in dem Jahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese sich aus den Eigengesetzlichkeiten des Einkommensteuerrechts ergebende Wirkung hat der Steuerpflichtige hinzunehmen. Durch die Normierung des Zu- und Abflussprinzips hat es der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass es durch die Zusammenballung von Einnahmen und Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum zu steuerlichen Zufallsergebnissen kommen kann, die gegebenenfalls zu einer erheblichen steuerlichen Be- oder Entlastung führen können.
1575Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Rechtsprechung eine Ausnahme von dieser Regelung für den Fall angenommen hat, dass etwa Werbungskosten bei Einkünften aus einmaligen (sonstigen) Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG auch dann im Jahr des Zuflusses der Einnahme abziehbar sind, wenn sie vor diesem Jahr angefallen sind oder nach diesem Jahr mit Sicherheit anfallen werden (vgl. BFH, Urteil vom 03.06.1992, X R 91/90, BFHE 168, 272). Denn vorliegend ist - im Gegensatz zu den Werbungskosten oder den Veräußerungserlösen bei Spekulationsgeschäften - eine Rückzahlung des Schmiergeldes durch den Angeklagten A keineswegs schon im Zuflussjahr mit Sicherheit zu erwarten gewesen; vielmehr entsprach es im jeweiligen Zuflussjahr gerade der Absicht des Angeklagten A, das Schmiergeld nicht seinem Arbeitgeber als dem Geschädigten zur Verfügung zu stellen.
1576c)
1577Der Angeklagte A handelte auch vorsätzlich.
1578d)
1579Der Angeklagte A ist nicht nach § 371 Abs. 1 AO straffrei. Zwar hat er bereits im Rahmen seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren am 25.04.2002 Angaben zu den an ihn geleisteten Schmiergeldzahlungen gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren die mit diesen Zahlungen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Steuerstraftaten aber bereits teilweise entdeckt, womit der Angeklagte A zumindest auch rechnete (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO). Denn der Zeuge L4 hatte den Ermittlungsbehörden im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vom 22.02. und 07.03.2002 umfangreiche Angaben zu dem in Rede stehenden Sachverhalt und auch gezielt zu an den Angeklagten A aufgrund der Unrechtsvereinbarung aus dem Herbst 1993 geflossenenen Schmiergeldzahlungen gemacht.
1580e)
1581Die dem Angeklagte A zur Last gelegten Steuerhinterziehungsdelikte sind auch nicht verjährt.
1582Ausschlaggebend für den Lauf der nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i.V.m. § 370 Abs. 1 AO fünfjährigen Verjährungsfrist ist der Zeitpunkt, zu dem die Veranlagungsarbeiten des für den Angeklagten A zuständigen Finanzamtes W8 für das jeweilige Steuerjahr abgeschlossen waren. Dies war für jedes in Frage kommende Jahr spätestens mit dem Erlass des jeweiligen Steuerbescheides der Fall.
1583Die Steuerbescheide im fraglichen Zeitraum wurden wie folgt erlassen:
1584- für 1995 am 15.07.1997
1585- für 1996 am 18.11.1997
1586- für 1997 am 10.03.1999 und
1587- für 1998 am 28.03.2000.
1588Spätestens in der Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten A am 25.04.2002 ist ein verjährungsunterbrechendes Ereignis im Sinne des § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB zu sehen, so dass auch die Verjährung der frühesten Steuerhinterziehung für das Jahr 1995 jedenfalls rechtzeitig unterbrochen wurde.
15894. Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB)
1590Der Angeklagte A hat sich - entgegen der Anklage - nicht wegen Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
1591a)
1592Nach der Aufgabe seines kommunal-beamtenrechtlichen Status war er nicht Beamter und damit nicht Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB; da er nicht in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stand, unterfiel er nicht dem Amtsträgerbegriff des § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) StGB. Der Angeklagte A war aber ebensowenig Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB, denn es handelt sich bei der AVG nicht um eine „sonstige Stelle“ im Sinne dieser Vorschrift.
1593Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind unter einer „sonstigen Stelle“ ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform behördenähnliche Institutionen zu verstehen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne, aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken. Auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand sind als „sonstige Stellen“ den Behörden gleichzustellen, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher bzw. kommunaler Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm“ des Staates erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2003, 2 StR 164/03, wistra 2004, 693 ff. m.w.N.). Voraussetzung ist, dass die öffentliche Hand innerhalb der Einrichtung nach der rechtlichen Konzeption einen beherrschenden Einfluss hat, der nicht auf Grundsatzentscheidungen beschränkt ist, sondern sich auch auf die laufenden Geschäfte auswirkt (vgl. etwa BGH, Entscheidung vom 29.01.1992, 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199 ff.; BGH, Entscheidung vom 15.05.1997, 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96 ff.; BGH, Entscheidung vom 19.12.1997, 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370 ff.; BGH, Entscheidung vom 29.01.1998, 1 StR 64/97, StV 1998, 368 ff.; BGH, Entscheidung vom 03.03.1999, 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16 ff.; BGH, Entscheidung vom 15.03.2001, 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310 ff.; BGH, Entscheidung vom 12.07.2001, 4 StR 550/00, wistra 2001, 425 ff.; vgl. auch BGH, Entscheidung vom 16.07.2004, 2 StR 486/03, bislang unveröffentlicht, zitiert nach der Presseerklärung des BGH Nr. 86/04).
1594Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die AVG nicht als „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB anzusehen, weil weder die rechtliche Ausgestaltung noch die tatsächlichen Handhabung des Verhältnisses zwischen der Stadt Köln als öffentlicher Hand und der AVG einen beherrschenden Einfluss der Stadt erkennen lässt, der es rechtfertigte, die AVG als behördenähnlichen „verlängerten Arm“ der Stadt anzusehen. Ausschlaggebend hierfür sind insbesondere folgende Überlegungen:
1595aa)
1596Gegen die Annahme, bei der AVG handele es sich um eine „sonstige Stelle“ i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB, spricht entscheidend deren rechtliche Konzeption. Gemischt-wirtschaftliche Gesellschaften, an denen ein Privater 25,1 % der Anteile hält, sind grundsätzlich nicht als behördenähnlich und damit nicht als „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB anzusehen - insbesondere aber dann nicht, wenn dem privaten Mitgesellschafter wie hier der F6 Entsorgung GmbH im Gesellschaftsvertrag eine Rechtsstellung zugewiesen wird, die es ihm ermöglicht, wesentliche Gesellschaftsentscheidungen zu beeinflussen und sei es auch nur in Gestalt einer Blockade (Sperrminorität).
1597(1)
1598Der BGH hatte sich bislang nicht mit der Grundsatzfrage zu befassen, ob eine aus öffentlichen und privaten Gesellschaftern zusammengesetzte gemischt-wirtschaftliche Privatrechtsperson der rechtlichen Konzeption nach überhaupt als „sonstige Stelle“ i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB qualifiziert werden kann; dies stand auch in dem zur „Amtsträgerfrage“ ergangenen Urteil vom 14.11.2003 (2 StR 164/03, NJW 2004, 693 ff.) nicht zur Entscheidung, da alleinige Inhaberin aller Gesellschaftsanteile der dort behandelten GmbH eine Kommune war. Andererseits hat der BGH in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach zur Bejahung des Merkmals der „sonstigen Stelle“ jedenfalls allein der Umstand, dass die öffentliche Hand 100 %-iger Anteilsinhaber der betreffenden Einrichtung ist, nicht ausreicht, um sie zu einer „sonstigen Stelle“ zu machen (so auch BGH, Entscheidung vom 12.07.2001, 4 StR 550/00, wistra 2001, 425 ff.; BGH, Entscheidung vom 15.03.2001, 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310 ff.).
1599Da nach dem Gesellschaftsvertrag vom 14.05.1992 die ausschließlich privatrechtlich organisierte F6 Entsorgung GmbH 25,1 % der Anteile an der AVG hielt und die öffentliche Hand nicht 100 %-iger Anteilseigner der AVG war, kann angesichts dieser Rechtsprechung jedenfalls allein aus dem Umstand, dass die Stadt Köln (teils unmittelbar, teils mittelbar über die stadt-eigenen XX5) mit insgesamt 74,9 % der AVG-Gesellschaftsanteile Mehrheitsanteilseigner war, erst recht nicht darauf geschlossen werden, dass es sich bei der AVG um eine „sonstige Stelle“ handelt.
1600(2)
1601Ungeachtet der gewählten Privatrechtsform soll nach der Rechtsprechung des BGH eine Einrichtung als „sonstige Stelle“ zu qualifizieren sein, wenn die Behörde sich mit Gründung der privatrechtlichen Gesellschaft lediglich anders organisiert hat, die Privatrechtsgesellschaft jedoch funktional in die Behördenhierarchie eingegliedert bleibt - eben deren „verlängerter Arm“ ist. Vorliegend jedoch hat die Stadt Köln mit der Gründung der AVG nicht nur einen Teil der eigenen Verwaltung und damit sich selbst anders organisiert, sondern zugleich einen privaten Dritten als Mitgesellschafter akzeptiert, der gerade in seiner Funktion als Mitgesellschafter sein besonderes Fachwissen in die Gesellschaft einbringen sollte und einen nicht unbeträchtlichen Einfluss rechtlich und tatsächlich ausübte. Sie hat nicht etwa den Weg beschritten, sich des Fachwissens des Privaten über einen Beratervertrag oder die Einstellung von ihm empfohlener oder ausgesuchter kompetenter Mitarbeiter zu bedienen. Die Stadt hat den Tätigkeitsbereich der AVG also gerade nicht unter Einbindung eines Privaten in ihre Strukturen eingegliedert; sie hat vielmehr diesen Bereich ausdrücklich ausgegliedert; es handelt sich um „Outsourcing“.
1602(3)
1603Dieser Beurteilung kann nicht mit einem Hinweis auf einen vermeintlich entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers bei der Neufassung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB begegnet werden. Zwar mag den Gesetzgeber vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Entscheidung des BGH vom 29.01.1992 (5 StR 338/91, BGH St 38, 199 ff.) zur Aufnahme der „sonstigen Stelle“ in § 11 StGB im Rahmen des schon erwähnten sog. Korruptionsbekämpfungsgesetzes die Überlegung bewogen haben, dass es bei der Anwendung der Amtsträgerdelikte - insbesondere der Korruptionsdelikte - nicht auf die gewählte Rechtsform, sondern auf die Art der Aufgabe ankommt, mit der die Einrichtung betraut ist. Zum einen aber hat der Gesetzgeber selber die Einführung des Zusatzes "unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform" lediglich als Klarstellung bezeichnet (vgl. BTDrs. 13/3384 S. 4, 12), was dafür spricht, dass ihr ein neuer Regelungsgehalt nicht zukommen sollte. Zum anderen folgt angesichts des verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgebotes von Strafnormen aus der Neuformulierung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB noch nicht, dass unter die „sonstige Stelle“ auch solche Einrichtungen des Privatrechts zu subsumieren sind, deren Gesellschaftsanteile nicht ausschließlich von der öffentlichen Hand gehalten werden.
1604(4)
1605Ob eine gemischt-wirtschaftliche Gesellschaft im Ausnahmefall gleichwohl als „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB angesehen werden kann, wenn der nicht der öffentlichen Hand zuzuordnende private Mitgesellschafter in seinen Gesellschafterrechten vertraglich derart beschränkt worden ist, dass er lediglich an Gewinn und Verlust beteiligt ist, er aber keine ins Gewicht fallenden Mitwirkungsrechte hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn die F6 Entsorgung GmbH hatte nach der rechtlichen Gestaltung einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH, der einer beherrschenden Stellung der Stadt Köln entgegen stand:
1606So verfügte die F6 Entsorgung GmbH im Tatzeitraum nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages innerhalb der Gesellschafterversammlung über einen Gesellschaftsanteil, der es ihr erlaubte, wesentliche Angelegenheiten der AVG tatsächlich und rechtlich entscheidend mitzubestimmen (Sperrminorität); dies gilt auch hinsichtlich solcher Entscheidungen, die den Bereich der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflicht berühren, die die AVG als Dritte für die Stadt Köln wahrnimmt. Diese Sperrminorität der F6 Entsorgung GmbH wirkte sich nach dem Gesellschaftsvertrag insbesondere auf folgende Bereiche aus:
1607- Veräußerung eines Geschäftsanteiles (§ 5 Abs. 2)
1608- Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 11 Abs. 3 Satz 2)
1609- Auflösung der Gesellschaft (§ 11 Abs. 3 Satz 2)
1610- Veräußerung des Gesamtunternehmens (§ 11 Abs. 3 Satz 2)
1611- Fortsetzung der Gesellschaft nach Auflösung (§ 11 Abs. 3 Satz 2)
1612- Investitions- und Darlehensaufnahme (§§ 11 Abs. 3 Satz 2, § 9
1613Abs. 2 e)
1614- Abschluss und Kündigung von Unternehmensverträgen (§§ 11 Abs. 3
1615Satz 2, 9 Abs. 2 d)
1616- Bestellung des Abschlussprüfers (§§ 11 Abs. 3 Satz 2, 9 Abs. 2 i)
1617- Feststellung des Wirtschaftsplanes (§§ 11 Abs. 3, 9 Abs. 1 c).
1618Darüber hinaus stand dem privaten Mitgesellschafter eine Sperrminorität auch hinsichtlich der Abberufung des Geschäftsführers zu (§§ 11 Abs. 3, 9 Abs. 1 f.). Nicht zu Unrecht hat der Angeklagte A in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen, dass gerade diese Regelung ihm eine starke Stellung gegenüber etwaigen Einflussnahmen der Stadt gegeben habe.
1619Nach dem Gesellschaftsvertrag erstreckte sich der Einfluss des privaten Gesellschafters auch auf das Kerngeschäft der AVG - die dem Bereich der Daseinsvorsorge zuzurechnende Entsorgung des Abfalls aus Privathaushalten.
1620Gerade die einflussreiche Stellung des privaten Gesellschafters hinsichtlich der Investitions- und Darlehensaufnahme macht deutlich, dass derF6 Entsorgung GmbH inhaltlich auch bei der eigentlichen Ausführung der Entsorgungsaufgabe ein (mit-)entscheidender Einfluss zukam; denn die Entscheidung über die Zurverfügungstellung der Finanzmittel wirkt sich unmittelbar auf die inhaltliche Gestaltung der Gesellschaftstätigkeit aus. Dem steht von der rechtlichen Ausgestaltung der Gesellschaft her betrachtet nicht entgegen, dass - wie noch zu erörtern sein wird - der Zeuge Dr. 03 hinsichtlich der Beteiligung der H9-Bank Köln an der Finanzierung der Errichtung der RMVA tatsächlich auf den Angeklagten A Einfluss genommen hat. Denn gleichwohl hätte nach der Vertragslage die F6 Entsorgung GmbH gegenüber dieser Verfahrensweise ihr Veto erheben können.
1621Die F6 Entsorgung GmbH hatte zudem das Recht zur Stellung eines Prokuristen für den technischen Bereich (technischer Bereichsleiter) und damit nicht nur rechtlich, sondern auch de facto einen weitgehenden Einfluss auf das Handeln der AVG (§ 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages i.V.m. § 4 Abs. 2 des Konsortialvertrages).
1622(5)
1623Gegen die vorstehenden Überlegungen kann nicht angeführt werden, dass nach der Vertragslage der private Mitgesellschafter aufgrund der ihm gesellschaftsvertraglich eingeräumten Rechte lediglich die Möglichkeit gehabt habe, Veränderungen der bestehenden Gesellschaftsstruktur zu blockieren, ohne in der Lage gewesen zu sein, eigenständig eine neue Struktur durchzusetzen. Für die Annahme eines maßgeblichen Einflusses des privaten Mitgesellschafters reicht es schon aus, dass er aufgrund seines Stimmrechts und in rechtmäßiger Ausübung seiner Gesellschafterrechte ihm nicht genehme Entscheidungen wirksam blockieren konnte.
1624Insoweit ist auch das Argument, die Stadt Köln habe sich auf Anraten von N6 gerade wegen der gegenüber anderen Gesellschaftsformen größeren Einflussmöglichkeiten der GmbH als Rechtsform bedient, nicht überzeugend. Denn dass die Möglichkeit der Einflussnahme in einer GmbH höher als etwa in einer AG ist, besagt noch nicht, dass der einflussnehmende (Mehrheits-)Gesellschafter damit auch eine beherrschende Stellung inne hat.
1625(6)
1626Der Einschätzung, dass die Gesellschafterstellung der F6 Entsorgung GmbH mit einer Einordnung der AVG als „sonstige Stelle“ nicht vereinbar ist, steht nicht entgegen, dass auch die Stadt Köln - unmittelbar und mittelbar über die städtischen XX5 - einen erheblichen Einfluss auf die Geschicke der AVG hatte, der von der rechtlichen Ausprägung her die Gestaltungsmöglichkeit der F6 Entsorgung GmbH überwog. Denn ein beherrschender Einfluss der Stadt ist gleichwohl nicht zu erkennen.
1627Dabei wurde sehr wohl berücksichtigt, dass etwa der AVG-Geschäftsführer von der Stadt Köln benannt wurde (§ 8 Abs. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages) und der F6 Entsorgung GmbH insoweit keine Sperrminorität eingeräumt war (§§ 11 Abs. 3 Satz 2, 9 Abs. 1 f des Gesellschaftsvertrages).
1628Auch hat die Kammer beachtet, dass der AVG-Aufsichtsrat im Hinblick auf die gesellschaftsvertraglich geregelten Mehrheitsverhältnisse durch die öffentliche Hand dominiert wurde. Allerdings darf insoweit auch nicht darüber hinweg gesehen werden, dass dem Aufsichtsrat zwar überwachende, überprüfende und beratende Funktionen, jedoch nicht eine die Gesellschaftsgeschäfte lenkende Stellung zukam (§ 13 des Gesellschaftsvertrages).
1629r) Berücksichtigung fand ferner der Umstand, dass AVG-Aufsichtsrat und AVG-gesellschafterversammlung dem Kauf des Grundstücks, auf dem die RMVA errichtet werden sollte, im Beschlusswege zustimmten.
1630Ein maßgeblicher Einfluss der Stadt Köln folgt allerdings daraus, dass die AVG gesellschaftsvertraglich an das AWK der Stadt Köln in seiner jeweils gültigen Fassung gebunden war (§ 2 Abs. 1). Hierbei handelte es sich nicht um eine allgemeinverbindliche Gesetzesbindung; denn das AWK ist seiner Rechtsnatur nach kein formelles oder materielles Gesetz, sondern ein Ratsbeschluss, der lediglich zu einer Selbstbindung der Verwaltung mit Festlegung der politischen Willensrichtung führt. Gleichwohl ist aber trotz dieser vertraglich festgelegten Bindung der privatrechtlich organisierten AVG an das städtische Beschlusswerk mit Blick auf die Frage der Einordnung der AVG als behördenähnliche „sonstige Stelle“ festzuhalten, dass das AWK keineswegs alle wesentlichen Einzelheiten der Müllentsorgung regelte, sondern bloß eine Rahmenrichtlinie darstellte. Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, dass - im Gegensatz zu dieser nur allgemein gehaltenen Bindung der AVG an die politischen Vorgaben der Stadt Köln - der zwischen Stadt und AVG geschlossene Entsorgungsvertrag ausdrücklich auf die Eigenverantwortlichkeit der AVG bei der Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben hinweist (§ 1 Abs. 3 und § 3). Dies unterstreicht, dass die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung der AVG auf das AWK der Stadt Köln eben nur den politischen Rahmen setzte, innerhalb dessen die AVG die ihr entsorgungs- und gesellschaftsvertraglich zugewiesenen Aufgaben weitgehend frei erfüllt. Dieser Umstand fällt besonders ins Gewicht, da in einem Vorentwurf des Gesellschaftsvertrages eine weit engere Bindung - nämlich eine Umsetzung der Ratsbeschlüsse „eins zu eins“ - vorgesehen war und die Herausstellung der Eigenverantwortlichkeit in der Umsetzung des AWK gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Entwurfsfassung eine deutliche Abschwächung der Bindung an die Vorgaben der Stadt bedeutete und auch von den handelnden Personen so verstanden wurde.
1631(7)
1632Auch die Erstreckung des Auftrages des Abschlussprüfers im Rahmen des Jahresabschlusses auf die Aufgaben aus §§ 53, 54 HaushaltsgrundsätzeG (so § 17 des Gesellschaftsvertrages) führte nicht zu einem beherrschenden Einfluss der Stadt Köln. Denn diese Regelung bewirkte lediglich, dass die Tätigkeit der AVG – wie die jedes gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens (vgl. § 112 GO NW) – zusätzlich von der Rechnungsprüfungsbehörde der Stadt kontrolliert werden konnte; eine inhaltliche Steuerung der Gesellschaftstätigkeit im Sinne einer wirklichen Einflussnahme war damit aber nicht verbunden.
1633(8)
1634Die notwendige strukturelle und organisatorische Eingliederung der AVG in die Stadt Köln lässt sich - entgegen der Einschätzung durch die Staatsanwaltschaft - ferner nicht mit dem Hinweis darauf begründen, dass ausweislich der Beschlusslage im Rat der Stadt Köln die Abfallvermeidung vorrangiges Ziel der die RMVA errichtenden AVG war und dies die Vergleichbarkeit der AVG mit einer Behörde belege; denn ein privates und daher wirtschaftlich orientiertes Müllentsorgungsunternehmen habe nicht ein Interesse an der Vermeidung von Müll, sondern an der Zuführung von möglichst großen Abfallmengen.
1635Schon ein Blick auf die konkrete Vertragsgestaltung ergibt, dass es der AVG - trotz der im AWK festgeschriebenen Vorgabe des Gebotes der Müllvermeidung - nach dem Entsorgungsvertrag durchaus möglich war, auch für andere Kommunen müllverbrennend tätig zu werden; denn die Tätigkeit für andere Gebietskörperschaften wird keineswegs ausgeschlossen (vgl. etwa § 8 des Entsorgungsvertrages). Auch der AVG-Gesellschaftsvertrag macht die Aufnahme neuer Geschäftsbereiche der AVG lediglich von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig (so § 19), schließt diese aber keineswegs aus. Die von Anfang an geplante Perspektive, auch fremden Müll verbrennen zu können, zeigt bereits, dass nach Einschätzung der AVG das vorrangige Müllvermeidungsgebot des AWK keineswegs absolut war. Die Möglichkeit eines „Geschäftes mit fremdem Müll“ war gegeben.
1636In der Praxis hat sich zudem gezeigt, dass seit Inbetriebnahme der RMVA dort auswärtiger Müll - etwa aus dem Erftkreis - verbrannt wird und die AVG ohne Zögern bereit war, mit Unternehmen der F6-Gruppe entsprechende Kontingentverträge zu schließen, aufgrund derer beispielsweise ab 2005 jährlich 50.000 t Müll aus dem Kreis Euskirchen in der Kölner RMVA verbrannt werden. Das Haus F6 regelte die Verbrennung von ca. 35 % der Gesamtkapazität - und zwar mit nicht aus Köln stammendem Müll.
1637(9)
1638Schließlich kann auch die 32-jährige Laufzeit des Entsorgungsvertrages mit automatischer Vertragsverlängerung bei unterbliebener Kündigung (§ 13) nicht ausschlaggebend dafür sein, die AVG als „verlängerten Arm“ der Stadt Köln anzusehen. Zwar hat der BGH eine lange Vertragslaufzeit als ein Indiz für die organisatorische Anbindung einer privatrechtlich organisierten Einrichtung an die öffentliche Hand gesehen (vgl. BGH, Entscheidung vom 15.03.2001, 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310 ff.). Es darf aber nicht übersehen werden, dass sich die Laufzeit alleine schon mit Blick auf die für die Errichtung der Müllverbrennungsanlage getätigten Investitionen erklärt.
1639bb)
1640Steht schon die Gesellschafterzusammensetzung der AVG und die Ausgestaltung von Gesellschafts- und Entsorgungsvertrag einer Einordnung der AVG als „sonstiger Stelle“ entgegen, ergibt sich eine abweichende Bewertung auch nicht mit Blick auf den hinter der Gründung der AVG stehenden politischen Willen der Stadt Köln, wie er in der Beschlussvorlage des Rates der Stadt zur Sitzung vom 14.05.1992 dokumentiert ist; dies gilt auch, soweit man zur Interpretation die im Zusammenhang mit der Gründung der AVG geschlossenen Verträge heranzieht:
1641(1)
1642Zwar bringt der Ratsbeschluss zur AVG-Gründung dem Wortlaut nach zum Ausdruck, dass es der Stadt Köln ein Anliegen war, innerhalb der AVG über eine beherrschende Stellung zu verfügen. Doch gibt die Beschlusslage der Stadt Köln allenfalls darüber Aufschluss, von welchen Vorstellungen eine der Vertragsparteien - nämlich die Stadt Köln - bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages tatsächlich oder jedenfalls nach außen hin (also gegenüber den Kölner Bürgern, denen das Modell AVG nahegebracht werden musste) ausging. Dies alleine aber kann bei der Interpretation eines Vertrages als dem Ergebnis einer zumindest zweiseitigen Willensbildung nicht ausschlaggebend sein, da der andere Vertragspartner durchaus andere Absichten verfolgt haben kann.
1643Dass es aber auch den Vorstellungen des hinter der F6 Entsorgung GmbH stehenden Zeugen F6 entsprach, der Stadt Köln eine beherrschende Stellung innerhalb der AVG einzuräumen, ist zu verneinen; für eine solche Annahme fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt. Vielmehr kommt die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - sowohl anhand diverser Zeugenschilderungen als auch nach der Urkundenlage - zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Zeugen F6 um einen Geschäftsmann handelte, der ein großes Interesse an einer ihm günstigen wirtschaftlichen Betätigung der von ihm direkt oder indirekt geführten Unternehmen auf dem Markt der Abfallentsorgung im Rheinland hatte. Nicht zuletzt der Abschluss des Vertrages mit dem Kreis Euskirchen vom 19.12.1997 in Verbindung mit dem entsprechenden Kontingentvertrag mit der AVG und das darin zu Tage tretende geschickte Verfahren bzgl. frei verfügbarer Verbrennungskapazitäten der RMVA Köln wie auch seine weitblickende „Personalpolitik“ - also das Einstellen von ehemaligen kommunalen Mitarbeitern in Firmen derF6-Unternehmensgruppe und das Bedenken von aktiven Kommunalmitarbeitern mit Aufsichtsrats- und Beiratsmandaten in den von ihm mehrheitlich beherrschten AVG-Unterfirmen - belegen, dass der ZeugenF6 eine Persönlichkeit war, die stets Wert darauf legte, die Geschicke seiner Firmen selbst zu steuern; es ging ihm - auch bei seiner Beteiligung an der AVG - darum, Einfluss zu haben und diesen auszuüben. Hierfür spricht nicht zuletzt die bereits erwähnte weit reichende Wirkung der derF6 Entsorgung GmbH nach dem AVG-Gesellschaftsvertrag eingeräumten Rechte (Sperrminorität); auch dies zeigt, dass der ZeugeF6 bzw. die F6 Entsorgung GmbH ihrerseits sehr wohl (auch) innerhalb der AVG ein maßgebliches Wort (mit-)reden wollten.
1644Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge F6 bekundet hat, in den Aufsichtsratssitzungen habe sich die „allumherrschende“ Stellung der Stadt daran gezeigt, dass immer alles zu 99 % vorbereitet und er nur der Minderheitsgesellschafter gewesen sei und er manchmal am liebsten nach Hause gegangen sei. Vielmehr waren die Aufsichtsratssitzung für den ZeugenF6 deshalb durchweg „langweilig“, weil dort ihn nicht interessierende und für seine wirtschaftlichen Interessen unwichtige Punkte erörtert wurden. Die für ihn entscheidenden und gewinnbringenden Weichenstellungen hingegen - etwa die Kontingentverträge und die Vergabe des Wartungsvertrages für die RMVA mit einem Volumen von ca. 257,5 Mio. DM - wurden ohne wirkliche Diskussion im Aufsichtsrat zu seinen Gunsten in die Tat umgesetzt.
1645(2)
1646Darüber hinaus bestehen selbst an der Ernsthaftigkeit der ausweislich der Beschlussvorlage und auch der Ratsprotokolle vom 14.05.1992 dokumentierten Absicht der Stadt Köln, einen beherrschenden Einfluss innerhalb der AVG zu erlangen, durchaus Zweifel. Denn die konkrete Ausgestaltung des Gesellschafts- sowie des Entsorgungs- und des Konsortialvertrages erweckt den Eindruck, dass es der Stadt Köln bei der Beteiligung der F6 Entsorgung GmbH keineswegs in erster Linie - wie bereits erwähnt - darum ging, sich lediglich das Fachwissen eines privaten Mitgesellschafters im Bereich der Abfallentsorgung zu Nutze zu machen. Hätte es doch in diesem Fall nahe gelegen, die F6 Entsorgung GmbH - etwa über einen Beratervertrag - beratend in die Planung und Bewältigung der Aufgabe der Müllentsorgung einzubinden mit der Folge, dass es der Stadt Köln jederzeit möglich gewesen wäre, den von fachkundiger Seite erteilten Rat bei der konkreten Umsetzung zu berücksichtigen oder ihn aber - etwa wegen Unvereinbarkeit mit den politischen Vorgaben und Zielen - auszuschlagen. Hingegen wurde ein Weg gewählt, der dem privaten Fachunternehmen nicht nur eine beratende, sondern über das Instrument der Sperrminorität eine mitbestimmende und mitentscheidende Funktion einräumt und bei dem die Stadt Köln gerade nicht - wie in Punkt 3.6 der Beschlussvorlage vom 14.05.1992 unter „Bewertung für die Stadt“ niedergelegt - „immer das letzte und entscheidende Wort“ hat.
1647Der Rat der Stadt Köln wollte - wie er in seinem Beschluss vom 30.08.1990 formuliert - „eine Abfallverwertungsgesellschaft in Form einer städtisch beherrschten Mischgesellschaft unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft“ errichten. Diese Idee aber ist bereits in sich widersprüchlich und stellt die Ernsthaftigkeit des Willens der Stadt, innerhalb der AVG einen wirklich beherrschenden Einfluss auszuüben, in Frage.
1648cc)
1649Für die Subsumtion der AVG unter den Begriff der „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB kann darüber hinaus weder angeführt werden, dass die Stadt Köln jedenfalls nach den seit der Gründung der AVG gültigen städtischen Abfallsatzungen die Abfallwirtschaft als öffentliche Einrichtung betreibt und diese eine rechtliche, wirtschaftliche und organisatorische Einheit bildet (vgl. etwa § 1 der Abfallsatzung der Stadt Köln vom 29.12.1994, SL 1787, und derjenigen vom 23.12.1996, SL 1790), noch dass die AVG mit der Müllentsorgung eine Aufgabe der Daseinsvorsorge erfüllt.
1650Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der BGH - gerade auch in der bereits erwähnten Entscheidung zur Amtsträgerfrage vom 14.11.2003 - die Wahrnehmung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge verbunden mit einem Anschluss- und Benutzungszwang für den Bürger als Indiz für die Bejahung der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB angesehen hat (2 StR 164/03, wistra 2004, 693 ff.). Erneut ist aber insoweit hervorzuheben, dass es sich bei der damals zu beurteilenden Einrichtung um eine GmbH handelte, deren Gesellschaftsanteile sämtlich von der Kommune gehalten wurden und sich der Fall damit schon grundlegend vom hiesigen Sachverhalt unterscheidet.
1651Vorliegend sind vielmehr folgende Gedanken ausschlaggebend:
1652Der Begriff der „öffentlichen Einrichtung“ in der Abfallsatzung hebt lediglich hervor, dass die Stadt - entsprechend der Gesetzeslage - trotz der Übertragung der Ausführung dieser Aufgaben auf eine Gesellschaft des Privatrechts für die Abfallentsorgung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zuständig und verantwortlich bleibt. Es soll dem Eindruck entgegen gewirkt werden, die Stadt habe sich nach der „Privatisierung“ der Abfallentsorgung der Verantwortlichkeit für diese Aufgabe der Daseinsvorsorge entledigt.
1653Die klarstellenden Regelungen der Abfallsatzungen ändern aber nichts daran, dass die Stadt die Durchführung dieser Aufgabe der Daseinsvorsorge einem privaten Dritten übertragen hat, der wiederum gegenüber der Stadt für die ordnungsgemäße Durchführung dieser Aufgabe verantwortlich ist, ohne dass der private Dritte - hier: die AVG - (allein) hierdurch zum „verlängerten Arm“ der Stadt wird. Dies ergibt sich im übrigen aus § 16 KrW-/-AbfG, der die Beauftragung Dritter durch die Abfallverwertungs- und beseitigungspflichtigen – hier: die Stadt Köln – regelt und u.a. ausdrücklich festlegt, dass die Verantwortlichkeit des Verpflichteten von einer solchen Übertragung unberührt bleibt (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 KrW/AbfG).
1654Auch der satzungsmäßige Anschluss- und Benutzungszwang führt nicht zu einer Qualifizierung der AVG als „sonstige Stelle“. Zwar hat der Bürger dabei grundsätzlich nicht die freie Wahl des Versorgers, so dass die Einrichtung ihm nicht wie ein Anbieter unter mehreren, sondern als „Monopolist“ gegenüber tritt. Voraussetzung ist jedoch stets die staatliche Steuerung. Nur dann kann argumentiert werden, auch den Funktionsträgern einer staatlich gesteuerten Privatrechtsorganisation werde das von §§ 331 ff. StGB geschützte Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der von Trägern staatlicher Funktionen und in die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen entgegen gebracht und durch die Erfahrung der Käuflichkeit in gleicher Weise wie bei Amtsträgern enttäuscht, was dafür spreche, auch solche privaten Einrichtungen in den Anwendungsbereich der §§ 331 ff. StGB einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2003, 2 StR 164/03, wistra 2004, 693 ff.).
1655Alleine ein solcher Anschluss- und Benutzungszwang sagt aber - abgesehen davon, dass die Abfallsatzungen der Stadt Köln aus den Jahren 1994 und 1996 durchaus Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Regelung vorsahen - noch nichts darüber aus, ob und inwieweit die Einrichtung einer staatlichen Steuerung unterliegt, die für ihre Qualifizierung als „sonstige Stelle“ auch nach der BGH-Entscheidung vom 14.11.2003 nach wie vor erforderlich ist. Daran aber fehlt es - wie gezeigt - bereits nach der rechtlichen Ausgestaltung der AVG.
1656dd)
1657Fehlt es demnach bereits an einer rechtlichen Konzeption der AVG, die der Stadt Köln einen beherrschenden Einfluss auf diese zukommen lässt, mit der Folge, dass schon aus diesem Grunde ein behördenähnlicher Status der privat-rechtlichen AVG als „verlängerter Arm“ des Staates ausscheidet, so zeigt darüber hinaus die praktische Handhabung, dass von einer Eingliederung der AVG in die Behördenhierarchie der Stadt keine Rede sein kann:
1658(1)
1659Weder der Umstand, dass die AVG nach dem Gesellschaftsvertrag auf „die Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzeptes der Stadt Köln in der jeweils gültigen Fassung“ verpflichtet war (§ 2 Abs. 1), noch die Tatsache, dass der Entsorgungsvertrag eine Bindung der AVG an die Leitlinien des „verbindlichen jeweiligen Abfallwirtschaftskonzeptes“ vorsah (§ 3), führten in der Praxis dazu, dass die Stadt Köln die AVG gleichsam „an der engen Leine“ geführt hätte.
1660Das Abfallwirtschaftskonzept, das gerade keine engmaschige Handlungsanweisung darstellt, bot hierfür schon nicht die geeignete Grundlage. Die Stadt hat sich aber auch unabhängig davon - weder über den Aufsichtsrat, noch über die Gesellschafterversammlung - in das aktuelle Tagesgeschäft der AVG eingemischt, sondern die Gesellschaft unter der Führung des Angeklagten A im Wesentlichen nach eigenen Vorstellungen schalten und walten lassen. Eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den aktuell in der Geschäftspolitik der AVG anstehenden Fragen fand in den regelmäßig nicht einmal wenige Stunden dauernden Aufsichtsratssitzungen nicht statt. Der Aufsichtsratsvorsitzende, der Zeuge Dr. 03, wünschte strittige Diskussionen in diesem Gremium gerade nicht.
1661Dies wird besonders deutlich hinsichtlich der umstrittenen Frage nach der Dimensionierung der RMVA. So war dem Zeugen Dr. 03 in seiner Funktion als Oberstadtdirektor der Stadt Köln und Vorsitzender des AVG-Aufsichtsrates von Anfang an bekannt, dass die seitens der AVG geplante RMVA eine Verbrennungskapazität von jedenfalls 560.000 t/a hatte. Obwohl aber die Stadt Köln nach Beschlusslage - und nach außen bekundet - lediglich ein Interesse an einer Anlage hatte, die ausschließlich den auf ca. 421.000 t/a berechneten „Kölner Dreck“ verbrennen sollte, unterließ der Zeuge Dr. 03 jegliche Intervention gegenüber der AVG, um die Errichtung einer geringer ausgelegten RMVA zu erwirken. Auch unter Berücksichtigung der notwendigen Reservekontingente verblieb ein Überschuss von 50.000 bis 80.000 t/a. Vielmehr wurden sogar Mitarbeiter der Stadtverwaltung auf entsprechende kritische Anmerkungen zur Größe der Anlage hin u.a. von dem Zeugen Dr. 03 stets auf die Eigenverantwortlichkeit der AVG für diese Frage hingewiesen.
1662(2)
1663Die in tatsächlicher Hinsicht weitestgehend fehlende Einflussnahme der Stadt Köln auf die AVG - und damit deren Eigenständigkeit - zeigt sich ferner an dem Umstand, dass die AVG im Jahr 1997 der Stadt Köln gegenüber einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 7,7 Mio. DM im Zusammenhang mit der Aufhebung des Anschluss- und Benutzungszwanges für die Entsorgung der Inhalte von Öl-, Benzin- und Fettabscheidern sowie von Sandfangrückständen und Schlamm aus Öltrennanlagen geltend machte; die seitens der AVG angedrohte Klage wurde durch die Vereinbarung einer ratenweisen Zahlung von 5 Mio. DM seitens der Stadt an die AVG abgewendet.
1664Hätte die Stadt tatsächlich über eine beherrschende Stellung innerhalb der AVG verfügt und wäre die AVG aufgrund dessen nichts anderes als der „verlängerte Arm“ der Stadt gewesen, wäre schon das Ansinnen einer solchen Klage im Ansatz erstickt worden. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Verwaltungsspitze der Stadt die Angelegenheit mit einem Machtwort geregelt hätte; an eine Klageandrohung der AVG wäre nicht zu denken gewesen.
1665Die gegenteilige Handhabung belegt, dass die AVG weder von der rechtlichen Gestaltung noch von der tatsächlichen Handhabung her in die Verwaltung eingegliedert war, sondern ein Eigenleben führte; es handelte sich gerade um eine Ausgliederung aus der Behördenhierarchie der Stadt.
1666(3)
1667Ein weiterer Beleg für die Zurückhaltung der Stadt Köln gegenüber dem Tagesgeschäft der AVG ist darin zu sehen, dass innerhalb der Stadtverwaltung die Gesellschaftsanteile nicht von dem Amt für Abfallwirtschaft, sondern vom Stadtkämmerer verwaltet wurden. Es macht für die Beurteilung der Frage, ob eine Einrichtung der „verlängerte Arm“ der öffentlichen Hand ist, einen erheblichen Unterschied, ob sie lediglich dem Staat (oder der Stadt) - etwa zum Zwecke der Kapitalanlage - (anteilig) „gehört“, oder ob es sich um eine aus einem Fachministerium oder einer Fachabteilung hervorgegangene Einrichtung handelt, die der Fachabteilung nach wie vor derart eingegliedert ist, dass das dort vorhandene Fachwissen mit bindenden Vorgaben in die konkrete Tätigkeit der Einrichtung eingebracht wird (vgl. BGH, Entscheidung vom 19.12.1997, 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370 ff. und BGH, Entscheidung vom 03.03.1999, 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16 ff.). Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der u.a. für die Abfallbeseitigung zuständige städtische Dezernent III einen ständigen Sitz im Aufsichtsrat und von daher die Möglichkeit der Einflussnahme hatte.
1668(4)
1669Gegen die ablehnende Einschätzung der AVG als „sonstige Stelle“ kann schließlich nicht angeführt werden, dass die Diskussion um den Ausstieg aus dem RMVA-Projekt im Jahr 1995 die Ausübung eines beherrschenden Einflusses der Stadt belege. Denn ein solcher Ausstieg, der erhebliche Forderungen von S5 nach sich gezogen hätte, stand ernsthaft nie zur Debatte. Der Ausstieg als solcher blieb eine rein theoretische Frage; keine der großen im Rat der Stadt Köln vertretenen Parteien - ###3 und ###5 - strebten einen Ausstieg wirklich an; die Diskussion entzündete sich vielmehr allein an der Höhe möglicher Forderungen, die seitens S5 hätten gestellt werden können, zumal eine schnell greifende Alternative zur Müllverbrennung nicht in Sicht war.
1670(5)
1671Die Kammer hat bei ihrer Beurteilung der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB durchaus berücksichtigt, dass in zwei der Kammer zur Zeit der Abfassung des Beschlusses vom 01.08.2003 noch nicht bekannten Einzelfällen eine aktive Einflussnahme der Stadt Köln auf die Geschäfte AVG festgestellt werden konnte.
1672Zum einen handelte es sich um die Vorgabe des Zeugen Dr. 03 an den Angeklagten A, mit dem Verantwortlichen der XX6 hinsichtlich der Veräußerung des in der RMVA erzeugten Stromes „moderat“ und „nicht wie mit einem Privaten“ zu verhandeln mit der Folge, dass nach dem Eindruck des Angeklagten A im Ergebnis nicht die AVG, sondern die XX6 den Strompreis bestimmten. Der Angeklagte A hat die Äußerungen des Zeugen Dr. 03 als „gut gemeinte ernsthafte Empfehlung“ aufgefasst. Eine ähnliche, wenn auch vom Angeklagten A als weniger streng empfundene Einflussnahme wurde seitens des Zeugen Dr. 03 bzgl. der Finanzierung der RMVA in Gestalt der Vorgabe ausgeübt, dass die H9-Bank Köln als Hausbank der Stadt in jedem Fall den „last call“ haben und bei Abweichungen bis zu 0,01 % bzw. 0,03 % gegenüber preisgünstigeren Finanzierungsangeboten bevorzugt werden sollte.
1673Nach dem Gesamtbild der sich nach der Beweisaufnahme ergebenden Geschäftstätigkeit der AVG und der Stellung der Stadt kann aus diesen isolierten Fällen einer erfolgten Einflussnahme aber nicht abgeleitet werden, dass die Stadt sich in Wahrnehmung eines beherrschenden Einflusses durchgängig in die Geschäfte der AVG eingebracht hat. Es darf auch nicht übersehen werden, dass es sich um zwei Fälle in einem Zeitraum von acht Jahren handelt, wenn man nur auf die Zeit zwischen der Gründung der AVG (Mai 1992) und dem Ausscheiden des Angeklagten A (April 2000) abstellt.
1674Soweit festgestellt wurde, dass mehrere Personen auf Vermittlung verschiedener Kölner Ratsherren oder des Angeklagten C eine Anstellung bei der AVG erhielten, steht dies der nicht vorhandenen grundsätzlichen Einflussnahme der Stadt Köln auf die Geschäfte der AVG nicht entgegen. Denn bei diesen Interventionen handelte es sich nicht um solche der Stadt Köln, sondern um Maßnahmen einzelner Mitglieder dieser Gebietskörperschaft, die damit eigene Interessen oder solche ihrer Partei, nicht aber Anliegen der Stadt verfolgten. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der ZeugeDr. 03 sich gegenüber dem Angeklagten A nachhaltig und entschieden dafür ausgesprochen hatte, Y5 bei der Ausführung des Loses Bauteil zu berücksichtigen. Denn ob nun die Kölner Niederlassung von Y5 oder die Kölner Niederlassung von J13 einen Teil des Bauauftrags erledigt, ist unter dem Gesichtspunkt der Kölner Wirtschaftsinteressen belanglos. Grund für die Einflussnahme des Zeugen Dr. 03 war vielmehr, wie die Hauptverhandlung ergeben hat, dass dieser den Zeugen G3 als Niederlassungsleiter von Y5 in Köln kannte.
1675Der AÖEA hatte sich zwar mit der AVG und der RMVA vielfach zu befassen; eine wirkliche Einflussnahme auf die Geschäfte der AVG wurde dort aber ernsthaft nicht erwogen. Der Zeuge D3, Vorsitzender des AÖEA, war ersichtlich bei der wiederholten Frage eines der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft befremdet, inwieweit die Stadt auf Veranlassung des AÖEA der AVG hätte Weisungen erteilen können. Bezeichnenderweise erinnerte er sich an keine einzige Weisung, sondern überlegte insoweit nur, was hätte geschehen können, wenn die AVG gegen öffentlich-rechtliche Pflichten verstoßen hätte, und ob in einem solchen Fall ein Bußgeld hätte verhängt werden können. Öffentlich-rechtliche Pflichten jedoch müssen von jedermann im Rahmen des jeweiligen Betätigungsfeldes eingehalten werden, ohne dass sich hieraus ein durchgreifendes Indiz für die Annahme einer sonstigen Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB ergäbe.
1676b)
1677Ungeachtet des Umstandes, dass die AVG nach den vorstehenden Ausführungen nicht als „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB und der Angeklagte A damit nicht als Amtsträger anzusehen ist, fehlt es aber jedenfalls am Vorliegen des für eine Strafbarkeit nach § 332 StGB erforderlichen Unrechtsbewusstsein des Angeklagten A. Denn selbst wenn dieser objektiv Amtsträger gewesen sein sollte, unterlag er hinsichtlich dieser Frage doch jedenfalls einem unvermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 Satz 1 StGB.
1678Dies ergibt sich zum einen daraus, dass nach der zur Zeit der Gründung der AVG und der Verabredung der Schmiergeldvereinbarung geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Verwendung einer privaten Gesellschaftsform „in der Regel“ gegen eine Subsumtion derselben unter den Begriff der „sonstigen Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB und damit auch gegen die Amtsträgereigenschaft des jeweils Handelnden sprach.
1679Zum anderen zeigt allein die nachhaltige Auseinandersetzung um diese auch höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärte Rechtsfrage im Rahmen dieses Verfahrens, dass auch bei Anspannung der erforderlichen Sorgfalt ein gutgläubiger und rechtstreuer Bürger nicht damit rechnen musste, bei der AVG habe es sich um eine „sonstige Stelle“ und bei dem Angeklagten A um einen Amtsträger gehandelt.
1680Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte A zumindest damit rechnete, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der AVG Amtsträger zu sein. Hierfür haben sich - wie oben dargelegt - keine konkreten Anhaltspunkte ergeben.
1681Auch kann nicht unterstellt werden, dass angesichts der mit einer Gesetzesauslegung verbundenen Unsicherheiten gleichsam vorsorglich immer in Zweifelsfällen mit einer Strafbarkeit gerechnet werden müsste und damit auch gerechnet würde.
1682Dem fehlenden Unrechtsbewusstsein hinsichtlich der Bestechlichkeit steht nicht entgegen, dass der Angeklagte A sich durch dasselbe Verhalten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr bzw. Untreue strafbar gemacht hat. Da die Amtsträgerbestechlichkeit nach § 332 StGB keine Qualifikation der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB bzw. des § 12 UWG a.F. und grundsätzlich das Unrechtsbewusstsein teilbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.1998, wistra 1998, 306 f.; BGH, Urteil vom 11.07.1995, wistra 1995, 306 f.), folgt vorliegend - anders als im Fall des qualifizierten Tatbestandes, bei dem sich das Unrechtsbewusstsein des den Grundtatbestand kennenden Täters auf die Qualifikation erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.1996, BGHSt 42, 123 ff.) - aus dem Wissen des Angeklagten A um Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nicht das Unrechtsbewusstsein in Bezug auf die Voraussetzungen des § 332 StGB. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass beide Normen unterschiedliche Rechtsgüter schützen: Während die Amtsdelikte der §§ 331 ff. StGB die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in diese Lauterkeit schützen, zielt § 299 StGB auf den Schutz des freien Wettbewerbs und den Schutz von Vermögensinteressen der Mitbewerber sowie des Geschäftsherren ab.
16835. Betrug zum Nachteil der AVG (§ 263 Abs. 1 StGB)
1684Eine Strafbarkeit des Angeklagten A wegen Betruges zum Nachteil der AVG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar hat der AngeklagteA die Gesellschaftsgremien der AVG - ob alle insoweit betroffenen Personen, mag dahin stehen - durch Unterlassen einer entsprechenden Aufklärung wohl darüber getäuscht, dass der mit S5 vereinbarte Werklohn zu Lasten der Gesellschaft den Schmiergeldanteil enthielt, und damit bei den Angehörigen dieser Gremien einen entsprechenden Irrtum hervorgerufen. Auch ist in dem Abschluss des Werkvertrages mit S5 eine der AVG insoweit nachteilige Vermögensverfügung zu sehen.
1685Es fehlt jedoch an der erforderlichen Kausalität zwischen Täuschung und Vermögensverfügung. Nach dem Grundsatz, dass Irrender und Verfügender personenidentisch sein müssen, kommt es auf den Irrtum des im strafrechtlichen Sinne Verfügenden an (so LK-Tiedemann, StGB, 11. Aufl., Stand: 01.10.1999, Rz. 82 zu § 263). Nach der gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung war aber der Angeklagte A als Geschäftsführer der AVG zum Abschluss des Werkvertrages berechtigt, ohne dass es hierzu der Einschaltung eines Gesellschaftsgremiums bedurfte. Weder musste ein Vertreter von AVG-Aufsichtsrat oder AVG-Gesellschafterversammlung den Vertrag unterzeichnen, noch bedurfte es einer entsprechenden nachträglichen Genehmigung. Allein ausschlaggebend war die Unterzeichnung des Werkvertrages durch den Angeklagten A, nur auf ihn kam es an. Dass der Zeuge Dr. 03, damals Vorsitzender des Aufsichtsrates und Oberstadtdirektor, sowie der Zeuge O1, damals Stadtkämmerer und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung, den Werkvertrag mit unterzeichneten, steht dem nicht entgegen, da dies zur Wirksamkeit der rechtlichen Bindung der AVG an den Vertrag nicht erforderlich war.
16866. Betrug zum Nachteil der Mitbewerber um den Zuschlag für das Projekt
1687RMVA (§ 263 Abs. 1 StGB)
1688Der Angeklagte A hat sich auch nicht wegen Betruges zum Nachteil der Mitbewerber von S5 um den Erhalt des Zuschlags für das Projekt RMVA Köln strafbar gemacht.
1689Zwar kann grundsätzlich bei der Manipulation eines Ausschreibungsvorganges eine Betrugstat zum Nachteil der Mitbewerber vorliegen. Dies aber setzt voraus, dass dem manipulierenden Bewerber ohne die Beeinflussung seines Angebotes der Zuschlag verwehrt und ein Mitbewerber alsdann eine sichere Anwartschaft auf den Zuschlag gehabt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.1997, 2 StR 633/96, wistra 1997, 144 ff.). Davon aber kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn ein öffentliches oder diesem vergleichbares Ausschreibungsverfahren, bei dem die Ausschreibungskriterien derart verbindlich formuliert waren, dass bei ihrer Erfüllung von einem Anspruch auf den Zuschlag oder zumindest einer entsprechenden Anwartschaft ausgegangen werden konnte, lag nicht vor. Zwar hatte der Angeklagten A dafür gesorgt, dass die AVG eine in einen technischen und einen kommerziellen Part aufgeteilte Ausschreibung in neun Losen vornahm. Dass er aber etwa vorhatte, den Auftrag letztlich nach dem Idealfirma-Modell zu vergeben, blieb während des Ausschreibungsverfahrens sowohl den Bietern als auch den Gesellschaftsgremien der AVG verborgen. Auch die Möglichkeit der Zusammenlegung von Losen hatte der Angeklagte A zwar geplant, jedoch nicht nach außen publik gemacht. Letztlich war der Angeklagte A frei, der AVG einen Bieter vorzustellen, der nach von ihm im Nachhinein definierten Vorgaben der Günstigste war. So ist der Angeklagte A auch verfahren.
16907. Beihilfe zur Untreue zum Nachteil von S5 (§§ 266 Abs. 1 StGB,
169127 Abs. 1 StGB)
1692Der Angeklagte A hat sich nicht wegen Beihilfe zur Untreue des Angeklagten Dr. B zum Nachteil der S5 strafbar gemacht. Es fehlt insoweit bereits an der erforderlichen Haupttat.
1693a)
1694Zum einen erfüllt die Entgegennahme der von dem AngeklagtenDr. B eingeräumten Schmiergeldzahlung in Höhe von 1 Mio. DM nicht das Merkmal der pflichtwidrigen Handlung, das sowohl zum Missbrauchs- als auch zum Treubruch-Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB zählt. Zwar war der Angeklagte Dr. B als S5-Geschäftsführer zivilrechtlich nach §§ 681 Satz 2, 687 Abs. 2 BGB i.V.m. § 667 BGB zur Herausgabe des im Rahmen seiner dienstlichen Stellung erlangten Geldes verpflichtet. Eine Verletzung dieser Pflicht stellt jedoch keine Untreue im Sinne des§ 266 StGB dar, weil sich im Rahmen der Untreue die Pflicht des Angeklagten Dr. B gegenüber dem Vermögen von S5 nicht auf die Abführung dieser Zahlungen bezog (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2001, 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310 ff.).
1695b)
1696Eine Untreue zum Nachteil von S5 kommt aber auch nicht mit Blick darauf in Betracht, dass deren wirtschaftliche Lage sich aufgrund der Zahlung des Schmiergeldes verschlechtert hätte. Das Vorliegen eines Schadens als Tatbestandsvoraussetzung hat unter rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu erfolgen. Eine solche ergibt, dass die wirtschaftliche Lage von S5 ohne den durch die Bereitschaft zur Schmiergeldzahlung erkauften Zuschlag für den Werkvertrag zur Errichtung der RMVA aller Voraussicht nach schlechter gewesen wäre, als sie es mit der Schmiergeldzahlung in Ansehung des erhaltenen Zuschlags war. Schon die Erwartung eines künftigen Vorteils kann- wie bei einem Risikogeschäft - einen Nachteil schon bei seiner Entstehung ausgleichen. Es kommt darauf an, ob bei wirtschaftlich vernünftiger, alle bekannten äußeren Umstände berücksichtigender Gesamtbetrachtung die Gefahr eines Verlustgeschäftes wahrscheinlicher ist als die Aussicht auf Gewinnzuwachs (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.1975, NJW 1234 ff., 1235). Dies berücksichtigend, kann die vom Angeklagten Dr. B veranlasste Schmiergeldzahlung nach den getroffenen Feststellungen nicht als Vermögensnachteil für S5 angesehen werden.
1697c)
1698Ein denkbarer Vermögensnachteil für S5 könnte ferner darin zu sehen sein, dass im Falle des Aufdeckens der Unrechtsvereinbarung die AVG möglicherweise das im Werkvertrag vom 28.01.1994 für einen solchen Fall vereinbarte Recht zur fristlosen Kündigung ausgeübt hätte; S5 hätte dann zwar möglicherweise einen Anspruch auf Entlohnung der bereits erbrachten Werkleistung behalten; einen Vermögensnachteil hätte S5 aber gleichwohl erleiden können, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung bereits mehr Schmiergeld gezahlt worden wäre, als S5 als Werklohn für die schon erbrachten Leistungen hätte verlangen können. Eine solche konkrete Vermögensgefährdung, die sich letztlich nicht realisiert hat, hätte jedoch allenfalls 1994 in der Anfangsphase der Abwicklung von Werkvertrag und Schmiergeldvereinbarung bestanden, in der S5 vergleichsweise hohe Schmiergeldbeträge an P5 überwiesen hatte, ohne bereits entsprechende Werkleistungen erbracht zu haben. Damit aber wäre eine etwaige Untreue zu Lasten von S5 spätestens Ende 1994 beendet gewesen und Verjährung insoweit bereits Ende 1999 eingetreten. Zudem ist fraglich, ob insoweit von einer konkreten Vermögensgefährdung, die nicht nur die Wahrscheinlichkeit der frühzeitigen Aufdeckung der Schmiergeldabrede, sondern auch die Wahrscheinlichkeit der Kündigung des Werkvertrages voraussetzt, ausgegangen werden kann. Möglicherweise wären im Falle des Bekanntwerdens der Schmiergeldvereinbarung nur die handelnden Personen ausgetauscht worden, um das Projekt als solches nicht zu gefährden.
1699Im übrigen ist auch unter diesem Gesichtspunkt ein Vorsatz nicht positiv festzustellen.
17008. Konkurrenzen
1701Es handelt sich - wie bereits ausgeführt - um ein einheitliches Delikt der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
1702Untreue, Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und die vier Steuerhinterziehungstaten des Angeklagten A stehen zu einander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
1703Tateinheit zwischen Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr käme nur dann in Betracht, wenn sich die jeweiligen Ausführungshandlungen zumindest teilweise deckten. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall: Beim Zustandekommen der Unrechtsvereinbarung war der Werkvertrag, der zu der schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung führte, noch nicht abgeschlossen; dass bei Anbahnung und Abschluss der Unrechtsvereinbarung die Untreue bereits ins Versuchsstadium im Sinne eines unmittelbaren Ansetzens zur Tat gelangt wäre, kann nicht angenommen werden. Hierfür bedurfte es noch der Manipulationen bei der Angebotsabgabe am Wochenende nach dem 03.12.1993; zu diesem Zeitpunkt war die Unrechtsvereinbarung im Sinne des § 299 StGB/§ 12 UWG a.F. bereits geschlossen. Die spätere Annahme bzw. bezogen auf den Angeklagten Dr. B Gewährung des Vorteils im Sinne der Bestechlichkeit/Bestechung im geschäftlichen Verkehr erfolgte sodann über Dritte auf Veranlassung von S5, während der Untreueschaden durch die Zahlungen der AVG an S5 verfestigt wurde.
1704II. Strafbarkeit des Angeklagten Dr. B
17051. Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der AVG (§§ 266 Abs. 1 Alt. 1,
170627 Abs. 1 StGB)
1707a)
1708Der Angeklagte Dr. B hat sich durch die Teilnahme an der Unrechtsvereinbarung und der Vereinbarung eines um den Schmiergeldanteil erhöhten Werklohnes für die Errichtung der RMVA mit der AVG wegen Beihilfe zur Untreuehandlung des Angeklagten A zum Nachteil der AVG strafbar gemacht. Das Verabreden der Schmiergeldzahlungen, das Einrechnen der entsprechenden Summe in den Werklohn, das Abschließen des um das Schmiergeld verteuerten Werkvertrages und die Entgegennahme des gesamten Werklohnes nebst Weiterleitung eines erheblichen Anteils der Schmiergelder u.a. an die Firmen P5, N5 sowie Y3 & P4 zur Auskehrung an die „Schmiergeldberechtigten“ haben die Untreue des Angeklagten A wesentlich gefördert.
1709Eine täterschaftliche Begehungsweise kommt nicht in Betracht, da der Angeklagte Dr. B gegenüber der AVG unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in einem Treueverhältnis stand.
1710b)
1711Der Angeklagte Dr. B handelte vorsätzlich.
1712c)
1713Seine Beihilfehandlung ist nicht verjährt. Denn auch die Verjährung der Beihilfehandlung beginnt grundsätzlich erst mit derjenigen der Haupttat. Daher kann auch insoweit auf die entsprechenden Ausführungen im Zusammenhang mit der Erörterung der Verjährungsfrage bei der Untreue des Angeklagten A verwiesen werden kann.
17142. Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB)
1715Der Angeklagte Dr. B hat sich zudem wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
1716a)
1717Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zur Strafbarkeit des Angeklagten A nach § 299 Abs. 1 StGB dargelegt, liegen die Tatbestandsmerkmale des geschäftlichen Verkehrs, des Wettbewerbs, des Vorteils, der Bevorzugung und der Angestellteneigenschaft des Angeklagten A vor. Der Angeklagte Dr. B hat dem Angeklagten A durch den Abschluss der Schmiergeldvereinbarung und die Zahlung der Schmiergelder u.a. an P5, N5 und Y3 & P4 den Vorteil als Gegenleistung für seine unlautere Bevorzugung bei der Erteilung des Zuschlags für die RMVA Köln versprochen und gewährt.
1718b)
1719Der Angeklagte Dr. B handelte vorsätzlich.
1720c)
1721Da der Vorteil des Angeklagten A und der anderen an der Schmiergeldabrede beteiligten Personen in der Unrechtsvereinbarung genau festgelegt wurde, besteht zwischen den Tatbestandsmerkmalen des Versprechens und Gewährens natürliche Handlungseinheit.
1722Obwohl das Schmiergeld in mehreren Teilakten seitens S5 an die zur Verteilung vorgesehenen Firmen überwiesen und in mehreren Tranchen an den Angeklagten A ausgezahlt wurde, handelt es sich um eine einheitliche Bestechung. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 299 Abs. 1 StGB hinsichtlich des Angeklagten A verwiesen werden.
1723d)
1724Auch hinsichtlich der Frage der Verjährung kann auf die Ausführungen im Zusammenhang mit § 299 Abs. 1 StGB Bezug genommen werden.
17253. Bestechung (§ 334 Abs. 1 StGB)
1726Der Angeklagte Dr. B hat sich nicht wegen Bestechung nach § 334 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Denn zum einen war der Angeklagte A kein Amtsträger im Sinne des § 334 Abs. 1 StGB, da die AVG keine „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB war; insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
1727Jedenfalls unterlag aber auch der Angeklagte Dr. B in Bezug auf diese Frage einem unvermeidbaren Irrtum im Sinne des § 17 StGB und handelte damit ohne das entsprechende Unrechtsbewusstsein.
17284. Untreue zum Nachteil der S5 (§ 266 Abs. 1 StGB)
1729Eine Strafbarkeit wegen Untreue zum Nachteil von S5 durch die Entgegennahme des Schmiergeldes von mindestens 1 Mio. DM kommt nicht in Betracht. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen im Zusammenhang mit der Erörterung einer denkbaren Beihilfe des Angeklagten A zu einer Untreue des Angeklagten Dr. B zum Nachteil der S5 Bezug genommen werden.
17305. Steuerhinterziehung (§§ 370 Abs. 1 Nr. 2, 369, 150, 149 AO i.V.m.
1731§§ §§ 22, 25 EStG, §§ 56 – 60 EStDV, § 2 SolzG)
1732Einer Verurteilung des Angeklagten Dr. B wegen Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag durch die Nichtanmeldung der 1995 oder 1996 seitens des Angeklagten A erhaltenen1 Mio. DM steht Verjährung entgegen, so dass er insoweit freizusprechen war:
1733Zu Gunsten des Angeklagten Dr. B ist davon auszugehen, dass er den Schmiergeldanteil im Jahr 1995 erhalten hat.
1734Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 369 Abs. 2 AO i.V.m. § 78 Abs. 3Nr. 4 StGB i.V.m. § 370 Abs. 1 AO fünf Jahre. Ihr Lauf begann mit der Beendigung der Tat (§ 78 a StGB). Diese tritt bei der Hinterziehung einer Veranlagungssteuer erst mit dem Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamtes ein, also dann, wenn entweder ein Steuerbescheid für den Veranlagungszeitraum ergangen ist oder feststeht, dass ein solcher nicht mehr ergehen wird (vgl. BGH Beschluss vom 07.11.2001, 5 StR 395/01, BGHSt 47, 138 ff.). Der Steuerbescheid für das betroffene Jahr 1995 aber wurde bereits am 20.12.1996 erlassen.
1735Anhaltspunkte für ein Ruhen der Verjährung liegen nicht vor. Die erste verjährungsunterbrechende Maßnahme ist im Erlass des Durchsuchungsbeschlusses durch das Amtsgericht Köln am 13.02.2002 - und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist - zu sehen.
17366. Strafbarkeit im Zusammenhang mit der MVA Böblingen
1737Die Kammer hat davon abgesehen, die dem Angeklagten seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart in dem Verfahren 140 (151/163) Js 66570/99 im Zusammenhang mit der Errichtung der MVA Böblingen angelastete Tat aufzuklären. Es handelt sich um einen komplexen Vorgang, der mit dem hiesigen Verfahren in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht, so dass auch nicht im Rahmen der Strafzumessung eine aufwendige Aufklärung geboten gewesen wäre. Soweit hinsichtlich der Vorgänge um die MVA Böblingen eine Verurteilung erfolgen sollte, bleibt deren Berücksichtigung einer späteren Gesamtstrafenbildung vorbehalten.
17387. Strafbarkeit im Zusammenhang mit dem „China-Geschäft“
1739a)
1740Durch die Verabredung mit Herrn P11 und dem Zeugen K4 hinsichtlich der im Jahr 1994 von T5 erhaltenen 2 Mio. DM hat der Angeklagte Dr. B sich zudem der Beihilfe zu einer Untreue zum Nachteil von T5 strafbar gemacht (§§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB). Eine täterschaftliche Begehung scheidet aus, da er in keinem dazu erforderlichen Treueverhältnis zu T5 stand. Der Angeklagte Dr. B hat jedoch durch die Beteiligung an der zugrunde liegenden Abrede und die Entgegennahme der Zahlung die Haupttat gefördert. Dabei handelte er auch vorsätzlich.
1741Eine Verurteilung wegen dieser Tat kommt jedoch - ungeachtet der Frage der Verjährung - schon deshalb nicht in Betracht, weil sie im hiesigen Verfahren nicht angeklagt ist. Es handelt sich - wie bei dem Verfahren betreffend die MVA Böblingen - um einen anderen Lebenssachverhalt und somit um eine andere Tat (§ 264 StPO).
1742b)
1743Der Angeklagte Dr. B hat die Zahlung von 2 Mio. DM aus dem „China-Geschäft“ auch nicht zur Steuer angemeldet. Die Nichtangabe der Einkünfte aus der o.g. Abrede ist nicht angeklagt und zudem verjährt. Eine etwaige strafschärfende Berücksichtigung scheidet zudem deshalb aus, weil der Angeklagte Dr. B insoweit im Rahmen des hiesigen Verfahrens im April 2002 und damit noch vor der (teilweisen) Entdeckung der Tat rechtzeitig eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO erstattet hat und ihm eine steuerstrafrechtliche Nachfrist nach § 371 Abs. 3 AO zur Zahlung nicht gesetzt worden ist.
17448. Konkurrenzen
1745Die Beihilfehandlung des Angeklagten Dr. B zur Untreue des Angeklagten A zum Nachteil der AVG und die Bestechung im geschäftlichen Verkehr stehen zu einander im Verhältnis der Tatmehrheit(§ 53 StGB). Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen im Zusammenhang mit der Strafbarkeit des Angeklagten A Bezug genommen werden.
1746III. fehlende Strafbarkeit des Angeklagten C
1747Der Angeklagte C war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
17481. Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der AVG (§ 266 Abs. 1 Alt. 1, 27
1749Abs. 1 StGB)
1750Es hat sich nicht feststellen lassen, dass der Angeklagte C sich der Beihilfe zur Untreue des Angeklagten A zum Nachteil der AVG gemäß §§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.
1751Eine entsprechenden Strafbarkeit wäre in Betracht gekommen, wenn der Angeklagte C durch die Entgegennahme der Zahlungen von je1 Mio. DM in den Jahren 1995 und 1998 und das dem AngeklagtenA konkludent signalisierte Unterlassen einer Mitteilung der ihm bekannten Schmiergeldvereinbarung gegenüber dem Rat der Stadt Köln die Abwicklung der Schmiergeldvereinbarung zum Nachteil der AVG gefördert oder mit Blick auf die zu erwartende Schmiergeldzahlung innerparteilichen Widerstand unterdrückt hätte.
1752Da nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Angeklagte C von dem Angeklagten A Geldzahlungen aus der Schmiergeldabrede erhalten hat oder zumindest von der Schmiergeldvereinbarung Kenntnis hatte, kommt eine Strafbarkeit insoweit nicht in Frage.
17532. Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
1754(§§ 299 Abs. 1 StGB, 27 Abs. 1 StGB)
1755Aus den vorstehenden Gründen scheitert auch eine Strafbarkeit des Angeklagten C wegen einer Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
17563. Beihilfe zur Bestechlichkeit (§§ 332, 27 Abs. 1 StGB)
1757Einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit steht - neben den bereits angesprochenen Gründen - zudem die fehlende Amträgereigenschaft des Angeklagten A entgegen. Jedenfalls unterlag aber auch der Angeklagte C in bezug auf diese Frage einem unvermeidbaren Irrtum im Sinne des § 17 StGB.
17584. Steuerhinterziehung (§ 370 AO
1759Da dem Angeklagten C der Erhalt eines Teils des Schmiergeldes nicht nachgewiesen werden konnte, können ihm auch keine entsprechenden Steuerverkürzungen zur Last gelegt werden.
17605. Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB)
1761Soweit der Angeklagte C eingeräumt hat, als Mitglied des Rates der Stadt Köln im Mai und Frühjahr 1999 von dem Zeugen F6 unquittiert und unter Verstoß gegen das Parteispendengesetz Spendengelder für die ###3 von insgesamt 150.000,00 DM dafür entgegen genommen hat, dass er sich für eine Berücksichtigung des Zeugen F6 bei der Privatisierung der AWB einsetzt, kommt eine Strafbarkeit nach § 332 Abs. 1 StGB in Betracht. Denn als Angehöriger des Stadtrates war der Angeklagte C Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. Beschluss der Kammer vom 28.05.2003, 114 Qs 5/03, StV 2003, 507 f.).
1762Diese Tat ist jedoch nicht angeklagt. Es handelt sich um einen Lebenssachverhalt, der mit dem angeklagten nicht in einem derart engen und einheitlichen Zusammenhang steht, dass insoweit noch von einer Tat im prozessualen Sinne (§ 264 StPO) ausgegangen werden könnte. Die von der Verteidigung im Verlauf des vorliegenden Verfahrens gegenüber der Staatsanwaltschaft angedachte Möglichkeit einer Nachtragsanklage im Hinblick auf das erklärte Interesse des Angeklagten an einer abschließenden Klärung wurde nicht wahrgenommen.
1763E.
1764Strafzumessungserwägungen:
1765Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer hinsichtlich der einzelnen Angeklagten insbesondere von folgenden Erwägungen leiten lassen:
1766I. Strafzumessung bzgl. des Angeklagten A
17671. Strafrahmen
1768a)
1769Hinsichtlich der Untreue zum Nachteil der AVG stand aus §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StGB ein Strafrahmen zur Verfügung, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Denn nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten A sprechenden Umstände handelt sich bei der von ihm begangenen Tat um einen besonders schweren Fall der Untreue. Hierfür waren insbesondere folgende Überlegungen ausschlaggebend:
1770aa)
1771Zum einen ist der AVG durch Abschluss und Abwicklung des schmiergeldbezogenen Werkvertrages mit S5 ein sich auf 24.434.344,00 DM belaufender Schaden und damit ein Vermögensverlust großen Ausmaßes entstanden, so dass die Voraussetzungen des Regelbeispiels der §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StGB vorliegen.
1772Darüber hinaus verblieb von dem über P5, N5 und Y3 & P4 aus gekehrten Schmiergeld immerhin ein Betrag von mindesten7,49 Mio. DM bei dem Angeklagten A. Damit erlangte er persönlich einen beträchtlichen Vermögensvorteil, selbst wenn man zu seinen Gunsten annimmt, dass er von den ihm ursprünglich überlassenen Schmiergeldern von 14,29 Mio. DM an den Angeklagten Dr. B 2,4 Mio. DM, an den Angeklagten C 2 Mio. DM und an den Zeugen J4 weitere2,4 Mio. DM weitergeleitet hat.
1773Ferner spricht für die Annahme eines besonders schweren Falles der Untreue, dass der Angeklagte A diese in sehr detaillierter Weise plante und sich die Tat zudem - von der Vorbereitung der Schmiergeldvereinbarung im Jahr 1993 bis zur letzten Zahlung an ihn im Frühjahr 1999 - über eine geraume Zeit hin erstreckte; dies offenbart eine gesteigerte kriminelle Energie des Angeklagten. Dies gilt auch für den Umstand, dass der Angeklagte A die Abwicklung der Unrechtsvereinbarung fortgesetzt hat, selbst nachdem im März 1996 die Staatsanwaltschaft Köln aufgrund der anonymen Anzeige auf mögliche Unrechtshandlungen im Zusammenhang mit der Errichtung RMVA Köln aufmerksam worden war und Ermittlungen aufgenommen hatte, in deren Rahmen auch der Angeklagte A vernommen wurde.
1774Auch fällt insoweit zum Nachteil des Angeklagten A ins Gewicht, dass die Untreue sich mittelbar auch zu Lasten der öffentlichen Hand ausgewirkt hat. Denn wenn auch der Angeklagte A kein Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB war, so stand die AVG doch in einer engen Beziehung zur Stadt Köln, deren Bürger u.a. über die Müllgebühren letztlich den seitens der Stadt Köln als Mitgesellschafterin zu erbringenden Aufwand zu tragen haben.
1775bb)
1776Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung wird die Indizwirkung des Regelbeispiels aus §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StGB für das Vorliegen eines besonders schweren Falles der Untreue auch nicht von den nachfolgend dargestellten strafmildernden Umstände ausgeräumt:
1777So hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten A berücksichtigt, dass er bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist; gleiches gilt für die Tatsache, dass der haftunerfahrene, nicht mehr junge und in gefestigten sozialen Bindungen lebende Angeklagten sich fast vier Monate in Untersuchungshaft befand, ihn diese Zeit nachhaltig beeindruckt hat und er Erstverbüßer ist. Auch wurde strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte A - wenn auch nicht erheblich - an einer Rückenerkrankung sowie der Artrose in den Knien leidet.
1778Wesentlich zu Gunsten des Angeklagten A wurde darüber hinaus berücksichtigt, dass er sich nicht nur während der Hauptverhandlung, sondern bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens umfassend geständig gezeigt hat. Sein unprätentiöses und offenes Einlassungsverhalten hat die Ermittlungen und die Beweisführung im Rahmen der Hauptverhandlung erheblich erleichtert. Der Angeklagte A hat als erster der Angeklagten rückhaltlos sein Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Schmiergeldvereinbarung und deren Abwicklung eingeräumt und zu erkennen gegeben, dass er sein damaliges Verhalten heute als Unrecht bewertet und bereut.
1779Besonders war mildernd zu berücksichtigen, dass der AngeklagteA, der mit einer Ausnahme seine Einlassung auch im Zuge der umfangreichen Beweisaufnahme niemals korrigieren oder klarstellen musste, im Rahmen seines Geständnisses auch solche Umstände eingeräumt hat, die ihm im Falle seines Schweigens mit Beweismitteln allenfalls schwer hätten nachgewiesen werden können:
1780Zu nennen ist insbesondere die Entgegennahme eines Schmiergeldanteils in Höhe von 3 Mio. DM von dem N5-Geschäftsführer und Zeugen J5. Zwar hatten sowohl der Angeklagte Dr. B als auch der Zeuge L4 angegeben, dass der Angeklagte A im Jahr 1996 überN5 Zahlungen erhalten hatte; die eigentliche Geldübergabe, bei der nur der Angeklagte A und der Zeuge J5 anwesend waren, wäre aber nur schwer beweisbar gewesen, weil der Zeuge J5 sich im hiesigen Verfahren auf § 55 StPO berufen und zudem über seinen Verteidiger hatte mitteilen lassen, kein Geld an den Angeklagten A übergeben zu haben.
1781Auch der Zeuge I2 hat anlässlich seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im April/Mai 2004 lediglich angegeben, dem Angeklagten A einmal 2 bzw. 1 Mio. DM übergeben zu haben. Insoweit kommt daher dem Geständnis des Angeklagten A in ähnlicher Weise eine besonders mildernde Bedeutung zu, weil er erhebliche weitere Geldübergaben durch den Zeugen I2 eingeräumt hat. Andererseits war in beiden Fällen auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte A sich zu keinem Zeitpunkt - etwa bei dem Angeklagten Dr. B oder dem Zeugen L4 nach deren Einlassung - darüber beklagt hat, dass Schmiergeldzahlungen bei ihm nicht angekommen seien; dieser Umstand wäre - angesichts der auch urkundlich belegten Zahlungen von S5 an P5, N5 sowie Y3 & P4 - ein gewichtiges Indiz für die Annahme gewesen, dass die Schmiergelder durchaus bei dem Angeklagten A angekommen sind, wobei eine weitere Schwierigkeit darin bestanden hätte, festzustellen, in welcher Höhe die Schmiergelder weitergeleitet wurden.
1782Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung zunächst seine Kenntnis von der Anhebung des Loses Abgasbehandlung durch den AngeklagtenDr. B im Zuge der Angebotsmanipulation in Abrede gestellt und seine Einlassung erst später korrigiert hat, wirkte sich dies nicht erheblich im Rahmen der Strafmilderung relativierend aus. Denn es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es dem Angeklagten A zum einen aufgrund seines enormen Einsatzes für die Belange der AVG beim Bau der RMVA besonders schwer fiel, dieses der AVG erheblich nachteilige Verhalten vor sich selber und den anderen Verfahrensbeteiligten einzuräumen. Zum anderen hat er letztlich aber doch immerhin bereits am 5. von insgesamt 42 Verhandlungstagen auch diese Kenntnis eingeräumt und sich damit auch hinsichtlich des Schadens der AVG geständig gezeigt.
1783Bei der Prüfung der Voraussetzungen eines besonders schweren Falles der Untreue war weiterhin zu Gunsten des Angeklagten A zu berücksichtigen, dass die Hauptverhandlung bereits nach wenigen Verhandlungstagen beendet gewesen wäre, wenn an ihr nur der Angeklagte A als Angeklagter beteiligt gewesen wäre. Dass sich die von großem öffentlichen Interesse begleitete Hauptverhandlung im Ergebnis nahezu ein halbes Jahr hinzog und der bereits von Beginn an geständige Angeklagte A sich ihr über diesen Zeitraum stellen musste, beruhte im Wesentlichen auf dem Einlassungsverhalten des Angeklagten Dr. B und den Umständen im Zusammenhang mit dem nicht zur Verfahrensakte gelangten Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 vom 31.01.2003.
1784In diesem Zusammenhang fiel auch zu Gunsten des Angeklagten A ins Gewicht, dass er davon abgesehen hat, nach § 265 Abs. 4 StPO die Aussetzung der Hauptverhandlung zu beantragen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen Aussetzung vorgelegen hätten, nachdem im Zusammenhang mit dem Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 vom 31.01.2003 seitens der Staatsanwaltschaft den Verfahrensbeteiligten umfangreiches weiteres Aktenmaterial zur Verfügung gestellt wurde, von dem wesentliche Teile zum hiesigen Verfahren gehörten. Der Verteidigung des Angeklagten A wäre das Recht zuzubilligen gewesen, sich auf diese zahlreichen Urkunden angemessen vorzubereiten. Hierzu hätten die für eine Unterbrechung der Hauptverhandlung in Frage kommenden Fristen angesichts des Umfangs des Materials nicht ausgereicht, so dass im Falle der Stellung eines Aussetzungsantrages im Ergebnis erneut mit der Hauptverhandlung zu beginnen gewesen wäre. Daher ist besonders zu Gunsten des Angeklagten A zu berücksichtigen, dass er sich weiterhin im Rahmen der hiesigen Verhandlung unter Außerachtlassung der Geltendmachung seines prozessualen Aussetzungsrechtes seiner Verurteilung gestellt hat.
1785Darüber hinaus hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten A gewürdigt, dass er durch seinen unermüdlichen Einsatz als Geschäftsführer der AVG dafür gesorgt hat, dass in Köln eine RMVA von allseits anerkannt hervorragender Qualität errichtet wurde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sowohl der vorgesehene Zeitplan als auch der geplante finanzielle Rahmen eingehalten wurden; dies ist bei einem Projekt dieser Größenordnung keineswegs selbstverständlich. Trotz des eingerechneten Schmiergeldes hat der Angeklagte A zudem dafür gesorgt, dass die RMVA zu einem im Vergleich mit allen abgegebenen Generalunternehmerangeboten günstigen Preis errichtet wurde.
1786Mit Blick auf die Unrechtsabrede aus dem Herbst 1993 war zu Gunsten des Angeklagten A auch zu berücksichtigen, dass diese bereits vor mehr als zehn Jahren und damit vor beträchtlicher Zeit getroffen wurde; auch die letzte Entgegennahme einer Schmiergeldzahlung im Frühjahr 1999 liegt bereits mehr als fünf Jahre zurück.
1787Angesichts des der AVG entstandenen Schadens war ferner zu Gunsten des Angeklagten A zu berücksichtigen, dass er bereits über 2 Mio. € zu Gunsten der AVG hinterlegt und dafür gesorgt hat, dass die bei der LLB durch die Liechtensteinische Justiz beschlagnahmten Vermögenswerte der AVG zum Zwecke der Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellt wurden. Ohne die aktive Unterstützung des Angeklagten A - insbesondere in Gestalt der Rechtsmitteleinlegung gegenüber den Liechtensteinischen Justizbehörden und der Abtretung seiner Forderungen gegenüber der LLB an die AVG - wäre es der AVG kaum möglich gewesen, diese Vermögenswerte zu erlangen. Insoweit ist auch zu Gunsten des Angeklagten A zu berücksichtigen, dass der AVG zur Regulierung des ihr aufgrund der Unrechtsvereinbarung entstandenen Schadens ein weiterer vermögender Schuldner in Gestalt des Zeugen F6 zur Verfügung steht, so dass davon auszugehen ist, dass ein endgültiger Schaden bei der AVG nicht verbleiben wird.
1788cc)
1789Trotz dieser zahlreichen für den Angeklagten A sprechenden Umstände ist die Kammer nach der gebotenen Abwägung jedoch nicht der Ansicht, dass die für ihn sprechenden Fakten ein derartiges Gewicht haben, dass die Indizwirkung des Regelbeispiels (§§ 266 Abs 2, 263 Abs 3 S. 2 Nr. 2 StGB) für das Vorliegen eines besonders schweren Falles hierdurch entfallen würde. Danach haben auch die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles der Untreue betreffend den bis zum 31.03.1998 geltenden § 266 Abs. 2 StGB a.F. vorgelegen; denn bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung liegt ein unbenannter besonders schwerer Fall vor.
1790b)
1791Der Strafrahmen für die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ergibt sich aus §§ 299 Abs. 1, 300 Nr. 1 StGB; die letztgenannte Vorschrift sieht Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.
1792aa)
1793Die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 300 Nr. 1 StGB liegen vor, weil sich die Bestechlichkeit des Angeklagten A auf einen Vorteil großem Ausmaßes bezieht; insoweit ist auf das geforderte Schmiergeld von 3 % des sich auf 792 Mio. DM belaufenden Auftragswertes abzustellen, wenngleich die Kammer zu Gunsten des Angeklagten A davon ausgegangen ist, dass er persönlich nicht mehr als 7,49 Mio. DM aus dem Schmiergeld erhalten hat.
1794Für die Annahme eines besonders schweren Falles der Bestechlichkeit spricht auch der erhebliche Schaden, der der AVG entstanden ist. Denn § 299 StGB schützt neben dem Wettbewerb auch die Vermögensinteressen des Geschäftsherren.
1795Die Kammer hat auch bei der Strafrahmenwahl bzgl. der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr des weiteren in Rechnung gestellt, dass der Angeklagte A auch diese Tat detailliert plante und sie über einen langen Zeitraum (von 1993 bis zum Frühjahr 1999) und auch noch nach Einleitung erster staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen aufgrund der anonymen Anzeige im Jahr 1996 - abwickelte; auch insoweit kann nach oben verwiesen werden.
1796bb)
1797Wie bereits im Rahmen der Strafrahmenüberlegungen zur Untreue dargestellt, führten auch die zu Gunsten des Angeklagten A festgestellten Momente im Ergebnis nicht zum Entfallen der Voraussetzungen eines besonders schweren Falles der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Insoweit kann auf die Darstellung der dem Angeklagten günstigen Umstände bei der Strafrahmenwahl zur Untreue verwiesen werden.
1798Auch die Ausführungen hinsichtlich der Regulierung des Schadens der AVG sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, da Schutzgut des§ 299 StGB neben dem Wettbewerb auch die Vermögensinteressen des Geschäftsherren sind.
1799Ergänzend hat die Kammer im Zusammenhang mit dem seit der Unrechtsvereinbarung verstrichenen Zeit hinsichtlich der Voraussetzungen eines besonders schweren Falles der Bestechlichkeit zu Gunsten des Angeklagten A berücksichtigt, dass die Tat bis zur Einführung des § 299Abs. 1 StGB durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13.08.1997 lediglich nach § 12 UWG a.F. strafbar war, der zur Ahndung einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsah. Sie hat auch berücksichtigt, dass wesentliche Teile der Tat, insbesondere der Abschluss der Unrechtsvereinbarung, noch unter der Geltung des § 12 UWG a.F. verübt wurde.
1800cc)
1801Nach der gebotenen Abwägung aller Umstände ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass auch hinsichtlich der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr die Strafmilderungsgründe nicht von derartigem Gewicht sind, dass sie der Annahme eines besonders schweren Falles entgegenstehen.
1802c)
1803Hinsichtlich der Steuerhinterziehungsdelikte ergibt sich der Strafrahmen aus § 370 Abs. 1 AO, der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
1804Die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 AO liegen betreffend keines der Jahre vor; dies gilt namentlich für § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. Für das Merkmal der Steuerverkürzung in großem Ausmaß gibt es keine lediglich an der Höhe des Verkürzungsbetrages orientierte Grenze, bei deren Überschreiten regelmäßig das Vorliegen eines besonders schweren Falles zu bejahen ist; vielmehr ist das Vorliegen dieses besonderes schweren Falles anhand einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, wobei dem Umfang der Steuerverkürzung je nach den Umständen des Einzelfalles indizielle Bedeutung für den groben Eigennutz zukommen kann (vgl. BGH, Entscheidung vom 13.01.1993, 5 StR 466/92, wistra 1993, 109 f.). In Bezug auf die Höhe des hinterzogenen Betrages wird von einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes regelmäßig erst bei einer Hinterziehung in Millionenhöhe ausgegangen (vgl. Franz, AO, 8. Aufl. 2003, Rz. 68 zu § 370 m.w.N.). Unter grobem Eigennutz ist ein Verhalten zu verstehen, bei dem der Täter sich von seinem Streben nach eigenem Vorteil in einem besonders anstößigen Maße leiten lässt (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1990, 1 StR 548/90, wistra 1991, 106 f.). Sein Streben muss deshalb das bei jedem Straftäter, der eine Steuerhinterziehung zu eigenem Nutzen begeht, vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigen. Art, Häufigkeit und Intensität der Aktivitäten sowie der Zweck, zu dem der Vorteil erlangt wurde, sind in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Zu berücksichtigen sind jedoch auch vorliegende Milderungsgründe wie ein rückhaltloses Geständnis und ein Bemühen des Täters um Schadenswiedergutmachung (vgl. BGH, Entscheidung vom 22.06.1990, 3 StR 471/89, NStZ 1990, 497).
1805Der Angeklagte A hat insbesondere die ihm zur Last gelegten Steuerstraftaten von Beginn der Hauptverhandlung an und bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens unumwunden eingeräumt. Auch steht dem Fiskus ein die Steuerschuld (sieht man von Zinsen und Kosten ab) übersteigender Betrag zur Regulierung des Steuerschadens zur Verfügung. Schließlich hat der Verkürzungsbetrag nur für das Jahr 1998 die DM-Millionengrenze überschritten; im Jahr 1997 wurde nicht einmal die 100.000,00 DM-Grenze erreicht. Vor diesem Hintergrund kann im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung das Vorliegen eines besonders schweren Falles auch nicht angesichts des Umstandes bejaht werden, dass der Angeklagte A die Steuern in vier auf einander folgenden Jahren und für eigene Zwecke verkürzte.
18062. Konkrete Strafzumessungserwägungen
1807a)
1808Hinsichtlich der Untreue ist die Kammer bei der konkreten Strafzumessung unter Beachtung der Grundsätze des § 46 StGB insbesondere von den bereits im Rahmen der Festlegung des Strafrahmens für die Untreue erörterten Überlegungen ausgegangen, die für und gegen den Angeklagten A sprechen. Diese hat sie sämtlich auch in die hier anzustellende Betrachtung einbezogen und ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Ansicht gelangt, dass für die Untreue eine
1809Freiheitsstrafe von drei Jahren
1810tat- und schuldangemessen ist.
1811b)
1812Auch bei der konkreten Strafzumessung hinsichtlich der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ist die Kammer unter Beachtung der Grundsätze des § 46 StGB insbesondere von den bereits im Rahmen der Festlegung des Strafrahmens für diese Tat erörterten strafmildernden und strafschärfenden Überlegungen ausgegangen; nach der gebotenen Abwägung sieht die Kammer insoweit eine
1813Freiheitsstrafe von einem Jahr
1814als tat- und schuldangemessen an.
1815c)
1816In Bezug auf die vier Steuerdelikte des Angeklagten A ist die Kammer bei der konkreten Strafzumessung ebenfalls zunächst unter Beachtung der Grundsätze des § 46 StGB von den Erwägungen ausgegangen, die für die Bestimmung des Strafrahmens von Bedeutung waren. Daneben hat sie insbesondere folgende Überlegungen angestellt:
1817aa)
1818Strafmildernd wirkte es sich aus, dass der 60-jährige und in gefestigten sozialen Bindungen lebende Angeklagte A bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und er haftunerfahren und in seiner Gesundheit, wenn auch nicht erheblich, beeinträchtigt ist. Zudem hat er sich fast vier Monate in Untersuchungshaft befunden; diese Zeit hat ihn nachhaltig beeindruckt.
1819Wesentlich zu seinen Gunsten sprach darüber hinaus das bereits im Zusammenhang mit der Strafrahmenwahl bei Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr geschilderte Einlassungsverhalten des Angeklagten A; auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Gleiches gilt für die Ausführungen zu einer denkbaren Verkürzung einer ohne den Angeklagten Dr. B durchgeführten Hauptverhandlung und zu dem Unterlassen des Anbringens eines Aussetzungsantrages nach § 265 Abs. 4 StPO.
1820Zu Gunsten des Angeklagten A wirkte es sich ferner aus, dass auch die Steuerdelikte zum Teil lange zurückliegen.
1821Strafmildernd war insoweit auch zu berücksichtigen, dass dem geschädigten Fiskus aufgrund der bei dem Angeklagten beschlagnahmten Vermögenswerte ein endgültiger Schaden aller Voraussicht nach nicht verbleiben wird.
1822bb)
1823Andererseits war strafschärfend hinsichtlich der Steuerhinterziehung für das Jahr 1998 zu berücksichtigen, dass zwar die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles auch mit Blick auf den entstandenen Steuerschaden nicht vorliegen, dieser andererseits jedoch immerhin ein Volumen von über 1,1 Mio. DM aufweist und damit eine durchaus beträchtliche Höhe erreicht hat. Hinsichtlich der anderen Jahre ist die Höhe der hinterzogenen Steuern jeweils mit dem ihr zukommenden Gewicht strafschärfend berücksichtigt worden.
1824Ferner wirkt es sich zu Lasten des Angeklagten A aus, dass er die Steuerdelikte über einen Zeitraum von vier Jahren in ununterbrochener Reihenfolge begangen hat; dies offenbart ebenso eine gesteigerte kriminelle Energie des Angeklagten wie der Umstand, dass er sich auch nach Bekanntwerden der anonymen Anzeige aus März 1996 und der darauf hin eingeleiteten staatsanwaltschatflichen Ermittlungen nicht von weiteren Steuerdelikten abhalten ließ.
1825cc)
1826Nach der gebotenen Abwägung sieht die Kammer folgende Einzelstrafen für die Steuerdelikte als tat- und schuldangemessen an:
1827- für die Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 1995
1828eine Freiheitsstrafe von einem Jahr,
1829- für die Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 1996
1830eine Freiheitsstrafe von neun Monaten,
1831- für die Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 1997
1832eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten und
1833- für die Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 1998
1834eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
1835Hinsichtlich keines der Steuerdelikte war - insbesondere mit Blick auf die hinterzogenen Beträge - die Verhängung einer Geldstrafe tat- und schuldangemessen.
1836Betreffend die Steuerhinterziehung im Jahr 1997 war die Verhängung einer unter sechs Monaten liegenden Freiheitsstrafe aus Gründen, die in der Tat und der Persönlichkeit des Täters liegen, zur Einwirkung auf den Angeklagten A unerlässlich (§ 47 Abs. 1 StGB). Zwar war der eingetretene Steuerschaden in diesem Jahr deutlich geringer als in den anderen Jahren. Gleichwohl ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe auch unter voller Berücksichtigung aller Strafmilderungsgründe angesichts der über Jahre verübten Steuerdelikte zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich.
1837d)
1838Nach erneuter Abwägung der hinsichtlich der Einzelstrafen für die Untreue, die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und die Steuerdelikte dargelegten Strafzumessungserwägungen sowie unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 46 StGB und der für die Bildung einer Gesamtstrafe geltenden Regeln hat die Kammer diese Einzelstrafen zu einer tat- und schuldangemessenen Gesamtfreiheitsstrafe von
1839drei Jahren und neun Monaten
1840zurückgeführt. Insbesondere angesichts des geständigen Einlassungsverhaltens des nicht vorbestraften Angeklagten, der für die Schadenswiedergutmachung zur Verfügung stehenden Vermögenswerte und der seit der Begehung der Strafen verstrichenen Zeit konnte die mittlere Gesamtstrafe dabei deutlich unterschritten werden.
1841Die Kammer ist der Ansicht, dass aus heutiger Sicht in der Person des Angeklagten A die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Restes der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt bei entsprechendem Vollzugsverhalten vorliegen könnten. Ein Gesamtwürdigung der von ihm begangenen Taten und seiner Persönlichkeit lässt das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB erkennen. Hierfür sprechen insbesondere die reifliche Auseinandersetzung mit den Straftaten, das erkennbare Unrechtsbewusstsein, der erhebliche Beitrag des Angeklagten zur Tataufklärung und die für eine Schadensregulierung - zum Teil auch durch eine aktive Mitwirkung des Angeklagten - zur Verfügung stehenden erheblichen Vermögenswerte.
1842II. Strafzumessung bzgl. des Angeklagten Dr. B
18431. Strafrahmen
1844a)
1845Hinsichtlich der Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der AVG stand der Strafrahmen aus §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB zur Verfügung, der Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten vorsieht.
1846aa)
1847Auch mit Blick auf die Beihilfehandlung des Angeklagten Dr. Bs war hinsichtlich der Untreue der Strafrahmen der §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StGB anzuwenden.
1848(1)
1849Dies wird auch für den Angeklagten Dr. B als Gehilfen durch die Indizwirkung des Regelbeispiels, nämlich die schuldhafte Verursachung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes, nahegelegt. Auch der Umstand, dass der Angeklagte Dr. B zu Lasten der AVG durch die Entgegennahme des Schmiergeldanteils von immerhin mit 1 Mio. DM sich persönlich erheblich bereichert hat, spricht für die Annahme einer besonders schweren Falls der Beihilfe zur Untreue; dabei hat die Kammer allerdings relativierend berücksichtigt, dass der dem Angeklagten Dr. B zugeflossene Anteil des Schiergeldes wesentlich geringer war als der Anteil des Angeklagten A.
1850Ferner spricht für das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StGB, dass sich die sorgfältig geplante Untreuehandlung über einen langen Zeitraum erstreckte und in dieser Tat auch bzgl. des Gehilfen Dr. B ein gesteigertes Maß an krimineller Energie zum Ausdruck kam. In diesem Zusammenhang war ebenfalls zu berücksichtigen, dass auch der Angeklagte Dr. B die Abwicklung der Unrechtsvereinbarung fortsetzte, obwohl die Staatsanwaltschaft im Frühjahr 1996 durch eine anonyme Anzeige auf mögliche Unrechtshandlungen im Zusammenhang mit der Errichtung der RMVA Köln aufmerksam geworden war und Ermittlungen eingeleitet hatte.
1851Darüber hinaus ist insoweit anzuführen, dass der Angeklagte Dr. B im Zusammenhang mit dem „China-Geschäft“ im Jahr 1994 eine Beihilfe zu einer Untreue des T5-Mitarbeiters P11 zum Nachteil von T5 begangen und aus dieser Tat für sich einen Vermögensvorteil von 2 Mio. DM gezogen hat. Dass er diese Einkünfte der Steuer nicht meldete und dadurch eine Straftat nach §§ 370 Abs. 1, 369 AO begangen hat, war allerdings nicht strafschärfend zu berücksichtigen, was angesichts der Verjährung ohnehin nur beschränkt möglich gewesen wäre; denn der Angeklagte Dr. B hat zwar nach rechtzeitiger Erstattung der Selbstanzeige die Steuerschuld bislang nicht beglichen, ihm ist aber auch eine Frist nach § 371 Abs. 3 AO bislang nicht gesetzt worden (vgl. BGH, Urteil vom 03.06.1954, 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336 ff.).
1852(2)
1853Das Vorliegen der Voraussetzungen der Beihilfe zu einer Untreue im besonders schweren Fall scheitert auch nicht an der gebotenen Berücksichtigung der zu Gunsten des Angeklagten Dr. B sprechenden Umstände. Insoweit hat die Kammer insbesondere folgende Überlegungen angestellt:
1854So wirkte sich zu Gunsten des Angeklagten Dr. B aus, dass gegen ihn bislang eine strafrechtliche Verurteilung noch nicht ergangen ist.
1855Auch fiel für ihn ins Gewicht, dass der nicht mehr junge und haftunerfahrene Angeklagte Dr. B, der in gefestigten sozialen Bindungen lebt, im Rahmen des hiesigen Verfahrens fast fünf Monate in Untersuchungshaft verbracht und sich hiervon nachhaltig beeindruckt gezeigt hat und im Falle einer Strafvollstreckung als Erstverbüßer anzusehen wäre.
1856Ferner war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass der Angeklagte Dr. B sich sowohl im Rahmen des Ermittlungsverfahrens als auch in der Hauptverhandlung zu weiten Teilen des festgestellten Sachverhaltes geständig eingelassen hat. Gleiches gilt für den Umstand, dass er bei der Begehung der Bestechung nicht nur das persönliche Gewinnstreben, sondern die Interessen seines Arbeitgebers S5 und der dort beschäftigten Mitarbeiter vor Augen hatte; denn er wollte durch seine Taten S5 in wirtschaftlich schwieriger Zeit zu einem als Referenzobjekt wichtigen Auftrag verhelfen; er hat sich nicht von Anfang an an der Unrechtsvereinbarung als persönlicher Nutznießer beteiligt.
1857Schließlich war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass der Angeklagte Dr. B hinsichtlich des persönlich erhaltenen Schmiergeldes von 1 Mio. DM gegenüber S5 ein Schuldanerkenntnis abgegeben hat. In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der geschädigten AVG neben dem Angeklagten Dr. B und dem Angeklagten A in der Person des Zeugen F6 ein finanzstarker Schuldner zur Verfügung steht, so dass davon auszugehen ist, dass der ihr entstandene Schaden vollständig reguliert werden kann.
1858Auch zu Gunsten des Angeklagten Dr. B wirkte sich aus, dass die von S5 errichtete RMVA eine Anlage von höchster Qualität ist, die weit über die Grenzen Deutschlands hinaus als vorbildlich gilt.
1859Zu Gunsten des Angeklagten Dr. B sprach darüber hinaus, dass die Unrechtsvereinbarung aus dem Herbst 1993 bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt, seit der Entgegennahme der 1 Mio. DM im Jahr 1995 neun Jahre und seit der letzten Auszahlung des Schmiergeldes an den Angeklagten A im Frühjahr 1999 mehr als fünf Jahre verstrichen sind.
1860Schließlich fiel auch zu Gunsten des Angeklagten Dr. B ins Gewicht, dass auch er von seinem prozessualen Recht zur Beantragung der Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 4 StPO keinen Gebrauch gemacht hat, nachdem im Zusammenhang mit dem Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. I3 den Verfahrensbeteiligten umfangreiche bislang unbekannte Aktenbestandteile seitens der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt wurden. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen hinsichtlich der Strafzumessungserwägungen betreffend den Angeklagten A verwiesen werden, die auf den Angeklagten Dr. B in gleicher Weise zutreffen. Hinsichtlich des Angeklagten Dr. B ist insoweit zudem zu berücksichtigen, dass er sich vorliegend einer Verurteilung gestellt hat, obgleich er wusste, dass die für das Böblinger Verfahren zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart einer Erledigung des dortigen Verfahrens nach § 154 StPO nicht zustimmen würde, wenn im vorliegenden Verfahren eine Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt wird und für ihn daher nicht abzusehen war, mit welcher Straferwartung er hinsichtlich beider Verfahren insgesamt zu rechnen hat.
1861bb)
1862Der Strafrahmen der Untreue im besonders schweren Fall war nach §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, weil es in der Person des Angeklagten Dr. B an einem besonderen die Strafbarkeit des Täters begründenden persönlichen Merkmal (§ 14 Abs. 1 StGB) fehlt. Denn der Angeklagte Dr. B ist - im Gegensatz zum Haupttäter, dem Angeklagten A - weder Geschäftsführer der AVG noch steht er ihr gegenüber sonst in einem Treueverhältnis.
1863cc)
1864Eine weitere Milderung des Strafrahmens nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB kommt nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Angeklagte Dr. B wegen des fehlenden Treueverhältnisses zur AVG nicht Täter der Untreue zu deren Nachteil sein kann, war bereits Anlass für die Strafrahmenverschiebung nach §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB; eine doppelte Milderung scheidet in derartigen Fällen aus (vgl. BGH, Beschluss vom 22.04.1998, 2 StR 111/88, wistra 1988, 303). Angesichts der entscheidenden Stellung des Angeklagten Dr. B bei Abschluss und Abwicklung der Schmiergeldabrede käme unter Berücksichtigung der sonstigen Gesichtspunkte die Annahme einer Gehilfenstellung nicht in Betracht, wenn ihm diese nicht über § 28 StGB zukommen würde.
1865b)
1866Für die Bestechung im geschäftlichen Verkehr stand der Strafrahmen aus §§ 299 Abs. 2, 300 Nr. 1 StGB zur Verfügung, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. Denn nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten Dr. B sprechenden Umstände handelt sich auch bei der von ihm begangenen Tat um einen besonders schweren Fall der Bestechung. Hierfür waren insbesondere folgende Überlegungen ausschlaggebend:
1867aa)
1868Zum einen wird das Regelbeispiel des § 300 Nr. 1 StGB erfüllt, weil der Vorteil für den Angeklagten A bzw. für Dritte im Sinne der § 299 StGB mit einem Volumen von 3 % des sich auf 792 Mio. DM belaufenden Auftragswertes von großem Ausmaß war. Allerdings ist die Kammer auch hinsichtlich des Angeklagten Dr. B insoweit zu seinen Gunsten davon ausgegangen, dass er von dem Schmiergeld persönlich nur 1 Mio. DM erhalten hat.
1869Für die Annahme eines besonders schweren Falles der Bestechung spricht aber ferner der bei der AVG eingetretene erhebliche Vermögensverlust von 24.434.344,00 DM; denn § 299 StGB schützt nicht nur den Wettbewerb, sondern auch die Vermögensinteressen des Geschäftsherren. Insoweit ist daher auch anzuführen, dass der Angeklagte Dr. B immerhin mit 1 Mio. DM an der Schmiergeldzahlung zum Nachteil der AVG persönlich beteiligt war - einer im Vergleich zum Angeklagten A zwar geringeren, aber immer noch beträchtlichen Summe.
1870Anzuführen ist insoweit weiterhin, dass auch der Angeklagte Dr. B die Bestechung mit den anderen Beteiligten über einen langen Zeitraum hinweg detailliert plante und abwickelte und dadurch eine durchaus erhöhte kriminelle Energie zu Tage treten ließ.
1871bb)
1872Angesichts dieser Umstände waren auch die für den Angeklagten Dr. B sprechenden Gesichtspunkte nicht von solchem Gewicht, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles der Bestechung entfielen. Insoweit hat die Kammer dieselben Überlegungen wie hinsichtlich der Strafrahmenwahl betreffend die Beihilfe zur Untreue angestellt; auf die entsprechenden Ausführungen kann insoweit verwiesen werden.
18732. Konkrete Strafzumessungserwägungen
1874a)
1875Hinsichtlich der konkreten Strafzumessung betreffend die Beihilfe des Angeklagten Dr. B zur Untreue des Angeklagten A zu Lasten der AVG ist die Kammer unter Beachtung der Grundsätze des § 46 StGB insbesondere von folgenden Überlegungen ausgegangen:
1876aa)
1877Hinsichtlich der strafmildernden Umstände kann auf die Ausführungen im Rahmen der Überlegungen zur Strafrahmenwahl der Beihilfe zur Untreue Bezug genommen werden. Die Kammer hat bei der konkreten Strafzumessung namentlich berücksichtigt, dass der Angeklagte Dr. B nicht vorbestraft ist, in gefestigten sozialen Bindungen lebt, sowie dass er - als nicht mehr junger und haftunerfahrener Angeklagter - im Rahmen des hiesigen Verfahrens fast fünf Monate in Untersuchungshaft verbracht und sich hiervon nachhaltig beeindruckt gezeigt hat.
1878Auch hat die Kammer insoweit das weitgehend geständige Einlassungsverhalten des Angeklagten sowie die Überlegungen hinsichtlich der Regulierung des Vermögensschadens der AVG sowie die hervorragende Qualität der RMVA und den seit der Beihilfehandlung und der Haupttat verstrichenen Zeitraum zu seinen Gunsten berücksichtigt.
1879Ferner wurde strafmildernd berücksichtigt, dass der AngeklagtenDr. B keinen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 4 StPO gestellt hat; insoweit kann erneut auf die vorstehenden Darlegungen verwiesen werden.
1880bb)
1881Strafschärfend war jedoch der erhebliche der AVG entstandene Schaden zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass der Angeklagte Dr. B die Tat mit den anderen Beteiligten über einen langen Zeitraum hinweg detailliert plante und - selbst noch nach Einleitung erster staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Jahr 1996 - abwickelte; dies bringt eine erhöhte kriminelle Energie zum Ausdruck. Auch wirkte es sich zu Lasten des Angeklagten Dr. B aus, dass auch er immerhin mit 1 Mio. DM an der Schmiergeldauszahlung partizipierte. Auch insoweit kann - wie auch bzgl. des„China-Geschäftes“ - auf die entsprechenden Ausführungen im Zusammenhang mit der Strafrahmenfestlegung der Bestechung Bezug genommen werden.
1882cc)
1883Nach Abwägung aller für die konkrete Strafzumessung erheblichen Umstände sieht die Kammer hinsichtlich der Untreue eine
1884Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten
1885sowie im Rahmen des schuldangemessenen Gesamtübels eine daneben bestehende
1886Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 165,00 €
1887als tat- und schuldangemessen an. Denn es ist sinnvoll, den Angeklagten Dr. B sowohl an der Freiheit als auch an seinem Vermögen zu strafen, da er sich durch die Tat bereichert hat. Die Verhängung einer Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe ist angesichts der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten Dr. B angebracht(§ 41 StGB). Wie festgestellt, verfügt der Angeklagte Dr. B auch heute noch über nennenswerte Vermögenswerte. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten Dr. B.
1888b)
1889Auch hinsichtlich der Bestechung im geschäftlichen Verkehr hat die Kammer sowohl die Grundsätze des § 46 StGB als auch erneut insbesondere die im Rahmen der Strafrahmenfestlegung insoweit angesprochenen Umstände abgewogen und sieht insoweit eine
1890Freiheitsstrafe von neun Monaten
1891als tat- und schuldangemessen an.
1892c)
1893Nach erneuter Abwägung aller in Betracht kommenden Strafzumessungserwägungen und unter Beachtung der für die Bildung einer Gesamtstrafe geltenden Grundsätze sieht die Kammer eine aus diesen Einzelstrafen zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe von
18942 Jahren
1895sowie eine daneben bestehen bleibende Geldstrafe von
1896270 Tagessätzen zu je 165,00 €
1897als tat- und schuldangemessen an.
1898Die Vollstreckung der ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe kann gleichwohl zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 56 Abs. 1, Abs. 2 StGB). Es ist zu erwarten, dass der Angeklagte Dr. B sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und er auch ohne den Vollzug der Freiheitsstrafe künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Hierfür spricht zum einen der Umstand, dass der noch nicht vorbestrafte, teilgeständige Angeklagte Dr. B in geordneten Verhältnissen lebt und sich als durch die Untersuchungshaft tief beeindruckt gezeigt hat. Wesentlich spricht hierfür auch, dass dem Angeklagten Dr. B im Rahmen des Bewährungsbeschlusses die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1 Mio. € auferlegt worden ist, sowie der Umstand, dass die von ihm begangenen Taten bereits viele Jahre zurück liegen; betreffend das „China-Geschäft“ ist erneut darauf hinzuweisen, dass dieses ebenfalls geraume Zeit zurück liegt. Im Hinblick auf die besonders ins Gewicht fallenden Strafmilderungsgründe liegen danach besondere Umstände insbesondere in der Persönlichkeit des Verurteilten vor, die eine Strafaussetzung zur Bewährung trotz der Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren rechtfertigen.
1899§ 56 Abs. 3 StGB steht einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegen. Dem rechtstreuen Bürger, dem alle für die Strafzumessung bedeutsamen Umstände bekannt sind, würde es nicht als unverständliches Zurückweichen vor dem strafbaren Unrecht erscheinen, dass vorliegend die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
1900F.
1901keine Anordnung des Verfalls:
19021. Verfall gegenüber den Angeklagten A und Dr. B
1903Der Anordnung des Verfalls gegenüber den Angeklagten A und Dr. B steht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen; denn der der AVG gegen diese aufgrund der Untreue bzw. der dazu geleisteten Beihilfe entstandene Schadensersatzanspruch in Höhe von 24.434.344,00 DM übersteigt das von den Angeklagten aus der jeweiligen Straftat Erlangte bei weitem.
19042. Verfall gegenüber S5
1905Aber auch die Anordnung des Verfalls gegenüber S5 nach §§ 73 Abs. 3, 73 a StGB kommt in Ansehung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht in Betracht.
1906a)
1907Ein Anspruch der AVG gegenüber S5 aus §§ 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit §§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1und § 299 StGB wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Angeklagte A als Geschäftsführer der AVG kollusiv mit dem Angeklagten Dr. B, dessen Verhalten sich S5 gemäß § 31 BGB ohne Exkulpationsmöglichkeit zurechnen lassen muss, zusammengewirkt hat.
1908So hatte der BGH keine Bedenken, einen tatbestandsmäßigen Untreueschaden in einem Fall anzunehmen, in dem sich der Geschäftsführer einer GmbH hatte bestechen lassen mit der Folge, dass die GmbH dieses Schmiergeld letztlich über einen an den Bestechenden zu zahlenden überhöhten Preis selbst aufbringen musste (BGH, Urteil vom 15.03.2001, 5 StR 454/00, NJW 2001, 2102 ff.). Bei Kollusion wird das Wissen des Geschäftsführers des Geschädigten regelmäßig dem geschädigten Geschäftsherrn nicht zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1968, II ZR 208/64, BGHZ 50, 112 ff.). Dementsprechend wurde höchstrichterlich vom Grundsatz her ein Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn aus § 826 BGB gegen den Vertragsgegner, der dem Vorstand des Geschäftsherren Schmiergelder gezahlt haben soll, bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.1962, II ZR 151/60, NJW 1962, 1099 f.; vgl. auch MünchKomm-Mertens, BGB, 3. Aufl., Rz 75 zu § 826; Staudinger-Oechsler, BGB, 13. Aufl., Neubearbeitung 2003, Rz 120, 236, 387 zu§ 826 BGB) und nicht ausgeführt, die Klägerin müsse sich die Bösgläubigkeit ihres früheren Vorstandes zurechnen lassen.
1909Aus denselben Überlegungen ist es für die Beurteilung eines Schadensersatzanspruchs unerheblich, dass der Zeuge F6 als Mitgesellschafter der AVG in die Schmiergeldabrede einbezogen war; dies müssen sich die redlichen Gesellschafter nicht entgegenhalten lassen. Insofern ist vielmehr ein Ausgleich unter den Gesamtschuldnern durchzuführen. Der jedenfalls auch nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung des Gesellschaftsvertrages haftende Mitgesellschafter steht insoweit mit den Schuldnern, die aus unerlaubter Handlung bzw. aus positiver Forderungsverletzung des Geschäftsführervertrages haften, in einem Gesamtschuldnerverband.
1910b)
1911Obwohl S5 aus dem auf der Schmiegeldabrede beruhenden Werkvertrag vom 28.01.1994 den gesamten Werklohn in Höhe von 792 Mio. DM erlangt hat, der den Schadensersatzanspruch der AVG deutlich übersteigt, ist der Verfall gleichwohl nicht anzuordnen.
1912Zwar hat die Kammer in Rechnung gestellt, dass seit dem 07.03.1992 im Bereich des Verfalls das sog. Bruttoprinzip gilt. Gleichwohl ist zu bedenken, dass die Erlangung eines Werkauftrags durch Zahlung von Schmiergeldern nicht mit der Tätigkeit etwa eines Drogendealers oder Waffenschiebers vergleichbar ist. Der Drogendealer und Waffenschieber kann von Rechts wegen kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln, dass ihm im Falle der Tatentdeckung die Einnahmen aus den illegalen Geschäften verbleiben, soweit den Bruttoeinnahmen entsprechende Aufwendungen zur Anbahnung oder Durchführung der kriminellen Machenschaften gegenüberstehen. Sinn des Gesetzes ist es, gerade das organisierte Verbrechen an einer seiner verwunbarsten Stellen zu treffen: an der wirtschaftlichen Basis.
1913Hiermit aber kann die Tätigkeit eines Unternehmens, das eine an sich legale Arbeit wie die Errichtung einer RMVA ausführt, und das sich „lediglich“ entgegenhalten lassen muss, diesen Auftrag durch eine strafbare Bestechung im geschäftlichen Verkehr erlangt zu haben, nicht verglichen werden.
1914Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Embargoverstößen (BGH, Urteil vom 21.08.2003, 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369 ff.). Wenn der BGH bei einem strafbaren Verstoß gegen Embargovorschriften das Bruttoprinzip konsequent und ungemildert durch § 73 c StGB anwendet, unterscheidet sich der dort vorliegende Sachverhalt von dem hier anstehenden insoweit, als die Durchführung eines Geschäftes unter Verstoß gegen Embargobestimmungen schlechthin unzulässig ist, während ein Werkvertrag regelmäßig nicht deshalb gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, weil bei seiner Akquirierung eine Bestechung im geschäftlichen Verkehr stattgefunden hat (vgl. BGH, Entscheidung vom 06.05.1999, VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361).
1915Daher bedeutete es jedenfalls eine im Sinne der Ermessensvorschrift des § 73 c Abs. 1 S. 1 StGB unbillige Härte, wollte man in „Schmiergeldfällen“ den gesamten gezahlten Werklohn für verfallen erklären. Diese Überlegung gilt unabhängig davon, ob das betroffene Unternehmen noch werbend tätig ist oder sich in der Abwicklung befindet, zumal in Fällen der Insolvenz § 73 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 StGB oftmals greifen dürfte, wonach die Verfallsanordnung nach Ermessen unterbleiben kann, wenn der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist.
1916Ein den Schadensersatzanspruch der AVG übersteigender S5-Gewinn konnte nicht festgestellt werden. Die Angebotsmanipulationen sowie das Hinzurechnen von 3 % „NA“ ist nicht gleichbedeutend mit einem entsprechend höheren Gewinn, da der überwiegende Teil der Gelder wiederum als Schmiergeld abgeflossen ist. Welcher Gewinn prognostiziert wurde, ist gegenüber dem Umstand, welcher Gewinn tatsächlich anfiel, nachrangig. Die RMVA wurde bei S5 bis September 1999 mit einem Gewinn von ca. 8 bis 9 Mio. € abgeschlossen; nach dem Aufkauf von S5 durch T5 im Oktober 1999 ergab sich letztlich ein Verlust von ca. 688.000,00 €.
1917G.
1918Kostenentscheidung:
1919Die Kosten- und Auslagenentscheidung betreffend den AngeklagtenA beruht auf § 465 Abs. 1 StPO, diejenige betreffend den Angeklagten Dr. B auf §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO und betreffend den Angeklagten C auf § 467 Abs. 1 StPO.
1920Kosten- und Auslagenentscheidung betreffend die Verfallsbeteiligte beruht auf § 472 b Abs. 3 StPO.
1921H.
1922Entscheidung nach dem StrEG:
1923Der Angeklagte C ist für die Zeit seiner Freiheitsentziehung aus der Staatskasse zu entschädigen, § 2 StrEG. Ein Tatbestand, der zu einem Ausschluss oder einer Versagung der Entschädigung nach §§ 5, 6 StrEG führen würde, liegt nicht vor.
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