Beschluss vom Landgericht Köln - 111 - 9/05
Tenor
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Köln auf Erlass eines Unterbringungsbefehls gemäß § 275 a Abs. 5 StPO vom 14.03.2005 wird zurückgewiesen.
1
G R Ü N D E:
2I.
3Mit Urteil vom 22.05.1991 wurde die Verurteilte wegen einer besonders schweren Brandstiftung Fall 1 der Anklage sowie zweier tatmehrheitlich begangener Fälle schwerer Brandstiftung, davon ein Fall Fall 12 der Anklage in der Form des Versuches begangen, im anderen Fall Fall 13 der Anklage in Tateinheit mit Diebstahl Fall 14 der Anklage -, wegen Brandstiftung Fall 9 der Anklage sowie wegen sechs untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehender Fälle der Sachbeschädigung Fälle 4, 5, 7, 10, 15 und 16 der Anklage -, davon ein Fall Fall 7 der Anklage in Tateinheit mit Diebstahl begangen Fall 8 der Anklage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt.
4Das Urteil wurde, nachdem Fall 10 der Anklage gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig durch den Bundesgerichtshof eingestellt wurde, im übrigen am 07.03.1992 rechtskräftig.
5In der Urteilsbegründung wird zunächst der Lebenslauf der Verurteilten dargestellt. Es wird unter anderem dargelegt, dass die Verurteilte zunächst bei ihren Großeltern aufgewachsen sei, die die Erziehung übernommen hätten, während sich die Mutter bereits in früher Kindheit der Verurteilten nach England absetzt und ihre Tochter nur alle 3 bis 4 Jahre besucht habe. Vor mehr als 20 Jahren sei der Kontakt abgebrochen.
6Bereits in der Volksschule habe die Verurteilte Freude daran gehabt, Kleidungsstücke ihrer Mitschülerinnen zu vertauschen und anschließend deren aufgeregtes Suchen zu beobachten. In der Handelsschule sei die Verurteilte häufig wegen Ladendiebstählen aufgefallen. Seit Februar/März 1965 habe die Angeklagte regelmäßig Selbstmordversuche unternommen, teilweise nachdem sie wegen Diebstahlshandlungen aufgefallen sei. Aus diesem Grund habe sich die Verurteilte mehrfach in stationärer psychologischer Behandlung befunden.
7Mit Urteil vom 03.04.1975 sei die Verurteilte erstmals wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 6 Tagessätzen zu je 25,00 DM verurteilt worden. In der Folgezeit sei die Verurteilte wie folgt verurteilt worden:
8- wegen Diebstahls in 6 Fällen und versuchten Diebstahls in 2 Fällen am 14.05.1975 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde,
9- wegen Diebstahls in 2 Fällen am 30.12.1975 zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,00 DM,
10- wegen Diebstahls in 7 Fällen und versuchten Diebstahls unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe vom 14.05.1975 am 22.04.1976 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährung wurde widerrufen,
11- wegen Diebstahls geringwertiger Sachen am 01.06.1977 zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten,
12- wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl einer geringwertigen Sache, wegen Diebstahls sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung am 25.08.1977 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten,
13- wegen fortgesetzten Diebstahls in 2 Fällen, Diebstahls geringwertiger Sachen sowie räuberischen Diebstahls am 27.02.1980 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten und
14- wegen Diebstahls am 18.03.1982 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
15Mit Urteil vom 30.04.1980 sei die Verurteilte vom Landgericht Dortmund wegen Schuldunfähigkeit vom Vorwurf des fortgesetzten Diebstahls freigesprochen worden und gemäß § 63 StGB die Unterbindung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
16Insoweit legt das Urteil, auf das Bezug genommen wird, jeweils im Einzelnen dar, welche Straftaten der jeweiligen Verurteilung zugrunde lagen.
17Im Urteil des Landgerichts Köln vom 22.05.1991 wird sodann im einzelnen dargelegt, dass sich die Verurteilte im Jahr 1986 an die Vereinigung T gewandt habe und in einem Haus dieser Einrichtung mit verschiedenen Unterbrechungen gewohnt habe. Nachdem es zu Auseinandersetzungen mit anderen Bewohnern der T gekommen sei, sei die Verurteilte aufgefordert worden, die Einrichtung zu verlassen. Aus Rache habe sie sodann am 13.02.1988 ein Feuer im Möbellager des Hauses gelegt. Am 14.02.1988 legte die Angeklagte ein Feuer in der zur Einrichtung der T gehörenden Gartenlaube und später ein weiteres Feuer im Keller des Hauses.
18Nachdem bei den Mitgliedern der T der Verdacht aufgekommen sei, die Verurteilte könne die Brände gelegt haben, wurde diese aufgefordert, die Einrichtung sofort zu verlassen. Dieser Aufforderung sei die Verurteilte nachgekommen.
19Nach dem Auszug aus der Einrichtung der T habe die Verurteilte auch weitere Diebstähle begangen. Sie habe aber angegeben, dass sie die Diebstähle nicht mehr faszinieren würden und sie diese unterlassen könne, wenn es ihr gut gehe.
20Auch nachdem die Verurteilte im August 1988 eine eigene Wohnung bezogen habe, habe sie die Diebstahlshandlungen fortgesetzt. Darüber hinaus sei die Verurteilte in den frühen Morgenstunden häufig aufgestanden und habe das Haus verlassen. Dabei habe sie eine Plastiktüte mitgeführt, die mit zusammengedrücktem Papier und Lumpen gefüllt gewesen sei. Diese habe die Verurteilte in den Hausflur eines Hauses mit geöffneter oder jedenfalls unverschlossener Tür gestellt und entzündet. Sie habe die Türen der Häuser geöffnet gelassen, damit "Luft dran komme, sonst ersticke die Flamme". Zu diesen Taten habe die Verurteilte auch ihre minderjährige Tochter mitgenommen.
21In der Nacht zum 03.08.1989 habe die Verurteilte sodann ein Feuer im Haus der T entzündet. Bei dem Brand seien zwei Erwachsene und ein Kind ums Leben gekommen. Auch sei ein erheblicher Sachschaden (mehr als 200.000,00 DM) entstanden.
22Zwischenzeitlich habe die Angeklagte weitere Mitarbeiter der T bedroht. Auch habe sie geäußert, dass sie sich und ihre Tochter umbringen werde, wenn das Jugendamt ihr die Tochter wegnehme.
23Am 16.12.1989 gegen 04.00 Uhr habe die Angeklagte ein Feuer im Haus I-Straße gelegt, indem mehrere Mülltüten u.a. gefüllt mit Papier im Hausflur in Brand gesetzt worden seien. Am gleichen Tag habe die Verurteilte gegen 07.30 Uhr das Rückenteil eines Kinderwagens im Hausflur entzündet.
24In der Nacht auf den 31.12.1989 habe die Verurteilte zwei Brände in einer Filiale der Firma N gelegt. Hierbei habe sie einen Zeitungsständer und einen Müllbehälter in Brand gesetzt. Hierbei habe sie auch zwei Bügeleisen entwendet.
25Am Morgen des 04.01.1990 habe die Verurteilte ein Feuer an ihrer Arbeitsstelle entzündet. Hierbei sei ein Sachschaden von mindestens 100.000,00 DM entstanden.
26Am 07.01.1990 habe die Verurteilte wiederum ein Feuer in der oben genannten Filiale der Firma N entzündet und erneut ein Bügeleisen entwendet.
27Nachdem die Verurteilte mit dem Verhalten ihrer Rechtsanwältin in anderen Verfahren nicht zufrieden gewesen sei, habe sie am 10.01.1990 im Gebäude, in dem sich auch die Kanzlei befand, ein Feuer gelegt. Nur durch die baldige Entdeckung sei vermieden worden, dass Menschen durch das Feuer zu Schaden kamen.
28Noch am gleichen Tag habe die Verurteilte zwischen 21.00 und 22.00 Uhr einen Brand in den Räumen der Beratungsstelle für Weiterbildung gelegt. Grund hierfür sei gewesen, dass die Verurteilte hier habe arbeiten sollen, daran aber kein Interesse zeigte. Bei dieser Gelegenheit habe die Angeklagte verschiedene Gegenstände entwendet.
29Am 15.01.1990 sei die Verurteilte sodann aufgrund des Verdachts der in Rede stehenden Tatvorwürfe gemäß § 17 Abs. 2 PsychKG in die Rheinische Landesklinik eingewiesen.
30Am 05.03.1990 habe die Angeklagte gegen 17.30 Uhr während des Aufenthalts in der Klinik Schmutzwäsche in Brand gesetzt.
31Auch am 06.03.1990 habe die Angeklagte ein Feuer gelegt, indem sie eine Matratze in Brand gesetzt habe.
32Zur Schuldfähigkeit führt die Kammer aus, dass der Sachverständige Prof. Dr. M bei der Verurteilten eine schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer anderen schweren seelischen Abartigkeit diagnostiziert habe. Diese Diagnose habe der Sachverständige auf schwere emotionale Schäden in der frühkindlichen Entwicklung gestützt, aufgrund derer es kaum möglich erscheine, normale Ansprechbarkeit für soziale Werte zu entwickeln. Es sei ein ausgeprägter Mangel an Selbstvertrauen bei der Verurteilten vorhanden verbunden mit Unsicherheit und Mißtrauen gegenüber anderen Menschen. Daher könne sie auch keine partnerschaftliche Beziehung eingehen. An Menschen, die der Verurteilten Hilfe anböten, stelle sie übermäßige Forderungen. Auch sei die Verurteilte nicht in der Lage, eine realitätsgerechte und langfristige Lebensplanung vorzunehmen. Ferner seien bei ihr im Zusammenhang mit den Straftaten illusionäre Machtgefühle bisweilen gepaart mit wütend - aggressivem Verhalten festzustellen, bisweilen indessen auch Zeichen von Hilflosigkeit im sozialen und zwischenmenschlichen Bereich.
33Dieser Wertung schließt sich die Kammer u.a. mit der Begründung an, dass verschiedene Haftstrafen und teils mehrjährige Aufenthalte in psychologischer Behandlung offenbar keine Wirkung auf die Verurteilte gezeigt hätten.
34Die Erkrankung habe sich jedoch weder auf das Steuerungsvermögen noch auf die Einsichtsfähigkeit der Verurteilten ausgewirkt. Insbesondere seien die Taten auch nicht Folge einer Pyromanie, da es der Verurteilten nicht um das Erleben des Feuers gegangen sei. Vielmehr seien Haß und Rache die Motive für die Tat am 03.08.1989 gewesen.
35Das Urteil schließt mit den Ausführungen, dass die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB vorlägen. Die Kammer glaube jedoch, von der Verhängung der Sicherungsverwahrung absehen zu können. Dies sei gerechtfertigt, wenn zu erwarten sei, dass für den Täter schon die Verbüßung der Strafe hinreichende Warnung von der Begehung weiterer Straftaten sei. Dies sei trotz Bedenken zu erwarten, da aufgrund des fortschreitenden Alters während der Haft auch bei der Verurteilten eine grundlegende Beruhigung ihrer gefährlichen Aggressionstendenzen eintreten würde.
36Insgesamt ergaben sich in der Inhaftierung verschiedene Auffälligkeiten. So entwendete die Verurteilte ständig verschiedene Gegenstände. Auch deponierte sie Kothaufen in der Dusche, wenn sie sauer war. Darüber hinaus versuchte sie immer wieder, Mülleimer in Brand zu setzen. Es kam auch regelmäßig zu verschiedenen suizidalen Handlungen, in Folge derer sie in den Jahren 1998 und 1999 jeweils in die Rheinischen Kliniken verlegt wurde. Dort versuchte die Verurteilte, andere Patienten zu überreden, Feuer zu legen.
37Erst in den letzten Jahren entwickelte sich die Verurteilte zunächst positiv und sprach Probleme an. Als ihr jedoch mitgeteilt wurde, dass sie bei einer Entlassung in eine Einrichtung des betreuten Wohnens teilweise ihr eigenes Geld zur Zahlung der Unkosten aufgewendet wurden müsste, verschloss sie sich wieder und fiel in alte Verhaltensweisen zurück.
38Da die Strafhaft der Verurteilten am 05.04.2005 beendet ist und sie daher am 24.03.2005 entlassen werden soll, hat die Staatsanwaltschaft mit Antrag vom 14.03.2005 beantragt, gegen die Verurteilte einen Unterbringungsbefehl gemäß § 275 a Abs. 5 StPO zu erlassen und nachträglich gemäß § 66 b StPO Sicherungsverwahrung anzuordnen.
39II.
40Der gemäß § 275 Abs. 5 StPO zulässige Antrag auf Erlass eines Unterbringungsbefehls hat in der Sache keinen Erfolg, da keine dringenden Gründe dafür vorhanden sind, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird.
41Eine nachträglich Anordnung der Sicherungsverwahrung scheidet aus, da die Taten, aufgrund derer die Verurteilung erfolgt ist, nicht Bestandteil des Kataloges des § 66 b StPO sind und nach der Verurteilung keine Tatsachen erkennbar geworden sind, die eine nachträgliche Unterbringung rechtfertigen würden. Im Einzelnen:
42Gemäß § 66 b StGB kommt eine nachträglich Sicherungsverwahrung nur dann in Betracht, wenn bestimmte Anlasstaten vorliegen. Diese werden in Form eines Kataloges in § 66 b Abs. 1 StGB enumerativ und abschließend aufgezählt (vgl. Ullenbruch in MüKo zum StGB, § 66 b, Rn. 59).
43Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder eines solchen nach §§ 250, 251 StGB, auch in Verbindung mit §§ 252,255 StGB Anlasstaten im Sinne des § 66 b StGB sein können. Daneben kommen ausdrücklich unter Nennung der Norm genannte Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Betracht.
44Die hier als Anlasstat verurteilte besonders schwere Brandstiftung gemäß §§ 306, 307 StGB in der vom 10.03.1987 bis 31.03.1998 geltenden Fassung fallen nicht unter diesen Katalog. So ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetztes, dass mit "Verbrechen gegen das Leben" nur solche gemeint sein können, die im besonderen Teil des StGB im 16. Abschnitt als solche bezeichnet werden. Hierunter fällt die besonders schwere Brandstiftung nicht.
45Auch aus dem Kontext des Gesetzestextes ergibt sich das gleiche (vgl. Kinzig in NStZ 2004, S. 655, 656 f.). Insbesondere umfaßt die Formulierung nicht alle Straftaten, bei denen eine Qualifikation des Grundtatbestandes durch die fahrlässige Verursachung des Todes eines Menschen eintritt. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre die ausdrückliche Aufnahme des § 251 StGB (Raub mit Todesfolge) nicht erforderlich gewesen. Auch hier tritt wie bei der besonders schweren Brandstiftung bei vorsätzlicher Verursachung des Grundtatbestandes die qualifizierende Folge aufgrund von Fahrlässigkeit ein. Da der Gesetzgeber jedoch den Tatbestand des § 251 StGB in den Katalog des § 66 b StGB ausdrücklich mit aufgenommen hat, bringt er hierdurch zum Ausdruck, dass nicht alle Tatbestände, die gemeingefährlich sind oder bei denen der Tod eines Menschen fahrlässig verursacht wurde, eine Katalogtat sein sollen. Vielmehr hätten die Vorschriften des 28. Abschnittes des besonderen Teils des StGB ausdrücklich insgesamt oder enumerativ aufgenommen werden müssen.
46Schließlich läßt sich aus den Gesetzesmaterialien schließen, dass der Gesetzgeber den besonders gravierenden Einschnitt durch die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung begrenzen wollte. So wurde im Entwurf des Gesetzes zur nachträglichen Einführung der Sicherungsverwahrung vom 02.04.2004 (Bt-Drucksache 15/2887) zunächst nur der Katalog des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannt. Damit wäre eine nachträglich Sicherungsverwahrung in einem bedeuten größeren Rahmen möglich gewesen. Nach Beratung im Rechtsausschuss wird sodann der oben genannte Katalog eingefügt. Zur Begründung wird folgendes ausgeführt (vgl. Bt-Drucksachen 15/3346):
47"Der Katalog der Anlasstaten, nach denen die nachträglich Anordnung der Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, ist eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 10.Februar 2004 (2 BvR 834/02) angelehnt."
48Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Anwendung des § 66 b StGB auf besondere Fälle der erheblichen Gefährdung beschränkt bleibt, die der Gesetzgeber selbst ausdrücklich festlegt.
49Hierzu hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 10.02.2004 (veröffentlicht in NJW 2004, S. 750 ff) ausdrücklich festgestellt, dass gegenwärtige Gefahren für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person oder die sexuelle Selbstbestimmung, die von besonders rückfallgefährdeten Straftätern ausgehen, durch Straftäterunterbringungsgesetze zu vermeiden sind. Wie der zuständige Bundesgesetzgeber dieses Ziel verfolgt, habe der Gesetzgeber in Ausübung seines ihm zum Grundrechtsschutz eröffneten Gestaltungsspielraumes in eigener Verantwortung zu prüfen.
50Zwar erscheint fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht mit der vorgenannten Formulierung eine Beschränkung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf Anlasstaten aus den entsprechenden Abschnitten des besonderen Teils des StGB beschränken wollte, wovon der Gesetzgeber scheinbar ausgeht (vgl. Kinzig a.a.O.). Der Gesetzgeber hat jedoch durch die entsprechende Festlegung jedenfalls seinen Gestaltungsspielraum entsprechend ausgeübt.
51Auch aus der Begründung zu dem Entwurf des § 66 a StGB vom 01.08.2002 (Bt-Drucksachen 14/9847) ergibt sich, dass mit Straften gegen das Leben nur die des 16. Abschnitts des besonderen Teils des StGB gemeint sind. In diesem Entwurf wurde unter § 66 a Abs. 2 StGB auch ausdrücklich die Formulierung "Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung ..." aufgenommen. Hier wird in der Begründung (S. 8) folgendes ausgeführt:
52"... Deshalb beschränkt sich die Regelung auf Straftaten aus dem 13., 16. und 17. Abschnitt des besonderen Teils des Strafgesetzbuches und eine wenige weitere Delikte, durch die die Opfer regelmäßig seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Es wird nicht verkannt, dass dadurch im Einzelfall einmal eine Lücke entstehen kann."
53Damit hat der Gesetzgeber jedenfalls für diesen Entwurf klargestellt, dass sich die Formulierung nur auf die durch Bezeichnung genannten Abschnitte des besonderen Teils des StGB beziehen soll und Lücken sogar in Kauf genommen werden, um den hohen Anforderungen des erheblichen Eingriffs in die Freiheitsrechte des Einzelnen gerecht werden zu können. Da dieser Katalog unverändert in den heutigen § 66 b StGB übernommen wurde und eine Änderung des Willens des Gesetzgebers nicht ersichtlich ist, spricht auch diese Begründung für die beschränkende Auslegung des Kataloges.
54Folglich kommt die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bereits mangels Vorliegen einer Anlasstat bei Verurteilung nicht in Betracht.
55Vorliegend kommt eine Sicherungsverwahrung jedoch auch aus einem weiteren Grund nicht in Betracht. Es liegen keine nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen vor, die eine Sicherungsverwahrung rechtfertigen würden:
56Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass die nachträglich Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b StGB nur dann in Betracht kommt, wenn neue Tatsachen vorliegen, die erheblich sind.
57Dabei liegen neue Tatsachen in diesem Sinne nur vor, wenn diese während des Vollzuges der Freiheitsstrafe nach der Anfangsverurteilung neu eingetreten oder bekanntgeworden sind (vgl. Ullenbruch a.a.O., § 66 b, Rn 72). Demgemäß setzt eine nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung voraus, dass während des Vollzuges Tatsachen zutage treten, die geeignet sind, die Persönlichkeit des Verurteilten und damit das Rückfallrisiko in einem neuen Licht erscheinen zu lassen (vgl. OLG Rostock in StraFo 2005, 123 ff.). Insbesondere kommt eine nachträgliche Anordnung aufgrund einer neuen Prognoseentscheidung anhand der bei der Urteilsverkündung bekannten Tatsachen nicht in Betracht. Dies entspräche einem nachträglichen Eingriff in die Rechtskraft des Ausgangsurteils zuungunsten des Verurteilten. Ein solcher Eingriff kann jedoch nur dann gerechtfertigt sein, wenn er an Umstände anknüpft, die bei der Verurteilung nicht berücksichtigt wurden. Insbesondere kann das Verfahren der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht zu einer erneuten Prüfung des ursprünglichen Urteils führen. (vgl. OLG Rostock a.a.O., m.w.N.).
58Darüber hinaus müssen die neuen Tatsachen erheblich sein (vgl. Begründung des Entwurfs vom 02.04.2004). S. 12, Bt-Drucksachen 15/2887). Welche Tatsachen als erheblich in diesem Sinn anzusehen sind, hat der Gesetzgeber nicht festgelegt. Insbesondere hat er keine Tatsachen in Form einer Aufzählung in die Vorschrift des § 66 b StGB aufgenommen. In der vorgenannten Begründung wird folgendes ausgeführt:
59"... Damit sind z.B. wiederholte verbalaggressive Angriffe auf Bedienstete der JVA als Anknüpfungspunkte für eine weitere Prüfung ebenso denkbar wie Drohungen des Verurteilten, nach der Entlassung weitere Straftaten zu begehen, die Begehung einer erneuten Straftat während des Vollzuges der Freiheitsstrafe oder intensive Kontakte zu einem gewaltbereiten Milieu aus der Haft heraus."
60Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewußt einen offenen Tatbestand schaffen wollte.
61Jedoch kann nicht jedes Verhalten der Verurteilten aus dem Strafvollzug für die Einleitung eines nachträglichen Sicherungsverfahrens herangezogen werden. Insbesondere kann ein fehlendes Wohlverhalten im Vollzug alleine die Unterbringung nicht rechtfertigen. So ist auch die Feststellung, dass die Gefährlichkeit der Verurteilten nach Verbüßung der Freiheitsstrafe weiterhin unvermindert fortbesteht, keine nach der Verurteilung eingetretene Tatsache (vgl. OLG Koblenz in NStZ 2005, 97 ff).
62Als erhebliche Tatsache kommt hingegen beispielsweise in Betracht, wenn während des Strafvollzuges psychische Erkrankungen festgestellt werden, die erst während der Haftzeit diagnostiziert werden. Ebenso kann jede Handlung der Verurteilten berücksichtigt werden, die Schlüsse auf eine deutlich erhöhte Gefährlichkeit ermöglichen (vgl. OLG Koblenz a.a.O.).
63Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien ist festzustellen, dass erhebliche neue Tatsachen, die auf eine deutlich erhöhte Gefährlichkeit der Verurteilten hindeuten würden, nicht vorliegen. Zwar mag die Verurteilte weiterhin als gefährlich einzustufen sein. Dies hat die Kammer jedoch bereits im Ausgangsurteil festgestellt, indem sie die Voraussetzungen einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bei der Verurteilten bejaht hat. Die Kammer hat dennoch von einer Unterbringung abgesehen.
64Betrachtet man nunmehr die Tatsachen, die der Verurteilung und der damaligen Prognose zugrunde lagen, so wird deutlich, dass die in der Haft bekannt gewordenen Tatsachen die Gefährlichkeit der Verurteilten nicht in einem neuen Licht erscheinen lassen.
65Bei der Verurteilung war bekannt, dass die Verurteilte Brandstiftungen in erheblicher Zahl und an vollkommen verschiedenen Orten begangen hat. Das Urteil stellt sogar fest, dass die Brandstiftungen in einem Fall den Tod von drei Menschen verursacht hat. Aus den Feststellungen des Urteils ergibt sich auch, dass die Verurteilte die Taten nicht aufgrund einer psychischen Erkrankung begangen hat, sondern Motive wie Haß und Rache hierfür tragend waren. Teilweise reichten auch scheinbar nichtige Anlässe, wie beispielsweise die fehlende Lust zur Arbeit zu gehen, aus, einen Brand zu legen. Schließlich ergibt sich aus der Annahme der Kammer, die Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung lägen vor, dass die Kammer auch damals unterstützt durch die Beurteilung durch zwei Sachverständige von einer erheblichen Gefährlichkeit der Verurteilten ausgegangen ist.
66Die nunmehr vorgetragenen Tatsachen, dass die Verurteilte auch während der Haftzeit immer wieder versucht hat, Mülleimer oder andere Gegenstände zu entzünden, stellt sich im Vergleich zu den der Verurteilung zugrunde liegenden Tatsachen als eher nebensächlich dar. Das gleiche gilt für die während der Haftzeit weiterhin regelmäßig begangenen Diebstähle.
67Auch die suizidalen Handlungen lassen keinen Schluss auf eine erhöhte Gefährlichkeit der Verurteilten zu, zumal auch bei der Ausgangsverurteilung bekannt war, dass die Verurteilte mehrfach versucht hatte, sich das Leben zu nehmen.
68Soweit darauf abgestellt werden könnte, dass die Verurteilte aufgrund eines nichtigen Anlasses in alte Verhaltensweisen zurückgefallen ist, führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Richtig ist zwar, dass die Verurteilte allein aufgrund der Tatsache, dass sie teilweise ihre Ersparnisse für die Unterbringung in einer Einrichtung der betreuten Wohnens aufbringen müsste, in alte Verhaltensweisen zurückgefallen ist. Jedoch stellt das Zurückfallen in alte Verhaltensweisen keine neue und erhebliche Tatsache dar, die erst nach der Verurteilung bekannt geworden ist. Wie bereits dargelegt können das fehlende Wohlverhalten im Vollzug und die Verweigerung von Resozialisierungsmaßnahmen allenfalls eine zusätzliche Entscheidungshilfe sein, jedoch nicht entscheidende Gesichtspunkte für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (vgl. BVerfG in NJW 2004, S. 750, 758).
69Schließlich ergibt sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. T vom 09.07.2004 nicht anderes. Zwar weißt auch der Gutachter darauf hin, dass die Gefährlichkeit der Verurteilten nur ausgeschlossen werden kann, wenn nach der Entlassung verschiedene genau festgelegte Kriterien eingehalten werden. Das Gutachten enthält jedoch keine wesentlichen Tatsachen, die die Gefährlichkeit der Verurteilten in einem neuen Licht erscheinen ließen.
70Nach alledem scheidet die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegend aus.
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