Urteil vom Landgericht Köln - 27 O 429/05
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 12.294,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 11.204,71 € seit dem 21.06.2005 und von 1.089,79 seit dem 12.07.2005 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Mit Mietvertrag vom 3.9.1993 (Bl. 13 GA) mietete die L GmbH & Co. KG, T, von der W KG, Köln, eine Verkaufsfläche im Erdgeschoss nebst Neben- und Lagerfläche in der F-Straße in Köln. Die Kläger erwarben später das Objekt und sind damit in dem Mietvertrag eingetretenen. Die Beklagte trat mit Schreiben vom 13.12.2000 mit Zustimmung der Kläger in den bestehenden Vertrag ein. Das Mietverhältnis endete am 15.02.2004. Gemäß § 6 des Mietvertrages wurde die Beklagte bzw. ihre Vorgängerin anteilig an den Nebenkosten beteiligt. Zu den von ihr zu tragenden Nebenkosten gehörten danach gemäß § 6 lit e) und g) u.a. "sonstige Kosten gem. § 27 der zweiten Berechnungsverordnung" und das "Verwalterhonorar".
3Die Kläger und ihre Vorgängerin haben die Abwicklung der Mietverhältnisse in dem Objekt Verwaltergesellschaften übertragen, die auch die Nebenkostenabrechnungen erstellten. Dies war zunächst die XX Immobilienbeteiligung und Verwaltung S GmbH und anschliessend deren Rechtsnachfolgerin X Einkaufszentren Management- und Verwaltungsgesellschaft S GmbH Köln, seit 2001 schließlich die Firma N GmbH. Für die Jahre 1993 bis 2001 erstellten die Verwalter für die Kläger jeweils Nebenkostenabrechnungen, in denen weder der Allgemeinstrom, noch Wartungskosten für die Heizung, Verwaltergebühren noch Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen auf die Beklagte oder ihre Vorgängerin umgelegt wurden. Mit den Nebenkostenabrechnungen vom 23.9.2004 für die Jahre 2002 (Bl. 20 GA) und 2003 (Bl. 21 GA) machten die Kläger erstmals die Umlage dieser Positionen geltend.
4Die Beklagte verweigerte die Bezahlung dieser Positionen in Höhe von 5.172,19 € für das Jahr 2002 und 6.274,88 € für das Jahr 2003, weil sie der Ansicht sei, sie sei rechtlich zur Bezahlung nicht verpflichtet.
5Schließlich erstellten die Kläger mit Schreiben vom 10.06.2005 (Bl. 22 GA) eine Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum vom 1.1. bis 15.2.2004 über 1.089,79 €, die von der Beklagten nicht bezahlt wurde. Hinsichtlich dieser Rechnung erklären die Kläger die Aufrechnung mit einem Guthaben des Beklagten aus der Mietnebenkostenabrechnung für das Jahr 2001 in Höhe von 242,36 €.
6Die Kläger beantragen,
7die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 12.294,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 11.204,71 € seit 21.06.2005 und von 1.089,79 seit 12.07.2005 zu zahlen.
8Die Beklagte erkennt den Anspruch hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2004 in Höhe von 337,13 € an.
9Im übrigen beantragt sie,
10die Klage abzuweisen.
11Sie ist der Ansicht, weil die Kläger und ihre Vorgängerin in früheren Nebenkostenabrechnungen die genannten Positionen nicht in Rechnung gestellt habe, sei stillschweigend vereinbart worden, dass diese Position nicht auf die Mieterin umgelegt werde.
12Sie macht außerdem geltend, dass ein Anspruch der Kläger auf Umlage dieser Nebenkosten wegen der achtjährigen abweichenden Praxis der Nebenkostenabrechnung auch für die Zukunft verwirkt sei. Sie beruft sich insofern auf den Rechtsgedanken des § 556 Abs. 3 BGB.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
16Die Forderung aus der Abrechnung für das Jahr 2004 hat die Beklagte insoweit anerkannt, als mit dieser Abrechnung nicht die die Kosten für Allgemeinstrom, Wartungskosten der Heizung sowie für die Schädlingsbekämpfung auf sie umgelegt wurden, also hinsichtlich eines Betrages von 337,13 € nebst Zinsen seit dem 12.07.2005.
17Die Kläger haben darüber hinaus Anspruch auf Zahlung der restlichen Nebenkostenforderungen für die Jahre 2002 bis 2004. Die Parteien haben in § 6 lit e) und g) des Mietvertrages vereinbart, dass u.a. "sonstige Kosten gem. § 27 der II. Berechnungsverordnung" und das "Verwalterhonorar"als Mietnebenkosten anteilig von der Beklagten zu tragen sind. Unter die sonstigen Kosten gemäß § 27 der II. Berechnungsverordnung fallen die Kosten für Allgemeinstrom, Wartungskosten der Heizung und Schädlingsbekämpfung, deren Bezahlung die Beklagte verweigert.
18Der Mietvertrag wurde von den Parteien hinsichtlich dieser Nebenkosten nicht dadurch stillschweigend geändert, dass die Kläger die Positionen "Allgemeinstrom", "Wartungskosten für die Heizung", "Verwaltergebühren" und "Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen" acht Jahre lang nicht geltend gemacht haben. Zwar ist anerkannt, dass die Umlage einzelner sonstiger Betriebskosten durch stillschweigend vereinbart worden sein kann, wenn der Vermieter über mehrere Jahre hinweg Nebenkosten auf den Mieter umlegt, deren Umlage vertraglich nicht vereinbart ist, und der Mieter jeweils diese Kosten vorbehaltlos bezahlt (vgl. BGH WuM 2004, 292 mwN). Entgegend der Ansicht der Beklagten gilt dies aber nicht ohne weiteres im umgekehrten Fall, in dem Mietnebenkosten jahrelang nicht geltend gemacht wurden, jedenfalls dann nicht, wenn weitere Anhaltspunkte für einen entsprechenden Erklärungswillen der Parteien nicht vorliegen. Denn weder darf der Mieter das Unterlassen der Berechnung ohne weiteres als eine Willenserklärung des Vermieters verstehen, dass er auf die Geltendmachung dieser Position auch für die Zukunft verzichten will, noch ist der Bezahlung durch den Mieter ein Erklärungsgehalt beizumessen, der dahin geht, dass der Mieter alle nicht umgelegten Kosten auch als nicht umlagefähig vereinbart ansieht. Vielmehr ist das Unterlassen der Geltendmachung von Nebenkosten ein mehrdeutiges Verhalten, so dass der Mieter ohne weitere Anhaltspunkte für einen entsprechenden Erklärungswillen des Vermieters davon ausgehen muss, dass es sich um einen Irrtum des Vermieters, möglicherweise auch nur um einen Verzicht für das abgerechnete Jahr handelt. Dies gilt auch dann, wenn die entsprechenden Positionen über Jahre hinweg nicht geltend gemacht werden. Im Falle der Kosten der Schädlingsbkämpfung kann der Mieter ohnehin nicht davon ausgehen, dass diese in jedem Jahr anfallen.
19Der Anspruch auf Umlegung auf den Mieter ist auch nicht verwirkt. Verwirkung kann nur dann angenommen werden, wenn ein Recht über einen längeren Zeitraum hinweg nicht wahrgenommen wird und darüber hinaus der Vertragspartner darauf vertrauen durfte, dass dieses auch künftig nicht mehr geltend gemacht werde, und er sich hierauf bereits eingerichtet hat (BGH WuM 1984, 127, 128; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage 1999, VI Rnr. 101). Es ist zweifelhaft, ob das insoweit erforderliche Zeitmoment gegeben ist. Zwar wurde die Verpflichtung zur Tragung der genannten Nebenkosten durch die Kläger erstmals nach acht Jahren Mietzeit geltend gemacht. Nach dem Ablauf eines solchen Zeitraums ist zwar an die Verwirkung der bereits entstandenen Ansprüche zu denken.
20Allerdings führt der bloße Zeitablauf selbst nicht notwendig zur Verwirkung des Anspruchs des Vermieters. Verwirkung tritt vielmehr erst dann ein, wenn über den Zeitablauf hinaus weitere besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung rechtfertigen, der Mieter habe darauf vertrauen dürfen, daß der Vermieter die Forderung nicht mehr stellen werde (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 1666). Dem Umstand, dass mehrere Verwaltungsgesellschaften die Abrechnung in gleicher Weise durchgeführt haben, ist ein derartiger weiterer Vertrauenstatbestand nicht zu entnehmen. Auch hier mußte die Beklagte davon ausgehen, dass die Unterbliebene Abrechnung auf einem Irrtum beruhte und daher in Zukunft weiterhin mit der Geltendmachung dieser Posten zu rechnen sei. Bei den Positionen Schädlingsbekämpfung konnte die Beklagte noch nicht einmal davon ausgehen, dass in den vorangegangenen Jahren insoweit umlagefähige Kosten entstanden waren.
21Zweifelhaft ist auch grundsätzlich, dass eine Verwirkung nicht nur die in der Vergangenheit abgerechneten Nebenkosten beträfe, sondern auch für alle künftigen Ansprüche gelte. Eine derartig weitreichende Folge ist auch unter Berücksichtigung des Vertrauensinteresses des Mieters nicht gerechtfertigt. Denn dass der Mieter im Vertrauen auf die Vollständigkeit der abgerechneten Nebenkostenpositionen für die Dauer des gesamten Mietverhältnisses Vermögensdispositionen getroffen hat, ist in aller Regel fernliegend, zumal der Mieter für die Zukunft neu disponieren kann. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1666. Dieser Fall betraf eine Mieterhöhung durch Gleitklausel, die über 4 Jahre hinweg nicht geltend gemacht worden war, wobei auch hier zunächst nur die Mieten für die Vergangenheit verlangt wurden. Das Gericht hat in der genannten Entscheidung aber keineswegs die Ansicht vertreten, dass eine Berufung auf die Gleitklausel auch nach erneutem Eintritt der Voraussetzungen der Mieterhöhung durch Verwirkung ausgeschlossen sei.
22Jedenfalls aber ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in den Jahren 2002 und 2003 im Vertrauen auf ein Unterbleiben der Umlage dieser Positionen Vermögensdispositionen getroffen hat. Weder wurde vorgetragen, dass eine Kündigung des Mietvertrages in Erwägung gezogen wurde, noch wurde substantiiert dargelegt, dass sich eine derartig erhöhte Miete in irgendeiner Weise auf die Preiskalkulation ausgewirkt hätte. Das sich ein Betrag von maximal 10.000,- € pro Jahr tatsächlich meßbar in der Preiskalkulation niedergeschlagen hätte, darf angesichts der Lage des Geschäfts auch bezweifelt werden.
23Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 23.05.2006 ist nicht erforderlich.
24Der Höhe nach sind die geltend gemachten Nebenkosten unstreitig, so dass sich der Anspruch der Kläger in der ausgeurteilten Höhe ergibt.
25Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.