Urteil vom Landgericht Köln - 15 O 512/05
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig voll-streckbar.
1
T A T B E S T A N D:
2Die Klage stützt sich auf eine Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F AG Köln, die an zahlreichen Firmen beteiligt war bzw. Töchter hatte. Das Insolvenzverfahren wurde am 26.2.2004 eröffnet, die Quote soll sich auf nur 13,99% belaufen. Die Insolvenzschuldnerin verpfändete unter dem 21.11.02, als sich die Gesellschaft möglicherweise vor der Zahlungsunfähigkeit, jedenfalls aber in Zahlungsschwierigkeiten befand, Geschäftsanteile an der W GmbH C in Höhe von 331.200,00 DM sowie die auf diese Anteile entfallenden Gewinnausschüttungsansprüche an die Beklagte zur Absicherung deren Ansprüche aus der Geschäftverbindung mit der Insolvenzschuldnerin. Auf die Anlage K 6 wird insoweit Bezug genommen. Hintergrund war die Absicherung eines früher gewährten sog. Pallas-Kredits über ca. 4 Mill. DM. Jedenfalls schon Anfang 2002 hatten sich (erhebliche) Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft gezeigt, die Jahressschlussbilanz, deren Richtigkeit nicht in allen Punkten unbestritten ist, wies einen Verlust von über 13 Mill. € aus. Anfang des Jahres setzten Sanierungsbemühungen ein. Sowohl eine gutachterliche Analyse des Dr. W2 vom 26.2.02 als auch ein Schreiben der Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft vom 6.5.02 wiesen auf – von der Beklagten bestrittene - drastische Liquiditätsschwierigkeiten und die Notwendigkeit entsprechender, umgehend zu treffender Gegenmaßnahmen hin. Anfang November 2002 – so jedenfalls der Klagevortrag - fanden Sanierungsberatungen statt. Unter dem 26.11.02 lag ein Gutachten der M. A & Co. GmbH vor. Inzwischen waren seitens des Landes öffentliche Mittel über 6.6 Mill. € zugesagt, und zwar zur Realisierung des sog. "TelNav-Projektes". Es war die Errichtung eines Telefonnavigationssystems auf digitaler Basis vorgesehen. Da die Auszahlung der Fördermittel erst für 2003 und 2004 vorgesehen war, bedurfte es einer privaten Vorfinanzierung. Diese war durch die Beklagte vorgesehen. Auf deren Schreiben bzw. e-mail vom 18.9.02, Anlage K 35, wird Bezug genommen. Diese "Zusage" – über deren rechtsverbindliche Wirkung wird gestritten – wurde später, jedenfalls unter dem 8.1.03, vgl. Anlage K 37, widerrufen.
3Im Verlauf des Jahres 2003 veräußerte die W GmbH, damals noch firmierend unter Q GmbH, Assets an verschiedene Gesellschaften. Diese zahlten die Kaufpreise unmittelbar auf ein bei der Beklagten geführtes Konto der Insolvenzschuldnerin. Die Beklagte nahm eine Verrechnung mit ihren Ansprüchen gegen die Insolvenzschuldnerin vor. Dies führte zu einer Verringerung der Kreditverbindlichkeiten in Höhe des Klagebetrages Ziffer 2.
4Der Kläger meint, die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO bzw. des § 96 I Nr.3 InsO lägen vor. Er behauptet, mit den Verpfändungen habe die Insolvenzschuldnerin im wesentlichen über ihr damaliges, noch werthaltiges Vermögen verfügt. Im November 2002 habe die Firma unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden und sei mit zahlreichen fälligen, wenngleich sodann gestundeten Forderungen konfrontiert gewesen. Der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. T habe zweifellos mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt, ein Umstand, der der Beklagten angesichts aller Umstände nicht habe verborgen geblieben sein können. Dessen Auskünfte in der insolvenzrechtlichen Befragung (vgl. Anlge K 36) seien nicht glaubhaft. Die seitens der Beklagten zugesagte Vorfinanzierung in Aussicht gestellter öffentlicher Mittel sei bei einem Telefonat vom 20.11.2002 widerrufen worden. Der Kläger meint, die Beklagte müsse auf die Pfandrechte verzichten und die erlangten Zahlungen, die nichts anderes als Erlöse aus der Realisierung der verpfändeten Gewinnanteile in Höhe von letztlich € 3.081.173,93 darstellten, auskehren. Jedenfalls stammten diese Zahlungen aus einer anfechtbaren Verrechnungslage.
5Der Klägerin beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen,
7auf ihr vertragliches Pfandrecht an den von der F AG gehaltenen Geschäftsanteilen von 3 x 2.000,00 DM, 4 x 14.100 DM, 3 x 15.000,0 DM, 1 x 16.600,0 DM 5 x 17.000,00 DM, 2 x 20.000,00, 1 x 24.200,00 DM und 2 x 29.000,00 DM der W GmbH C, eingetragen im HR des AG Köln, HRB 43746, sowie auf das Pfandrecht an den auf diese Geschäftsanteile anfallenden Gewinnanteilen und den Ansprüchen auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens im Falle des Ausscheidens aus der Gesellschaft oder ihrer Liquidation zu verzichten
8sowie an den Kläger € 3.081.173,93 nebst 5% Punkte Zinsen über Basiszinssatz seit dem 26.2.04 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie meint, einen Zahlungsanspruch habe der Kläger von vornherein nicht. Die Zahlungen beruhten nicht auf einer Verwertung des Pfandrechts, da die Schuldner auf ein Konto der Insolvenzschuldnerin gezahlt hätten mit der Folge einer bloßen Verrechnung mit den Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin. Die Beklagte behauptet, die Insolvenzschuldnerin habe damals keineswegs sicher vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden. Von einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vorstandesvorsitzenden, der möglicherweise keine realistische Einschätzung verfolgt habe, könne auch angesichts zahlreicher Sanierungsbemühungen gar keine Rede sein. Jedenfalls sei ihr eine etwaige Benachteilungsabsicht nicht bekannt gewesen. Im übrigen
12sei schon bei Gewährung des Pallas-Kredits die spätere Verpfändung auf jederzeitiges Anfordern verabredet gewesen.
13E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
14Die Klage ist nicht begründet.
15Der Kläger hat keine insolvenzrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte, wobei dahingestellt werden kann, ob unmittelbare Zahlungsansprüche gemäß dem Klageantrag zu 2. vorliegend überhaupt in Betracht kommen können.
16Offen kann zunächst bleiben, ob die angefochten Maßnahmen eine Gläubigerbenachteiligung bedeuteten. Jedenfalls ist auch bei Annahme einer sog. inkongruenten Deckung – deren Indizwirkung vorliegend jedenfalls im Hinblick auf die diesbezüglichen, schon ursprünglich vereinbarten AGB der Beklagten eher gering wäre - schon eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht im Sinne von § 133 InsO nicht schlüssig dargelegt. Der Bewertung des Klägers, wie sie auch in der Zusammenfassung auf S. 49 der Klageschrift zum Ausdruck kommt, ist nicht zu folgen. Es ist schon zweifelhaft, ob nennenswert auf die behaupteten Forderungen abgestellt werden kann, denen sich die Gesellschaft im November 2002 gegenüber sah. Der Kläger muss die Stundung der Forderungen durch sämtliche Großgläubiger einräumen. Insolvenzanträge wurden seitens der Gläubiger gerade nicht gestellt. Dieses Verhalten zeigt, dass die Gläubiger zum damaligen Zeitpunkt noch Hoffnungen auf eine Realisierung ihrer Forderungen hatten. Dies lässt entsprechende Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft zu. Auch die unstreitigen Sanierungsbemühungen auf die unstreitig erfolgten warnenden Hinweise auf die schwierige Lage der Gesellschaft sprechen jedenfalls nicht von vornherein für den behaupteten Vorsatz, sondern eher gegen eine Gläubigerbenachteiligungsansicht. Im Rahmen der
17Gesamtwürdigung des Klagevortrages, die keine Beweisaufnahme erfordert, kann zwar in der Tat die Auskunft des Dr. T im Insolvenzverfahren nicht unbeachtet bleiben. Die Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden mag in dem einen oder anderen Punkt zweifelhaft erscheinen bzw. nachweislich falsch sein. Dies bedeutet entgegen dem Klagevortrag noch nicht, dass damit eine Benachteiligungsabsicht schon bewiesen wäre bzw. indiziell im Raum stünde. Dass Dr. T bei seinen Auskünften auch die persönliche Situation im Blick hatte, ist naheliegend, ändert nichts an dieser Bewertung. Er mag sich ggf. wegen verspäteter Insolvenzantragstellung zu verantworten haben; indes reicht dies für sich gesehen zugunsten des darlegungs- und beweispflichtigen Kläger nicht aus. Vielmehr kann die relativ späte Antragstellung und damit ein Zwang zum früheren Tätigwerden auch dafür sprechen, dass in der Tat im November 2002 noch auf den Erfolg der Sanierungsbemühungen gesetzt werden konnte, mit der Folge, dass ein damaliger Benachteiligungsvorsatz eben nicht auf der Hand liegt. Schließlich sprechen eindeutig gegen das Klagevorbringen die Umstände um die private Vorfinanzierung der bewilligten öffentlichen Mittel zur Verwirklichung des Navigationsprojektes durch das Tochterunternehmen der Gesellschaft. Unstreitig waren diese Mittel zugesagt, so dass die Hoffnungen auf entsprechende Umsätze bei Realisierung des Objekts nicht unbegründet waren, ungeachtet der etwa fehlenden Bereitschaft anderer Banken, unterstützend einzugreifen. Dem Schreiben der Beklagten vom 18.9.2002, versehen mit zwei Unterschriften, ist ohne weiteres ein rechtsverbindlicher Charakter zu entnehmen. In dieser Urkunde hat sich die Beklagte zur Vorfinanzierung unter bestimmten, indes nicht zweifelhaften Voraussetzungen verpflichtet. Der Streit hierüber ist nicht verständlich. Durfte aber der Vorstandsvorsitzende von einer verbindlichen Zusage der Beklagten ausgehen, musste er keineswegs annehmen, die behaupteten, unter dem 20.11.02 bloß telefonisch erfolgten Erklärungen eines Mitarbeiters der Beklagten hätten rechtswirksam einen Widerruf der Zusage bedeutet. Im übrigen distanzierte sich die Beklagte in banküblicher, schriftlicher, mit zwei Unterschriften versehener Form erst mit Brief vom 8.1.2003 von ihrer früheren Zusage.
18Vorstehende Ausführungen betreffen nicht nur den Anspruch auf Verzicht auf die Pfandrechte, sondern auch die Zahlungsforderung. Die Kammer stimmt der Ansicht des Klägers zu, dass die Zahlungen auf die Verwertung der verpfändeten Gewinnansprüche zurückgehen. Bei der gerade hier gebotenen wertenden Betrachtung der Vorgänge ist eine "saubere juristische Differenzierung" gerade nicht richtig. Nur vordergründig geht es um eine schlichte Verrechnung von Forderungen zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin. Die Beklagte hatte Pfandrechte gerade an den Assets, die von der GmbH veräußert wurden. Wenn die Kaufpreise letztlich der Beklage zugute kamen, wenn auch "nur" im Wege der Verrechnung auf dem Konto der Schuldnerin, indem die Zahlungen, wie von vornherein unter Einschaltung der Muttergesellschaft verabredet, auf dieses Konto flossen, waren hierfür Grundlage die – allerdings, wie ausgeführt, anfechtungsfest eingeräumten - Pfandrechte. Damit kommt der Verrechnung im September 2003 keine selbständige anfechtungsrechtliche Bedeutung zu.
19Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO. Auf § 108 ZPO wird hingewiesen.
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